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Drei Pfeile in der Kulmer Gasse. AvS - SPD Hamburg

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langweilig. Me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheitsfreund<strong>in</strong> Inga – wir waren früher unzertrennlich<br />

gewesen – entfremdete sich mir sehr schnell. Sie war me<strong>in</strong>e Führer<strong>in</strong>, konnte<br />

mir befehlen, und tat das auch. Das konnte ich e<strong>in</strong>fach nicht verstehen.<br />

Wir wurden angehalten, von Tür zu Tür zu gehen und Altmaterial zu sammeln.<br />

Ich wollte das nicht und me<strong>in</strong>e Eltern waren auch dagegen. Me<strong>in</strong> Vater half<br />

mir aus <strong>der</strong> Klemme. Er g<strong>in</strong>g <strong>in</strong>s Parteibüro und machte dort e<strong>in</strong> Riesentheater:<br />

Se<strong>in</strong>e Tochter könnte doch nicht <strong>in</strong> fremde Treppenhäuser gehen, was da alles<br />

passieren könne! Und er hatte Erfolg.<br />

Der älteste Bru<strong>der</strong> me<strong>in</strong>er Mutter war Kommunist gewesen, jetzt wurde er sehr<br />

krank und g<strong>in</strong>g zum Arzt, dem er von früher als Kommunist bekannt war. Der<br />

Arzt tat nichts für ihn. Jedes Mal, wenn er den Arzt aufsuchte, fragte dieser ihn<br />

suffisant: „Na, Herr von Damm, wo tut es denn heute wie<strong>der</strong> weh?“ Als me<strong>in</strong> Onkel<br />

endlich <strong>in</strong>s Krankenhaus kam, war es zu spät. Er hatte Magen- und Darmkrebs<br />

und lag e<strong>in</strong> halbes Jahr unter Schmerzen im Sterben. Er war <strong>der</strong> Liebl<strong>in</strong>gsbru<strong>der</strong><br />

me<strong>in</strong>er Mutter gewesen und sie litt mit. E<strong>in</strong> zweiter Bru<strong>der</strong> war auf <strong>der</strong><br />

Flugzeugwerft <strong>in</strong> F<strong>in</strong>kenwer<strong>der</strong> tätig. Er stellte für alle weiblichen Familienmitglie<strong>der</strong><br />

aus Hydronal Haarreifen her, die wir gerne trugen. Er wurde dann<br />

e<strong>in</strong>gezogen, schwer verwundet<br />

und verlor e<strong>in</strong> Be<strong>in</strong>.<br />

Foto: Mutter und Tochter, beide mit Haarreifen, <strong>in</strong> Bamberg<br />

18<br />

E<strong>in</strong>mal wurden wir mit <strong>der</strong><br />

Klasse <strong>in</strong>s K<strong>in</strong>o geführt. An<br />

den Film er<strong>in</strong>nere ich mich<br />

nicht, aber an die Wochenschau.<br />

Da wurden an <strong>der</strong><br />

Meeresküste Leichen von <strong>der</strong><br />

Brandung an den Strand gespült.<br />

Ich musste die Augen<br />

schließen, weil ich das nicht<br />

ertrug. Der Krieg <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

ganzen Schrecklichkeit war<br />

für uns so wenig vorstellbar<br />

wie die Ermordung <strong>der</strong><br />

Juden. In <strong>der</strong> Kirchenallee<br />

hatte ich Menschen mit dem<br />

Judenstern gesehen. Und auf<br />

Schritt und Tritt sah man<br />

Schil<strong>der</strong> „Für Juden verboten“<br />

o<strong>der</strong> „Juden unerwünscht“.<br />

Aber was mit den Juden wirk-

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