Drei Pfeile in der Kulmer Gasse. AvS - SPD Hamburg
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Ich er<strong>in</strong>nere mich auch, dass wir mit alten<br />
SAJ-lern (die 1933 verbotene Sozialistische<br />
Arbeiterjugend) <strong>in</strong> dieser Zeit e<strong>in</strong>e<br />
Wochenendfahrt nach Altengamme an die<br />
Elbe machten. Da wurde viel gesungen,<br />
Uns<strong>in</strong>n getrieben und getanzt, damals<br />
konnte man noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Elbe baden.<br />
Ich war mit me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheitsfreund<strong>in</strong>,<br />
Inga Carstens, <strong>in</strong> <strong>der</strong>selben Klasse. Sie<br />
und ihre älteren Brü<strong>der</strong>, Rolf und Uwe, ersetzten<br />
mir die Geschwister. Beide Brü<strong>der</strong><br />
„fielen“ im Krieg. Mit zehn Jahren bekam<br />
ich e<strong>in</strong>en Gestellungsbefehl, das heißt, ich<br />
sollte zum Jungmädelbund beim BDM 21 .<br />
Aber ich g<strong>in</strong>g nicht, ich hatte dazu nicht<br />
die ger<strong>in</strong>gste Lust. Auch beim nächsten<br />
Bescheid, mit elf g<strong>in</strong>g ich nicht, auch nicht,<br />
als ich zwölf war. Das hatte für mich dramatische<br />
Folgen. Wir hatten im vierten<br />
Schuljahr e<strong>in</strong>en Biologielehrer, Herrn Zaacke.<br />
Da Biologie me<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gsfach war,<br />
wurde er natürlich me<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gslehrer.<br />
Alfred Urban war gleich zu Anfang des<br />
Krieges e<strong>in</strong>gezogen worden. Er hatte mich für<br />
die Höhere Schule nom<strong>in</strong>iert. Er fiel sehr bald im Krieg. Nun bekamen wir Herrn<br />
Zaacke als Klassenlehrer und ich war darüber zunächst froh. Aber Herr Zaacke<br />
bestimmte nun, ich solle sitzen bleiben. Das war für mich unbegreiflich. Eben<br />
sollte ich noch auf die Höhere Schule und jetzt reichte es nicht e<strong>in</strong>mal für die<br />
nächste Klasse! Ich hatte unter Zaacke sehr zu leiden, er stellte sich als 150prozentiger<br />
Nazi heraus – und ich mit me<strong>in</strong>en zwölf Jahren war nicht beim BDM!<br />
Nach e<strong>in</strong>em halben Jahr bekamen wir an se<strong>in</strong>er Stelle zu me<strong>in</strong>em Schrecken<br />
Fräule<strong>in</strong> Lenz, e<strong>in</strong>e richtige NS-Frauenschaftler<strong>in</strong> mit Knoten und großem<br />
Abzeichen auf ihrem riesigen Busen. Nun ist alles aus, dachte ich. Aber diese<br />
Frau war me<strong>in</strong> Glück, es sche<strong>in</strong>t, dass sie nur nach außen e<strong>in</strong>e ‚Na-zi-ziege’ (e<strong>in</strong><br />
Wortspiel von uns) war, denn ihr hatte ich zu verdanken, dass ich noch <strong>in</strong> den<br />
Oberbau 22 kam.<br />
Gleich zu Anfang des Krieges hatte me<strong>in</strong>e Mutter sich zur Arbeit als K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärtner<strong>in</strong><br />
gemeldet. Sie wollte unbed<strong>in</strong>gt vermeiden, <strong>in</strong> die Munitionsfabrik ge-<br />
Foto: Fibelblatt welches nachträglich überklebt wurde<br />
21 Bund Deutscher Mädel, Mädchenorganisation <strong>der</strong> NSDAP, 1930 gegründet<br />
22 Nach 1919 wurde die alte „Selecta“ <strong>der</strong> Volksschulen, e<strong>in</strong>e Aufbaustufe für die beson<strong>der</strong>s guten Schüler <strong>der</strong> letzten siebenten<br />
Klasse, durch den „Oberbau“ ersetzt, <strong>der</strong> die 8. bis 10.. Klasse umfasste.<br />
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