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Alltagsbewusstsein, Milieu und Konflikte in der betrieblichen Lebenswelt 14 In Anlehnung an das Sinus-Modell der kommerziellen Lebensweltforschung entwickelte Hradil die Lagen- und Milieustrukturanalyse. Hradils Milieumodell ist lebensnah: Wenn Wertorientierungen nicht (mehr) zur Schicht passen (Arbeiterbewusstsein), macht es möglicherweise Sinn, sie als neue Dimension zur Strukturierung zu verwenden (Hradil, 1987, S. 170). Die Subjektivität der Individuen hat Hradil miteinbezogen. Mit dem Milieumodell lassen sich zudem Erwartungen an die Zukunft integrieren. Es erhebt keinen Anspruch auf universale Geltung, sondern will ein Maximum an Analyse der heutigen Strukturen erreichen. Hradil unterscheidet zwischen Makro- und Mikromilieus: Makromilieus umfassen alle Menschen mit ähnlichem Lebensstil, diese können zu völlig unterschiedlichen Kontaktkreisen gehören, z.B.: politische, berufliche Milieus oder Konsummilieus. Mikromilieus meinen Lebensstilgruppen deren Mitglieder in unmittelbarem Kontakt stehen, z.B.: Familien oder Dorfgemeinschaften. Die Zugehörigkeit zu einem Milieu ist nicht lebenslang, aber auch nicht frei wählbar (Hradil, 2001, S. 432). 3.2.3 Die Sinusstudien Bereits seit 1979 nimmt sich das Heidelberger Forschungs- und Beratungsinstitut Sinus Sociovision der Analyse psychographischer Merkmale an. Auf der Basis kontinuierlicher Trendforschung wurden die Bundesbürger in acht Milieu-Gruppen eingeteilt. Da gibt es zum Beispiel die „Etablierten“, die dem selbstbewussten Establishment angehören, klare Karrierestrategien verfolgen, Luxus genießen – und ihn sich auch leisten können. Die „Experimentalisten“ hingegen sind ungezwungen, spontan, kommunikativ und distanzieren sich gern vom Mainstream. Und dann wären da noch die „DDR-Nostalgischen“, die sich als Verlierer der Wende fühlen und Prestige-Konsum ablehnen, oder aber die „Modernen Performer“, die technikbegeisterte, häufig in der New Economy angesiedelte, unkonventionelle und kosmopolitische Leistungselite. Das größte Milieu indes ist aber die „Bürgerliche Mitte“: der statusorientierte moderne Mittelstand, der nach beruflicher Etablierung und gesicherten harmonischen Lebensverhältnissen strebt. Die methodische Ermittlung dieser Milieutypologie erfolgte im Rahmen einer sehr aufwendig angelegten und fortlaufend aktualisierten qualitativen Studie in der Einblicke in „subjektive Lebenswelten“ angestrebt werden. Aus diesem Grund wird das SINUS- Milieumodell auch als „Lebensweltansatz“ bezeichnet. Der Begriff »Lebenswelt« meint „das Insgesamt subjektiver Wirklichkeit eines Individuums, also alle bedeutsamen
Alltagsbewusstsein, Milieu und Konflikte in der betrieblichen Lebenswelt 15 Erlebnisbereiche des Alltags (Arbeit, Familie, Freizeit, Konsum usw.), die bestimmend sind für die Entwicklung und Veränderung von Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmustern; aber auch Wünsche, Ängste, Sehnsüchte, Träume usw. zählen dazu.“ (Flaig, Meyer & Ueltzhöffer, 1994, S. 51) Als Definitionskriterien dienen sozialdemographische Merkmale, vor allem Statusmerkmale, grundlegende, die jeweiligen Lebensstile u. -strategien bestimmende Wertorientierungen sowie alltagsprägende Einstellungen. Im einzelnen kamen folgende Definitionskriterien zur Anwendung: Wertorientierungen (Lebensziele, Materielle Werte, Postmaterielle Werte, Vorstellungen vom Glück), Alltagsbewusstsein (Arbeits- und Freizeitmotive, Einstellungen zur Familie und Partnerschaft, Zukunftsvorstellungen, Lebensstile) und sozialer Status (Schulbildung, Einkommen, Beruf). - Konservatives gehobenes Milieu - Kleinbürgerliches Milieu - Traditionelles Arbeitermilieu - Traditionsloses Arbeitermilieu - Aufstiegsorientiertes Milieu - Technokratisch-liberales Milieu - Hedonistisches Milieu - Alternativ/Linkes Milieu Quelle: H. Nowak & U. Becker, 1985, S. 14 Manche dieser Milieus sind im Vergleich zu anderen ‚übereinander‘ in der Sozialstruktur anzusiedeln, weil die typischerweise eingenommenen Berufspositionen, Bildungs- und Einkommensgrade ungleich sind. „Das Verhältnis zwischen einigen Milieus ist jedoch durch bloße Unterscheidung der Mentalitäten und Alltagsethiken gekennzeichnet. Diese Milieus sind ‚nebeneinander‘ zu lokalisieren. Die Angehörigen sozialer Milieus behandeln und interpretieren ihre Lebens-, Wohn- und Arbeitsbedingungen in ähnlicher Weise, verkehren besonders häufig untereinander und werden in ihrem Alltagsverhalten durch ihre Milieuzugehörigkeit wesentlich beeinflusst.“ (Hradil, 1996, S. 16) Die Abgrenzungen zwischen den sozialen Milieus markieren keine scharfen „realen“ Grenzen. Milieus sind keine klar gegeneinander abgrenzbaren Gruppen, sondern es gibt fließende Übergänge, Zwischenformen und Überschneidungen.
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