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Alltagsbewusstsein, Milieu und Konflikte in der betrieblichen Lebenswelt 10 Personen mit realem Verhalten in die Abwehr eingebaut; über Rollenzuweisung, Delegation oder unbewusste Verführungen veranlassen sie sich wechselseitig, die entsprechenden Funktionen innerhalb der Abwehrkonstellation zu übernehmen und so zur Stabilisierung des Milieus beizutragen.“ (ebd., S. 85) Die kollektiven Abwehrstrukturen werden also aus lebenspraktisch und individuell gebildeten Interaktionsformen ausgewählt und in der Interaktion mit den Gruppenmitgliedern bzw. im Sozialisationsprozess zu typischen Interaktionsformen der sozialen Gruppe. Leithäuser und Volmerg (ebd., S. 90) unterscheiden drei typische gruppenspezifische Abwehrformationen: die symmetrische, die komplementäre und die externalisierende Konfliktabwehr. Ihnen entsprechen die Grundannahmen von Bion. Die symmetrische Konfliktabwehr ist auf die Gleichheit der Identität der Gruppenmitglieder ausgerichtet. Fremde Erfahrungen werden dabei auf das Bekannte reduziert, um Angst und Unsicherheit zu vermeiden (ausführlicher siehe ebd., S. 90, 97). Bei der komplementären Abwehrstruktur geht alle Macht und Sicherheit von einem „magischen Helfer“ aus, mit dem die Mitglieder der Gruppe in Verbindung stehen (ebd., S. 98). Und in der dritten Abwehrform, also im Externalisieren werden innere Vorgänge so erlebt, als ob sie sich in der Außenwelt abspielten, d.h. die ganze Situation wird externalisiert. Externalisierende Gruppenabwehr ist somit als ein Versuch zu verstehen, die Widersprüche in den eigenen praktischen Lebensformen auf andere Gruppen und Situationen zu verschieben (ebd., S. 92). Das entlastet zwar das affektive Milieu der Gruppe, verstärkt aber die Bedrohlichkeit der Umwelt (ebd., S. 92). 2.3.2 Autismus alltäglicher Situationen Kollektive Abwehrreaktionen haben aber ihren Ursprung nicht nur allein in der Gruppe. Sie werden auch „aus der Sozialisation selegiert durch die Restriktivität alltäglicher Situationen, wie sie am Arbeitsplatz, aber auch in der Familie“ (ebd., S. 102), usw. produziert wird. Durch den gesellschaftlichen Regressionsdruck erzeugt, reagieren die Individuen auf die Bedrohung ihrer Identität mit gemeinsamen regressiven Erhaltungsmechanismen (ebd., S. 103). Leithäuser und Volmerg führen unterstützend den Begriff des Gruppenautismus ein. Dazu finden sie Bestätigung bei Sherif, dessen Untersuchungen ergaben, „dass feindselige Einstellungen besonders dann entstehen, wenn zwischen konfligierenden Gruppen nur eingeschränkte Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten bestehen und wenn die maßgeblichen „Opinionleader“ die entfernte Gruppe als bedrohlich darstellen“ (ebd., S. 103).

Alltagsbewusstsein, Milieu und Konflikte in der betrieblichen Lebenswelt 11 Weiter untermauern sie mit der gestaltpsychologischen Begründung des Autismusphänomens ihre Auffassung eines objektiv, durch Kommunikationsbarrieren und emotionale Verarmung strukturierten Autismus alltäglicher Situationen (ebd., S. 103). Der Aspekt des Autismus alltäglicher Situationen sollte hier nur kurz erwähnt werden. Er wird später noch ausführlicher diskutiert bzgl. des Vertrauensthemas. 2.4 Ausblick Der Ansatz des Alltagsbewusstseins beinhaltet wichtige Anknüpfungspunkte und Erklärungen sowohl für das Konfliktverhalten von Individuen und Gruppen, sowie für unsere Diskussion des Vertrauensthemas bzw. des Verhaltens von Personen in Vertrauens- und mißtrauensklimas in Gruppen und Organisationen. Im folgenden wird zunächst noch näher auf die Themen Milieu und Konfliktmanagement eingegangen, um eine breitere Diskussionsbasis zu bekommen. 3. Das Milieu Alltag und Alltagsbewusstsein verändern sich kontinuierlich, ebenso vollziehen sich in den Milieus Veränderungen. Im Folgenden wird das Milieu genauer beschrieben. Verschiedene Ansätze werden ausgehend vom sozialen Milieu vorgestellt, auf das von Hradil gehen wir näher ein. Die Sinusstudien geben einen Überblick über die Verteilung der Milieuarten in Deutschland. Letztendlich wird auch eine zeitgemäße Begriffsreflexion vorgenommen. 3.1 Der Milieubegriff Leithäuser und Volmerg differenzieren für das Alltagsbewusstsein zwischen der dem einzelnen diffus bleibenden“ Aufgeteiltheit sozialer Milieus“ und dem Begriff der „Situation“ für Konkretisierungen: „Milieus verwandeln sich in Situationen, wenn Individuen ihre Bedürfnisse und Interessen dort thematisieren.“ (Meyerhuber, 2001, S. 181) Milieu und Situation sind als raum-zeitliche Ausgangspunkte zu verstehen, deren interaktive, atmosphärische Qualität im Klima ihren Niederschlag findet (ebd., S. 181).

<strong>Alltagsbewusstse<strong>in</strong></strong>, <strong>Milieu</strong> <strong>und</strong> <strong>Konflikte</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Lebenswelt 10<br />

Personen mit realem Verhalten <strong>in</strong> die Abwehr e<strong>in</strong>gebaut; über Rollenzuweisung, Delegation<br />

o<strong>der</strong> unbewusste Verführungen veranlassen sie sich wechselseitig, die entsprechenden<br />

Funktionen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Abwehrkonstellation zu übernehmen <strong>und</strong> so zur Stabilisierung des<br />

<strong>Milieu</strong>s beizutragen.“ (ebd., S. 85) Die kollektiven Abwehrstrukturen werden also aus<br />

lebenspraktisch <strong>und</strong> <strong>in</strong>dividuell gebildeten Interaktionsformen ausgewählt <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Interaktion mit den Gruppenmitglie<strong>der</strong>n bzw. im Sozialisationsprozess zu typischen<br />

Interaktionsformen <strong>der</strong> sozialen Gruppe.<br />

Leithäuser <strong>und</strong> Volmerg (ebd., S. 90) unterscheiden drei typische gruppenspezifische<br />

Abwehrformationen: die symmetrische, die komplementäre <strong>und</strong> die externalisierende<br />

Konfliktabwehr. Ihnen entsprechen die Gr<strong>und</strong>annahmen von Bion.<br />

Die symmetrische Konfliktabwehr ist auf die Gleichheit <strong>der</strong> Identität <strong>der</strong><br />

Gruppenmitglie<strong>der</strong> ausgerichtet. Fremde Erfahrungen werden dabei auf das Bekannte<br />

reduziert, um Angst <strong>und</strong> Unsicherheit zu vermeiden (ausführlicher siehe ebd., S. 90, 97). Bei<br />

<strong>der</strong> komplementären Abwehrstruktur geht alle Macht <strong>und</strong> Sicherheit von e<strong>in</strong>em „magischen<br />

Helfer“ aus, mit dem die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gruppe <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehen (ebd., S. 98). Und <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> dritten Abwehrform, also im Externalisieren werden <strong>in</strong>nere Vorgänge so erlebt, als ob sie<br />

sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Außenwelt abspielten, d.h. die ganze Situation wird externalisiert.<br />

Externalisierende Gruppenabwehr ist somit als e<strong>in</strong> Versuch zu verstehen, die Wi<strong>der</strong>sprüche <strong>in</strong><br />

den eigenen praktischen Lebensformen auf an<strong>der</strong>e Gruppen <strong>und</strong> Situationen zu verschieben<br />

(ebd., S. 92). Das entlastet zwar das affektive <strong>Milieu</strong> <strong>der</strong> Gruppe, verstärkt aber die<br />

Bedrohlichkeit <strong>der</strong> Umwelt (ebd., S. 92).<br />

2.3.2 Autismus alltäglicher Situationen<br />

Kollektive Abwehrreaktionen haben aber ihren Ursprung nicht nur alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe. Sie<br />

werden auch „aus <strong>der</strong> Sozialisation selegiert durch die Restriktivität alltäglicher Situationen,<br />

wie sie am Arbeitsplatz, aber auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie“ (ebd., S. 102), usw. produziert wird. Durch<br />

den gesellschaftlichen Regressionsdruck erzeugt, reagieren die Individuen auf die Bedrohung<br />

ihrer Identität mit geme<strong>in</strong>samen regressiven Erhaltungsmechanismen (ebd., S. 103).<br />

Leithäuser <strong>und</strong> Volmerg führen unterstützend den Begriff des Gruppenautismus e<strong>in</strong>. Dazu<br />

f<strong>in</strong>den sie Bestätigung bei Sherif, dessen Untersuchungen ergaben, „dass fe<strong>in</strong>dselige<br />

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e<strong>in</strong>geschränkte Kontakt- <strong>und</strong> Kommunikationsmöglichkeiten bestehen <strong>und</strong> wenn die<br />

maßgeblichen „Op<strong>in</strong>ionlea<strong>der</strong>“ die entfernte Gruppe als bedrohlich darstellen“ (ebd., S. 103).

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