Der Kampf um Arbeiter-Sender – Entwicklung und ... - www-user
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<strong>Der</strong> <strong>Kampf</strong> <strong>um</strong> <strong>Arbeiter</strong>-<strong>Sender</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>Entwicklung</strong> <strong>und</strong> Hintergründe des<br />
Freien-Radio-B<strong>und</strong> Deutschland<br />
Hausarbeit von Norbert Riefler<br />
im Seminar:<br />
Zuhören <strong>und</strong> gehört werden. Zur Geschichte des R<strong>und</strong>funks<br />
in der Weimarer Republik <strong>und</strong> im 3. Reich.<br />
Veranstalterin:<br />
Inge Marßolek<br />
Bremen, im März 1995
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung 1<br />
2. Von den Anfängen der <strong>Arbeiter</strong>-Radio-Bewegung 3<br />
2.1 <strong>Der</strong> ” unpolitische“ R<strong>und</strong>funk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
2.2 Herauskristallisierung unterschiedlicher Positionen . . . . . . . . . . . . . 5<br />
3. Hintergründiges zur Spaltung des <strong>Arbeiter</strong>-Radio-B<strong>und</strong>es 8<br />
3.1 Die <strong>Entwicklung</strong> des Amateurfunks in den Zwanziger Jahren . . . . . . . 8<br />
3.2 Gefahr für die bestehende Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
3.3 Teilung des ARB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
4. <strong>Der</strong> Freie Radio B<strong>und</strong> 14<br />
5. Die Politik des ” Unpolitischen“ <strong>–</strong> ein Res<strong>um</strong>ée 18<br />
Literatur 21<br />
I
1. Einleitung<br />
Die aktuelle Debatte <strong>um</strong> das Erste Deutsche Fernsehen zeigt, wie sehr die Medien Thema<br />
für die Politik sind. Robert Leicht beschreibt in der ” ZEIT“ vom 10. Februar 1995<br />
unter der Überschrift ≪<strong>Der</strong> Griff nach der Medienmacht≫ den ≪Rollenkonflikt zwischen<br />
Machthabern <strong>und</strong> Medien≫ als eine für die Ersteren lästige Angelegenheit. Dabei verknüpft<br />
er den ≪<strong>Kampf</strong> <strong>um</strong> den qualifizierten Journalismus in den elektronischen Medien≫<br />
mit der Präferenz des Kommerzfernsehens vor dem öffentlich-rechtlichen seitens<br />
konservativer Politiker. Dem Kommerzfernsehen wird jedoch die Fähigkeit des ≪Qualitätsjournalismus≫<br />
abgesprochen. Im Dossier derselben Ausgabe wird dann ein Satz<br />
des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts vom 22. Februar 1994, der die Debatte auf den Punkt<br />
bringt, angeführt: ≪<strong>Der</strong> Gesetzgeber bildet eine Gefahrenquelle für die R<strong>und</strong>funkfreiheit≫<br />
[DIE ZEIT](S.7). Es geht also <strong>um</strong> die R<strong>und</strong>funkfreiheit.<br />
Die Auseinandersetzung <strong>um</strong> die Freiheit im R<strong>und</strong>funk in der Weimarer Republik bildet<br />
den Hintergr<strong>und</strong> für das Thema dieser Arbeit, <strong>und</strong> durch das eben aufgeführte aktuelle<br />
Beispiel wird die kontinuierliche Bedeutung ersichtlich. Doch die Intention dieses Textes<br />
geht noch darüber hinaus. Er soll auf den <strong>Kampf</strong> <strong>um</strong> die Freiheit des R<strong>und</strong>funks überhaupt<br />
hinweisen. Diese Freiheit verlangt, daß nicht nur die Presse- <strong>und</strong> Meinungsfreiheit,<br />
sondern daß auch die freie Verfügung über den R<strong>und</strong>funk als Medi<strong>um</strong>, bestehend aus<br />
technischem Equipment, eingefordert wird. Eine solche Forderung liegt der aktuellen<br />
Debatte jedoch völlig fern. Mir ist überhaupt noch nie ein in den öffentlichen Medien<br />
geäußerter Standpunkt aufgefallen, der sich über die Verfügbarkeit von öffentlichen Medien<br />
für die Menschen ausläßt, die nicht schon aufgr<strong>und</strong> ihres Berufes in <strong>und</strong> an den<br />
Medien selbst arbeiten. Den Offenen Kanal rechne ich nicht zu den öffentlichen Medien,<br />
wenn mit öffentlich etwas verb<strong>und</strong>en wird, daß ≪der Gemeinde, dem Staat angehörig oder<br />
darauf bezüglich ist≫ [Fuchs/Raab]. Denn durch die Beliebigkeit des Programmes als<br />
eine Mischung von allem entsteht eine ≪Zerfaserung der Aufmerksamkeit≫ [Negt/Kluge]<br />
(S.208) als ein Resultat der von der Gesamtgesellschaft abgetrennten Produktion von<br />
Phantasie [Negt/Kluge] (S.71).<br />
Hat diese Ausblendung der Frage nach der selbstbestimmten Verfügung der Massen<br />
über ihre Medien vielleicht damit zu tun, daß ≪der Massenkommunikation die Stabilisierung<br />
des bestehenden Gesellschaftssystems als zentrale Leistung≫ [Hunziker] (S.103)<br />
1
1. Einleitung<br />
zukommt <strong>und</strong> eine freiere Verfügbarkeit der ” Massen“ über ihr <strong>–</strong> sozusagen eigenes <strong>–</strong><br />
Instr<strong>um</strong>ent somit als destabilisierend angesehen wird?<br />
≪Geschichte ist nicht willkürliches Zurückgreifen in die Vergangenheit, sondern von der<br />
gegenwärtigen Situation her bestimmtes Fragen. Vergangenes wird daher immer wieder<br />
unter anderen Gesichtspunkten befragt <strong>und</strong> beschrieben≫ [Fuchs/Raab] (S.286).<br />
Eben dieses soll im folgenden getan werden anhand der <strong>Entwicklung</strong> der <strong>Arbeiter</strong>-Radio-<br />
Bewegung.<br />
2
2. Von den Anfängen der<br />
<strong>Arbeiter</strong>-Radio-Bewegung<br />
R<strong>und</strong>funk basiert auf der Aussendung <strong>und</strong> dem Empfang von hochfrequenter elektromagnetischer<br />
Strahlung, die sich hinsichtlich ihrer Ausbreitung stark von den niederfrequenten<br />
Schallwellen <strong>–</strong> die nur eine sehr begrenzte Reichweite besitzen <strong>–</strong> <strong>und</strong> der elektrischen<br />
Übertragung von Signalen mittels Drähten <strong>–</strong> die zwar eine sehr hohe Reichweite besitzt,<br />
aber nicht überall hingelangt aufgr<strong>und</strong> der Geb<strong>und</strong>enheit an einen Draht <strong>–</strong> unterscheidet.<br />
Die reine hochfrequente Strahlung hat zwar eine hohe Reichweite, doch sie besitzt<br />
keinerlei Informationsgehalt. Dieser muß der Strahlung erst hinzugefügt werden. Im Fall<br />
der Informationsübertragung von Sprache geschieht dieses Hinzufügen durch Modulation<br />
innerhalb eines elektronischen Gerätes, des <strong>Sender</strong>s. Darin werden die Schallwellen<br />
im Mikrofon <strong>um</strong>gewandelt in elektrische Signale, die daraufhin mit den hochfrequenten<br />
Signalen gemischt werden. Diese hochfrequenz-modulierte ” Sprache“ wird dann von einer<br />
Antenne abgestrahlt. Um diese Signale wieder hörbar zu machen, bedarf es einer<br />
Empfangsantenne, die einen ganz geringen Anteil des ausgesendeten Sendenergie aufnimmt.<br />
Dieser kleine Anteil wird im Empfänger schließlich demoduliert <strong>und</strong> von einem<br />
Lautsprecher abgestrahlt.<br />
Die Technik hierfür wurde in den ersten Jahren dieses Jahrh<strong>und</strong>erts mit der <strong>Entwicklung</strong><br />
der Elektronenröhre bereitgestellt. Zur Aussendung von modulierter Sprache waren<br />
diese unabdingbar. Doch im Unterschied z<strong>um</strong> Sendevorgang läßt sich die bereits<br />
in der Luft befindliche Strahlung ohne Röhren <strong>und</strong> ohne Stromversorgung <strong>–</strong> also mit<br />
wesentlich geringerem apparativen Aufwand <strong>–</strong> in hörbare Sprache <strong>um</strong>setzen. Ein solches<br />
Gerät wird Detektor genannt. Mit eben diesem begann der R<strong>und</strong>funkempfang für<br />
die ” Massen“, die bei der ersten R<strong>und</strong>funk-Aussendung in Berlin 1923 allerdings andere<br />
Probleme hatte: Inflation <strong>und</strong> Hunger bestimmten die Tagesordnung. Trotz dieser<br />
Nöte begann bereits 1923 die Selbstorganisation von radiobastelnden <strong>Arbeiter</strong>Innen in<br />
Gruppen, die sich z<strong>um</strong> Zwecke des Selbstbaus von Empfängern trafen, da der Kauf aus<br />
finanziellen Gründen ausschied [Dahl] (S.40). Diese Gruppen schlossen sich im April<br />
1924 z<strong>um</strong> ” <strong>Arbeiter</strong>-Radio-Klub Deutschland e.V.“ <strong>–</strong> kurz ARK <strong>–</strong> zusammen. Doch<br />
die selbstgebauten Empfänger durften erst dann betrieben werden, wenn eine ” Audion-<br />
3
2. Von den Anfängen der <strong>Arbeiter</strong>-Radio-Bewegung<br />
Versuchserlaubnis“ vorlag. Diese wurde von der Deutschen Reichspost vergeben an Forscher,<br />
Verwaltungsbeamte, Behörden <strong>und</strong> durch die Vermittlung anerkannter Vereine<br />
von Funkfre<strong>und</strong>en auch an einzelne Personen [Koerner](S.24). Dabei galt ein Verein als<br />
anerkannt, wenn er Mitglied im ” Funkkartell“ (i.e. die Vereinigung bürgerlicher Bastlerverbände)<br />
war. <strong>Der</strong> ARK wurde darin jedoch nie aufgenommen, da er seiner Satzung<br />
nach ein Zusammenschluß der am R<strong>und</strong>funk interessierten werktätigen Bevölkerung war.<br />
Nach Auffassung des Funkkartells war der Klub damit eine Standesorganisation <strong>und</strong><br />
paßte deshalb nicht zu den ” unpolitischen“ Bastlervereinen [Dahl](S.42). Diese Versuchserlaubnis<br />
wurde zwar ein Jahr später wieder abgeschafft, aber sie ist ein Beispiel<br />
für die Benachteiligung von politischen Gruppen in Zusammenhängen, wo nach Ansicht<br />
der damaligen Machthaber Politisches nichts zu suchen hatte.<br />
2.1 <strong>Der</strong> ” unpolitische“ R<strong>und</strong>funk<br />
<strong>Der</strong> Begriff ” unpolitisch“ kursierte in sehr vielen Publikationen <strong>und</strong> Äußerungen dieser<br />
Zeit. Wie wurden nun aber die Begriffe ” politisch“ bzw. ” unpolitisch“ verstanden? <strong>Der</strong><br />
damalige langjährige Reichsr<strong>und</strong>funkkommissar Hans Bredow verstand unter unpolitisch<br />
ein nicht-parteipolitisches Verhalten [Dahl] (S.31):<br />
≪Wir betrachten die Reichs- <strong>und</strong> Landesregierungen nicht als parteipolitische Koalitionen,<br />
sondern als die verfassungsmäßigen obersten Autoritäten, denen wir bei ihrer Aufgabe, den<br />
Staat zu fördern, behilflich sein müssen.≫<br />
Seiner Anschauung nach sollte der R<strong>und</strong>funk [Dahl] (S.23)<br />
≪[. . .] Weltanschauungsfragen, sozialpolitische <strong>und</strong> wirtschaftspolitische Betrachtungen zur<br />
Schonung von Empfindlichkeiten mit großer Vorsicht anfassen. Ja, er muß sie machmal so-<br />
gar farblos gestalten <strong>und</strong> parteipolitische Fragen natürlich ängstlich meiden.≫<br />
Diese Haltung begründet Bredow dann rückblickend wie folgt [Bredow] (S.290):<br />
≪Hätte man unter Verkennung der Volksstimmung den R<strong>und</strong>funk gleich am Anfang als Instru-<br />
ment der politischen Meinungsbildung angekündigt, so würde diese Absicht unbestreitbar auf<br />
einen starken Widerstand gestoßen sein; die <strong>Entwicklung</strong> würde sich verzögert haben. Deshalb<br />
mußte man Schritt für Schritt vorgehen <strong>und</strong> durch Erfüllung des Verlangens nach guten unter-<br />
haltenden Darbietungen eine möglichst große Verbreitung zu erreichen suchen <strong>und</strong> abwarten,<br />
bis die Stellung des R<strong>und</strong>funks sich so weit gestärkt hatte, daß man ohne Schaden auch an die<br />
politische Arbeit herangehen konnte. So ging es weiter, <strong>und</strong> der Erfolg war, daß die Hörer sich<br />
allmählich an die Politik im R<strong>und</strong>funk gewöhnten.≫<br />
Nach außen hin wurde der R<strong>und</strong>funk als unpolitisch propagiert, aber r<strong>und</strong>funkintern<br />
wurde demgegenüber beschlossen, politische Themen langsam zu etablieren <strong>–</strong> allerdings<br />
so langsam, daß man kritische Positionen gegenüber dem Staat <strong>und</strong> seiner Verfassung<br />
4
2. Von den Anfängen der <strong>Arbeiter</strong>-Radio-Bewegung<br />
vom R<strong>und</strong>funk fernhalten konnte, da er jenen ja dienen sollte. Dieses Fernhalten wäre<br />
bei einer politischen Öffnung des R<strong>und</strong>funks von Anfang an nicht möglich gewesen, weil<br />
der R<strong>und</strong>funk, als reine Übertragungs-Technik von sich aus neutral 1 , eine politische<br />
Bedeutung erst erhält durch die Besetzung von Positionen. Aber ein staatsdienender<br />
R<strong>und</strong>funks sollte ja gerade etabliert werden. Deswegen mußte die Partizipation sozial<strong>und</strong><br />
staatskritischer Stimmen am neu entstehenden Medi<strong>um</strong> vermieden werden.<br />
Dagegen opponierten die Aktivisten des ARK. Sie versuchten einerseits auf das Programm<br />
der R<strong>und</strong>funkanstalten Einfluß zu nehmen <strong>und</strong> z<strong>um</strong> anderen forderten sie einen<br />
eigenen <strong>Sender</strong>. Diese Forderung <strong>–</strong> aus heutiger Sicht innerhalb der aktuellen Mediendebatte<br />
eine Undenkbarkeit (siehe Einleitung) <strong>–</strong> war realistisch, da der R<strong>und</strong>funk sich<br />
eben erst in der Konstituierungsphase befand, <strong>und</strong> da es desweiteren in einigen Ländern<br />
arbeitereigene <strong>Sender</strong> gab [Dahl] (S.44). Im Gegensatz zu den unpolitischen bürgerlichen<br />
Bastelvereinen, die Radiobasteln als Selbstzweck auffaßten, verbanden die Bastler<br />
des ARK Absichten damit, wie beispielsweise den störungsfreien Empfang von Radio<br />
Moskau, denn [Dahl] (S.49):<br />
≪Die deutschsprachigen Sendungen des sowjetischen R<strong>und</strong>funks befaßten sich praktisch mit<br />
allen politischen Themen, die der deutsche R<strong>und</strong>funk aussparte.≫<br />
<strong>Der</strong> <strong>Arbeiter</strong>-Radio-Klub benannte sich anfang 1928 <strong>um</strong> in ” <strong>Arbeiter</strong>-Radio-B<strong>und</strong> Deutschland<br />
e.V.“, in dessen Organ <strong>Arbeiter</strong>funk <strong>–</strong> <strong>Der</strong> neue R<strong>und</strong>funk anläßlich der bevorstehenden<br />
Reichstagswahlen das Forderungsprogramm des ARB veröffentlicht wurde [Dahl]<br />
(S.52). Angefangen von der Reduzierung der R<strong>und</strong>funkgebühren, über die zensurlose<br />
Teilnahme aller politischen <strong>und</strong> religiösen Gruppierungen, bis hin zur Freigabe von Versuchssendern,<br />
hatte der Forderungskatalog ein linkes Profil, da diese Forderungen die<br />
politisch-sozialen Verhältnisse berücksichtigten.<br />
2.2 Herauskristallisierung unterschiedlicher Positionen<br />
Auf die Forderungen des ARB reagierte der Reichsausschuß für sozialistische Bildungsarbeit<br />
der SPD zwar positiv, doch wurden weder die Gebührensenkung noch die <strong>Sender</strong>freigabe<br />
von den SPD-Funktionären ernsthaft in Erwägung gezogen. Dies entsprach der<br />
sich schon früher abzeichnende <strong>Entwicklung</strong> unterschiedlicher Positionen bezüglich der<br />
Mitbestimmung über den R<strong>und</strong>funk. So wurde von der SPD-nahen Feder des Julius Nowotny,<br />
dem späteren Vorsitzenden der ” <strong>Arbeiter</strong>-Radio-Internationale“, immer wieder in<br />
1 Damit ist nicht gemeint, daß Technik per se neutral ist; das Entwickeln neuer Techniken (z.B. von<br />
Kriegswaffentechnik) ist genauso Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse wie beispielsweise die überwiegend<br />
von Männern verwendete Computertechnologie.<br />
5
2. Von den Anfängen der <strong>Arbeiter</strong>-Radio-Bewegung<br />
überschwenglicher Weise das <strong>–</strong> den Horizont der <strong>Arbeiter</strong> erweiternde <strong>–</strong> Kultur-Potential<br />
des R<strong>und</strong>funks hervorgehoben, [Dahl] (S.46):<br />
≪Auch die Besitzlosen werden nun miteinbezogen in den Kulturkreis der Welt, welcher bis-<br />
her z<strong>um</strong> überwiegenden Teil Monopol der Besitzenden war. Auch der am Abend abgerackert<br />
von der Last des Tages heimkehrende <strong>Arbeiter</strong> kann in seinen vier Wänden Kunstgenuß <strong>und</strong><br />
Belehrung empfangen <strong>und</strong> sich an die geheimnisvolle Welle anschließen.≫<br />
Demgegenüber betonte der Leipziger Naturwissenschaftler Julius Schaxel, der dem linken<br />
SPD-Flügel nahestand, daß [Dahl] (S.46/47)<br />
≪die besitzlose Masse der Arbeitenden in gleicher Weise, wie vom Besitz der Produktionsmittel,<br />
auch von der formalen <strong>und</strong> inhaltlichen Bestimmung der Kultur ausgeschlossen [ist. . . .] Die<br />
proletarische Bildung in der kapitalistischen Gesellschaft bedarf in erster Linie der Erkennt-<br />
nis, daß sie aus Kulturquellen schöpft, die ihr wesensfremd sind, weil sie andere materielle<br />
Gr<strong>und</strong>lagen haben.≫<br />
Dieser 1926 aufgestellten Feststellung folgte die Überlegung, den Hörern jene Wesensfremdheit<br />
vor Augen zu führen.<br />
Die sich damit ergebende Differenz zwischen der optimistischen Auffassung, daß mittels<br />
des R<strong>und</strong>funks den Besitzlosen automatisch Zugang zu der Welt der Kultur gewährt<br />
würde, <strong>und</strong> der Ansicht, wonach eine ” Hörerschulung“ erfolgen müsse zur Befähigung<br />
der Hörer, ≪brackiges Wasser≫ (Karl Grünberg) zu erkennen, besaß ihre Verlängerung<br />
in den unterschiedlichen Vorstellungen darüber, wie die Ziele der <strong>Arbeiter</strong>bewegung<br />
durchgesetzt werden könnten. <strong>Der</strong> neue R<strong>und</strong>funk veröffentlichte einen dezidiert positiven<br />
Standpunkt gegenüber den Mitbestimmungsmöglichkeiten innerhalb der Radiogremien,<br />
speziell in den Kulturbeiräten der einzelnen Sendegesellschaften. Diese wurden<br />
1926 eingerichtet <strong>und</strong> bestanden aus Beamten von Ministerien sowie aus Parteimitgliedern<br />
<strong>–</strong> unter anderem auch aus der SPD [Dahl] (S.47). Doch fungierten sie eher als<br />
Überwachungsorgane gegenüber kritischen Stimmen denn als Garanten der Freiheit im<br />
R<strong>und</strong>funk. Hingegen bezweifelten linke SPD-Kreise <strong>und</strong> Anhänger der KPD einen Erfolg<br />
allein durch Mitbestimmung innerhalb der Gremien <strong>und</strong> forderten weiterhin eigene<br />
Sendemöglichkeiten.<br />
Die Differenz innerhalb des ARB hat ihre Entsprechung in der Differenz <strong>und</strong> dem Widerspruch<br />
zwischen den beiden <strong>Arbeiter</strong>parteien, was sich einerseits im sozialen Gefüge<br />
<strong>und</strong> andererseits in den politischen Ansichten von KPD <strong>und</strong> SPD widerspiegelte. Innerhalb<br />
der eher aus jüngeren Mitgliedern bestehenden KPD waren mehr ungelernte <strong>Arbeiter</strong><br />
<strong>und</strong> Arbeitslose mit ihren aus enttäuschten Lebensperspektiven hervorgehenden<br />
radikaleren Tendenzen zu finden als in der SPD, die sich eher aus qualifizierten <strong>Arbeiter</strong>n<br />
zusammensetzte [Peukert] (S.154). Damit einhergehend spiegelten ≪die Kommunisten<br />
durchaus die negative Lebenserfahrung ihrer Anhänger [. . .], wenn sie die Entwick-<br />
6
2. Von den Anfängen der <strong>Arbeiter</strong>-Radio-Bewegung<br />
lungsfähigkeit des kapitalistischen Systems, den illusionären Charakter reformerischer<br />
Besserungen <strong>und</strong> die Notwendigkeit eines radikalen gewaltsamen Umbruchs behaupteten≫<br />
[ebd.]. Bei der SPD wurde auf eine Erweiterung des orthodoxen Marxismus hin z<strong>um</strong><br />
” Volkssozialismus“ <strong>und</strong> Kultursozialismus“ im demokratischen Staat gesetzt. Selbstbe-<br />
”<br />
stimmung (KPD) gegenüber Mitbestimmung (SPD) innerhalb der Gesellschaft waren die<br />
beiden Pole, die eben auch im ARB wirkten <strong>und</strong> sich in der Debatte <strong>um</strong> das Erringen<br />
eigener <strong>Sender</strong> bzw. <strong>um</strong> die Mitbestimmung in den Kulturbeiräten zeigten.<br />
7
3. Hintergründiges zur Spaltung des<br />
<strong>Arbeiter</strong>-Radio-B<strong>und</strong>es<br />
Die Forderung nach eigenen <strong>Sender</strong>n wurde Anlaß der Spaltung im Herbst 1929. Etwas<br />
mehr als ein Jahr zuvor wurde der Kommunist Wilhelm Hoffmann-Schmargendorf auf<br />
der 3. Reichskonferenz des ARB abgewählt <strong>und</strong> an seine Stelle trat Curt Baake, Mitglied<br />
der SPD. Auf der 4. Reichskonferenz des ARB im Herbst 1928 wurden in der Mehrzahl<br />
SPD-Mitglieder in den Vorstand gewählt, die daraufhin eine neue programmatische Ausrichtung<br />
des ARB forderten. So entfiel die alte Forderung nach einem eigenen <strong>Sender</strong><br />
<strong>und</strong> desweiteren wurde ein Beschluß gefaßt, nach dem sämtliche parteipolitischen Streitigkeiten<br />
verboten wurden. Damit wurden die kritische Stimmen der KPD-Minderheit<br />
unterdrückt, was <strong>–</strong> wie vorauszusehen war <strong>–</strong> für diese wieder<strong>um</strong> ein unhaltbarer Zustand<br />
war.<br />
Worin liegen nun aber die Gründe für die Spaltungsabsicht der SPD-Führung innerhalb<br />
des ARB? Für die Antwort auf diese Frage soll hier ein wenig ausgeholt werden.<br />
3.1 Die <strong>Entwicklung</strong> des Amateurfunks in den Zwanziger<br />
Jahren<br />
Die Funk-Technik hat <strong>–</strong> selbst heute noch <strong>–</strong> etwas faszinierendes an sich. Ein Radio-<br />
Liebhaber, Jahrgang 1933, erinnert sich:<br />
≪Damals saß ich als kleiner Pöx [d. h. als kleines Kind, N.R.] vor so ’nem großen Kasten, aus<br />
dem jemand zu mir sprach, <strong>und</strong> da mußte ich dann gleich mal hinten aufschrauben, <strong>um</strong> zu<br />
kucken, ob da nicht einer ’hinter saß.≫<br />
Diese Faszination veranlaßte viele Erfinder <strong>und</strong> Bastler, sich der Funk-Technik zuzuwenden.<br />
Sie entwarfen <strong>und</strong> bauten Geräte, in deren <strong>Entwicklung</strong> immer mehr daran<br />
verbessert wurde, so daß sich schließlich von Privatleuten mit verhältnismäßig geringem<br />
Aufwand betreibbare Sendestationen herausbildeten. Die größte Anzahl von Bastlern gab<br />
es anfänglich in den USA, wo sich bereits 1911 die ersten Vereinigungen bildeten, die sich<br />
mit dem drahtlosen Senden beschäftigten. 1914 erfolgte die Gründung der ” American<br />
Radio Relay League“ (ARRL), die bis heute die größte Vereinigung von Amateurfunkern<br />
8
3. Hintergründiges zur Spaltung des <strong>Arbeiter</strong>-Radio-B<strong>und</strong>es<br />
ist. <strong>Der</strong>en Hauptziel bestand im Aufbau eines flächendeckendes Relais-Netzes 1 . Dies wird<br />
anhand des riesigen neu zu erschließenden Landes, in dem anfangs nur eine beschränkte<br />
kommunikative Infrastruktur bestand, verständlich.<br />
Im Jahre 1923 gelang die erste Transatlantik-Zweiwegeverbindung von Amateuren zwischen<br />
den USA <strong>und</strong> Frankreich, die auf einer bisher von Behördenseite unbrauchbaren<br />
Frequenz erfolgte: auf Kurzwelle (KW) [Koerner] (S.11). Damit war die hervorragende<br />
Tauglichkeit von Kurzwellen für Weitverbindungen bewiesen. Ähnlich wie bei den<br />
R<strong>und</strong>funk-Hörern erfolgte dann auch eine starke personelle Zunahme von Funkamateuren.<br />
1928 gab es in Großbritannien 2500, in Frankreich 350, in Belgien 85 <strong>und</strong> in den<br />
USA 20000 Funkamateure [Koerner] (S.86/90). In Deutschland gab es nur eine handvoll<br />
offizieller, lizenzierter Amateure, die eine Sendegenehmigung nur dann erhielten, wenn<br />
sie nachweislich Forscher waren. Es war das Land zusammen mit Jugoslawien, in dem<br />
ansonsten aber keine Sendelizenzen vergeben wurden.<br />
Aber es gab natürlich eine große Anzahl von Schwarzsendern (ca. 1500-2000), unter<br />
denen wieder<strong>um</strong> eine kleine Anzahl das Wort ergriffen <strong>und</strong> öffentlich für eine Lizensierung<br />
opponierten. Es erfolgte ein ” <strong>Kampf</strong> <strong>um</strong> Sendelizenzen“ [Koerner] (S.56). Einerseits<br />
wußte die Post offiziell natürlich nichts über ein Schwarzsendert<strong>um</strong>. Doch inoffiziell war<br />
ihr fast alles bekannt. Wenn ansonsten keine Lizenzvergabe erfolgte, stellt sich die Frage,<br />
war<strong>um</strong> die Behörden nicht dagegen einschritten. [Koerner] (S.80):<br />
≪Weil der gesamte Betrieb rein technisch <strong>und</strong> sportlich aufgezogen war, sah sie [=die Post,<br />
N.R.] ka<strong>um</strong> einen Gr<strong>und</strong> z<strong>um</strong> Einschreiten [. . .] In den QSOs 2 war jede politische Äußerung<br />
streng verpönt, <strong>und</strong> diese Anstandsregel wurde freiwillig <strong>und</strong> peinlich genau beachtet. Nicht<br />
aus politischer Interesselosigkeit, sondern einzig <strong>und</strong> allein aus dem Wunsche heraus, mit allen<br />
Funkamateuren der Welt in Fre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> Frieden zu verkehren <strong>und</strong> sich nicht durch die<br />
politische Ansicht anderer stören zu lassen oder andere damit zu stören <strong>und</strong> zu belästigen.<br />
Hätten doch die Politiker etwas von diesem Geist lernen können!≫<br />
Diese politische Enthaltsamkeit war die Gr<strong>und</strong>forderung an die Mitglieder des DSD, des<br />
Deutschen-Amateur-Sende-Dienstes, der 1927 in den DASD (Deutscher-Amateur-Sende-<br />
Dienst) <strong>um</strong>benannt wurde [Koerner] (S.62/63) <strong>und</strong> dessen Nachfolgeorganisation der<br />
DARC, der Deutsche-Amateur-Radio-Club, wurde. <strong>Der</strong> Vorsitzende des Oberdeutschen<br />
Funkverband, Oberstleutnant a. D. Ludwig v. Stockmayer, schrieb 1926 in seiner Forderung<br />
nach einer Sendegenehmigung über die Unmöglichkeit der staatlichen Überwachung<br />
<strong>und</strong> der Durchsetzung eines weiterhin geltenden Sendeverbotes [Koerner] (S.58):<br />
1 Als Relais wurde früher eine Umspannstation für frische Postkutschenpferde bezeichnet [Wahrig];<br />
heute wird darunter eine Sende-Empfangs-Umsetzer verstanden, der Empfangs-Signale auf einer<br />
anderen Frequenz aussendet.<br />
2 QSO ist die im Funk gebräuchliche Abkürzung für einen Funkkontakt<br />
9
3. Hintergründiges zur Spaltung des <strong>Arbeiter</strong>-Radio-B<strong>und</strong>es<br />
≪<strong>Der</strong> Dienst [gemeint ist der DSD, N.R.] kann wohl vom Staat beobachtet werden, aber er kann<br />
Mißstände nicht abstellen. Dagegen hat der Deutsche Sendedienst die Mittel, die Aufsicht zu<br />
üben, die Mißstände am Entstehen verhindert. Dies geschieht durch Erziehung <strong>und</strong> Stärkung<br />
des Verantwortungsgefühls der Öffentlichkeit gegenüber. Es wird sich bei uns ebensoviel, vie-<br />
leicht mehr als in Amerika, erreichen lassen.<br />
Dort arbeitet die ” Relay Radio League“ längst Hand in Hand mit dem Staat, der den größten<br />
Nutzen davon hat [. . .] <strong>Der</strong> Deutsche Sendedienst hat seine Anträge längst gestellt. Er ist<br />
bereit, wenn der Staat es will, das Netz von Überwachungsstationen auszubilden, das dem<br />
Staat dauernd Einblick in den privaten Sendeverkehr ermöglicht. Er hat starke Beweise seiner<br />
Loyalität gegeben. ≫<br />
In den USA wurde tatsächlich am schnellsten gehandelt, indem die Lizenzierung sehr<br />
früh freigegeben wurden. Dies entspricht der einzigen Möglichkeit der Überwachung, da<br />
Funker ansonsten im Untergr<strong>und</strong> operierend viel schwerer zu handhaben sind [Koerner]<br />
(S.61):<br />
≪Eine behördliche Beobachtung ist ka<strong>um</strong> möglich. Aber eine private durchaus. Wenn in den<br />
Vereinigten Staaten etwa 30000 <strong>Sender</strong> <strong>und</strong> Beobachter allnächtlich am Werk sind, so ist die<br />
Wahrscheinlichkeit, daß ein ungesetzlicher, organisierter Verkehr entdeckt wird, sehr groß. Gibt<br />
man in Deutschland das Kurzwellensenden frei, so haben wir binnen Jahresfrist einige tausend<br />
registrierte <strong>und</strong> mit bekannten Personen besetzte Stationen, die aus reinster Selbsterhaltung,<br />
aus Corpsgeist <strong>und</strong> Funkdisziplin heraus aufs beste zusammenarbeiten werden, <strong>um</strong> Schwarz-<br />
sender <strong>und</strong> Verdächtige festzustellen≫<br />
Den Funktionären des DSD war eigentlich klar, was sich hinter den Kulissen abspielte.<br />
<strong>Der</strong>selbe L. v. Stockmayer schrieb in jener Forderung nach einer Sendegenehmigung<br />
[Koerner] (S.57):<br />
≪Es liegen uns im Gegenteil wiederholt Äußerungen des Staatssekretärs von Bredow vor, in<br />
denen er sein Interesse an diesem neuen Zweig der Funkbetätigung bek<strong>und</strong>et <strong>und</strong> erklärt hat,<br />
daß von seiner Seite nichts im Wege stehe. [. . .]<br />
Die übrigen Reichsbehörden müssen ja pflichtgemäß ihre Bedenken vorbringen, denn sie können<br />
nicht wissen, was hinter der deutschen <strong>Sender</strong>ei Gutes steckt, <strong>und</strong> sehen nur die ” großen Gefah-<br />
ren“, die in einer Freigabe dieses Dienstes für die öffentliche Ordnung entstehen können, falls<br />
nämlich Unruhestifter sich dieses Verbindungsmittels zu eigenen Zwecken bedienen wollen.≫<br />
3.2 Gefahr für die bestehende Ordnung<br />
<strong>Der</strong> Gr<strong>und</strong> für die Nichtvergabe von Sendelizenzen lag also dain, daß der Staat die Nutzung<br />
der Lizenz durch eventuelle Unruhestifter als gefährlich ansah. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e<br />
wurde seitens der hier dargestellten bürgerlichen Vertreter des Amateurfunks immer<br />
wieder deren Loyalität hervorgehoben. Doch es nützte ihnen nichts. Zwar hatten einige<br />
10
3. Hintergründiges zur Spaltung des <strong>Arbeiter</strong>-Radio-B<strong>und</strong>es<br />
staatliche Stellen <strong>–</strong> wie die des von Stockmayer angeführten Staatssekretärs von Bredow<br />
<strong>–</strong> nichts gegen, ja eher wohl einiges für die loyalen Funker übrig, doch überwog schließlich<br />
die Sorge <strong>und</strong> die Stimme des Reichskommissariats für die Überwachung der öffentlichen<br />
Ordnung <strong>und</strong> Nachrichtensammlung des Reichsministeri<strong>um</strong> des Inneren (RMI), die in<br />
einem Bericht über den Freien Radio B<strong>und</strong>, das war der sich später abspaltende kommunistische<br />
Teil des ARB (siehe S.8), die bereits zitierte Gefahr für die öffentliche Ordnung<br />
seitens ” Unruhestifter“ unterstrich [Droste u.a.] (S.60):<br />
≪Bekannt ist eine von zentraler Stelle [des FRB, N.R.] ausgehende Anweisung, die besagt, dass<br />
für die Nachrichtenübermittlung in jedem Bezirk ein Kurzwellenapparat angeschafft <strong>und</strong> zu<br />
seiner Bedienung schon jetzt zwei zuverlässige Genossen, die möglichst Mitglieder eines bürger-<br />
lichen Radiovereins sein sollen <strong>und</strong> dort einen Morsekurs mitmachen, bestimmt werden sollen.<br />
Die Ausnutzung von Kurzwellen ist vorgesehen für die Herstellung von illegalen Verbindungen<br />
von Leitung zu Leitung <strong>und</strong> von den Leitungen zu den unteren Parteiorganisationen <strong>und</strong> den<br />
Fraktionen in den Massenorganisationen.≫<br />
Die große Gefahr für die bestehende Ordnung wird in einem Manuskript des Polizeihauptmann<br />
von Asmuth ” Ueber die Möglichkeit der Kurzwellenverwendung bei Unruhen<br />
durch staatsfeindliche Elemente, Kontrollmöglichkeiten <strong>und</strong> vorbereitende Massnahmen<br />
der Behörden“ für das RMI herausgearbeitet. Trotz der Nachteile gegenüber kommerziellen<br />
<strong>Sender</strong>n seien die selbstgebauten <strong>Sender</strong> für Telegrafie 3 gut geeignet [Droste u.a.]<br />
(S.69ff.).<br />
≪Die Bastler erhalten aus zahlreichen Spezialgeschäften Einzelteile, mit denen sie Kurzwellen-<br />
Funkstellen geringerer Leistung bis maximal ca. 30 Watt herstellen können. [. . .]<br />
Kurzwellen-Funksender bis zu 30 Watt kann man überall in Privathä<strong>user</strong> unauffällig einbauen<br />
<strong>und</strong> betreiben. Die Antenne ist von einer R<strong>und</strong>funkantenne nicht zu unterscheiden. [. . .]<br />
Im äusseren Aussehen lässt sich jeder <strong>Sender</strong> dem eines Empfängers angleichen. So bestehen<br />
z.B. nicht die geringsten technischen Schwierigkeiten, im Gehäuse eines normalen R<strong>und</strong>funk-<br />
empfängers Kurzwellensender einzubauen, sodass ein harmlos aussehender R<strong>und</strong>funkapparat<br />
in Wirklichkeit ein Kurzwellensender sein kann.[. . .]<br />
Dem Staat stehen nun für Abwehrmaßnahmen die verschiedensten Wege offen, die alle aber<br />
nur dann Zweck haben, wenn sie einheitlich zusammenwirken.≫<br />
Als verschiedene Wege wären Überwachung seitens der Bauteil-Lieferanten, Abhören der<br />
Kurzwellen-Bänder, Kontrolle durch Briefträger, die auf nichtgenehmigte Funkanlagen<br />
achtgeben sollen <strong>und</strong> bei Überführung einer solchen belohnt werden, sowie Bespitzelungen<br />
zu nennen. Unter ” einheitliches Zusammenwirken“ verstand von Asmuth das ständige<br />
≪Fühlunghalten der Beamten der politischen oder Kriminalpolizei mit den Beamten<br />
des Fernmeldedienstes <strong>und</strong> <strong>um</strong>gekehrt≫ [Droste u.a.] (S.73).<br />
3 Die zu übermittelnde Information wird von einem <strong>Sender</strong> nach einem bestimmten Code (Morsealphabet)<br />
in hochfrequente Impuls-Signale <strong>um</strong>gewandelt.<br />
11
3. Hintergründiges zur Spaltung des <strong>Arbeiter</strong>-Radio-B<strong>und</strong>es<br />
Aber auch das Stören von Sendungen durch ≪Zwischensenden mittels eines Telefunken-<br />
<strong>Sender</strong>s≫ [Droste u.a.] (S.66) wurde in Betracht gezogen.<br />
3.3 Teilung des ARB<br />
Diese dem Reichsinnenministeri<strong>um</strong> vorgelegten Berichte über den ARB waren mit Sicherheit<br />
dem Reichsinnenminister Carl Severing bekannt. Er war als ein Mitglied der<br />
SPD von 1920-26 <strong>und</strong> von 1930-1932 Innenminister von Preußen <strong>und</strong> von 1928-30 Reichsinnenminister.<br />
Es war ihm also klar, daß bei der Zulassung von Lizenzen an Privatpersonen<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit Kommunisten darunter waren. Das mußte aus seiner<br />
Sicht auf alle Fälle verhindert werden, z<strong>um</strong>al die KPD ab 1928 auf scharfen Konkurrenzkurs<br />
zur SPD ging [Peukert] (S.155). Die Kommunisten nun aber als solche zu erkennen<br />
ist für eine Behörde nur mit großem Überwachungsaufwand zu gewährleisten. Demgegenüber<br />
bietet die Erkennung <strong>und</strong> Überwachung von politischen Gesinnungen innerhalb<br />
eines Vereines aufgr<strong>und</strong> der privaten Kontakte eine Möglichkeit zur Kontrolle mit wesentlich<br />
weniger Aufwand, wenn eine Lizenzvergabe nur an Funkervereinigungen deligiert<br />
wird, deren Loyalität klar ist. Da Severing als SPD-Mitglied natürlich ein Interesse<br />
daran haben mußte, daß seine eigenen Parteigenossen an dem Medi<strong>um</strong> Funk partizipierten,<br />
aber z<strong>um</strong> anderen viele Kommunisten in der Funkervereinigung der SPD <strong>–</strong> eben<br />
dem ARB <strong>–</strong> waren, mußten die kommunistischen Mitglieder erst den Verein verlassen<br />
haben, <strong>um</strong> die Staatssicherheit zusammen mit der Partizipation von SPD-Mitgliedern<br />
am Funk zu erreichen. Und so erfolgte eine taktische Initierung der Abspaltung der<br />
kommunistischen Fraktion aus dem ARB. Dieser Hintergr<strong>und</strong> ist zu betrachten unter<br />
Berücksichtigung der <strong>Entwicklung</strong> der SPD ab 1918.<br />
Die Geschichte der SPD in der Weimarer Republik beginnt mit der Bändigung des ” Funkerspuk“.<br />
Damit ist die Koordination der über das Reich verteilten <strong>Arbeiter</strong>- <strong>und</strong> Soldatenräte,<br />
die sich nach den revolutionären Erhebungen im Herbst 1918 gebildet hatten,<br />
mithilfe von Funkern der Reichsmarine <strong>und</strong> des Heeres gemeint. Die ehemaligen Soldaten<br />
der Nachrichtentruppen stellten die militärischen Funkstationen den Organen der revolutionären<br />
<strong>Arbeiter</strong> <strong>und</strong> Soldaten zur Verfügung, indem sie eine ” Zentralfunkleitung“<br />
gründeten. Das daraufhin erfolgte Tauziehen <strong>um</strong> die Verfügungsgewalt über die Sendeanlagen,<br />
einerseits <strong>um</strong> das Wolffsche Telegraphenbureau, desweiteren aber insgesamt<br />
<strong>um</strong> die Selbstverwaltung drahtloser Nachrichtenmedien seitens revolutionärer Funker,<br />
wurde erstickt durch die Eingliederung der Zentralfunkleitung in eine neugegründete<br />
Kommission, ≪in der sie zwischen den Vertretern der Reichsämter <strong>und</strong> verschiedener<br />
Berufsvereinigungen unterging≫ [Dahl] (S.17/18). Dies ist allerdings nur eine Facette<br />
aus der Geschichte der Verhinderung einer Revolution im November 1918 durch den verfassungspolitischen<br />
Kompromiß, der z<strong>um</strong> Rat der Volksbeauftragten führte, durch den<br />
12
3. Hintergründiges zur Spaltung des <strong>Arbeiter</strong>-Radio-B<strong>und</strong>es<br />
Pakt zwischen dem SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert <strong>und</strong> dem General Wilhelm Groener<br />
sowie das Stinnes-Legien-Abkommen zur Zusammenarbeit zwischen Unternehmern<br />
<strong>und</strong> Gewerkschaften [Kinder u.a.] (Bd. II S.149).<br />
Die SPD stand also von Anfang an hinter dieser Republik. Sie partizipierte an der<br />
Macht, <strong>und</strong> sie paktierte sogar mit Teilen der Großbourgeoisie 4 . Insofern läßt sich die<br />
Propagierung der Spaltung des ARB als konsequente Folgerung aus den Gr<strong>und</strong>festen<br />
der SPD verstehen. Deutlich wird die Verb<strong>und</strong>enheit des ARB <strong>und</strong> der SPD an der<br />
Einnahme von Sitzen in den Überwachungsausschüssen <strong>und</strong> Kulturbeiräten durch einige<br />
ARB-Funktionäre, die sich damit auf die offizielle SPD-Linie begaben <strong>und</strong> dadurch in<br />
Konflikt mit vielen seiner Mitglieder gerieten.<br />
Die Spaltung selbst erfolgte <strong>–</strong> wie bereits erwähnt (S.8) <strong>–</strong> nach der Rücknahme der<br />
alten Forderung nach eigenen <strong>Sender</strong>n <strong>und</strong> nach dem Bestehen der Reichsleitung des<br />
mittlerweile sozialdemokratisch geführten ARB auf die Befolgung des Beschlußes zur<br />
Überparteilichkeit der Mitglieder. Als die Berliner Sektion des ARB in deren Organ<br />
Unser <strong>Sender</strong> gegen das Fallenlassen der Forderung nach eigenen <strong>Sender</strong> Stellung nahm,<br />
wurden sie ultimativ durch den B<strong>und</strong>esvorstand aufgefordert, die Zeitschrift einzustellen,<br />
was die Berliner nicht taten, worauf dann der Ausschluß erfolgte. Im September 1929<br />
gründete sich aus der ehemaligen Berliner Ortsgruppe des ARB der Freien-Radio-B<strong>und</strong><br />
Deutschland (FRB). Das ehemalige Ortsgruppenorgan Unser <strong>Sender</strong> wurde <strong>um</strong>benannt<br />
in <strong>Arbeiter</strong>sender <strong>und</strong> erschien von diesem Zeitpunkt an im ganzen Reich.<br />
4 Dieses Paktieren seitens rechter Führer der SPD war nach Alfred Althus, ein von den Nazis ermordeter<br />
Sozialdemokrat <strong>und</strong> Aktivist des ARB, Gr<strong>und</strong> für die Niederlage der <strong>Arbeiter</strong>klasse 1933<br />
[Süddeutsche Zeitung vom 07.09.73]<br />
13
4. <strong>Der</strong> Freie Radio B<strong>und</strong><br />
Die Forderungen des FRB waren zuerst die der <strong>Arbeiter</strong>-Radio-Bewegung von 1924 (siehe<br />
S.5). Auf der ” Internationalen Radiokommission der Revolutionären Gewerkschafts-<br />
Internationale“ 1929 wurde jedoch der Losungs-Katalog der ” <strong>Arbeiter</strong>-Radio-Internationale“<br />
formuliert, der die Forderungen des FRB im weiteren bestimmen sollte [Dahl] (S.59).<br />
Sie waren kommunistisch geprägt <strong>und</strong> sehr kämpferisch. Die 4. Forderung lautete:<br />
≪4. <strong>Kampf</strong> gegen das kirchliche Radio durch die staatlichen Radioorganisationen, gegen die<br />
verlogene politische Neutralität <strong>und</strong> für das Recht, durch die R<strong>und</strong>funkstationen Informationen<br />
über das Leben <strong>und</strong> den <strong>Kampf</strong> der <strong>Arbeiter</strong>klasse aller Länder zu erteilen.≫<br />
1930 veranstaltete der FRB die ” I. Internationale Radiohochschule der Werktätigen“<br />
zusammen mit dem Proletarischen Radiob<strong>und</strong> Basel <strong>und</strong> den Oppositionsgruppen im<br />
Österreichischen ARB. Themen waren [Dahl] (S.221):<br />
≪Die proletarische Kulturpolitik <strong>–</strong> ein Teil des Klassenkampfes; R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> Literatur im<br />
Spiegel der marxistischen Weltanschauung; Was fordern wir vom R<strong>und</strong>funk?; Wie soll der mu-<br />
sikalische Teil des R<strong>und</strong>funkprogramms beschaffen sein?; Die Organisationsformen <strong>und</strong> Me-<br />
thoden proletarischer Radiotätigkeit; Das Radio beim sozialistischen Aufbau; [. . .] Das Senden<br />
mit geringer Energie; Unsere Aufgaben im Kurzwellengebiete; [. . .] Wie halte ich ein Referat;<br />
[. . .] Wie soll ein radiotechnischer Vortrag beschaffen sein?; Wie gründe ich Ortsgruppen?; Wie<br />
organisiere ich einen Bastelkurs?; Wie organisiere ich die billigere Materialbeschaffung?; Wie<br />
lerne ich morsen?≫<br />
Trotz dieser politisch-proletarischen Ausrichtung legte der FRB in seinen programmatischen<br />
Äußerungen Wert darauf, als überparteiliche Hörerorganisation verstanden zu<br />
werden [Dahl] (S.58). Die Agitationsarbeit des B<strong>und</strong>es war ausgerichtet auf die Organisierung<br />
möglichst vieler R<strong>und</strong>funkhörer mit einer starken Orientierung auf sozialdemokratische<br />
Radiohörer. Dies bedeutet, ≪daß der FRB sich offenbar weniger an der<br />
politischen Linie der kommunistischen Partei als an der massenwirksameren etwa der<br />
Internationalen <strong>Arbeiter</strong>-Hilfe Münzenbergs orientiert hat≫ [Dahl] (S.63). So kam die<br />
Forderung auf nach neuen Methoden für die Agitationsarbeit, wobei sogar ≪Diskussionsabende<br />
mit sozialdemokratischen, christlichen, nationalsozialistischen <strong>und</strong> <strong>Arbeiter</strong>mitglieder<br />
des <strong>Arbeiter</strong>-Radio-B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> bürgerlicher Funkvereine≫ vorgeschlagen wurden<br />
[ebd.].<br />
14
4. <strong>Der</strong> Freie Radio B<strong>und</strong><br />
<strong>Der</strong> FRB als eine Organisation innerhalb der ” Interessengemeinschaft für <strong>Arbeiter</strong>kultur“<br />
(IfA), ein auf Beschluß der KPD 1929 gegründeter Dachverband aller ihr nahestehenden<br />
<strong>Arbeiter</strong>kulturorganisationen [Dahl] (S.56), wurde dort 1931 sogar aufgefordert,<br />
den engen Rahmen proletarischer Mitgliedschaft zu sprengen <strong>um</strong> Sympathisierende im<br />
Mittelstand, Bauern, Landarbeiter <strong>und</strong> proletarisierte Intellektuelle zu erfaßen [Dahl]<br />
(S.221, Anmerkung 97). Dies ist zu verstehen unter dem taktischen Nahziel des FRB:<br />
die Nutzbarmachung des bürgerlichen R<strong>und</strong>funk für das revolutionäre Proletariat [Dahl]<br />
(S.66). Dieses Ziel wurde gelegentlich von Gruppen des FRB in Programmvorschlägen<br />
geäußert, doch verwirklicht wurden diese nicht.<br />
Mit dieser Sprengung des engen proletarischen Rahmens verließ der FRB die parteipolitische<br />
Linie der KPD. Diese vertrat in Einklang mit der Kurswende in KPdSU<br />
<strong>und</strong> Komintern 1928 den <strong>Kampf</strong> gegen die ” Sozialfaschisten“ der SPD, die eine volksparteiliche<br />
Öffnung dem Rechtsruck durch die Nationalsozialisten entgegensetzen wollte.<br />
Die KPD organisierte ihre jüngeren Parteimitglieder in paramilitärischen <strong>Kampf</strong>-<br />
Organisationen, ≪während sich die SPD durch Reichsbanner <strong>und</strong> Eiserne Front dem<br />
Boom paramilitärischer Organisationsformen assimilierte, <strong>um</strong> demokratische Inhalte zu<br />
verteidigen≫ [Peukert] (S.156). So erfolgte eine Erstarrung zwischen den Fronten <strong>und</strong> ein<br />
Immobilismus innerhalb des <strong>Arbeiter</strong>milieus, der bei der KPD ≪entstand aus dem Widerspruch<br />
zwischen einem Radikalismus, der das eigene Lager durchaus anwachsen ließ,<br />
<strong>und</strong> dem dafür gezahlten Preis absoluter Kooperationsunfähigkeit, der die KPD in ihrer<br />
Ghettoposition festhielt≫ [ebd.]. Demgegenüber äußerte sich Erstarrung <strong>und</strong> Immobilismus<br />
bei der SPD in Form der ≪Vergreisung der Führung, in Wählerverlusten <strong>und</strong> im<br />
politischen Ausschluß aus den gewohnten Bereichen demokratischer Mitverantwortung<br />
seit 1930≫ [ebd.].<br />
Die KPD löste sich erst 1932 <strong>und</strong> damit zu spät von ihrer Sozialfaschismus-These, so<br />
daß die danach propagierte Einheitsfrontpolitik mit der SPD die alten Fronten nicht<br />
mehr auflösen konnte <strong>und</strong> sie somit keine Wirkung mehr zeigte. Selbst angesichts der<br />
akuten Bedrohung am 30. Januar 1933 fanden SPD <strong>und</strong> KPD zu keiner stabilen gemeinsamen<br />
Aktion. Dies war eine Folge der Ableitung strategischer Gesamtanalysen der<br />
beiden <strong>Arbeiter</strong>parteien aus ihren Erfahrungen der Revolutionszeit <strong>und</strong> den nachfolgenden<br />
Konfrontationsjahren [Peukert] (S.262).<br />
Im Gegensatz zur KPD vertrat nun der FRB die ” Sozialfaschismus-These“ nie so offensiv<br />
<strong>und</strong> konnte sich leichter mit Mitglieder der SPD zusammenschließen. Kommunisten,<br />
Sozialdemokraten <strong>und</strong> Parteilose gründeten 1932 eine ” Arbeitsgemeinschaft der<br />
<strong>Arbeiter</strong>-Radiofre<strong>und</strong>e“, die unter anderem zur Vorbereitung auf die Illegalität dienen<br />
sollte [Dahl] (S.82). Diese Zusammenarbeit erscheint nicht bloß als reine Taktik z<strong>um</strong><br />
Erreichen des oben aufgeführten Nahziels des FRB, sondern darin spiegelt sich die Ver-<br />
15
4. <strong>Der</strong> Freie Radio B<strong>und</strong><br />
knüpfung der Lebenswelten von Anhängern sowohl der SPD als auch der KPD. <strong>Der</strong><br />
kompromißlosen Distanzierung <strong>und</strong> Konfrontation der beiden Parteien stand eine gegenseitige<br />
Verzahnung <strong>und</strong> Überschneidung ihrer Mitglieder gegenüber, die der Realität<br />
im nachbarschaftlichen Zusammenleben <strong>und</strong> bei der Arbeit entsprach. Dieser Tatsache<br />
stand der FRB mit seinen Aktivitäten näher als die KPD.<br />
Nach dem Sturz der Regierung von Hermann Müller (SPD) 1930 als dem Ende der<br />
parlamentarischen Republik [Kinder u.a.] (Bd.II S.151) folgte das Regieren mittels<br />
Notverordnungen der Kanzler Brüning <strong>und</strong> von Papen. Diese Verordnungen wurden<br />
im R<strong>und</strong>funk verlesen <strong>und</strong> erhielten dadurch Gesetzescharakter. Kurz vor der Reichstagswahl<br />
im Juli 1932 erfolgte eine R<strong>und</strong>funkneuregelung unter dem Nationalsozialisten<br />
Erich Scholz. <strong>Der</strong> R<strong>und</strong>funk wurde ein reines Staatsorgan im ≪Dienste des deutschen<br />
Volkst<strong>um</strong>s≫ (Scholz, z. n. [Dahl] (S.75)). Dieser staatlichen Neuregelung stimmten auch<br />
die SPD <strong>und</strong> der ARB zu, die eine Monopolisierung <strong>und</strong> politische Neutralisierung des<br />
R<strong>und</strong>funks durch den Staat vor einer äußerlichen R<strong>und</strong>funkfreiheit mit Steuerung durch<br />
Privat- <strong>und</strong> Parteiinteressen vorzogen. Als Strategie gegen die wachsende faschistische<br />
Gewalt wurde vom ARB die Vermeidung von Konfrontationen angewandt. Eine Folge<br />
war, daß der ARB sich der Volkst<strong>um</strong>swelle nicht entzog, sondern seine Zeitschrift<br />
<strong>Arbeiter</strong>funk <strong>um</strong>benannte in Volksfunk.<br />
Dem FRB verblieb in den letzten Monaten der Weimarer Republik z<strong>um</strong> einen die Aufklärung<br />
über die politische Rolle des R<strong>und</strong>funks samt dem <strong>Kampf</strong> gegen diesen als<br />
Ganzen. Dies erfolgte, nachdem die Nazis die wichtigsten Stühle innerhalb des R<strong>und</strong>funks<br />
durch die R<strong>und</strong>funkneuregelung besetzt hatten. Die Aktivisten des FRB konnten<br />
daraufhin von der Programmleitung nichts mehr erwarten, weshalb sich der <strong>Kampf</strong> zuletzt<br />
gegen das gesamte Programm richtete [Dahl] (S.79).<br />
Z<strong>um</strong> anderen bekamen die Roten Techniker, auch Rote Radisten genannt, immer mehr<br />
an Gewicht durch die Unterstützung des Wahlkampfes der KPD <strong>und</strong> anderer proletarischer<br />
Gruppen mittels Lautsprecherwagen sowie durch den Selbstbau von kleinen<br />
<strong>und</strong> auch großen <strong>Sender</strong>n, die dann als Piratensender im antifaschistischen Widerstand<br />
eingesetzt wurden. Doch bereits während der Hindenburg-Ansprache an Sylvester 1932<br />
wurde diese in Berlin übertönt von einem Piratensender mit einer kritischen Stellungnahme<br />
zur Rüstungspolitik. Allerdings gab es ≪in der Anfangszeit der NS-Diktatur keine<br />
R<strong>und</strong>funksendungen deutscher Antifaschisten, geschweige denn regelmäßige Programme≫<br />
[Scheer] (S.10). Deutschsprachige antifaschistische Sendungen gab es zuerst nur<br />
von Radio Moskau, später dann auch aus dem republikanischen Spanien. Erst im Januar<br />
1937 begann der Deutsche Freiheitssender 29,8 zu senden. Dieser <strong>Sender</strong> erst wurde<br />
von deutschen Antifaschisten betrieben. Im Übrigen wurde das Funknetz des sozialdemokratischen<br />
” Reichsbanner“, das von ihnen vorsorglich für die Verständigung der So-<br />
16
4. <strong>Der</strong> Freie Radio B<strong>und</strong><br />
zialdemokraten bei einem Putsch seitens der Nationalsozialisten errichtet worden war 1 ,<br />
bereits 1933 von den Nazis zerschlagen, sofern diese Schwarzfunker ihre Anlagen nicht<br />
selbst zerstörten, ≪da die Ernennung Hitlers z<strong>um</strong> Reichskanzler durch Hindenburg nach<br />
Lesart der SPD kein ” Putsch“ war≫ [Scheer] (S.9).<br />
Nach der Machtergreifung gingen die neuen Herrscher rigoros vor, indem sie zuerst den<br />
FRB am 26. Februar <strong>und</strong> dann am 1. Juli den ARB samt seinem Organ Volksfunk<br />
verboten.<br />
1 Demgegenüber behauptet Bruno Voigt, ein zeitgenössischer Aktivist des ARB, daß die Leute vom<br />
ARB wohl nie einen <strong>Sender</strong> hatten [Droste u.a.] (S.101).<br />
17
5. Die Politik des ” Unpolitischen“ <strong>–</strong><br />
ein Res<strong>um</strong>ée<br />
Wenn Politik ≪prinzipiell das Schaffen <strong>und</strong> Erhalten einer staatlichen Ordnung≫ [Fuchs/Raab]<br />
(S.626) z<strong>um</strong> Zwecke hat, entspricht dies exakt der Bredowschen Bestimmung des R<strong>und</strong>funks<br />
als ein Instr<strong>um</strong>ent zur Förderung des Staates. Bredow konnte zwischen politisch<br />
<strong>und</strong> unpolitisch unterscheiden, da er in seinem bereits zitierten Rückblick (siehe S.4)<br />
angab, ein Konzept zur Einführung des Politischen im R<strong>und</strong>funk entwickelt zu haben.<br />
Dies steht in starkem Kontrast zu dem von ihm als unpolitisch verkauften R<strong>und</strong>funk.<br />
Auch im Reichskommissariat des RMI wußte man zwischen politisch <strong>und</strong> unpolitisch zu<br />
unterscheiden, wenn in einem früheren Bericht über den ARK festgestellt wird [StAB]:<br />
≪Hiernach kommt dem Verein, wenn er auch nach seinen Satzungen unpolitisch ist, zwei-<br />
fellos eine politische Bedeutung zu. Die Vereinigung würde eine Gefahr für die bestehende<br />
Ordnung bedeuten, wenn es der K.P.D. mittels des A.R.K. gelingen sollte, etwa ein Sende-<br />
netz über Deutschland <strong>und</strong> über die Grenze hinaus zu legen, da hierdurch die Verbreitung <strong>und</strong><br />
Durchführung der Umsturz-Idee der Partei eine ausserordentliche Erleichterung <strong>und</strong> Förderung<br />
erfahren müsste.≫<br />
Die politische Dimension des R<strong>und</strong>funks wurde bei seiner Einführung also einerseits<br />
bewußt verschwiegen, wie andererseits der Sendemöglichkeit von politisch aktiven Privatpersonen<br />
politische Bedeutung zugemessen wurde, was aber ebenfalls nicht an die<br />
Öffentlichkeit gelangte. Das Verschweigen von politischen Inhalten geht einher mit der<br />
Zensur im R<strong>und</strong>funk. Diese rechtfertigte der ” Zensurminister“ Carl Severing 1930 auf<br />
dem <strong>Arbeiter</strong>-Funktag in Berlin [Dahl] (S.57):<br />
≪Das Radiowesen <strong>und</strong> der Aufbau des Radiowesens ist dem Staate vergleichbar. Eine demokra-<br />
tische Angelegenheit, zu der alle Volkskreise nicht nur als Kons<strong>um</strong>enten, sondern auch in der<br />
Mitarbeit herangezogen werden sollen, alle Volkskreise, die zur Mitarbeit gewillt sind, die Auf-<br />
bauarbeit leisten wollen. Hätten wir in Deutschland schon das Ideal verwirklicht, dem einer der<br />
größten Deutschen, Lessing, nachgelebt hat, wäre Toleranz unsere große Stärke im deutschen<br />
Volke, dann brauchte es keine Zensur zu geben. Wir müssen allmählich aber erst die deut-<br />
schen R<strong>und</strong>funkteilnehmer zur Toleranz, zur Duldsamkeit anderen Anschauungen gegenüber,<br />
erziehen, <strong>und</strong> solange diese Erziehungsarbeit nicht abgeschlossen ist, ist die Einrichtung der<br />
18
5. Die Politik des ” Unpolitischen“ <strong>–</strong> ein Res<strong>um</strong>ée<br />
Überwachungsausschüsse im R<strong>und</strong>funk unentbehrlich.≫<br />
Ein Staat, der von so vielen Seiten abgelehnt wurde, der auf so wackligen Beinen stand<br />
wie der Weimarer, mußte sich natürlich zuerst <strong>um</strong> eine Konsolidierung innerhalb breiter<br />
Bevölkerungskreise bemühen. Da die Hauptgefahr für den Staat von den Kommunisten<br />
<strong>und</strong> auf der anderen Seite von rechtsradikalen sowie monarchistischen Kreisen herrührte,<br />
lag es nahe, durch Zensur dieses antirepublikanische Spektr<strong>um</strong> wegzufiltern. Den Hörern<br />
sollte eine Duldsamkeit dem Staat gegenüber sowie eine Immunität gegenüber radikalen<br />
Positionen anerzogen werden. Doch das Ausblenden von staatsgefährdenden Stimmen<br />
gewährleistete noch lange keine liberal-demokratische Einstellung <strong>und</strong> erst recht keine<br />
politische Neutralität, z<strong>um</strong>al die Zensur selber auf dem rechten Auge blinder war, als<br />
auf dem linken.<br />
Jedoch besaß diese ” Vorbereitungsphase“, in der die Hörer reif für eine politische Öffnung<br />
werden sollten, neben dem erzieherischen noch einen weiteren Effekt: R<strong>und</strong>funk<br />
war durch das Mittel der Zensur ein herrschaftssicherndes Element geworden, indem er<br />
von Anfang an, mit der Bändigung des Funkerspuks, dem Staatsinteresse unterworfen<br />
wurde. Diese Unterordnung des R<strong>und</strong>funks unter die Interessen des Staates hatte zur<br />
Folge, daß damit ein wichtiges gesellschaftliches <strong>und</strong> staatliches Korrektiv gänzlich wegfiel<br />
<strong>und</strong> sich der R<strong>und</strong>funk deshalb gegen Ende der Weimarer Republik bruchlos z<strong>um</strong><br />
Propagandainstr<strong>um</strong>ent der Herrschenden entwickelte.<br />
Wenn die Medien ein gesellschaftliches Korrektiv für die regierenden Machthaber darstellen<br />
sollen, dann muß einerseits die Meinungsfreiheit in den Medien gewährleistet<br />
werden. Aber was bedeutet schon die Möglichkeit einer freien Meinungsäußerung, wenn<br />
überhaupt nicht alle Personen einer Gesellschaft die Möglichkeit haben, ihre Meinung<br />
in den Medien zu äußern beispielsweise aufgr<strong>und</strong> eines Spezialistent<strong>um</strong>s im Bereich des<br />
Journalismus samt den damit verb<strong>und</strong>enen Anforderungen, denen die meisten Menschen<br />
nicht gerecht werden können?<br />
Unterdrückung erfolgt nicht allein aus der bloßen, rohen Gewaltanwendung, sondern<br />
auch durch strukturelle Gewalt. Die Massenkommunikation, als Sozialbeziehung verstanden,<br />
besitzt nun nach [Hunziker] (S.6) folgende Struktur:<br />
≪Die Kommunikatoren (<strong>Sender</strong>) sind in der Regel komplex aufgebaute Organisationen, beste-<br />
hend aus Spezialisten, die arbeitsteilig sowie unter Einsatz vielfältiger technischer Hilfsmittel<br />
<strong>und</strong> fachlicher Kompetenzen routinemäßig Kommunikationsinhalte hervorbringen. Die Rezipi-<br />
enten (Empfänger) weisen demgegenüber einen äußerst niedrigen Organisationsgrad auf. Als<br />
Mitglieder eines Publik<strong>um</strong>s sind sie zwar gemeinsam der Massenkommunikation ausgesetzt;<br />
die Rezeption besorgt aber typischerweise doch jeder für sich, ohne dabei auf breiterer Ba-<br />
sis mit den Mitrezipienten in Kontakt zu treten. [. . .] Aus alledem ergibt sich eine deutliche<br />
19
5. Die Politik des ” Unpolitischen“ <strong>–</strong> ein Res<strong>um</strong>ée<br />
Unterlegenheit der unorganisierten <strong>und</strong> wenig spezialisierten Rezipienten gegenüber der Sen-<br />
derorganisation <strong>und</strong> ihren Aktivitäten.<br />
Aus der Asymmetrie im Organisationsgrad <strong>und</strong> in der Sachkompetenz resultiert ein erhebliches<br />
Machtgefälle zwischen den <strong>Sender</strong>n, welche den Kommunikationsprozeß aktiv gestalten, <strong>und</strong><br />
den Empfängern, welche mehr oder weniger passiv darauf reagieren. Dieses Machtgefälle findet<br />
darin seinen Ausdruck, daß der Prozeß der Massenkommunikation praktisch einseitig verläuft<br />
<strong>und</strong> daß ein Rollentausch zwischen Kommunikatoren <strong>und</strong> Rezipienten auch bei vorhandenen<br />
übertragungstechnischen Möglichkeiten (Zweiwegkommunikation) ka<strong>um</strong> zu verwirklichen ist.≫<br />
Wenn es in der Politik ≪stets dar<strong>um</strong> [geht, N.R.], Einzelnen oder Gruppen Vorteile oder<br />
Nachteile zuzuweisen≫ [Hartwich] (S.16), dann ist die eben aufgeführte konventionelle<br />
Struktur der Massenmedien an sich bereits ein Politik<strong>um</strong>. Da sie als solche nicht bzw.<br />
selten problematisiert wird (siehe Einleitung), d.h. wenn nur <strong>um</strong> die Macht zwischen<br />
öffentlich-rechtlichen <strong>und</strong> privaten Massenmedien debattiert wird, ohne dieses prinzipielle<br />
Machtgefälle von Massenkommunikation in Frage zu stellen, steckt dahinter eine<br />
ähnlich unterdrückende Tendenz, wie bei der Debatte <strong>um</strong> den ” unpolitischen“ R<strong>und</strong>funk<br />
mitte der Zwanziger Jahre.<br />
Die Bedingungen für emanzipative Veränderungen der Gesellschaft liegen in der Möglichkeit,<br />
den Ausdruck von Bedürfnissen öffentlich darstellen zu können als ein Prozeß<br />
von Erfahrung. Das kontinuierliche, öffentliche Ausdrücken von Bedürfnissen ist gesellschaftlich<br />
notwendig, da unstrukturierte, unausgedrückte Bedürfnisse ≪das Material<br />
[bilden] für das nicht nur im psychologischen, sondern auch in einem gesellschaftlichen<br />
Sinn geltende Gesetz der Wiederkehr des Verdrängten≫ [Negt/Kluge] (S.216).<br />
Mit dieser Einsicht, wonach Menschen sich nur dann auszudrücken lernen, wenn sie die<br />
Möglichkeit z<strong>um</strong> Sich-Ausdrücken erhalten, besitzt die Forderung des frühen ARB bzw.<br />
des FRB nach eigenen <strong>Sender</strong> immer noch an Aktualität. Doch die Art <strong>und</strong> Weise, wie<br />
diese Forderung aufgr<strong>und</strong> der ” Handlungsblockade“ (Peukert) innerhalb der <strong>Arbeiter</strong>bewegung<br />
<strong>–</strong> eingebettet in die allseits skeptischen Erwartungen der Menschen in der<br />
Weimarer Republik <strong>–</strong> zur Spaltung des ARB führte, zeigt die gesellschaftlichen Schwierigkeiten<br />
bei der Propagierung <strong>und</strong> Durchsetzung der Forderungen der <strong>Arbeiter</strong>-Radio-<br />
Bewegung. Wie sehr die eingangs gestellte Frage nach dem Stabilisierungsfaktor der<br />
Medien (siehe S.2) von Bedeutung ist für die Nichtvergabe von Sendelizenzen an Funkamateure<br />
in der Weimarer Republik, läßt sich hoffentlich aus dem dargestellten Material<br />
in dieser Arbeit ablesen.<br />
20
Literaturverzeichnis<br />
[Bredow] Bredow, Hans: Im Banne der Ätherwellen; Bd. 2. Stuttgart (1956). Zit. nach<br />
[Dahl] (S.24)<br />
[Dahl] Dahl, Peter: <strong>Arbeiter</strong>sender <strong>und</strong> Volksempfänger. Proletarische Radio-Bewegung<br />
<strong>und</strong> bürgerlicher R<strong>und</strong>funk bis 1945. Frankfurt a. M. (1978)<br />
[DIE ZEIT] Die Zeit. Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft, Handel <strong>und</strong> Kultur<br />
[Droste u.a.] Droste, Eberhardt/Hercher, Jutta/Roscher, Gerd/Uka, Walter (Hg.): Ich<br />
möcht’ einmal am <strong>Sender</strong> stehn. Hamburg (1981)<br />
[Fuchs/Raab] Fuchs, Konrad/Raab, Heribert: dtv-Wörterbuch zur Geschichte. München<br />
(1987)<br />
[Hartwich] Hartwich, Hans-Hermann: Politik im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert. Braunschweig (1984)<br />
[Hunziker] Hunziker, Peter: Medien, Kommunikation <strong>und</strong> Gesellschaft. Einführung in<br />
die Soziologie der Massenkommunikation. Darmstadt (1988)<br />
[Kinder u.a.] Kinder, Hermann/Hilgemann, Werner: dtv-Atlas zur Weltgeschichte. Karten<br />
<strong>und</strong> chronologischer Abriß. München (1964)<br />
[Koerner] Koerner, W. F.: Geschichte des Amateurfunks. Seine Anfänge <strong>–</strong> seine <strong>Entwicklung</strong><br />
in Deutschland. Gerlingen/Württemberg (1963)<br />
[Negt/Kluge] Negt, Oskar/Kluge, Alexander: Öffentlichkeit <strong>und</strong> Erfahrung. Zur Organisationsanalyse<br />
von bürgerlicher <strong>und</strong> proletarischer Öffentlichkeit. Frankfurt a. M.<br />
(1972)<br />
21
Literaturverzeichnis<br />
[Peukert] Peukert, Detlev J.K.: Die Weimarer Republik. Krissenjahre der Klassischen<br />
Moderne. Frankfurt a. M. (1987)<br />
[Scheer] Scheer, André: Die Stimme der Freiheit in deutscher Nacht. Die Geschichte des<br />
Deutschen Freiheitssenders 29,8. Göttingen (1988)<br />
[StAB] Staatsarchiv Bremen, Aktenbestand 4, 65-II. N.4.: “Kurzwelle <strong>und</strong> Funkwesen”<br />
[Wahrig] Wahrig, Gerhard: Deutsches Wörterbuch. Gütersloh/München (1986/1991)<br />
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