Wellness-Konzepte im Betrieb - www-user
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Referat:<br />
<strong>Wellness</strong>-<strong>Konzepte</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong><br />
Im Projekt Arbeits- und Organisationspsychologie<br />
VAK: 11-4702<br />
„Grundlagen der Gesundheitspsychologie: Psychosoziale Stressoren am Arbeitsplatz“<br />
Blockseminar: Arbeit und Gesundheit – <strong>Betrieb</strong>liche Gesundheitsförderung<br />
Dozent:<br />
Thomas Kieselbach<br />
Referenntinnen:<br />
Silke Model Isabel Schedler<br />
MatrikelNr.:1363135 Matrikel Nr.:1383979
INHALTSVERZEICHNIS<br />
1. <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong> (Silke Model) 3<br />
2<br />
1.1 Begriffsklärung <strong>Wellness</strong> - Konzept 3<br />
2. <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong> in den USA (Silke Model) 5<br />
2.1 Rahmenbedingungen von betrieblichen <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong>n 6<br />
2.1.1 Gründe und Ziele der Einführung........................................................7<br />
2.1.2 Vorraussetzungen der <strong>Betrieb</strong>e..........................................................8<br />
2.2 Inhalte betrieblicher <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong> 9<br />
2.3 Die Wirkung von <strong>Wellness</strong> – Programmen 12<br />
2.3.1 Health Care Costs.............................................................................12<br />
2.3.2 Absentismus.....................................................................................13<br />
2.4 Unterstützende Faktoren für <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong> 14<br />
3. Probleme transnationaler Übertragbarkeit von <strong>Wellness</strong> - Programmen<br />
(Isabell Schedler) 16<br />
3.1 <strong>Wellness</strong> - Programme in den USA 17<br />
3.2 Programmcharakteristik und Implementierung 18<br />
3.3 Das politische und sozio-kulturelle Umfeld in den USA 19<br />
3.4 Die Gesundheitsversorgung in Österreich 20<br />
3.5 Das Dilemma von General Motors Austria.....................................22<br />
4. Fazit 25<br />
5. Literaturverzeichnis 27<br />
6. Anhang 28
1. <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong><br />
3<br />
Diese Arbeit beschäftigt sich mit <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong>n und - Programmen,<br />
d.h. mit Gesundheitsförderungsprogrammen, die in verschiedenen <strong>Betrieb</strong>en reali-<br />
siert wurden. <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong> wurden und werden in den USA entwickelt.<br />
Die betriebliche Gesundheitsförderung hat in den USA eine lange Tradition.<br />
Ziel dieser Arbeit ist es, die Beweggründe für die Einführung der <strong>Konzepte</strong>, deren<br />
Inhalte, die Umsetzung von Gesundheitsförderung und die Effekte vorzustellen und<br />
zu erläutern. Wir werden Programme der letzten 30 Jahre betrachten und uns der<br />
Übertragbarkeit in den europäischen Raum widmen.<br />
1.1 Begriffsklärung <strong>Wellness</strong> - Konzept<br />
Der Begriff <strong>Wellness</strong> wird bei uns in Deutschland sofort verbunden mit dem<br />
Gedanken an Thermalbäder, Duftlampen und gesundem Essen. Das reduziert das<br />
Konzept von <strong>Wellness</strong> auf eine Modeerscheinung und wird ihm nicht gerecht. Der<br />
Begriff <strong>Wellness</strong> wurde in den USA geprägt und setzt sich zusammen aus Well-<br />
being und Fitneß. Die Entwicklung von <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong>n fand ebenfalls in den<br />
USA statt. Schon 1934 hat der Arzt J.F. Williams die Grundaussagen des <strong>Wellness</strong><br />
– <strong>Konzepte</strong>s erfaßt, ohne es als solches zu benennen. „Es ist nützlich, sich die Ge-<br />
sundheit als jenen Zustand des Individuums vorzustellen, der ihm höchste Lebens-<br />
freude sowie schöpferische Arbeit ermöglicht und sich in der modernen Welt als in<br />
höchstem Masse nützlich erweist. Gesundheit als das Freisein von Krankheit ist ein<br />
Maßstab der Mittelmäßigkeit. Gesundheit als Lebensqualität ist ein Maßstab für Be-<br />
geisterung und zunehmende Vollendung.“ (Pelletier, 1979, zitiert nach Hertel,1992,<br />
S.37). In dieser Aussage wird deutlich, daß sich das Konzept von <strong>Wellness</strong> nicht<br />
alleine auf das Wohlfühlen beschränkt, wie es zur Zeit in den deutschen Medien<br />
vermarktet wird, sondern ein ganzheitlicheres Verständnis von Gesundheit und Ent-<br />
faltungsmöglichkeiten umfaßt.<br />
Nach Malich und Malich (1994) ging die <strong>Wellness</strong>-Bewegung, die diesen<br />
umfassenden Ansatz vertrat, 1972 von der Universität Stevens Point in Wisconsin<br />
aus. Sie bezogen von Anfang an nicht nur die körperliche Seite mit ein, sondern<br />
auch Geist, Seele und das Verhältnis zum sozialen Umfeld. Nach Hertel (1992)
4<br />
Geist, Seele und das Verhältnis zum sozialen Umfeld. Nach Hertel (1992) entwickel-<br />
ten sie ein sechsfaktorielles <strong>Wellness</strong> – Modell mit folgenden D<strong>im</strong>ensionen: körper-<br />
lich, emotional, geistig, intellektuell, sozial-ökologisch und beruflich.<br />
Die konzeptionellen Grundlagen legte nach Hertel (1992) Mitte der fünfziger<br />
Jahre Halbert l. Dunn, der das <strong>Wellness</strong> – Konzept als “an integrated method of<br />
functioning which is oriented towards max<strong>im</strong>izing the potential of which the individ-<br />
ual is capable within the environment where he is functioning.“ (Dunn,1959a, zitiert<br />
nach Hertel, 1992, S.37). Auch Dunn erfaßt dieses Konzept schon ganzheitlich,<br />
wenn auch nicht so ausführlich.<br />
Das Gesundheitsverständnis, das in diesen Beschreibungen des <strong>Wellness</strong> –<br />
Konzepts enthalten ist, wurde 1986 in der Ottawa Charta zur Gesundheitsförderung<br />
ähnlich erfaßt. Veranstalter dieser Konferenz waren die WHO und zwei kanadische<br />
Gesundheitsorganisationen.<br />
„Die Ottawa-Charta wurde als ein Aktionsprogramm zur Erreichung des Zie-<br />
les ,,Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus" entworfen.<br />
(<strong>www</strong>.hausarbeiten.de/archiv/sop/sop-o-unterstuetz/ sop-o-unterstuetz.shtml).<br />
„Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu<br />
erlangen, ist es notwendig, daß sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse<br />
befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie<br />
ihre Umwelt meistern bzw. sie verändern können. In diesem Sinne ist die Gesund-<br />
heit als ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und nicht<br />
als vorrangiges Lebensziel. Gesundheit steht für ein positives Konzept, das in glei-<br />
cher Weise die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen für die Gesundheit<br />
ebenso betont wie die körperlichen Fähigkeiten.“<br />
(<strong>www</strong>.zebra.or.at/doc/gesundheit/sozialarbeit.htm).<br />
In diesem Auszug aus der Charta wird nicht nur die Ganzheitlichkeit des Ge-<br />
sundheitsbegriffes deutlich, sondern auch die Eigenverantwortlichkeit des Indivi-<br />
duums für seine Gesundheit und Lebensführung.<br />
Als wissenschaftliche Erklärungsmodelle nennt Hertel (1992) z.B. die Definiti-<br />
on nach Suter, 1986. <strong>Wellness</strong> ist hier das gleichzeitige Erreichen von physiologi-<br />
scher Homöostase, Selbstaktualisierung und Verhaltenskompetenz. Er spricht damit<br />
den physiologischen Bereich an, in dem es zu einem Gleichgewicht und zur Anpas-<br />
sung bei der Überschreitung körperlicher Grenzen kommt. Ebenfalls geht es hier um
5<br />
psychologische Prozesse, wie die Entfaltung von Entwicklungs- und Wachstumspo-<br />
tentialen (z.B. Moralentwicklung nach Kohlberg) und um das Maß an physischem<br />
und psychischen Wohlbefinden, das angepaßt an Alter und soziale Rolle opt<strong>im</strong>ales<br />
Handeln ermöglicht. Er bezieht sich dabei z.B. auf das Konzept der Selbsteffizienz<br />
von Bandura (1977).<br />
Zusammengefaßt „beschreibt <strong>Wellness</strong> sowohl das Ausmaß subjektiv emp-<br />
fundener Lebensqualität, als auch einen Prozeß der aktiven und bewußten Lebens-<br />
stil- und Kontextgestaltung, in dem ein Individuum eigenverantwortlich <strong>im</strong> Rahmen<br />
seines sozial-ökologischen Umfeldes und seiner persönlichen Entwicklungspotentia-<br />
le eine Opt<strong>im</strong>ierung aller die Lebensqualität best<strong>im</strong>menden Faktoren anstrebt.“<br />
(Hertel, 1992, S.38). Das <strong>Wellness</strong> – Konzept ist als der Weg zur Erreichung dieses<br />
Gesundheits- und Lebensstilverständnisses und -zustandes zu sehen.<br />
2. <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong> in den USA<br />
Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen <strong>Wellness</strong> und Gesundheit ist<br />
das <strong>Wellness</strong> – Konzept nicht mehr eindeutig von Begriffen wie Gesundheitsförde-<br />
rung, Prävention und Präventivmedizin abzugrenzen, sondern verschmilzt zuneh-<br />
mend mit ihnen.<br />
Wichtig dabei ist allerdings der Verständnisunterschied von Gesundheitsförde-<br />
rung in Europa und den USA. Auf diesen Unterschied werden wir später in dieser<br />
Arbeit noch ausführlicher eingehen.<br />
Der europäische Begriff ist geprägt vom Lebensweisenkonzept der WHO.<br />
Dieser Ansatz „betrachtet Gesundheit ganzheitlich und n<strong>im</strong>mt daher nicht nur das<br />
Verhalten in den Blick, sondern ebenso die sozialen, ökonomischen, politischen und<br />
kulturellen Rahmenbedingungen. Verhalten lasse sich dauerhaft nur verändern,<br />
wenn die Verhältnisse, in denen es stattfindet, berücksichtigt und mitgestaltet wer-<br />
den.“<br />
(http://<strong>www</strong>.aidshilfe.de/dah/frameset.html?/dah/aktuelles/termine/weltaidstag/praev<br />
ention.htm)
6<br />
Health promotion in den USA hat sich dem gegenüber als individuumszent-<br />
riertes Risikofaktorenkonzept entwickelt. Dieses Konzept ist in erster Linie auf ver-<br />
haltenspräventiven Maßnahmen aufgebaut. Das Individuum ist vollkommen selbst-<br />
verantwortlich für Krankheit und Tod. In Nordamerika ging man Ende der siebziger<br />
Jahre davon aus, so ein effizientes Handlungskonzept gefunden zu haben. (Hertel,<br />
1992,S. 39) Kritik an diesem Konzept regte sich erst Mitte der achtziger Jahre. „Be-<br />
sonders eindrücklich formuliert Rosenbrock (1989) die Unangemessenheit isolierter<br />
verhaltenszentrierter Gesundheitsförderungsansätze: “Aber wer wollte es einer Ehe-<br />
frau und Mutter von zwei Kindern, die bei geringem Lohn monotone Schichtarbeit<br />
verrichtet, täglich eine Stunde aus dem Satellitenviertel zur Arbeit und zurück un-<br />
terwegs ist und sich nebenher um ihre kranke Mutter kümmert schon glaubwürdig<br />
vermitteln, daß sie gesünder kochen, am Wochenende joggen, nicht rauchen und<br />
kaum trinken soll?...““ (Hertel, 1992, S.41).<br />
Diese Aussage macht den Ansatz der USA sehr deutlich. Für betriebliche Ge-<br />
sundheitsförderungsprogramme bedeutet das, daß sie auf Risikofaktoren wie Rau-<br />
chen, koronare Herzkrankheiten, Verletzungen am Arbeitsplatz, etc. ausgerichtet<br />
sind. Das Umfeld, Familienangehörige werden von <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong>n meist<br />
nicht erfaßt.<br />
Ardell (1977) entwickelte das bis heute populärste <strong>Wellness</strong> – Modell, das den<br />
Ansatz unterstützt. Im Mittelpunkt der Gesundheitsfaktoren körperliche Fitneß, Er-<br />
nährungsbewußtsein, Streßbewältigung und soziales Bewußtsein/ökologische Acht-<br />
samkeit steht die Eigenverantwortung. 1986 überarbeitete er sein Modell und stellte<br />
„die sozialen und gesellschaftlichen Normen und Regeln als wichtigsten Einflußfak-<br />
tor auf Verhalten, Einstellungen und das persönliche Wertesystem eines Menschen<br />
in den Mittelpunkt.“ (Hertel, 1992, S. 40). Der Ansatz der USA hat sich in den letzten<br />
30 Jahren deutlich verändert. Umweltfaktoren werden mit einbezogen.<br />
Der ganzheitlichere Ansatz spielt in der von uns benutzten Literatur in erster<br />
Linie als Zukunftsperspektive eine Rolle.<br />
2.1 Rahmenbedingungen von betrieblichen <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong>n<br />
Die Einführung betrieblicher <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong> begann mit der Etablierung<br />
betrieblicher Fitneß in den sechziger Jahren bei Good Year Rubber Co., Xerox, u.a.
7<br />
(Gebhardt und Crump, 1990). Da nicht anzunehmen ist, daß Unternehmen in den<br />
USA aus purer Nächstenliebe und aus Fürsorgegefühlen heraus, <strong>Wellness</strong>- und<br />
Gesundheitsförderungskonzepte für ihre Mitarbeiter einführen, obwohl Gebhardt<br />
und Crump behaupten, daß es unter anderem Verantwortungsgefühl sei, welches<br />
die Organisationen dazu bringt Gesundheitsförderungskonzepte einzuführen, stellt<br />
sich die Frage nach den Hintergründen für diese Maßnahmen.<br />
2.1.1 Gründe und Ziele der Einführung<br />
Einer der wichtigsten Gründe ist das Krankenversicherungssystem der USA.<br />
Es besteht keine Pflichtversicherung, sondern eine Freiwilligkeit. Viele Firmen bie-<br />
ten den Beitritt zu verschiedenen Versicherungssystemen an. Die Kosten für diese<br />
Firmen steigen damit natürlich <strong>im</strong>mens und müssen gesenkt werden. Das wollen sie<br />
erreichen, indem die Arbeiter durch <strong>Wellness</strong> – und Fitneß – Programme einen kör-<br />
perlichen Gesundheitszustand aufbauen, mit dem Verletzungen und durch z.B. sit-<br />
zende Tätigkeiten erhöhte Krankheitsrisiken vermindert werden. Das Thema der<br />
Krankenversicherung in den USA und die Konsequenzen werden wir <strong>im</strong> letzten Ab-<br />
schnitt dieser Arbeit noch ausführlicher darlegen.<br />
Hertel (1992) macht für das wachsende Interesse an <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong>n<br />
nach Ardell (1984) zehn Hauptfaktoren verantwortlich (S. 39-40):<br />
Publikationen mit Wirkung auf die Gesundheitspolitik. D.h. die Veröffentli-<br />
chung des <strong>Wellness</strong> – Konzept Ansatzes<br />
Die schon erwähnte Kostenexplosion <strong>im</strong> Gesundheitswesen<br />
Ein verändertes Verbraucherbewußtsein mit mehr Aufklärungsbedürfnis <strong>im</strong><br />
Gesundheitsbereich<br />
Wachsender Kenntnisstand über Psyche – Soma – Interaktionen. Psychologi-<br />
sche Faktoren <strong>im</strong> Heilungsprozeß gewinnen an Bedeutung<br />
Protestbewegungen, die das autoritäre Medizinsystem hinterfragten<br />
Steigendes Interesse der amerikanischen Unternehmen an lohnenden Well-<br />
ness – <strong>Konzepte</strong>n<br />
Publikationen mit großer Breitenwirkung, mit Einfluß auf die Bevölkerung
8<br />
Auch andere nationale Bewegungen begannen sich für <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong><br />
zu interessieren<br />
Forschungsarbeiten zur Rolle des Lebensstils <strong>im</strong> Zusammenhang mit Krank-<br />
heit und Tod<br />
Nationale Organisationen förderten das Interesse an <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong>n<br />
durch Konferenzen und eigene lebensstilbasierte Gesundheitsprogramme<br />
Nach Gebhardt und Crump (1990) ist es der hohen Rate an koronaren Herz-<br />
krankheiten (CHD) in der amerikanischen Bevölkerung zuzuschreiben, daß sich auf<br />
der Suche nach Kostensenkungsmöglichkeiten <strong>im</strong> Gesundheitssystem <strong>Wellness</strong> –<br />
<strong>Konzepte</strong> Anfang der siebziger Jahre durchsetzten. Denn obwohl in den sechziger<br />
Jahren die CHD abnahmen, machten die Kosten für diese Erkrankung 1986 23%<br />
aller Krankheitskosten aus. Außerdem waren die CHD Todesursache Nummer eins<br />
in den USA. Der nachgewiesene Zusammenhang zwischen CHD und körperlicher<br />
Inaktivität, z.B. bei einer sitzenden Tätigkeit, förderte auf diese Weise die <strong>Wellness</strong><br />
– <strong>Konzepte</strong> in <strong>Betrieb</strong>en, denn man versprach sich dadurch eine drastische Kosten-<br />
senkung.<br />
2.1.2 Vorraussetzungen der <strong>Betrieb</strong>e<br />
Die Zahl der <strong>Betrieb</strong>e in denen sich <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong> etabliert haben,<br />
stieg nach Gebhardt und Crump (1990) lt. einer Studie von Karch (1987) 1985 von<br />
2,5% 1979 auf 32,4%. Diese <strong>Betrieb</strong>e hatten allerdings alle über 250 Beschäftigte.<br />
1987 waren es schätzungsweise 50.000 Companies mit 100 oder mehr Beschäftig-<br />
ten, die Arbeitgeber finanzierte Gesundheitsförderungsprogramme bereithielten.<br />
Diese Programme wurden oft durch company-eigenes Personal verwaltet.<br />
Malich und Malich (1994) berichten von einer offiziellen Vergleichsstudie 1992<br />
zu 1985, an der <strong>Betrieb</strong>e mit mindestens 50 Beschäftigten teilnahmen. Es zeigte<br />
sich, daß es ein Gefälle bei der Einbindung von <strong>Wellness</strong> - Programmen <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong><br />
von Firmen mit mehr als 750 Beschäftigten zu denen mit unter 100 Beschäftigten.<br />
„ Wahrscheinlich spielt dabei auch die Tatsache eine Rolle, daß von den gro-<br />
ßen Unternehmen 56 v. H. über eigene betrieblich organisierte Krankenversiche-<br />
rungen verfügen, deren präventionsorientierter Einfluß offenbar richtungsweisend
9<br />
ist. Bei lediglich einem Fünftel der kleineren Unternehmen sind entsprechende Vor-<br />
aussetzungen gegeben.“ (Malich und Malich, 1994, S. 275).<br />
Die Frage ist, ob kleinere <strong>Betrieb</strong>e überhaupt in der Lage sind betriebliche<br />
<strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong> zu finanzieren und zu organisieren. Die entsprechenden Ein-<br />
richtungen <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> benötigen dementsprechenden Raum und die Anschaffung<br />
von Geräten und Fachpersonal. Externe Anbieter sind eine Kostenfrage. Die Teil-<br />
nahme an den Programmen wird nach Malich und Malich von 73% der Arbeitgeber<br />
in der Arbeitszeit gestattet oder es werden gleitende Arbeitszeiten eingeführt. (S.<br />
275). Das sind keine Bedingungen, die kleine <strong>Betrieb</strong>e erfüllen können, daher sind<br />
<strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong> hauptsächlich in großen und mittleren <strong>Betrieb</strong>en etabliert.<br />
2.2 Inhalte betrieblicher <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong><br />
Zur inhaltlichen Beschreibung bietet sich, wie bei Gebhardt und Crump (1990,<br />
S. 263 -264) ausgeführt, die Erklärung der drei Level von Fitneß- und <strong>Wellness</strong> -<br />
Programmen nach O´Donell (1986b) an.<br />
Level I dient der Wahrnehmungsschulung. Mit Postern, Flyern, Newslettern,<br />
Filmen, etc. wird den Mitarbeiter deutlich gemacht, welchen Effekt ungesunde Le-<br />
bensweisen haben. Ob diese Maßnahmen die individuelle Gesundheit unterstützen<br />
oder eine Verhaltensänderung bewirken ist fraglich. Dieser Level soll Interesse und<br />
Motivation für Level II erzeugen und positives Verhalten derjenigen verstärken, die<br />
in Level II und III engagiert sind.<br />
Level II Programme sollen eine Lebensstilmodifikation bewirken indem sie<br />
spezielle Trainings zur Verfügung stellen (z.B. Rücken- und Krafttraining). Diese<br />
dauern mindestens acht bis zwölf Wochen oder stehen für die Arbeitnehmer fortlau-<br />
fend bereit. Das Ziel ist es eine Verhaltenveränderung zu bewirken, die langfristig<br />
anhält. Sie schalten durch das von den Arbeitern neu Gelernte die negativen<br />
Verhaltensweisen aus. Beispiele sind selbst verwaltete Fitneßprogramme, die<br />
Mitgliedschaft in lokalen Fitneßclubs oder unterschiedliche Kurse , die spezielle<br />
Verhaltensweisen am Arbeitsplatz trainieren wie ergonomische Haltung. Die<br />
Veränderungen <strong>im</strong> Lebensstil, die in Level II durchgeführt werden, werden, werden<br />
in Level III ausgeweitet und unterstützt.
10<br />
Level III Programme unterstützen den gesunden Lebensstil durch die Ausstat-<br />
tung des <strong>Betrieb</strong>es mit dem entsprechenden Einrichtungen. Das kann ein betriebs-<br />
eigener Fitneßraum sein, gesunde Kost oder Diätkost, ergonomische Ausstattung<br />
der Arbeitsplätze oder die Entfernung von z.B. Süssigkeitenautomaten. Dieses Pro-<br />
gramm kann auch einzeln angewendet werden, normalerweise ist es aber unter-<br />
stützend zu Level I und II eingerichtet.<br />
Gebhardt und Crump (1990, S.264) beschreiben unterschiedliche Studien, in<br />
denen die Level einzeln und in verschiedenen Kombinationen in <strong>Betrieb</strong>en anwen-<br />
det wurden. Sie zeigten, daß es bei der Kombination von Level II und III zum<br />
höchsten Anstieg der Teilnahme an Fitneßprogrammen kam. Bei dem Angebot nur<br />
eines der drei Programme kam es ebenfalls zu einem signifikanten Anstieg der Teil-<br />
nahme, wobei der geringste Anstieg bei dem einzelnen Angebot von Level I zu ver-<br />
zeichnen war.<br />
Die Level II und III Programme, die erfolgreich in Geschäfts- und Industriebe-<br />
trieben eingeführt wurden, können in zwei Kategorien unterschieden werden. Der<br />
erste Typ sind die allgemeinen Fitneßprogramme, die die allgemeine Fitneß und<br />
Gesundheit fördern sollen. Sie sind für führendes Personal und Personal mit einer<br />
sitzenden Tätigkeit gedacht (white collar worker). Der zweite Typ sind die „job-<br />
related fitness programs“ (Gebhardt und Crump, 1990). Sie sind ausgerichtet auf die<br />
speziellen körperlichen Anforderungen, die für eine erfolgreiche Erfüllung des Jobs<br />
nötig sind (Kraft, Atemvolumen, Ausdauer). Diese Programme wurden entwickelt<br />
für Arbeiter in Jobs der öffentlichen Sicherheit und anderen mit spezieller körperli-<br />
cher Belastung und Anforderung (blue collar worker).<br />
Malich und Malich (1994) zeigen mit der Veröffentlichung einer offiziellen Ver-<br />
gleichsstudie 1992 zu 1985 des Department of Health and Human Services <strong>im</strong><br />
Sommer 1993 den Anstieg der an Gesundheitsförderungsprogrammen teilnehmen-<br />
den <strong>Betrieb</strong>e. „ Die Erhebung erstreckt sich auf annähernd drei Viertel (= 1507) der<br />
in Betracht kommenden <strong>Betrieb</strong>e mit jeweils mindestens fünfzig Beschäftigten.“<br />
(Malich und Malich, 1994).<br />
Wie die folgende Grafik zeigt, ist sowohl die Teilnahme angestiegen als auch<br />
das Programm ausgeweitet worden. „ Dazu trugen die stetig wachsende Aufge-<br />
schlossenheit der Arbeitgeber, die zunehmende Kooperationsbereitschaft der Ar-
11<br />
beitnehmervertretungen und die steigende Resonanz bei den Beschäftigten in glei-<br />
chem Maße bei.“ (Malich und Malich, 1994).<br />
( in Malich und Malich, 1994, S.274)<br />
Die Zahl der teilnehmenden <strong>Betrieb</strong>e stieg von 1985 in vier von acht damals<br />
erfassten Aktivitäten bis 1992 um fast 50%. Bis 1992 wurden neun neue Aktivitäten<br />
in der Gesundheitsförderung mit erfasst oder auch neu aufgenommen, wie z.B. die<br />
AIDS - Aufklärung. Den geringsten Zuwachs an teilnehmenden <strong>Betrieb</strong>en gab es bei<br />
Aktivitäten zum Rauchen. Dies war jedoch auch der Bereich, in dem sich 1985 die<br />
meisten <strong>Betrieb</strong>e engagiert hatten. Einen Rückgang in der Teilnahme gab es bei<br />
Aktivitäten zu ausserberuflichen Unfällen. Dafür gab es eine besonders hohe Teil-<br />
nahme bei den neu erfassten Aktivitäten zu Berufsrisiken und Unfallverhütung, die<br />
beeinflussbarer sind als ausserbetriebliche Unfälle.
12<br />
2.3 Die Wirkung von <strong>Wellness</strong> – Programmen<br />
In den USA haben <strong>Wellness</strong> – Programme, also <strong>Konzepte</strong> nach ihrer Einfüh-<br />
rung, einen laut der Untersuchungen ausschließlich positiven Kosten – Nutzen Ef-<br />
fekt. Inzwischen gibt es reichlich Berichte und wissenschaftliche Studien über diese<br />
Effekte. Malich und Malich (1994) und Gebhardt und Crump (1990) stellen in ihren<br />
Artikeln einige davon vor.<br />
Bewertungsmerkmale in diesen Studien sind krankheitsbedingte Aufwendun-<br />
gen (health care costs), Absentismus (absenteeism), Fluktuation (turnover), (injury),<br />
andere Produktivitätseffekte wie Kreativität, Motivation, Identifikation (job perfor-<br />
mance and moral), Investitionsertrag. Die Merkmale ohne Klammern beziehen sich<br />
auf von Malich und Malich vorgestellte Studien, die in Klammern auf von Gebhardt<br />
und Crump vorgestellte.<br />
Da es den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, beschränken wir uns auf<br />
die Vorstellung von zwei Studien aus dem Artikel von Gebhardt und Crump (1990)<br />
zu den Bewertungsmerkmalen Health Care Costs und Absenteeism.<br />
2.3.1 Health Care Costs<br />
Die Studie zur Einsparung von Health Care Costs, also Kosten für medizini-<br />
sche Versorgung, Krankheitsausfall und krankheitsbedingte Aufwendungen wurde<br />
1984 beschrieben von Bowne, D. et al.<br />
Die Prudential Insurance Company initiierte ein auf Freiwilligkeit beruhendes<br />
Gesundheitsprogramm. Eigens geschulte Fitneß Koordinatoren unterwiesen white<br />
collar workers in Physiologie und Körperübungen. Die Studie lief über einen Zeit-<br />
raum von vier Jahren. Voraussetzungen für die Teilnehmer waren: Sie mußten min-<br />
destens ein Jahr bevor sie am Programm teilnahmen schon beschäftigt gewesen<br />
sein und ein Jahr nach dem Eintritt in das Programm <strong>im</strong>mer noch.<br />
Ergebnisse der Untersuchung waren: Zusätzlich zu einer Zunahme der allge-<br />
meinen Fitneß der Teilnehmer, sanken die Krankheitstage um 20% verglichen mit<br />
ihren Krankheitstagen des Vorjahres. Wenn man diese Krankheitstage in Lohnkos-<br />
ten übersetzt, zeigte die Gruppe der Teilnehmenden 31,7% reduzierte Lohnkosten
13<br />
oder $ 91,24 pro Teilnehmer ein Jahr nach Eintritt in das Programm. Ähnlich verhielt<br />
es sich mit den Hauptkosten für die medizinische Versorgung. Angepaßt an die<br />
Kaufkraft des Dollars von 1980 reduzierten sich die Kosten um 45,7% oder $ 262,14<br />
pro Teilnehmer.<br />
Während einer Vier-Jahres-Periode stiegen die Kosten für die medizinische<br />
Versorgung (in 1980 Dollar) der Teilnehmer um 29,9%. Trotzdem lagen sie 39%<br />
unter denen der Gesamtbelegschaft in dieser Periode.<br />
Die Autoren dieser Studie verzeichneten die 45,7% Reduktion der medizini-<br />
schen Haupt-Versorgungskosten während eines Jahres in dem die Health Care<br />
Costs für den Rest der Nation um 13,9% anstiegen. Im Gegensatz zu Einsparungen<br />
von $ 1,93 bei den Health Care Costs standen $ 1,00 Aufwendungen, um das Pro-<br />
gramm durchzuführen. Die Einsparungen pro Teilnehmer für Dienstunfähigkeit und<br />
medizinische Haupt-Versorgungskosten betrugen $ 353,88 verglichen mit $ 120,60<br />
Kosten für das Programm. (Gebhard und Crump, 1990)<br />
In anderen Studien zu den Health Care Costs wurden auch die Kosten für<br />
teilnehmende und nicht teilnehmende Beschäftigte gegeneinander gerechnet. Die<br />
Kosten für nicht Teilnehmende fielen <strong>im</strong>mer sehr viel höher aus.<br />
2.3.2 Absentismus<br />
Absentismus wird bei Malich und Malich (1994) in den beschriebenen Unter-<br />
suchungen als Fehlzeiten, Fehltage oder Krankmeldungen bezeichnet. In einer Un-<br />
tersuchung von Teneco (Gebhard und Crump, 1990) wird absenteeism als Fehl-<br />
stunden pro Jahr bezeichnet. Zusammengefaßt bedeutet das, dass es sich bei Ab-<br />
sentismus um die Abwesenheit vom Arbeitsplatz zu einer Zeit, in der man norma-<br />
lerweise anwesend wäre, handelt.<br />
In einer Studie von Cox et al. (1981), die in dem Artikel von Gebhard und<br />
Crump (1990) beschrieben wird, wurden zwei ähnliche Insurance Companies aus-<br />
gewählt, in denen white collar Personal arbeitete. Eine Company stellte die experi-<br />
mentelle Gruppe, die andere die Kontrollgruppe. Ein Teil der Arbeiter (N=435) in der<br />
exper<strong>im</strong>entellen Company trug sich freiwillig in ein dreißigminütiges Übungspro-<br />
gramm ein, das dre<strong>im</strong>al pro Woche in einer Einrichtung vor Ort statt fand. Diese Ar-
14<br />
beiter wurden verglichen mit den übrigen Arbeitern (N=846) der selben Company<br />
und den Arbeitern der zweiten Company (N=577), der Kontrollgruppe.<br />
Vor der Einführung des Fitneßprogramms hatten alle Beschäftigten der beiden<br />
Companies die gleiche Absentismus Rate. Cox et al. stellten einen signifikanten<br />
Rückgang der Absentismus Rate von 22% oder 1,3 Tage pro Arbeiter fest. Sie ver-<br />
anschlagten Einsparungen von $ 83265 pro Jahr, die in der Company (N=1281)<br />
realisiert werden könnten. (Gebhard und Crump, 1990)<br />
Die Dauer der Studie ist aus dem Bericht nicht ersichtlich. Malich und Malich<br />
(1994) beschreiben jedoch mehrjährige Untersuchungen, die einen noch höheren<br />
Rückgang der Absentismusrate zu verzeichnen haben.<br />
2.4 Unterstützende Faktoren für <strong>Wellness</strong> – <strong>Konzepte</strong><br />
Das Ziel von <strong>Wellness</strong> – Programmen beschreiben Gebhard und Crump<br />
(1990) wie folgt: „Health promotion programs in the workplace should be designed<br />
to encourage employees to adopt healthy behaviors and to continue these behav-<br />
iors outside the work setting.“ (S. 269).<br />
Als unterstützende Faktoren, um dieses Ziel zu erreichen, wurden in etablier-<br />
ten Programmen vier Elemente identifiziert. „(Fielding, 1982; Higgins, 1986;<br />
O`Donnell, 1986b; Parkinson, 1982)“ (Gebhardt und Crump, 1990, S.269)<br />
Ziele: Um ein <strong>Wellness</strong> – Konzept zu entwerfen, sollten Menschen mit Exper-<br />
tenwissen multidisziplinär zusammenarbeiten und gemeinsame Ziele des Pro-<br />
gramms entwerfen, die mit den Zielen der Organisation harmonisieren. Diese Ziele<br />
sind wichtig für die Identifizierung des Programms, die Evaluation und die Planung.<br />
Qualifiziertes Personal: Hilfreich kann bei der Zielerarbeitung und bei Proble-<br />
men mit der Veränderungsresistenz der Organisation und seiner Beschäftigten ein/e<br />
A&O Psychologe/in sein. Ein kompetenter Programmleiter sollte gefunden werden,<br />
der die Fähigkeit haben muß, die Beschäftigten zu motivieren. Je nach Programm<br />
kann zusätzliches, qualifiziertes Personals eingestellt werden.<br />
Evaluation: Ein Programm zur Evaluation und Überprüfung sollte installiert<br />
werden, damit den Arbeitern ein qualifiziertes Feedback gegeben werden kann und<br />
überprüft werden kann, wie sich das Programm zu den Zielen des <strong>Betrieb</strong>es verhält.<br />
Weiter sollten natürlich Veränderungen des Gesundheitsstatus, des Verhaltens und
15<br />
der Kosten überprüft werden. Zur Entwicklung und Planung eines Instruments zur<br />
Evaluation kann ebenfalls ein/e A&O Psychologe/In hinzugezogen werden.<br />
Rekrutierung: Die Aufgabe eines <strong>Wellness</strong>- und Fitneß – Programms ist es,<br />
möglichst viele Individuen, die gesundheitlich gefährdet sind, zu erreichen, zu rekru-<br />
tieren und zu motivieren an dem Programm teilzunehmen. Ein multidisziplinäres<br />
Team muß die speziellen Bedürfnisse der Arbeiter und ihre Ziele ermitteln und zu<br />
einem Programm zusammenfügen, das den Arbeiter durch initiale Motivation er-<br />
reicht, aber auch die Motivation nach der Eingangsphase weiter aufrecht erhält.<br />
Diese Sichtweise unterstützt den Ansatz der reinen Verhaltensmodifikation<br />
und Risikoreduzierung. Hertel (1992) hat folgende Schwerpunkte bei gegenwärtigen<br />
und geplanten Maßnahmen zur Weiterführung der Gesundheitsförderung in der von<br />
ihm ausgewerteten Literatur identifiziert. Diese Maßnahmen erweitern den oben<br />
erwähnten Ansatz. Aufgeführt werden nur die ergänzenden Punkte.<br />
Einbeziehung der Angehörigen in die <strong>Wellness</strong> – Programme<br />
Gesundheitsförderungsprogramme beziehen sich mehr auf ökologische und<br />
kontextbezogene Strategien<br />
Veränderungen von Arbeitsbedingungen und Unternehmenskultur sind Be-<br />
standteile der Programme<br />
Das Empowerment – Modell wird Bestandteil der Programme. Empowerment<br />
setzt erweitertes Wissen der Arbeiter voraus und verbindet damit eine Kompetenz-<br />
und Handlungserweiterung. (http://home.t-online.de/home/ckrinke/wissen.htm)<br />
Die Verzahnung von <strong>Wellness</strong> – Programmen und EAP´s (employee as-<br />
sistence programs). Diese Programme dienen der Krisenintervention und Unter-<br />
stützung der Arbeiter bei Krankheit. (Fidler, Calkins & Fuentes, 1992). Weiter hinten<br />
führen wir diesen Punkt noch ausführlicher aus.<br />
Unternehmen sollten bei der Entwicklung von Gesundheitsförderungspro-<br />
grammen untereinander kooperieren<br />
Wirksamkeitsstudien zur medizinischen Behandlung werden durchgeführt<br />
N<strong>im</strong>mt sich ein <strong>Betrieb</strong> dieser Punkte an, wird dabei ein ganzheitliches Well-<br />
ness – und Gesundheitsförderungs- – Programm entstehen. Die Entwicklung geht in
16<br />
diese Richtung. US-amerikanische Unternehmen entwickeln sich vom Risikofakto-<br />
ren- Modell hin zu einem Modell, das die „...Verknüpfung von Psyche und Physis...“<br />
(Hertel, 1992, S.43) <strong>im</strong> Auge hat.<br />
3. Probleme transnationaler Übertragbarkeit von <strong>Wellness</strong><br />
- Programmen<br />
Zusammenfassend für <strong>Wellness</strong> – Programme in den USA ist zu sagen: Pro-<br />
gramme, die der Gesundheitsförderung und der Steigerung des Wohlbefindens die-<br />
nen, sind in den USA nicht nur für die Arbeitnehmer von besonderem Interesse,<br />
sondern gleichwohl auch für Arbeitgeber großer Firmen, Unternehmen und Konzer-<br />
nen. Wirtschaftliche Überlegungen stehen auf Seiten der Firmenleitung <strong>im</strong> Vorder-<br />
grund, besteht doch <strong>im</strong> Geschäfts- wie <strong>im</strong> Gesundheitswesen einhellig die Annah-<br />
me, daß sich gesundheitsfördernde Programme auszahlen. Wissenschaftliche Un-<br />
tersuchungen haben schließlich ergeben, daß mit entsprechender Förderung nicht-<br />
infektiösen und chronisch-degenerativen Krankheiten vorgebeugt werden kann oder<br />
zumindest deren Auswirkungen auf lange Sicht gering gehalten werden können.<br />
Dementsprechend ist in den USA der Trend von <strong>im</strong>mer mehr Unternehmen zu<br />
<strong>Wellness</strong> - Programmen und innerhalb dieser die Tendenz zu zahlreicheren Aktivitä-<br />
ten der Gesundheitsförderung zu beobachten, liegen doch die Kosten hierfür bei nur<br />
0,1 % des Nettogewinns gegenüber bis zu 24 % für die Arbeitnehmerkrankenversi-<br />
cherung.<br />
Nicht hinreichend erforscht ist bisher der Vergleich von unterschiedlichen<br />
Möglichkeiten der Gesundheitsförderung in verschiedenen Gesellschaften, Ländern<br />
und Kulturen. Insbesondere stellt sich hierbei nämlich die Frage nach der schlichten<br />
Übertragbarkeit der in den als fortschrittlich angesehenen USA entwickelten Ge-<br />
sundheitsförderungsprogrammen auf andere Länder. Äußere Umstände wie bei-<br />
spielsweise verschiedenartige Krankenversicherungssysteme, Regierungsbest<strong>im</strong>-<br />
mungen und gesetzliche Rahmenbedingungen können sich zwischen einzelnen
17<br />
Ländern stark unterscheiden, so daß sich ein einfaches Übertragen von nicht modi-<br />
fizierten Programmen sinnlos gestalten würde.<br />
In diesem Abschnitt der vorliegenden Hausarbeit soll deshalb ein Vergleich<br />
zwischen amerikanischen <strong>Wellness</strong> - Programmen und privater Gesundheitsförde-<br />
rung in Österreich (als Repräsentant für westeuropäische Länder) angestellt wer-<br />
den, wobei zur Veranschaulichung das Beispiel von General Motors Austria heran-<br />
gezogen wird.<br />
Zu beachten ist bei der Lektüre dieses Abschnitts, daß der zugrundeliegende<br />
Artikel aus dem Jahre 1992 stammt und deshalb keinen Anspruch auf Aktualität<br />
legt.<br />
3.1 <strong>Wellness</strong> - Programme in den USA<br />
Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz ist noch heute ein US-amerikanisches<br />
Phänomen, während in Europa noch <strong>im</strong>mer eher Arbeitsrisiken als die Gesund-<br />
heitsprävention thematisiert werden.<br />
Hintergrund ist die gängige Versicherungspraxis in den USA. Fakt ist nämlich<br />
folgendes: Die USA verfügen nicht über ein nationales Krankenversicherungssys-<br />
tem, vielmehr bietet die Mehrzahl der Unternehmen ihren Mitarbeitern als Sozialleis-<br />
tung auf freiwilliger Basis einen Beitritt zu verschiedenen Versicherungsplänen an,<br />
so daß etwa 80 % der Arbeitnehmer und ihre Familien über eine Art von Versiche-<br />
rung verfügen.<br />
Besorgnis erregen bei den Firmen die massiv steigenden Zahlen der Kran-<br />
kenversicherungsabgaben. Bei General Motors America beispielsweise stiegen die<br />
Krankenversicherungsprämien zwischen den siebziger und achtziger Jahren um<br />
500 %, und die Zahlungen an die Versicherungsanstalt Blue Cross übertreffen so-<br />
gar die an den Zulieferer US Steel. Insgesamt betragen die Beiträge zur Kranken-<br />
versicherung 11 % des Bruttonationalprodukts.<br />
Diese Zahlen verdeutlichen das Interesse der Unternehmen, dieser bedenkli-<br />
chen Entwicklung mit Gesundheitsförderungsprogrammen entgegenzuwirken. Das<br />
Hauptaugenmerk der Unternehmen liegt dabei auf der Verringerung krankheitsbe-
18<br />
zogener Ausgaben, aber auch der Verminderung der Abwesenheitsquote, der Stei-<br />
gerung der allgemeinen Arbeitsmoral und der Erhöhung der Produktivität.<br />
Daß diese Ziele zu erreichen sind, zeigt das Beispiel der pharmazeutischen<br />
Zuliefererfirma Johnson & Johnson: Mit der Einführung ihres <strong>Wellness</strong> - Programms<br />
„Live for life“ sei die Abwesenheitsquote um 18 % geringer ausgefallen als in Toch-<br />
terfirmen ohne Einführung des Programms und gleichzeitig seien innerhalb von zwei<br />
Jahren die Ausgaben für Krankenhausaufenthalte um 24 % gesunken. Zudem wird<br />
von besseren Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehungen berichtet.<br />
3.2 Programmcharakteristik und Implementierung<br />
Bei Gesundheitsprogrammen unterscheidet man grundsätzlich zwischen sog.<br />
„Vor-Ort“- Programmen und jenen, die Aktivitäten in einem externen Gesundheits-<br />
club fördern. <strong>Wellness</strong> - Programme unterliegen einer anderen Konzeption als die<br />
traditionelle Beschäftigungs-Gesundheitspflege, die verpflichtenden Umweltüberwa-<br />
chungen des Arbeitsplatzes sowie die medizinischen Untersuchungen aufgrund von<br />
Extrembelastungen und gehen darüber hinaus.<br />
Nach Roman und Blum (1988) wird differenziert zwischen „Employee as-<br />
sistence programmes“ (EAP), also Arbeitnehmerhilfsprogrammen, und „Health pro-<br />
motion programmes“ (HPP), d.h. Gesundheitsförderungsprogrammen.<br />
Definiert werden Arbeitnehmerhilfsprogramme (EAP) als „Mechanismen, die<br />
dazu dienen, die dauernde Beschäftigungsmöglichkeit, Arbeitsleistung und gesell-<br />
schaftliche Integration einer Person zu erhöhen, die durch Suchtverhalten, psychiat-<br />
rische Krankheit, Familienschwierigkeiten oder andere persönliche Probleme nega-<br />
tiv beeinflußt ist“ (Roman & Blum, 1988, zitiert nach Fidler, Calkins & Fuentes, 1992,<br />
S 453). Angesprochen werden bei diesem Ansatz dementsprechend nur bereits i-<br />
dentifizierte problembehaftete Arbeitnehmer, weshalb dieses Konzept nicht als um-<br />
fassendes <strong>Wellness</strong> - Programm aufgefaßt wird.<br />
Gesundheitsförderungsprogramme werden nach Roman & Blum (1988) um-<br />
schrieben als „Aufklärung, Untersuchungen oder Interventionen, die dazu entworfen<br />
wurden, um das Verhalten von Arbeitnehmern in eine gesündere Richtung zu len-<br />
ken und um Gesundheitsrisiken zu vermindern“. Diese allgemeine Krankheitsprä-<br />
vention fällt unter die Konzeption von <strong>Wellness</strong> - Programmen.
19<br />
Krankheitsvorbeugung setzt natürlich in erster Linie bei jenen Erkrankungen<br />
an, die bei Arbeitnehmern weit verbreitet sind, und denen man schon durch die Ver-<br />
änderung individueller Lebensgewohnheiten entgegenwirken kann. Zu den klassi-<br />
schen Problemen zählen dabei Bluthochdruck, Nikotin- und Alkoholabusus, Bewe-<br />
gungsmangel und Fehlernäherung, denen insbesondere dann erfolgreich entgegen<br />
gewirkt werden kann, wenn Langzeitengagement , Unterstützung durch die Firmen-<br />
leitung und weitreichende Beteiligung der Arbeitnehmer erreicht werden können<br />
sowie das Programm professionell angeleitet wird. Unterstützend wirken weiterhin<br />
klar definierte Ziele, die Wahrung von vertraulichen Informationen, Werbung und<br />
nicht zuletzt die Einbeziehung der Familien der Arbeitnehmer.<br />
3.3 Das politische und sozio-kulturelle Umfeld in den USA<br />
Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz erscheint aus dem Grund sinnvoll, weil<br />
Arbeitnehmer hier durchschnittlich einen Großteil des Tages verbringen, dort er-<br />
reichbar sind und am ehesten zur Beteiligung motiviert werden können. Eine <strong>im</strong>mer<br />
wieder diskutierte Frage allerdings lautet, ob das beschäftigende Unternehmen oder<br />
auch der Staat überhaupt das Recht haben, gesundheitsschädliches Verhalten von<br />
Einzelnen zu beeinflussen oder gar Konsequenzen anzudrohen, falls ein Arbeit-<br />
nehmer seine Mitwirkung versagt. Das Wohl des Individuums kann als Rechtferti-<br />
gung kaum gelten, die Vermeidung von Schäden für Dritte oder die Allgemeinheit<br />
dagegen schon.<br />
Weitere Fragestellung könnte sein, ob Gesundheitsförderung direkt be<strong>im</strong> Indi-<br />
viduum oder schon bei der Gesellschaft ansetzen sollte, vertreten doch Becker und<br />
Minkler (1986) die These, daß „individuelle Faktoren des Lebensstils sowohl <strong>im</strong><br />
westlichen als auch <strong>im</strong> amerikanischen Wertsystem aus komplexen und tief veran-<br />
kerten Gefühlen auftreten“.<br />
Festzuhalten ist in jedem Fall, daß in amerikanischen <strong>Wellness</strong> - Programmen<br />
der Focus auf dem Individuum liegt, was zum einen mit dem spezifischen Körper-<br />
bewußtsein der Amerikaner begründet wird und auf höherer Ebene auch mit der
20<br />
freien Marktwirtschaft, die sich <strong>im</strong> Gegensatz zum Kommunismus bereits per Defini-<br />
tion am Individuum orientiert.<br />
Eben diese freie Marktwirtschaft erfreut sich übrigens am großen Geschäft mit<br />
der Gesundheitsförderung. So werden jährlich 10 Milliarden Dollar (Stand: 1992)<br />
u.a. für <strong>Wellness</strong> - Programme und entsprechende Literatur umgesetzt. Nach Re-<br />
cherchen von Milio (1988) erwerben Unternehmen in den USA zur Zeit mehr Ge-<br />
sundheitscomputerprogramme als Gesundheitsinstitutionen und Ärzte gemeinsam.<br />
Doch bringen all diese Anstrengungen der USA in Richtung Gesundheitsför-<br />
derung am Individuum wirklich die gewünschten Erfolge? Kritische St<strong>im</strong>men ver-<br />
merken zwar kurzfristige ökonomische Vorteile und insbesondere eine Verringerung<br />
der Abwesenheitsquote am Arbeitsplatz. Eine langfristige Verbesserung des Ge-<br />
sundheitszustandes der Beschäftigten allerdings sei nur durch dauerhafte finanzielle<br />
Anreize zu gewährleisten, so die Kritiker.<br />
Blickt man allerdings Richtung Europa, läßt sich am Beispiel Schwedens be-<br />
legen, daß Gesundheitsförderung, eingebracht in Politik und öffentliches Leben, das<br />
beste Ergebnis für eine max<strong>im</strong>ale Zahl von Teilnehmern erzielen kann. Schwedens<br />
Arbeitnehmergesetz betrachtet Gesundheit nicht nur als Abwesenheit von<br />
individuellem Risikoverhalten, sondern umfaßt die Gesamtbelastung einer Person<br />
<strong>im</strong> Beruf, in der Gesellschaft, den wirtschaftlichen Streß in Beruf und Familie,<br />
präexistente Gesundheitsprobleme, Lebensart und Vererbung (Fidler, Calkins &<br />
Fuentes, 1992, S. 454). In diesem Zusammenhang ist auch ein Zitat des deutschen<br />
Arztes und Begründer des Zellpathologie, Rudolf Virchow, zu sehen: „Medizin ist<br />
eine Sozialwissenschaft und Politik ist nichts anderes als Medizin auf einer anderen<br />
Ebene.“<br />
3.4 Die Gesundheitsversorgung in Österreich<br />
Das österreichische Gesundheitssystem unterscheidet sich in vielerlei Hin-<br />
sicht vom Gesundheitswesen in den USA. So gibt es hier ähnlich wie in Deutsch-<br />
land staatliche Sozial- und Privatversicherungen, Ärzte sind auf selbständiger Basis<br />
tätig, gehören obligatorisch der Ärztekammer an und somit auch einer starken Lob-<br />
by von Standesvertretern. Zudem werden sie nicht vom Patienten direkt, sondern<br />
von Versicherungsunternehmen für ihre Dienste entlohnt, soweit sie denn, wie 70 %
21<br />
von ihnen, auf Vertragsbasis mit den nationalen Krankenversicherungen arbeiten.<br />
Die dahinterstehende Bürokratie führt dementsprechend zu weiteren, nicht zu ver-<br />
nachlässigenden Kosten.<br />
Ähnlich wie in Deutschland haben die Ausgaben <strong>im</strong> Gesundheitssystem e-<br />
norme Ausmaße angenommen. So lagen <strong>im</strong> Jahre 1992 die Gesamtausgaben der<br />
Regierung hierfür zwischen 11 und 13 % des Gesamtbudgets.<br />
Ein Großteil der österreichischen Gesamtbevölkerung gehört dem Sozialver-<br />
sicherungssystem am, da dieses für alle Arbeitnehmer, Pensionisten und ihre An-<br />
gehörigen bindend ist. Wie in Deutschland teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />
die entsprechenden Beiträge, die sich am Bruttoeinkommen bemessen, je zur Hälf-<br />
te.<br />
Private Versicherungsgesellschaften planen eine Einführung von „Health<br />
Maintenance Organisations“ (HMO), also Gesunderhaltungsorganisationen, weil<br />
ihre Kosten in den letzten Jahren in die Höhe geschnellt sind, nicht zuletzt dank der<br />
Tatsache, daß sich öffentliche Krankenhä<strong>user</strong> mit der Bereitstellung einer Anzahl<br />
von Privatbetten zusätzliche Einnahmen sichern, ohne daß die privaten Versiche-<br />
rungen Einfluß auf die steigenden Kosten ausüben können.<br />
Mit dem Wechsel der Regierung 1971 wurden auch in Österreich Präventi-<br />
onsmaßnahmen angestrebt. Beispielsweise wurde ein Mutter-Kind-Paß eingeführt,<br />
der Gratisuntersuchungen während der Schwangerschaft und den ersten fünf Le-<br />
bensjahren des Kindes vorsehen. Als Prämie erhält die Mutter nach diesem Zeit-<br />
raum 16.000 öS (Stand: 1992). Zwar konnte die Säuglingssterblichkeit mit diesem<br />
Programm innerhalb von 15 Jahren deutlich verringert werden, entspricht aber noch<br />
weitaus nicht den Zahlen der skandinavischen Länder und den Niederlanden.<br />
Ein weiteres Präventionsprogramm sieht vor, daß sich jeder Bundesbürger ab<br />
einem Alter von 19 Jahren einmal jährlich kostenlos untersuchen läßt. Die Teilnah-<br />
me an diesem Programms ist allerdings mit einer Quote von 2,5 % nahezu schwin-<br />
dend gering, was zum einen auf einen fehlenden finanziellen Anreiz zurückzuführen<br />
ist, zum anderen auf ein kulturell bedingtes mangelndes Körperbewußtsein (Fidler,<br />
Calkins & Fuentes, 1992, S. 456), auf fehlende Erziehung in entsprechender Rich-<br />
tung und mangelnde Werbung für das Programm. Im übrigen bemängeln Kritiker in
22<br />
diesem Zusammenhang das Fehlen eines spezifischen Interventionsprogramms<br />
und die Gefahr der „Panikmache“. Insgesamt wird das Projekt der jährlichen Unter-<br />
suchung nicht für sinnvoll und kosteneinsparend erachtet.<br />
Das nationale Krankenversicherungssystem strebt zudem nicht nach Präven-<br />
tions- oder <strong>Wellness</strong> - Programmen, da hierfür zusätzliche Kosten aufgewendet<br />
werden müßten. Motive für langfristige Kosteneinsparungen, die überzeugende<br />
Vorsorgeprogramme bringen könnten, liegen <strong>im</strong> übrigen deshalb nicht vor, weil die<br />
Regierung stets jährliche Verluste <strong>im</strong> Gesundheitssystems ausgleicht (Stand: 1992).<br />
Ein Umdenken wäre hier sicherlich in vielerlei Hinsicht notwendig, möglicher-<br />
weise sogar ein Überdenken des derzeitigen Krankenversicherungssystems. Mit<br />
Gegenst<strong>im</strong>men der Bevölkerung wäre in einem solchen Fall jedoch zu rechnen, „da<br />
der Patient an ein kostenloses und umfassendes Gesundheitswesen <strong>im</strong> Rahmen<br />
eines Wohlfahrtsstaates bereits gewöhnt ist“ (Fidler, Calkins & Fuentes, 1992, S.<br />
456).<br />
3.5 Das Dilemma von General Motors Austria<br />
Die Tochterfirma von General Motors America in Österreich besteht seit Ende<br />
der siebziger Jahre in Wien mit etwa 3000 Arbeitern und Angestellten und produ-<br />
ziert Autoteile wie u.a. Motore und Getriebe. Gefertigt wird grundsätzlich nur auf<br />
Bestellung, d.h. die Produktionszyklen sind abhängig von den endgültigen Autover-<br />
kaufszahlen in Europa. Dies bringt bei General Motors Austria einen häufigen Per-<br />
sonalwechsel mit sich, der überwiegend weniger qualifizierte und somit leichter ver-<br />
fügbare Arbeiter trifft.<br />
Dem Unternehmen steht ein medizinischer Direktor mit weiteren Mitarbeitern<br />
(Krankenschwester, Laborassistent, MTA, Diätassistent) zur Verfügung, der, soweit<br />
sich daraus keine finanziellen Belastungen ergeben, über die Einführung von Well-<br />
ness - Programmen selbständig entscheidet. Werden allerdings weitere finanzielle<br />
Mittel benötigt, müssen diese mit dem österreichischen Management <strong>im</strong> Einzelfall<br />
ausgehandelt werden, wobei der Rahmen für zusätzliche Gelder sehr eng gefaßt ist<br />
und <strong>im</strong> übrigen ein „return on investment“ innerhalb von zwei Jahren erwartet wird.
23<br />
Die Muttergesellschaft in Detroit begrüßt entsprechend der Firmenstrategie<br />
Programme zur Gesundheitsförderung. Das Dilemma zwischen den Anforderungen<br />
von GM America und der Finanzierbarkeit dieser ist für die Tochterfirma nicht leicht<br />
zu lösen, will sie doch kein wirtschaftliches Risiko eingehen. Zudem sieht die öster-<br />
reichische Firma die Aufgabe des Staates und seines Krankenversicherungssys-<br />
tems darin, sich für die Einführung von Gesundheitsförderungsprogrammen einzu-<br />
setzen und diese zu finanzieren, da die resultierenden Einsparungen dem Staat zu-<br />
gute kommen. GM Austria sieht seine finanzielle Pflicht insoweit erfüllt, als daß das<br />
Unternehmen bereits anteilig Krankenversicherungsbeiträge leistet und dem Land<br />
zudem große Steuergelder aus der Firma erwachsen.<br />
Dementsprechend sind die Programme, die das Unternehmen in Österreich<br />
seinen Mitarbeitern anbietet, kaum vergleichbar mit denen von GM America. Gebo-<br />
ten werden Ernährungsinformationen und Diätberatung, Überprüfung des Choleste-<br />
rinspiegels, Hilfe bei Alkohol- und Drogenproblemen sowie Seminare zur Raucher-<br />
entwöhnung. Außerdem bietet die werkseigene Kantine gesunde Kost an. Allerdings<br />
gibt es weder ein firmeninternes Fitneßcenter noch werden Zuschüsse für externe<br />
Studios gewährt. Nach Einschätzung des medizinischen Direktors würde ein inter-<br />
nes Center aber auch nicht angenommen werden, da viele Mitarbeiter zum einen<br />
von außerhalb kommen und zum anderen ihre Freizeit gern auch ohne Kollegen<br />
verleben.<br />
Diese Beschreibung verdeutlicht den Umgang mit Gesundheitsprogrammen<br />
<strong>im</strong> Konzern GM Austria und kann dabei als typisches Beispiel westdeutscher Praxis<br />
<strong>im</strong> Umgang mit entsprechenden Programmen angesehen werde. Offensichtlich lie-<br />
gen hier große Unterschiede zwischen den USA und Europa vor, was u.a. mit ab-<br />
weichenden Krankenversicherungssystemen zu begründen ist.<br />
Das staatliche Versicherungssystem in Österreich, das bindend für alle Ar-<br />
beitnehmer und deren Familien ist, erfüllt seit Jahrzehnten sein Soll. Firmen tragen<br />
ebenfalls stets unabhängig von tatsächlichen Versicherungsausgaben einen gleich-<br />
bleibenden finanziellen Anteil. Einziger Anreiz für die Einführung von <strong>Wellness</strong> -<br />
Programmen könnte eine Verringerung der Abwesenheitsquote <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> sein. Für<br />
daraus entstehende Kosten allerdings springen bereits wieder die Krankenkassen
24<br />
ein: sie übernehmen 80 % der Kosten für den Ausfall von Arbeitern; bei Angestellten<br />
treten sie nach einem Krankheitszeitraum von vier Wochen ein. Im dargestellten Fall<br />
von GM wird ein häufiger Personalwechsel in der Produktion sogar begrüßt, da dem<br />
Unternehmen auf diese Weise schwierige Entlassungen erspart bleiben und man<br />
sich dennoch der aktuellen Marktsituation anpassen kann.<br />
Neben der guten Absicherung <strong>im</strong> Krankheitsfall könnten europäische Firmen<br />
noch weitere Argumente anführen, die <strong>Wellness</strong> - Programme hierzulande mögli-<br />
cherweise weniger notwendig machen <strong>im</strong> Vergleich zu den USA. Darunter fallen ein<br />
Mehr an Sozialleistungen, weniger Streß, geringere Arbeitszeiten, deutlich längere<br />
Urlaubszeit und starke Gewerkschaften. Insgesamt scheint ein Arbeitnehmer in Eu-<br />
ropa durch die opt<strong>im</strong>aleren äußeren Umstände weniger belastet zu sein als in den<br />
USA, so daß aus Sicht der Unternehmen schon damit Krankheitsprävention erfolgt<br />
sein könnte.<br />
Aus den obigen Ausführungen ist deutlich geworden, daß Gesundheits- und<br />
<strong>Wellness</strong> - Programme, die sich in den USA großer Popularität erfreuen, nicht eins<br />
zu eins auf europäische Unternehmen zu übertragen sind. Bieten entsprechende<br />
Präventionsprogramme in Amerika einen besonderen Anreiz, um die Kosten des<br />
einzelnen Arbeitnehmers für seine Gesundheit möglichst gering zu halten und tref-<br />
fen die Angebote dabei mit ihrer individuellen Ausrichtung auf fruchtbaren Boden, ist<br />
der soziologische und politische Rahmen in westeuropäischen Ländern ein komplett<br />
anderer.<br />
Dennoch lassen die seit einigen Jahren <strong>im</strong>mer stärker problematisierten Ge-<br />
sundheitsdebatten darauf schließen, daß auch in Europa ein Überdenken des jetzi-<br />
gen Krankenversicherungssystems dringend erforderlich ist und großer Handlungs-<br />
bedarf besteht. Gesundheitsprävention abzulehnen, um kurzfristig Kosten einzuspa-<br />
ren oder bisherige kurative Versicherungsleistungen nicht zu gefährden, weist auf<br />
eine arge Schieflage des Systems, wenn nicht gar in der Denkweise unseres Kul-<br />
turkreises hin.
4. Fazit<br />
25<br />
Nachdem nun die Inhalte der <strong>Wellness</strong>-Konzeption, die Rahmenbedingungen<br />
für ihre Einführung, die Faktoren ihrer Umsetzung, die resultierenden Effekte und<br />
die Probleme bei der Übertragbarkeit von Programmen der USA auf Europa anhand<br />
des Beispiels GM Austria behandelt wurden, sollte an dieser Stelle noch einmal Bi-<br />
lanz gezogen und das Konzept kritisch betrachtet werden.<br />
<strong>Wellness</strong> nach der beschriebenen Konzeption stellt Gesundheit als persönli-<br />
ches Gut in den Mittelpunkt und zeigt zudem ein ganzheitliches Verständnis von<br />
Gesundheit und Wohlbefinden auf. In diesem Zusammenhang wurde beispielsweise<br />
das sechsfaktorielle Modell von Hertel erwähnt, und auch die WHO geht davon aus,<br />
daß für die Förderung von gesundheitsbewußtem Verhalten ebenfalls soziale, öko-<br />
nomische, politische und kulturelle Faktoren eine bedeutende Rolle spielen. Dieses<br />
Verständnis ist zumindest in weiten Teilen Europas bis heute wenig verbreitet. Es ist<br />
die Rede von der Abwesenheit von Krankheit, wenn Gesundheit definiert werden<br />
soll.<br />
Dennoch n<strong>im</strong>mt in Zeiten von steigender beruflicher Anforderung, Streß und<br />
Angst vor Arbeitsplatzverlust das Interesse an Entspannung und Wohlbefinden zu.<br />
Der Markt mit entsprechender (oft unwissenschaftlicher) Literatur, Kursen, Thermal-<br />
bädern und sogenannten <strong>Wellness</strong>-Hotels erfreut sich großer Beliebtheit und n<strong>im</strong>mt<br />
stetig zu. Im Mittelpunkt dieser Angebote, die entsprechend vermarktet werden und<br />
für die viel Geld ausgegeben wird, steht eher Körperpflege und kurzzeitige Ent-<br />
spannung denn langfristige Gesundheitsförderung durch körperliche Fitneß, erhöh-<br />
tes Ernährungsbewußtsein oder Stärkung des sozialen Umfeldes der Menschen.<br />
Daß diese Auffassung von <strong>Wellness</strong> nicht dem ursprünglichen Konzept entspricht<br />
und diesem in keiner Weise gerecht wird, ist meist gar nicht bekannt.<br />
Studien aus den USA konnten belegen, daß <strong>Wellness</strong> bei entsprechender<br />
Einbettung in (betriebliche) Gesundheitsförderungsmaßnahmen weit mehr Effekte<br />
als nur kurzfristiges Wohlbefinden bewirken kann: krankheitsbedingte Aufwendun-<br />
gen, Absentismus und Fluktuation in <strong>Betrieb</strong>en konnten reduziert, Investitionserträ-<br />
ge gesteigert werden.
26<br />
Allerdings ist aus den obigen Ausführungen auch deutlich geworden, daß Ge-<br />
sundheits- und <strong>Wellness</strong> - Programme, die sich in den USA großer Popularität er-<br />
freuen, nicht eins zu eins auf europäische Unternehmen zu übertragen sind. Bieten<br />
entsprechende Präventionsprogramme in Amerika einen besonderen Anreiz, um die<br />
Kosten des einzelnen Arbeitnehmers für seine Gesundheit möglichst gering zu hal-<br />
ten und treffen die Angebote dabei mit ihrer individuellen Ausrichtung auf fruchtba-<br />
ren Boden, ist der soziologische und politische Rahmen in westeuropäischen Län-<br />
dern ein anderer.<br />
Die seit einigen Jahren <strong>im</strong>mer stärker problematisierten Gesundheitsdebatten<br />
lassen darauf schließen, daß auch in Europa ein Überdenken des jetzigen Kranken-<br />
versicherungssystems dringend erforderlich ist und großer Handlungsbedarf be-<br />
steht. Gesundheitsprävention abzulehnen, um kurzfristig Kosten einzusparen oder<br />
bisherige kurative Versicherungsleistungen nicht zu gefährden, weist auf eine arge<br />
Schieflage des Systems, wenn nicht gar in der Denkweise unseres Kulturkreises<br />
hin.
5. Literaturverzeichnis<br />
27<br />
Fidler, A.H., Calkins, D.R., Fuentes, E.G. (1992). Gesundheitsförderung und<br />
“<strong>Wellness</strong>”-Programme in privaten korporativen Unternehmen. Probleme transnati-<br />
onaler und –kultureller Übertragbarkeit. Das öffentliche Gesundheitswesen.54, 451<br />
– 459.<br />
Gebhardt, D.L., Crump, C. (1990). Employee Fitness and <strong>Wellness</strong> Programs<br />
in the Workplace. American Psychologist. 45 (2), 262 – 272.<br />
Hertel, L. (1992). <strong>Wellness</strong> und Gesundheitsförderung in den USA: Begriffs-<br />
klärung, Entwicklungen und Realisierungen <strong>im</strong> betrieblichen Bereich. Zeitschrift für<br />
Präventivmedizin und Gesundheitsförderung.4 (2), 36 – 48.<br />
Malich, G., Malich, S. (1994). <strong>Wellness</strong> <strong>im</strong> Unternehmen - Moderne Gesund-<br />
heitskultur mit Rentabilitätseffekt -. Die <strong>Betrieb</strong>skrankenkasse 5/94,272 – 283.<br />
Links vom 25.11.02<br />
http://<strong>www</strong>.aidshilfe.de/dah/frameset.html?/dah/aktuelles/termine/weltaidstag/praeve<br />
ntion.htm<br />
<strong>www</strong>.hausarbeiten.de/archiv/sop/sop-o-unterstuetz/ sop-o-unterstuetz.shtml<br />
<strong>www</strong>.zebra.or.at/doc/gesundheit/sozialarbeit.htm<br />
http://home.t-online.de/home/ckrinke/wissen.htm
6. Anhang<br />
28<br />
PowerPoint Präsententation vom 07.12.02