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Konfliktmanagement - www-user - Universität Bremen

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<strong>Universität</strong> <strong>Bremen</strong><br />

Fachbereich 11, Studiengang Psychologie<br />

Modularisiertes A&O-Projekt: „Vertrauen in Organisationen“<br />

Workshop: „<strong>Konfliktmanagement</strong>“<br />

DozentIn: Dr. Sylke Meyerhuber, Michael Tute<br />

Dokumentation des Workshops<br />

<strong>Konfliktmanagement</strong><br />

im Rahmen des Projektstudiums<br />

Arbeits- und Organisationspsychologie<br />

Datum: 08.01.2003<br />

Ort: <strong>Universität</strong> <strong>Bremen</strong>, Grazer Str. 4, Raum 0110<br />

Workshop-Team: Kerstin Götsch, Viktoria Dreher, Nancy Halfter


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ am 08.01.2003 2<br />

Teilnehmende<br />

die Teilnehmer des modularisierten A&O-Projekts „Vertrauen in Organisationen“<br />

Sylke Meyerhuber<br />

Michael Tute


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ am 08.01.2003 3<br />

Workshop-Ablauf<br />

Workshop-Inhalt Seite<br />

13.15 Begrüßung & Orga 4<br />

13.30 Einstieg in den Workshop „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ 5<br />

13.40 Menschenbild und soziale Konflikte 6<br />

14.25 Pause<br />

14.40 Stufenmodell und Interventionsarten 13<br />

15.45 Pause<br />

16.00 Gruppenarbeit 27<br />

16.15 Diskussion im Plenum 27<br />

16.30 Schlusswort und Feedback 28<br />

16.45 Ende


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 4<br />

Kommunikations- und Moderationsregeln<br />

Für eine gute Gesprächskultur und zur Förderung einer konstruktiven und ziel-<br />

gerichteten Kommunikation wird zu Beginn des Workshops an die Vereinbarung und<br />

Beachtung der folgenden Kommunikations- und Moderationsregeln erinnert:<br />

• Von sich und den eigenen Erfahrungen sprechen<br />

• Wertungen / Entwertungen vermeiden<br />

• Nicht zu lange sprechen<br />

• Seitengespräche in die Runde einbringen<br />

• Zum Thema und möglichst konkret sprechen<br />

• Störungen äußern<br />

Begrüßung und Orga<br />

Zu Beginn werden die Workshop-Teilnehmer und das Workshop-Team von Sylke<br />

und Micha begrüßt und es wird über Organisatorisches gesprochen, z.B. über die im<br />

Februar anstehende Projektfahrt. Danach übergeben Sylke und Micha die<br />

Moderation an das Workshop-Team.<br />

Das Workshop-Team begrüßt ebenfalls noch einmal alle Teilnehmenden und stellt<br />

sich vor: durch den Workshop werden Viktoria, Kerstin und Nancy führen. Es wird zu<br />

Anfang darauf hingewiesen, dass innerhalb des Workshop-Teams keine bestimmten<br />

Rollen vergeben worden sind, z.B. ein Moderator, usw. und dass eine flexible und<br />

abwechslungsreiche Handhabung dessen angedacht sei.


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 5<br />

Einstieg in den Workshop „<strong>Konfliktmanagement</strong>“<br />

Einführend wird erläutert, dass der Workshop „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ unter dem Ober-<br />

thema „Alltagsbewusstsein, Milieu und Konflikt in der betrieblichen Lebenswelt“ läuft<br />

und eine der zwei Säulen dazu ist. Die andere Säule ist das zu diesem Workshop<br />

gehörige Vertiefungsseminar, in dem es dann um die anderen beiden Themen<br />

„Alltags- bewusstsein und Milieu“, bezogen auf das Workshop-Thema<br />

„<strong>Konfliktmanagement</strong>“ und das Projekt-Thema „Vertrauen in Organisationen“, gehen<br />

soll. Obwohl das Thema „Alltagsbewusstsein“ eigentlich Grundlage für das<br />

Workshop-Thema wäre, wurde bewusst diese Themenreihenfolge gewählt, da ein<br />

interaktiver Anteil dem Workshop-Team wichtig war und dies sich gut beim Thema<br />

„<strong>Konfliktmanagement</strong>“ verwirklichen ließ.<br />

In einem nächsten Schritt werden die einzelnen Bücher der Basis-Literaturliste kurz<br />

inhaltlich vorgestellt, um einen Überblick für Interessierte zur Vertiefung zu geben.<br />

o Lewin, K. (1982). Feldtheorie und Experiment in der Sozialpsychologie. In: F.<br />

Graumann (Hrsg.). Kurt Lewin Werkausgabe Bd. 4: Feldtheorie. Stuttgart:<br />

Klett-Cotta.<br />

Auf die Feldtheorie wird nicht eingegangen, da sie bereits ausführlich in dem<br />

Vertiefungsseminar zum Workshop „Intragruppendynamik“ behandelt worden<br />

ist.<br />

o Gerth, H. & Mills C.W. (1970). Person und Gesellschaft. Die Psychologie<br />

sozialer Institutionen. Frankfurt a.M.: Athäum.<br />

In dem Buch geht es zusammengefasst um die Bedeutung vorgegebener<br />

Gesellschaften, um die Grenzen der Manipulierbarkeit, um die Beeinflussung<br />

der Sozialordnung und die Beziehung zwischen Biografie und Milieu. Dieses<br />

Buch war nicht Grundlage für den Workshop.<br />

o Leithä<strong>user</strong>, T.; Volmerg, B; Salje, G.; Volmerg, U.. & Wutka, B. (1981).<br />

Entwurf zu einer Empirie des Alltagsbewußtseins. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.<br />

Zu diesem Buch wird im Workshop nichts verraten, da es ausführlich im<br />

Vertiefungsseminar behandelt wird. Einen kleinen Einblick gewährt das<br />

Deckblatt zum Vertiefungstext, den alle Workshop-Teilnehmer erhalten haben.<br />

o Ortmann, G. (1995). Organisation und Psyche. In: B. Volmerg, T. Leithä<strong>user</strong>,<br />

O. Neuberger, G. Ortmann & B. Sievers. Nach allen Regeln der Kunst. Macht<br />

und Geschlecht in Organisationen. S. 205-250. Freiburg i.B.: Kore.<br />

Hier geht es ganz allgemein um Angstabwehr in Institutionen. Der Text ist<br />

außerdem im Reader. Dieses Buch war nicht Grundlage für den Workshop.


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 6<br />

o Goffman, E. (1974). Das Individuum im öffentlichen Austausch. Mikrostudien<br />

zur öffentlichen Ordnung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.<br />

Goffman schreibt vorwiegend über seine Untersuchungen zur menschlichen<br />

Interaktion und sein zentraler Begriff ist der des Territoriums (Freiraums) des<br />

einzelnen. Dieses Buch war nicht Grundlage für den Workshop.<br />

o Glasl, F. (1994). <strong>Konfliktmanagement</strong>. Ein Handbuch für Führungskräfte und<br />

Berater. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben.<br />

Dieses Buch zählt inzwischen zu den wichtigsten Standardwerken und gibt<br />

einen umfassenden Überblick. Für den Workshop „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ bildet<br />

das Buch die Grundlage.<br />

Einleitung<br />

Menschenbild und soziale Konflikte<br />

Folgende Frage wird gleich zu Anfang beantwortet: Was haben Konflikte mit<br />

Vertrauen zu tun?<br />

Nun, in Abteilungen einer Organisation, wo Misstrauen vorherrscht bzw. ein Miss-<br />

trauensklima besteht, ist klar, dass es leicht zu Missverständnissen kommen kann<br />

und so Konflikte entstehen, die sich so ausweiten können, dass der gesamte Betrieb<br />

davon beeinträchtigt wird. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wie Konflikte entstehen,<br />

was in Menschen vorgeht und wie man diese beilegen kann, damit wieder ein<br />

vertrauensvolles Klima entsteht. Da Konflikte gerade die Vertrauensatmosphäre stark<br />

beeinträchtigen und sogar zerstören können, wird es in dem Workshop eingehend<br />

um das Thema soziale Konflikte und <strong>Konfliktmanagement</strong> gehen.<br />

Der folgende Workshop-Teil „Menschenbild und soziale Konflikte“ wurde heraus-<br />

gearbeitet aus dem Buch „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ von Glasl (1994; Kap. 1.2, S. 12-15;<br />

Kap. 2, S. 25-46; Kap. 3.3, S. 59-60; Kap. 3.4, S. 60-64; Kap. 4.4, S. 90-93). Soweit<br />

andere Quellen verwendet wurden, wird auf diese entsprechend hingewiesen.<br />

Konfliktdefinition nach Glasl<br />

Einführend wird die Definition des Konfliktbegriffs nach Glasl vorgestellt, um darüber<br />

eine gemeinsame Ausgangsbasis und ein Grundverständnis zu bekommen, was ein<br />

sozialer Konflikt ist und was nicht.


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 7<br />

„Sozialer Konflikt ist eine Interaktion<br />

Definition sozialer Konflikte nach Glasl<br />

- zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen),<br />

- wobei wenigstens ein Aktor<br />

- Unvereinbarkeiten<br />

im Denken / Vorstellen / Wahrnehmen<br />

und / oder Fühlen<br />

und / oder Wollen<br />

- mit dem anderen Aktor (anderen Aktoren) in der Art erlebt,<br />

- dass im Realisieren eine Beeinträchtigung<br />

- durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge (a.a.O., S. 14-15).“<br />

Zusammenfassung der Fragen und Diskussion:<br />

Hier wird noch einmal verdeutlicht, dass es sich in dem Workshop um soziale<br />

Konflikte dreht und nicht z.B. um innere Konflikte.<br />

Das Menschenbild und soziale Konflikte<br />

Glasl gründet seine Arbeit als Konfliktforscher und praktischer Konfliktberater auf ein<br />

ganzheitliches Menschenbild, das den Menschen als dreifältiges Wesen versteht und<br />

zwar bestehend aus: Leib (1) – Seele (2) – Geist (3) (a.a.O., S. 25). Und er sagt<br />

auch, dass diese unteilbar zum menschlichen Wesen dazugehören. D.h. will man<br />

das eigentlich menschliche und soziale Geschehen verstehen, darf der Mensch nicht<br />

nur auf ein oder zwei dieser Dimensionen reduziert werden (siehe Abb. 1)<br />

(a.a.O., S. 25).<br />

Zu diesem dreidimensionalen Menschenbild gehören drei verschiedene menschliche<br />

Regungen, die gewisse Konsequenzen für das Soziale mit sich bringen (siehe<br />

Abb. 1).<br />

o Der Mensch ist als biologisches Wesen anti-sozial (4). D.h. er muss Natur<br />

konsumieren, bzw. vernichten, also anderen Menschen entziehen (a.a.O., S.<br />

28). „In diesem Sinn ist er anti-sozial (a.a.O., S. 27).“ Wesentlich ist aber, dass<br />

der Mensch in der Befriedigung dieser Bedürfnisse von anderen abhängig ist<br />

und dies anerkennen muss.


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 8<br />

o Des weiteren ist der Mensch als seelisches Wesen sozial (5), d.h. er braucht<br />

Kontakte mit anderen Mitmenschen, ist vom Respekt der anderen abhängig,<br />

lässt auch anderen Menschen etwas zukommen und erkennt anderen die<br />

gleichen Rechte, die er selbst hat, an (a.a.O., S. 28). Notwendig ist hier also<br />

die Anerkennung der Gleichberechtigung (a.a.O., S. 28).<br />

o Als dritte Wesensqualität ist der Mensch als geistiges Wesen a-sozial (6)<br />

(aber nicht im umgangssprachlichen Gebrauch). Und zwar, weil er das<br />

Bedürfnis hat, allein zu sein, um sich selbst zu finden, nachzudenken, zu<br />

forschen, vorhandene Möglichkeiten zu entdecken und zu entfalten (a.a.O., S.<br />

28). Deshalb braucht der Mensch Freiraum, den er für sich beanspruchen<br />

kann (a.a.O., S. 28).<br />

Entsprechend dieser 3 Wesensarten lassen sich in Organisationen, wie z.B. in<br />

Betrieben, Schulen, Krankenhä<strong>user</strong>n, usw. drei Subsysteme erkennen (siehe Abb. 1)<br />

(a.a.O., S. 32).<br />

o Zum biologischen Wesen bzw. dem Leib gehört das technisch-instrumentelle<br />

Subsystem (7): „hier geht es um den zweckgerichteten Einsatz von<br />

Fähigkeiten der Menschen, von physischen Mitteln und Instrumenten, von<br />

Abläufen und Prozessen“ (a.a.O., S. 32). Es gilt Zweckorientierung und der<br />

uneigennützige Einsatz der eigenen Fähigkeiten und Mittel zur Schaffung von<br />

Nutzen für andere (a.a.O., S. 32).<br />

o Das zweite ist „das politisch-soziale Subsystem (8): hier sind die Beziehungen<br />

zwischen Einzelmenschen, in Gruppen und zwischen Gruppen und im<br />

Gesamtorganismus gestaltet – sowohl formell als auch informell – und hier gilt<br />

der Gleichheitsgrundsatz in Anwendung der Spieregeln und Normen, d.h. es<br />

geht bei allem um die Anerkennung der grundlegenden menschlichen Würde<br />

– unabhängig von der Bedeutung der ausgeübten Funktion“ (a.a.O., S. 32).<br />

o Und zum geistigen Wesen gehörend als drittes „das geistig-kulturelle Sub-<br />

system (9): „dieses umfasst die Identität einer Organisation, ihre grund-<br />

legenden Ziele und Werte, weiter ist es der Rahmen für das Lernen der<br />

einzelnen Menschen, der Gruppen und des ganzen Organismus – auch hier<br />

gilt als wichtigstes Funktionsprinzip das der authentischen Selbstbestimmung,<br />

der Freiheit und der Selbstverantwortung“ (a.a.O., S. 32).<br />

Damit der Mensch seinem Wesen entsprechend existieren und sich weiterentfalten<br />

kann, müssen also soziale Strukturen für Geist, Seele und Körper förderliche<br />

Bedingungen schaffen. Die Missachtung dieser Zusammenhänge schafft immer<br />

Konfliktpotential, d.h. die Menschen können sich der unmenschlichen Lebens-<br />

bedingungen bewusst werden und sie können sich dagegen wehren (a.a.O., S. 31).<br />

Konfliktpotential ist z.B. gegeben, wenn ein Subsystem nicht nach seinem<br />

eigentlichen Funktionsprinzip gestaltet wird (Gleichheitsgrundsatz – ungerechte<br />

Bezahlung) oder wenn sich das Gestaltungsprinzip eines Subsystems verabsolutiert<br />

und stereotyp auf alle Bereiche angewendet wird (Fließbandarbeit: Kontakt, Freiheit<br />

und Selbstbestimmung fehlt) (a.a.O., S. 32).


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 9<br />

Abb. 1: Das Menschenbild und die drei Subsysteme der Organisation.<br />

Ein sozial-ökologischer Ansatz<br />

Glasl vertritt einen sozial-ökologischen Ansatz. D.h. Konflikte ergeben sich aus dem<br />

Zusammenwirken verschiedenster Faktoren und Umstände (a.a.O., S. 91), (ent-<br />

spricht Lewins Feldtheorie). Deshalb ist es sinnlos, Faktoren isoliert voneinander zu<br />

betrachten und beeinflussen zu wollen (a.a.O., S. 90), (siehe drei Faktoren vom<br />

Menschenbild). Er sagt auch, dass wir es in allen Fällen mit einer Konfliktmöglichkeit<br />

zu tun haben (a.a.O., S. 92). Ob aber ein Konflikt entsteht, hängt jedoch immer von<br />

verschiedenen Faktoren der Subjekte ab (a.a.O., S. 92). Und auf diese Faktoren wird<br />

nun im Weiteren eingegangen.<br />

Seelische Faktoren in Konflikten<br />

Als nächstes wird beschrieben, was mit den verschiedenen seelischen Aspekten im<br />

Konflikt geschieht. Veranschaulicht wird dies noch einmal in Abb. 2.


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 10<br />

Und zwar beeinträchtigen Konflikte unsere Perzeptionen (1), d.h. unsere<br />

Wahrnehmungsfähigkeit und unser Denk- und Vorstellungsleben so sehr, dass wir im<br />

Laufe der Ereignisse die Dinge in uns und um uns herum nicht mehr richtig sehen<br />

(a.a.O., S. 34). Unser Blick verengt sich, wir reduzieren die Wirklichkeit zu einer<br />

einfacheren und der Konfliktstoff und die Konfliktgeschehnisse werden einseitig und<br />

verzerrt wahrgenommen (a.a.O., S. 36-37).<br />

„Auch unser Gefühlsleben (2) wird stark beeinträchtigt (a.a.O., S. 35).“ „Anfänglich<br />

tritt eine erhöhte Empfindlichkeit auf, die eine Haltung des beginnenden Misstrauens<br />

nährt“ (a.a.O., S. 38). Wir erleben recht unterschiedliche, widersprüchliche und auch<br />

gegensätzliche Gefühle (a.a.O., S. 38). Um der entstehenden Überempfindlichkeit zu<br />

begegnen, kapseln sich die Parteien schließlich ab und verlieren ihr Einfühlungs-<br />

vermögen für andere und somit ihre Verbindung zur Außenwelt (a.a.O., S. 38-39).<br />

„Ähnlich auffällig sind die Veränderungen in unserem Willensleben (3). Wir werden<br />

einseitig auf unsere vermeintlichen Interessen fixiert; mit jeder Aktion und Reaktion<br />

im Zuge der Konfliktaustragung werden in uns solche Seiten angesprochen, deren<br />

wir uns im großen und ganzen gar nicht bewusst sind“ (a.a.O., S. 35), (tiefere<br />

Gefühlsregionen, Triebe u. Begierden). „Wir können dann zu unserem Erstaunen<br />

feststellen, dass wir imstande sind zu hassen, wie wir es von uns nicht für möglich<br />

gehalten haben. Und dass sich in unseren Aktionen Dinge entladen, die nicht zu<br />

unseren besten menschlichen Absichten gehören und die mit unseren sonstigen<br />

sittlichen Auffassungen nicht zusammenpassen“ (a.a.O., S. 35).<br />

Und all diese Veränderungen und Beeinträchtigen wirken zusammen (a.a.O., S. 35).<br />

„Sie beeinflussen einander, verstärken sich gegenseitig und führen dazu, dass wir<br />

auf diese Weise die Kontrolle über uns selbst verlieren. Dies drückt sich dann in<br />

unserem äußeren Verhalten (4) aus“ (a.a.O., S. 35): „Im äußeren, verbalen und<br />

nonverbalen Konfliktverhalten drücken sich die inneren Faktoren in gegenseitiger<br />

Durchmischung aus (a.a.O., S. 42).“ „Es wird aggressiver und zerstörerischer. Wir<br />

lösen durch Wort und Tat Wirkungen aus, die wir zumeist so gar nicht gewollt hätten<br />

(a.a.O., S. 35).“<br />

Die Wirkungen unseres äußeren Verhaltens werden als Effekte (5) für unsere<br />

Gegenpartei innerlich und äußerlich erfahrbar: Subjektiv fühlt sich der Gegner<br />

verkannt, abgewiesen und negiert (a.a.O., S. 35). „Oder es tritt objektiv feststellbarer<br />

Schaden auf, weil Güter zerstört werden oder weil durch den Konflikt die Arbeit<br />

merkbar leidet bzw. weil Kunden den Betrieb meiden und dergleichen (a.a.O., S.<br />

35).“ Und all dies bewirkt nur, dass auch unsere Gegenpartei im Konflikt zu mehr<br />

Gewalt greift, dass auch sie starrer und rücksichtsloser wird und uns noch mehr<br />

ärgert, reizt und bedrängt (a.a.O., S. 35).


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 11<br />

„Dadurch steigern wir einander in eine Eskalation des Konfliktes, die zuletzt so<br />

intensiv werden kann, dass wir uns dem Konflikt völlig ausgeliefert fühlen (a.a.O., S.<br />

35).“<br />

Abb. 2: Seelische Faktoren im Konflikt (a.a.O., S. 36).<br />

Der Konfliktrahmen: Mikro-, Meso- und Makrokonflikte<br />

Glasl stellt eine handlungsorientierte Typologie von Konflikten auf. Er geht dabei von<br />

drei Orientierungspunkten aus, die Anhaltspunkte für allererste Interventionen bieten:<br />

das ist einmal der Rahmen des Konfliktes (die Konfliktarena), die Reichweite der<br />

Bemühungen und die dominante Äußerungsform (a.a.O., S. 59).<br />

Im weiteren Vorgehen wird sich auf den Konfliktrahmen beschränkt, da alle drei<br />

Punkte den Umfang des Workshops sprengen würden.<br />

Durch einfache Beobachtung lässt sich aus den Streitgegenständen und<br />

eingebrachten Konfliktpunkten der Konfliktparteien erkennen, auf welchen Rahmen<br />

sie sich beziehen (a.a.O., S. 60-61). Für die Bestimmung von Grenzen ist allerdings<br />

nur von Bedeutung, ob die Konflikthandlungen innerhalb eines kleinen Rahmens zum<br />

Tragen kommen oder ob sie das Funktionieren eines größeren sozialen Feldes<br />

beeinträchtigen (a.a.O., S. 61). Hinzu kommt noch, dass je größer die Arena ist, in<br />

der der Konflikt aktiv ausgetragen wird, desto komplexer wird die soziale Situation


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 12<br />

(a.a.O., S. 61). Und natürlich greifen dann ganz andere Interventionen als bei<br />

Konflikten in einem kleinen Rahmen. Eingeordnet werden Konflikte in den mikrosozialen,<br />

den meso-sozialen und den makro-sozialen Rahmen.<br />

Im Folgenden werden diese drei Ebenen gemeinsam mit den Workshop-Teilnehmern<br />

erarbeitet. Dazu haben die Workshop-Teilnehmer aktiv ihre Ideen eingebracht, was<br />

sie unter den einzelnen Ebenen verstehen. Die Ideen der Workshop-Teilnehmer sind<br />

in der Abbildung rechts den einzelnen Ebenen zugeordnet.<br />

In Abb. 3 ist links eine Kurzfassung der Definition von Glasl zu den drei Ebenen zu<br />

finden und unter der Abbildung werden die einzelnen Ebenen noch einmal<br />

ausführlicher erklärt und jeweils mit einem Beispiel veranschaulicht.<br />

Abb. 3: Metaplan zur Konfliktarena<br />

Mikro-soziale Konflikte: Glasl fasst „darunter alle Konflikte zusammen, die zwischen<br />

zwei oder mehreren Einzelpersonen oder in kleinen Gruppen spielen. Hier kennt<br />

jeder jeden und es kann zu direkten, so genannten face-to-face-Interaktionen<br />

kommen“ (a.a.O., S. 62). Das Gefüge der Beziehungen ist überschaubar(a.a.O., S.<br />

62).<br />

Bsp.: Ein Konflikt zwischen den Lehrern einer Schule, wenn bei allem nur die<br />

Schulleitung in den Konflikt einbezogen ist und der Rest der Lehrer, die Schüler und<br />

Eltern darin nicht aktiv werden (a.a.O., S. 60).


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 13<br />

Meso-soziale Konflikte: Hierunter fasst er Konflikte innerhalb einer Organisation,<br />

zwischen Gruppen und größeren organisatorischen Sub-Einheiten (a.a.O., S. 69).<br />

Diese bauen sich aus mikro-sozialen Einheiten auf (a.a.O., S. 62). Zwischen den<br />

Elementen der Organisation sind oft keine direkten Beziehungen mehr möglich, die<br />

Kommunikation erfolgt zumeist über Mittelspersonen und die weniger persönlichen<br />

Zwischengruppenbeziehungen erhöhen noch die Komplexität (a.a.O., S. 62).<br />

Bsp.: In unserem Beispiel hat sich der Konflikt auf die meso-soziale Arena<br />

ausgeweitet, wenn Gruppen von Lehrern aufeinanderprallen oder die Elternschaft,<br />

meist über Repräsentanten, mit einer Lehrergruppe oder einer Schülervertretung in<br />

Konfrontationen geraten ist (a.a.O., S. 60).<br />

Makro-soziale Konflikte: Hierzu gehören ganz allgemein Konflikte innerhalb sowie<br />

zwischen Bevölkerungsgruppen, zwischen Interessengruppen mit gesamtgesell-<br />

schaftlichem Status, usw. (a.a.O., S. 69). Hier tritt eine noch wesentlich höhere<br />

Komplexität auf und erschwert eine gute Analyse und Interventionsstrategie (a.a.O.,<br />

S. 63).<br />

Bsp.: Unser Beispielkonflikt hätte sich auf die makro-soziale Ebene ausgeweitet,<br />

wenn auch Eingriffe von Organen der öffentlichen Verwaltung auf den Plan gerufen<br />

würden, die wiederum zu Aktionen von politischen Parteien oder Interessen-<br />

vertretungen der Lehrerschaft dieses Landes führen können (a.a.O., S. 60).<br />

Einleitung<br />

Stufenmodell und Interventionsarten<br />

Im zweiten Teil des Workshops wird das Stufenmodell der Konflikteskalation nach<br />

Glasl vorgestellt. Zwei Eskalationsstufen werden abwechselnd die wichtigsten<br />

Strategiemodelle der Konfliktbehandlung für diese Stufen eingeschoben. Welche<br />

Strategien in einer gegebenen Situation aber am meisten erfolgsversprechend sind,<br />

bestimmen Art und Intensität eines Konfliktes.<br />

Der zweite Workshop-Teil „Stufenmodell und Interventionsarten“ wurde ebenfalls<br />

herausgearbeitet aus dem Buch „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ von Glasl (1994; Kap. 8.5, S.<br />

207-210; Kap. 9, S. 211-214; Kap. 10, S. 215-279; Kap. 11, S. 289-320; Kap. 14, S.<br />

360-367; Kap. 15, S. 368-405). Soweit andere Quellen verwendet wurden, wird auf<br />

diese entsprechend hingewiesen.


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 14<br />

Das Stufenmodell der Eskalation nach Glasl<br />

Warum betrachten wir ein Modell der Konflikteskalation?<br />

Begegnet man einem Konflikt, ist es wichtig, diesen überhaupt zu erkennen, ihn<br />

einzuordnen und entsprechende Interventionsmaßnahmen für jede Eskalationsstufe<br />

zu finden, um den Konflikt lösen bzw. schlichten zu können.<br />

Aufbau des Stufenmodells<br />

Das Neun-Stufenmodell der Konflikteskalation nach F. Glasl nennt drei Hauptphasen<br />

mit jeweils drei Eskalationsstufen. Zwischen den einzelnen Stufen liegen Wende-<br />

punkte, auch Schwellen genannt. Zwischen den Hauptphasen befinden sich die<br />

Hauptschwellen.<br />

Perzeptionen<br />

Die Perzeptionen (Sinneswahrnehmungen) ändern sich während des Konflikt-<br />

verlaufs. Die erste Hauptphase ist sachbezogen und kooperativ gekennzeichnet. Mit<br />

der zweiten Hauptphase begeben sich die Parteien in subjektive Sphären, die<br />

Perzeptionen sind beziehungsgerichtet. Die dritte Hauptphase, gewaltbezogen und<br />

destruktiv, ist auf Vernichtung ausgerichtet.<br />

Schwellen<br />

Es handelt sich hierbei nicht um objektiv strategisch wichtige, sondern eindeutig,<br />

unzweifelhaft erkennbare Punkte (a.a.O., S. 211). Sie appellieren nicht an Logik und<br />

Verstand, sondern unterbewusst an die Gefühle und die Phantasie des Menschen.<br />

Dabei werden sie stillschweigend, als ungeschriebenes Gesetz, von den Parteien<br />

anerkannt. Schwellen stellen Grenzen der Gewaltanwendung dar, die unaus-<br />

gesprochen festgelegt werden (a.a.O., S. 212). Sie geben den Parteien also<br />

Sicherheit. Keine Partei will Verschulder sein, die Schwelle („den Damm“) gebrochen<br />

zu haben. Die folgende Eskalationsstufe wird somit auf Zeit als unbetretbar<br />

respektiert. Schwellen können aber auch mit Zunahme der Eskalation als „point of no<br />

returns“ gesehen werden (a.a.O., S. 214).<br />

Stufenmodell abwärts<br />

F. Glasl stellt sein Stufenmodell der Konflikteskalation in einer Abwärtsbewegung<br />

dar: Die Parteien stoßen mit der Eskalation des Konfliktes in Regionen / Stufen, die


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 15<br />

immer „unmenschlichere Energien“ aufrufen. Er vergleicht dies mit dem „arche-<br />

typischen Gang des Menschen in Bereiche der Unterwelt“ (a.a.O., S. 215).<br />

„Schlummernde, unmenschliche, unsoziale, ja selbst bestialische Regungen werden<br />

von Stufe zu Stufe geweckt, die aus tiefen Regionen des Unterbewussten auf-<br />

brechen und sich der Kontrolle und Lenkung des Menschen entziehen (a.a.O., S.<br />

215).“<br />

1<br />

Verhärtung<br />

Standpunkte verhärten<br />

zuweilen,<br />

prallen aufeinander<br />

noch keine<br />

starren<br />

Parteien oder<br />

Lager<br />

Überzeugung:<br />

Spannungen<br />

durch<br />

Gespräch lösbar<br />

Bewußtsein der<br />

bestehenden<br />

Spannung<br />

Krampf<br />

zeitweilige Ausrutscher<br />

und Verkrampfung<br />

1. Hauptphase<br />

sachbezogen-kooperativ<br />

2<br />

Debatte<br />

Polarisation<br />

taktisches Verhalten<br />

Reden zur Tribüne,<br />

über<br />

Dritte<br />

Überlegener<br />

gegenüber<br />

Unterlegenem<br />

Prestige<br />

zeitliche<br />

Parteien um<br />

Standpunkte<br />

Stufen der Konflikteskalation nach Friedrich Glasl<br />

3<br />

Taten<br />

Reden hilft<br />

nichts mehr,<br />

also: Taten<br />

Strategie der<br />

vollendeten<br />

Tatsachen<br />

Diskrepanz<br />

verbal -<br />

nonverbal<br />

nonverbales<br />

Verhalten dominiert<br />

Gefahr: Fehlinterpretationen<br />

“pessimistische<br />

Antizipationen”,<br />

Mißtrauen,<br />

Akzeleration<br />

Gruppenhaut,<br />

Kohäsion,<br />

Konformitätsdruck<br />

Empathie<br />

verloren<br />

2. Hauptphase<br />

beziehungsbezogen-kompetitiv<br />

4<br />

5<br />

6<br />

Images<br />

Koalitionen Gesichts-<br />

jeder reagiert<br />

nur<br />

verlust<br />

deutlich und<br />

Drohstrategien<br />

direkt: Angriffe<br />

kein<br />

Gesichtsverlust Gesichtsverlust,<br />

“Demaskierung”<br />

Drohung und<br />

Gegendrohung<br />

Lücken in<br />

Normen Demasque:<br />

Forderung<br />

Enttäuschung,<br />

dementierbares Aha-Erlebnis<br />

Strafverhalten rückwirkend Sank- Sanktionsself-fulfillingPro-<br />

Engel - Teufel<br />

tion potential<br />

phecies durch<br />

Perzeptionsfixie- Ekel<br />

dosierte Gewalt<br />

rung<br />

Werben um<br />

Ausstoßen,<br />

verbannen,<br />

Akzeleration<br />

durch Ultimata<br />

Anhänger,<br />

symbiotische<br />

Koalitionen<br />

Isolation<br />

Ideologien,<br />

Glaubwürdigkei<br />

t<br />

einander in<br />

negative Rollen<br />

manövrieren,<br />

bekämpfen<br />

Werte, Prinzipien<br />

Stereotypen,<br />

Klischees,<br />

Images,<br />

Kampagnen<br />

7<br />

8<br />

Begrenzte<br />

Schläge Zersplitterung<br />

begrenzte<br />

Vernichtungsschläge<br />

als<br />

“passende<br />

Antwort”<br />

relativ kleiner<br />

eigener<br />

Schaden =<br />

Gewinn<br />

3. Hauptphase<br />

gewaltbezogen-destruktiv<br />

Angriffe auf<br />

Sanktionspotential<br />

Angriffe auf<br />

Infrastruktur,<br />

Nervensystem<br />

vitale<br />

Systemfaktoren<br />

zerstören, Sytem<br />

wird unsteuerbar,<br />

zerfällt<br />

win-win win-lose lose -lose<br />

9<br />

Gemeinsam in<br />

den Abgrund<br />

kein Weg mehr<br />

zurück<br />

totale<br />

Konfrontation<br />

gemeinsamer<br />

Untergang<br />

Moderation (1-3) Vermittlung (5-7) Machteingriff (7-9)<br />

Prozessbegleitung (3-6) Schiedsverfahren (6-8)<br />

Quelle: S. Meyerhuber u. M. Schottmayer


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 16<br />

Erste Stufe: Verhärtung<br />

Die erste Stufe der Konflikteskalation unterscheidet sich kaum von alltäglichen<br />

Spannungen und Reibungen. Auch in einem gut funktionierenden Team einer<br />

Organisation kann es unterschiedliche Meinungen und Standpunkte geben (a.a.O.,<br />

S. 216). Sie verhärten zuweilen und prallen aufeinander. Dabei bewertet eine Person<br />

die Qualität der eigenen Standpunkte höher, als die des anderen. Nur in den<br />

Momenten der Verhärtung der Standpunkte bilden sich Parteien und Lager, sie sind<br />

nicht starr. Treten diese Momente häufiger auf, stellt sich automatisch in Ansätzen<br />

ein Modell der Krisenbewältigung ein (a.a.O., S. 220): Die Partei erkennt die<br />

Reibungsmomente als etwas Bekanntes und drängt sie durch Anstrengungen<br />

zurück.<br />

Die Lager sind der Überzeugung, die Spannungen durch Gespräche zu lösen, auf<br />

dem Wege einer geordneten verbalen Auseinandersetzung, z.B. durch Abwägen<br />

und Argumentieren. Sie sind sich der bestehenden Spannungen bewusst und sehen<br />

diese als krampferzeugend und Energie- und Zeitverlust an. Die zeitweiligen Aus-<br />

rutscher und Verkrampfungen werden als vermeidenswert, negativ bewertet, auch<br />

wenn sie zum „Bild des Normalen“ gehören.<br />

Die genannten Merkmale der ersten Stufe der Konflikteskalation findet man u.a. in<br />

kooperativen Problemlösungen oder Verhandlungsgesprächen wieder (a.a.O., S.<br />

221).<br />

Zweite Stufe: Debatte<br />

Gelingt es den Parteien nicht, das gelegentliche Abgleiten in Erstarrungen wieder<br />

aufzufangen, begeben sie sich auf die zweite Stufe der Konflikteskalation. Sie<br />

scheuen hier keine harten verbalen Konfrontationen. Bei der ersten Stufe lautete das<br />

Kernproblem: „Welches ist der bessere Standpunkt?“ Nun heißt es: „Welches ist der<br />

bessere Standpunkt, und wer vertritt ihn besser (a.a.O., S. 222)?“ War es in der<br />

vorherigen Stufe wichtig, Fairness zu wahren, ist dies hier nicht mehr der Fall.<br />

Polarisationen entstehen.<br />

Taktiken kommen als erlaubte Waffe zur Anwendung (a.a.O., S. 223). Der „nächste<br />

Schritt“ wird geplant und durchdacht.<br />

Die Interessen und Ziele der einzelnen Parteien rücken immer mehr in den Vorder-<br />

grund. Dadurch steigert sich das Zusammengehörigkeitsgefühl, was zur Selbstüber-<br />

heblichkeit und Arroganz führen kann (a.a.O., S. 222).<br />

Die Parteien sind jeweils vor der anderen „auf der Hut“, werden misstrauisch. Sie<br />

suchen nach Argumenten und wirksamen Beweisen, zur Stützung der eigenen sach-<br />

lichen Auffassungen, versuchen an Vorurteile zu appellieren und Emotionen des<br />

anderen zu reizen. Indem die Parteien auf einer Art „Tribüne“ reden, wollen sie Dritte<br />

einbeziehen.


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 17<br />

Des Weiteren führen beide Parteien top down: von oben herab setzen sie die Gegen-<br />

seite durch rhetorische Mittel und logische Operationen unter intellektuellem Druck<br />

(a.a.O., S. 224). Es heißt nun Überlegener gegen Unterlegenem. Immer mehr Streit-<br />

punkte werden eingebracht. Es kommt zum Wettkampf um Überlegenheit im Status.<br />

Das Verteidigen der eigenen Standpunkte wird zur Prestigesache (a.a.O., S. 222).<br />

Beide wollen ihr Ansehen wahren. Die Parteien sind der Meinung, dass vom<br />

Vertreten ihrer sachlichen Standpunkte auch ihre Position im nicht- sachlichen Sinne<br />

abhänge.<br />

Die eine Seite will die andere dominieren und imponieren, jedoch nicht beherrschen<br />

(a.a.O., S. 223). Die Reaktion ist, Taktiken abprallen zu lassen und gleichzuziehen:<br />

so werden Gespräche zu Debatten.<br />

Die Lager entwickeln einen Scharfsinn für die inneren Widersprüche des Gegners:<br />

wenn eine Partei sich z.B. in ihrer Argumentation widerspricht, hält die andere ihr<br />

dies deutlich vor Augen. Die Wirkung darauf heißt Abweisung. Dieses Zurecht-<br />

weisen führt zur Entfremdung und Erstarrung statt zum gegenseitigen Überzeugen.<br />

Es wurde beobachtet, dass vor allem bei ungeübten Verhandlern das gegenseitige<br />

Weisen auf Fehler auftritt, und das Gespräch eskaliert (a.a.O., S. 224).<br />

Parteien können sich in der zweiten Stufe noch immer zeitlich begrenzt bilden.<br />

Beispiele für die zweite Stufe sind das Appellieren an Denkgewohnheiten (a.a.O., S.<br />

227): „In unserem Unternehmen haben wir immer Gesagt, dass ...“ so dass es keiner<br />

Begründung bedarf, denn „schon Goethe sagte ...“ oder gegenseitig vor ein krasses<br />

Dilemma stellen und die Seiten müssen einen Kompromiss eingehen, denn<br />

„Schließlich liegt die Wahrheit in der Mitte (a.a.O., S. 228).“<br />

Strategiemodell auf den Stufen 1-3: Moderation<br />

Das Strategiemodell Moderation hat sich auf den Eskalationsstufen von eins bis drei<br />

als hilfreich erwiesen.<br />

Der Moderator kann darauf vertrauen, dass die Parteien die Konflikte nach einigen<br />

Interventionen selbst bewältigen können (a.a.O., S. 362).<br />

Die Interventionen wenden sich am meisten der Klärung von gegenseitigen<br />

Wahrnehmungen zu. „Blitzlichter“, diagnostische Pausen, Konfliktlisten und Konflikt-<br />

analysen helfen festzustellen, ob Absicht und Aufnahme einer Botschaft identisch<br />

sind (a.a.O., S. 368).<br />

Bei dieser Interventionsart werden die Arbeitstechniken mit wenig Tiefgang zur<br />

Problemlösung und Entscheidungsfindung empfohlen.<br />

Für die Verbesserung der Kommunikation und das Aufdecken eventueller „Unter-<br />

ströme“ dienen folgende Methoden: Metaplan oder Methoden der Selbstbeobachtung<br />

(a.a.O., S. 369).<br />

Eine Methode wird näher vorgestellt. Sie heißt „Alter- Ego- Kommentare“ und wurde<br />

von M. Miles herausgearbeitet (a.a.O., S. 307). Ziel dieser Intervention ist es, sich in<br />

die Gefühle und Einstellungen des anderen einzuleben und zu lernen, diese Gefühle<br />

nicht zu unterdrücken, sondern zu erkennen. Man spricht für das Ich eines anderen:


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 18<br />

„Alter- Ego“. Während die Konfliktparteien miteinander eine Episode des Konfliktes<br />

besprechen, versucht jeder zu beobachten, wie sich die anderen Personen fühlen,<br />

was sie ärgert usw. Sobald z.B. „Anton“ bei „Bernd“ beobachtet, dass er sich sehr<br />

ärgert und den Ärger hinunterschluckt, sagt „Anton“: „Alter- Ergo“ für Bernd: „Die<br />

Bemerkung von Carla ärgert mich jetzt sehr. Stimmt das Anton?“ „Anton“ darf nur<br />

kurz ja oder nein sagen, damit das Gespräch weiter gehen kann. So kann jeder aus-<br />

sprechen, was zumeist unterschwellig bleibt.<br />

Dritte Stufe: Taten<br />

Auf Stufe zwei wird der Gegenseite noch das Recht auf Erwiderung und Recht-<br />

fertigung gegeben. Äußert aber z.B. eine Partei einen Vorschlag und kontert die<br />

Gegenpartei sofort mit einem Gegenvorschlag, ist die dritte Stufe der Konflikt-<br />

eskalation erreicht. Entschlossenheit macht sich bemerkbar. F. Glasl spricht von<br />

einer Strategie vollendeter Tatsachen. Noch nehmen die Parteien Widerstand der<br />

anderen in Kauf, er soll erst mit der sechsten Stufe gebrochen werden.<br />

Die Kommunikation ist zunehmend belastet: In Sitzungen wird zeitlich stark über-<br />

zogen, immer mehr offene Punkte bleiben zum Schluss übrig, als sie in die Sitzung<br />

getragen wurden. Diskutieren ist also zwecklos (a.a.O., S. 231).<br />

Verbale Kommunikation tritt in den Hintergrund, bleibt aber noch bestehen (a.a.O., S.<br />

234). Es wird mehr auf Gesichtsausdruck, Gestik, Mimik oder Körperhaltung<br />

geachtet. Parteien lernen, zwischen Überton (verbal) und Unterton (nonverbal) zu<br />

unterscheiden, wobei sie meinen, der Unterton offenbare die wahren Absichten ihres<br />

Gegners (a.a.O., S. 236). Dabei kommt es oft zu Fehlinterpretationen: Eine Partei<br />

kann ja mittels nonverbaler Kommunikation schier unmöglich bewusst ausdrücken,<br />

dass sie eine spezifische Handlung nicht ausführen will (a.a.O., S. 236). Der Gegner<br />

(fehl-) interpretiert und erahnt dies als negative, pessimistische Absicht. F. Glasl<br />

bezeichnet das Unterstellen, Vorwegnehmen negativer Absichten als Pessimistische<br />

Antizipation (a.a.O., S. 207).<br />

Nonverbale Sprache ist einseitig, kann schnell erfolgen und gibt einem das Gefühl,<br />

unabhängig zu sein. Parteien können nicht auf längerfristige Absichten der Gegen-<br />

partei schließen. Die Folge ist Misstrauen und eine Beschleunigung, Akzeleration<br />

des Konfliktes.<br />

Um die Partei bildet sich eine Gruppenhaut. Die Gruppenkohäsion, der Zusammen-<br />

halt, stärkt das Selbstwertgefühl, Geschlossenheit macht sich bemerkbar (a.a.O., S.<br />

237): „Alle sitzen in einem Boot!“ Jedoch geht dies mit der Entstehung von<br />

Konformitätsdruck in Bezug auf individuelle Meinungen einzelner Gruppenmitglieder<br />

einher. Die Empathie, das Einfühlungsvermögen, geht verloren (a.a.O., S. 237):<br />

Individuelle Gefühle werden entpersönlicht und der Gruppe untergeordnet.<br />

Es herrscht hier eine Pattsituation vor: Die Parteien können weder vor noch zurück,<br />

wobei sie noch im Bewusstsein sind, den Konflikt lösen zu können, auch wenn die<br />

Angst zunimmt, der Boden der Problemlösung gehe verloren.<br />

Diese Eskalationsstufe ist z.B. durch das Anfertigen und Verbreiten möglicher


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 19<br />

Streitschriften oder Flugblätter gekennzeichnet. Parteien bedienen sich dabei<br />

bestimmter Jargons und Termini, um sich von der Gegenpartei abzugrenzen.<br />

Handeln die Streitfragen nun nicht mehr um die Argumente des Gegners, sondern<br />

um den Gegner selbst, wird der Konflikt also zunehmend personifiziert, bedienen<br />

Parteien sich Vorurteile und kollektiver Klischeebilder, ist die vierte Stufe und die<br />

zweite Hauptphase der Konflikteskalation schnell erreicht. Eine „win-lose-Haltung“<br />

(a.a.O., S. 216) wird eingenommen, d.h. man rechnet nur noch mit einem Gewinn<br />

oder Verlust.<br />

Vierte Stufe: Image, Koalitionen<br />

Die Einstellungen werden immer starrer und aggressiver. Parteien sehen nur<br />

schwarz oder weiß, dafür oder dagegen. Mischfarben gibt es nicht.<br />

Das Hauptanliegen ist das Wahren des eigenen Ansehens, getreu dem Motto „Dein<br />

Image ist alles!“ Die Parteien begründen jetzt ihr Verhalten, indem sie ja nur auf das<br />

des Gegners reagieren, Verantwortung wollen sie nicht übernehmen.<br />

Den Seiten geht es nicht mehr um den maximalen Nutzen, sondern das maximale<br />

Unbehagen des Gegners herbeizuführen. Eine besondere Form ist das dementier-<br />

bare Strafverhalten (a.a.O., S. 242): Es wird provoziert und sich anschließend<br />

entschuldigt, wobei die Partei sich nicht öffentlich provozieren lassen darf, sonst<br />

würde sie dem Bild des Gegners, dessen Stereotyp, entsprechen. Wenn eine Partei<br />

meint, ihre Handlung sei aus Versehen passiert, in Wahrheit aber aus Absicht, und<br />

entschuldigt sich dafür, so kann der Betroffene nicht öffentlich wütend sein, er würde<br />

sein Gesicht verlieren, und die fünfte Stufe der Konflikteskalation wäre erreicht.<br />

Goffman spricht auch von „unofficial or hinted comunication“ (a.a.O., S. 245).<br />

Die vierte Eskalationsstufe ist durch den Effekt der „self fullfilling prophecies“ durch<br />

die Fixierung auf Perzeptionen geprägt (a.a.O., S. 241): Je mehr eine konflikthafte<br />

Situation in der kollektiven Wahrnehmung mit einer konflikthaften Situation aus der<br />

Vergangenheit übereinstimmt, umso größer ist die Gefahr, dass auch bei der<br />

Strategie der Konfliktbearbeitung auf alte Muster zurückgegriffen wird.<br />

Die soziale Arena weitet sich sprunghaft aus. Immer mehr Personen werden zur<br />

eigenen Unterstützung einbezogen. Die Parteien suchen nach Verbündeten, werben<br />

um Anhänger. Symbiotische Koalitionen und Bündnisse, die zusammenwirken,<br />

werden geschlossen (a.a.O., S. 243). Vor allem bei Imageverlusten spielen z.B. auf<br />

der Meso-Ebene Beziehungen von Führungskräften zu ihren Mitarbeitern eine<br />

entscheidende Rolle. Auch im Publikum werden durch Versprechungen und<br />

Vortäuschungen symbiotische Koalitionen gesucht.<br />

Mit der Erstellung eines strahlenden Selbstbildes und eines schmutzigen Feindbildes<br />

manövrieren sich die Parteien einander in negative Rollen (a.a.O., S. 240). Selbst<br />

nimmt die Partei sich als Übermensch, den Gegner als Untermensch wahr. Dabei<br />

bedienen sie sich Klischees. Sie haben also eine sehr stark vereinfachte Vorstellung<br />

vom Gegner. Beide erstellen einen Stereotyp vom anderen und denken als kollektive<br />

Eigenschaft in Vorurteilen (a.a.O., S. 239). Dieser wird als dumm, schwach,<br />

verwundbar und übertrieben dargestellt. Die Partei muss sich z.B. in Interviews von


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 20<br />

Beratern sehr anstrengen, auf die Frage nach positiven Eigenschaften der Gegen-<br />

partei eine Antwort zu finden (a.a.O., S. 246).<br />

Um Unterstützung bei Außenstehenden zu erhalten, werden gleichzeitig Image-<br />

kampagnen entwickelt.<br />

In dieser Eskalationsstufe greifen die Parteien den Gegner an und denunzieren ihn,<br />

jedoch wollen sie nicht mutwillig dessen Gesichtsverlust provozieren. Die folgende<br />

Stufe der Konflikteskalation wäre ansonsten erreicht.<br />

Strategiemodell auf den Stufen 3-6: Prozessbegleitung<br />

Die Prozessbegleitung wird auf den Eskalationsstufen drei bis sechs empfohlen. Der<br />

Prozessbegleiter arbeitet an bereits länger fixierten Wahrnehmungen und<br />

Verhaltensweisen der Konfliktparteien (a.a.O., S. 362-363). Es werden die folgenden<br />

Funktionen des Prozessbegleiters betont: helfend, unterstützend, stimulierend, nicht<br />

zwingend, nicht beurteilend, nicht suggestiv. Die Ziele der Prozesskonsultation sind<br />

die Parteien zu befähigen, die Konflikte aus eigener Kraft zu lösen, die Konflikt-<br />

mechanismen aus der Wirkung zu setzen. Die Konfliktparteien widmen sich der<br />

Konfrontation der stereotypen Selbst- und Feindbilder. Hier ist wichtig, die<br />

gefestigten Rollen und Beziehungen aufzulockern (a.a.O., S. 371).<br />

Die Methode des Psychodramas von G. Leutz kann zum Entdecken der eigenen<br />

Barrieren behilflich sein und dient dazu, psychischen Abstand zur eigenen Rolle zu<br />

gewinnen (a.a.O., S. 308). Man greift eine kritische Episode aus dem Konfliktverlauf<br />

heraus, beschreibt sie aus der Erinnerung und dramatisiert sie. Dabei spielen die<br />

Teilnehmer ihre eigenen Rollen. Nach einiger Zeit tauschen sie ihre Rollen und<br />

setzen den Dialog fort.<br />

Eine andere Methode wird mit den Workshop-Teilnehmern durchgeführt: Sie heißt<br />

“Haus-Baum-Hund“ (F. Moser, 2001; S. 56) und schult die Einfühlungsfähigkeit. Hier<br />

können innere Konflikte und nonverbale Interaktion erlebt werden, sowohl<br />

dominierendes als auch unterwerfendes Verhalten sensibilisiert werden.<br />

Normalerweise bilden je zwei Teilnehmer aus zwei verschiedenen Gegenparteien<br />

eine Gruppe. Im Workshop ist das ganze Plenum an der Durchführung der Methode<br />

beteiligt. Es werden Gruppen aus je zwei Teilnehmern gebildet. Jede Gruppe erhält<br />

einen Stift und einen Bogen Papier.<br />

Aufgabenstellung: Jede Zweier-Gruppe soll ein Haus, einen Baum und einen Hund<br />

gemeinsam mit einem Stift auf ihr Blatt Papier zeichnen. Wichtig bei dieser Übung<br />

ist, dass die Teilnehmer nicht miteinander sprechen und keine Informationen mit dem<br />

Partner austauschen dürfen, auch nicht durch Gestik oder Mimik. Wenn sie Haus,<br />

Baum und Hund gezeichnet haben, soll das Bild gemeinsam mit einem Künstler-<br />

namen unterschrieben werden und danach von eins bis fünf benotet werden.


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 21<br />

Nach der Anleitung geht es los. Als alle mit dem Zeichen fertig sind, werden die<br />

Bilder gemeinsam an eine Metaplanwand für alle sichtbar angebracht (siehe Abb. 4).<br />

Abb. 4: Alle Zeichnungen der Übung „Haus-Baum-Hund“<br />

Zur Auswertung wurden folgende Fragen im Plenum besprochen:<br />

o Wie habe ich das erlebt?<br />

o Was ist mir schwer, was ist mir leicht gefallen?<br />

o Wie leicht oder schwer war das gemeinsame Führen des Stiftes?<br />

o Wie sehr konnte ich mich durchsetzen, wie sehr musste oder wollte ich mich<br />

unterordnen?<br />

o Was ist produktiver: zusammenzuarbeiten oder sich durchzukämpfen?<br />

o Wie geht es mir in ähnlichen Situationen?<br />

Eindrücke und Diskussion in Stichworten:<br />

o Derjenige, der mit der linken Hand zeichnen musste, aber Rechtshänder ist,<br />

fand es schwieriger und hat dann gedacht, der andere wird es schon machen.


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 22<br />

o Da bei der Übung viel gelacht wurde, wurde die Überlegung eingebracht, dass<br />

Konflikte hier gut durch das Lachen gelöst werden könnten.<br />

o Es wurde sich abgewechselt im Zeichnen und es hat gut geklappt, weil gleiche<br />

Ideen bestanden.<br />

o Es wurde festgestellt, dass beim Zeichnen gleichzeitig verschiedene Ideen<br />

versucht wurden durchzuführen, so dass einer schließlich nachgeben musste.<br />

o Schwierig wurde es beim Namen und der Note.<br />

o Es war sehr lustig, komisch und hat Spaß gemacht.<br />

o Manchmal wusste der eine nicht, was gemalt wird und war überrascht, was<br />

rauskam.<br />

Fünfte Stufe: Gesichtsverlust<br />

Die fünfte Eskalationsstufe ist durch deutlich direkte Angriffe gekennzeichnet.<br />

Der Gesichtsverlust, auch Demaskierung, ist hier ein sehr dramatisches Geschehen<br />

(a.a.O., S. 247). Nach Goffman stellt das „Gesicht“ den sozialen Wert dar, den die<br />

Person, Gruppe oder Organisation beansprucht (a.a.O., S. 248). Ein Gesicht zu<br />

haben, bedeutet respektiert und geachtet zu werden. Der Gesichtsverlust geht mit<br />

dem Verlust der Identität einher. Mit dem Abwerfen von Masken des Gegners<br />

empfindet die Partei, dass sie dessen Täuschung „über Bord wirft“: Der Gegner wird<br />

„ent - täuscht“ (a.a.O., S. 248). Dies führt bei den Parteien zu einem Aha-Erlebnis<br />

(a.a.O., S. 247). Das Gefühl tritt auf, die andere Partei nun ganz und gar zu durch-<br />

schauen. Das Erlebnis bezieht sich auch rückwirkend: auf die Vergangenheit<br />

bezogen. Gleichzeitig kommt bei den Parteien ein Gefühl des Ekels und Abscheus<br />

auf (a.a.O., S. 251). Der Gegner wird symbolhaft als unrein und unwert betrachtet.<br />

Die Positionen des Über- und Untermenschen aus Eskalationsstufe vier sind<br />

gänzlich ausgeweitet. Das Menschenbild geht dem menschlichen Maß hinaus<br />

(a.a.O., S. 249). Die Parteien erleben den Gegensatz von „Himmel und Hölle“, sie<br />

identifizieren sich mit dem „Engel“, den Gegner mit dem „Teufel“ (a.a.O., S. 249). Die<br />

Situation erfordert bei BeraterInnen große Sorgfalt: Beide würden z.B. ein<br />

gemeinsames Essen wohl ablehnen.<br />

Nun geht es darum, den Gegner auszustoßen, zu verbannen und zu isolieren. Auch<br />

Ideale, Werte und Prinzipien fließen in den Konflikt mit ein (a.a.O., S. 256). Dieser<br />

wird jetzt aus Pflichtgefühl geführt.<br />

Gekennzeichnet ist die fünfte Eskalationsstufe durch einen grundlegenden<br />

Vertrauensbruch. Somit erwartet jeder vom anderen den ersten Schritt zu einem<br />

gemeinsamen Vertrauen, doch die Barrieren bleiben aufrecht. Ein Kompromiss und<br />

Vergleich wird als eine Lösungsvariante des Konfliktes gänzlich ausgeschlossen.<br />

Der soziale Rahmen weitet sich immer mehr aus: Außenstehende werden zu<br />

Richtern gemacht, die eine Partei wählen müssen.<br />

Die Parteien sind sich dem Betreten der nächsten Eskalationsstufe bewusst, doch<br />

ihnen drängt nach Klarheit und Eindeutigkeit (a.a.O., S. 257). Die Schwelle zu Stufe<br />

sechs kann schnell betreten werden und wirkt nicht mehr so abschreckend.


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 23<br />

Mit dem Einsetzen von Drohstrategien ist die nun folgende Eskalationsstufe erreicht<br />

(a.a.O., S. 257).<br />

Sechste Stufe: Drohung<br />

Das Gewaltdenken verstärkt sich weiter. Nun sprechen die Parteien gegenseitige<br />

Drohungen aus. F. Glasl unterscheidet drei Phasen des Drohverhalten (a.a.O., S.<br />

258). Die erste Phase kann schon in vorherigen Stufen der Konflikteskalation<br />

auftreten. Hier aber kommt die dritte Phase des Drohverhaltens zum Vorschein. Sie<br />

ist ultimativ und dadurch akzelerierend.<br />

Die Drohung der einen Seite provoziert eine Gegendrohung der anderen (a.a.O., S.<br />

258). Beide sind der Auffassung, nur durch Unbeugsamkeit glaubhaft zu bleiben.<br />

Forderung<br />

Sanktion Sanktionspotenzial<br />

Abb.4: Drohungsdreieck (a.a.O., S. 265)<br />

Das Drohungsdreieck nach F. Glasl (Abb.4) besagt, Forderung, Sanktion und<br />

Sanktionspotenzial stehen in einem Verhältnis. Beispiel 1 für eine Drohung: „Wenn<br />

Du bis morgen nicht die Dokumentation ausformuliert hast, kürze ich Dein nächstes<br />

Monatsgehalt um die Hälfte!“ Hier stehen Forderung und Sanktion in keinem<br />

angemessenen Verhältnis zueinander. Die Forderung ist zu gering für die<br />

angedrohte Sanktion. Beispiel 2: „Wenn Du bis morgen nicht die Dokumentation<br />

ausformuliert hast, nehme ich Deinen Bleistift als Pfand!“ Die Forderung ist nun zu<br />

hoch gestellt für die angedrohte Sanktion oder umgekehrt ist die Sanktion zu niedrig.<br />

Dennoch überdrohen Parteien, um vom Gegner ernst genommen zu werden (a.a.O.,<br />

S. 264). Nun muss die Partei aber auch noch über das entsprechende Sanktions-<br />

potenzial verfügen, das für das Ausführen der Sanktion notwendig ist, sonst verlieren<br />

die Drohung und ihr Verfasser an Glaubwürdigkeit. Auch hütet sich ein Droher, der<br />

ernsthaft erscheinen möchte, zu „Überfordern“ (a.a.O., S. 265). Der Gegner könnte<br />

die Drohung als Alibi für einen Angriff interpretieren (a.a.O., S. 265). Die Partei<br />

gewinnt außerdem an Glaubwürdigkeit, wenn sie Sanktionen durch Stellen von<br />

Ultimata dosiert. Eine der wirksamsten Drohformen für „Machtlose“ einer<br />

Organisation, z. B. Studenten einer <strong>Universität</strong>, ist das Drohen mit dem Einschalten<br />

von Meinungsmedien. Das Spielen mit Gefühlen der Angst ist eine der fatalsten<br />

Erscheinungsformen der sechsten Eskalationsstufe (a.a.O., S. 262).<br />

Die Parteien leiden unter erheblichen Stress und Zeitdruck (a.a.O., S. 259).<br />

Noch versuchen sie, ein größeres Gewaltausmaß zu verhindern, sonst wäre Drohen<br />

und Gegendrohen auch zwecklos. Jedoch drängt die Eigendynamik des Konfliktes<br />

zum Überschreiten der Schwelle auf die folgende Eskalationsstufe (a.a.O., S. 271).


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 24<br />

Strategiemodell auf den Stufen 5-7: Vermittlung<br />

Vermittlungsinterventionen sind einsetzbar auf den Stufen fünf bis sieben, wenn die<br />

Parteien keine Möglichkeiten mehr für kooperative Konfliktbehandlung sehen, aber<br />

weiteren Schaden einschränken oder vermeiden wollen (a.a.O., S. 363).<br />

Vermittler können ihre eigenen Vorschläge einbringen und eventuell Druckmittel<br />

einsetzen. Sie wenden sich mehr Personen den Konfliktgegenständen und der<br />

Korrektur der Wahrnehmungen zu und arbeiten weniger an der Verbesserung der<br />

Beziehungen (a.a.O., S. 381).<br />

Manchmal werden, um die erstarrten Einstellungen zu flexibilisieren, undeutliche<br />

oder labile Situationen geschaffen. Diese zwingen die Parteien zu einer Neu-<br />

orientierung.<br />

Im Allgemeinen werden bei dieser Intervention die Konfliktparteien getrennt, da sie<br />

nicht mehr konstruktiv arbeiten können. Ihre Beziehungen werden kanalisiert und<br />

Informationen werden selektiv vermittelt, um die Störfaktoren in der Kommunikation<br />

zu vermeiden.<br />

Die Techniken der Vermittlung haben sich besonders hilfreich bei Arbeitskonflikten,<br />

Streiks und internationalen Krisen erwiesen.<br />

Es wird eine der bekanntesten Techniken, die GRIT-Taktik nach C. Osgood vor-<br />

gestellt (a.a.O., S. 312). Sie wird vor allem zur einseitig initiierten Entspannung in<br />

internationalen Krisen vorgeschlagen:<br />

o Eine Partei erklärt öffentlich ihren Vorsatz, zu einer einseitigen Maßnahme der<br />

Spannungsverminderung überzugehen.<br />

o Dieselbe Partei führt eine eindeutige Gebärde der Versöhnung durch und lädt<br />

gleichzeitig die Gegenpartei ein, dasselbe zu tun.<br />

o Auch wenn die Gegenpartei darauf nicht positiv reagiert, folgt die nächste<br />

versöhnende Gebärde.<br />

o Wenn die Gegenpartei darauf aggressiv reagiert, folgt eine - öffentlich<br />

angekündigte - angepasste, aber deutlich sehr beschränkte Maßnahme der<br />

Vergeltung.<br />

o Danach wird die nächste entspannende Maßnahme angekündigt und<br />

durchgeführt.<br />

Siebte Stufe: Begrenzte Vernichtung<br />

Jegliche Kommunikation der Parteien bricht ab, sie ist monologisch (a.a.O., S. 275).<br />

Der Gegner soll nun gezielt durch dosierte, unangekündigte Vernichtungsschläge<br />

zum Zweck seiner Entmachtung und in seinem Dasein erschüttert werden. Dies<br />

betrachten die Seiten als eine „passende Antwort“, sie reagieren also nur noch.<br />

Wobei eine Konfliktlösung bei gleichzeitiger Existenz des Feindes nicht mehr<br />

vorstellbar ist.<br />

Bei den Parteien vollzieht sich eine Werteumkehr: selbst ein relativ kleiner eigener<br />

Schaden ist schon ein eigener Gewinn (a.a.O., S. 272). Die Schadenfreude wertet


Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 25<br />

den Verlust des Gegners zum eigenen Gewinn um. Das Denken vollzieht sich nur in<br />

Qualitäten des Schädigen und Zerstörens.<br />

Die Angriffe richten sich vor allem auf das in Stufe sechs beschriebene Sanktions-<br />

potenzial und seine Organe (a.a.O., S. 272). Dies spiegelt sich z. B. im Zerstören des<br />

etablierten Kontrollsystem einer Organisation wieder: Stempel- oder Personal-<br />

karteikarten und Magnetbänder werden vernichtet, Ordnungsdienste offen oder<br />

anonym bedroht, Pressekampagnen gestartet, die Personalstelle wird massiv mit<br />

Aufgaben überhäuft, das Sicherheitssystem lahm gelegt, oder auch im Zerstören<br />

finanzieller Positionen des Unternehmens (a.a.O., S. 273).<br />

In der siebten Stufe ist die Gewaltanwendung noch auf Angriffe des<br />

Sanktionspotenzials, welches in Stufe sechs demonstrativ zur Schau gestellt wurde,<br />

begrenzt. Weitet sich diese aus, ist die folgende Eskalationsstufe schnell erreicht.<br />

Achte Stufe: Zersplitterung<br />

Mit der achten Stufe der Konflikteskalation erfolgen nun Angriffe auf das Nerven-<br />

system und die Infrastruktur des Feindes. Das Nervensystem meint die Personen,<br />

die an der „Front“ stehen, an oberster Stelle einer Organisation, die die<br />

Entscheidungen treffen. Unter Infrastruktur versteht F. Glasl z. B. die materiellen und<br />

finanziellen Mittel oder Versorgungslinien, welche es gilt, zu unterbinden (a.a.O., S.<br />

276). Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Mitglieder des Managements eines<br />

Unternehmens griffen die Gewerkschaftsvertreter massiv an, um die Gewerkschaft<br />

zu zersplittern. Auf dem Wege von Skandalgeschichten verloren sie ihre Vertrauens-<br />

würdigkeit. Doch ist nicht Vertrauen die Machtbasis der Gewerkschaftsvertreter? Zu<br />

diesem Zeitpunkt standen auch noch ihre Wahlen kurz bevor (a.a.O., S. 277).<br />

Die destruktiven Neigungen beider Parteien nehmen immer mehr überhand. Die<br />

Zerstörung richtet sich gegen alle Zeichen von Vitalität und Lebensfähigkeit des<br />

Feindes, so dass ihr System unsteuerbar ist und zerfällt.<br />

Strategiemodell auf den Stufen 6-8: Schiedsverfahren<br />

Mit Hilfe von Schiedsverfahren sollen die Parteien zur Annahme einer verbindlichen<br />

Lösung geführt werden (a.a.O., S. 363). Dies wird auf den Stufen sechs bis acht<br />

gemacht. Der Konflikt wird grundsätzlich über Verhaltensregulierungen bzw.<br />

Verhaltenskontrolle beendet. Der Schiedsrichter entscheidet aufgrund eigener<br />

Beurteilungen, wie der Konflikt gelöst werden kann. Er muss in jeder Hinsicht neutral,<br />

unparteilich und unbefangen sein (a.a.O., S. 390).<br />

Der Konfliktmanager akzeptiert die Wahrnehmungen der Parteien mehr oder weniger<br />

so, wie sie sind. Er wirkt auch nicht auf die Einstellungen der Parteien ein.<br />

Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 26


Darum werden die Gefühle der Feindschaft nicht geheilt. Die Ziele dieser Intervention<br />

sind Verhaltensbegrenzung, Verhaltenskontrolle und Verhaltenskonditionierung.<br />

Neunte Stufe: Gemeinsam in den Abgrund<br />

In Stufe acht waren die Parteien noch bemüht, die eigene Existenz nicht in Gefahr zu<br />

bringen. Trotz weitgehender Selbstaufopferung spekulieren sie auf ihr Überleben<br />

(a.a.O., S. 278). Doch scheint es ihnen schwer, den Konflikt auf die achte Stufe zu<br />

begrenzen.<br />

Es gibt keinen Weg mehr zurück, alle Brücken sind eingebrochen. Die Parteien<br />

sehen die Kosten für eine Umkehr viel höher, als Vernichtung und Selbstvernichtung,<br />

schalten auf totalen Kollisions- (Konfrontations-) kurs und gehen gemeinsam unter.<br />

Ihre einzige Genugtuung ist, dass der Feind mit untergeht (a.a.O., S. 278).<br />

Strategiemodell auf den Stufen 7-9: Machteingriff<br />

Auf den Eskalationsstufen sieben bis neun ist davon auszugehen, dass alle<br />

bisherigen Konfliktregulationen versagt haben und die weitere Eskalation des<br />

Konflikts nur durch einen Machteingriff aufgehalten werden kann. In Organisationen<br />

können Vorgesetzte oder höchste Aufsichtsorgane aufgrund formeller Kompetenzen<br />

eingreifen. Die Machtinstanz kann ihre Maßnahmen gegen den Willen der<br />

Betroffenen durchsetzen (a.a.O., S. 364).<br />

Ein Machteingriff bedeutet absolute Verhaltenskontrolle. Die Emotionen werden so<br />

beeinflusst, dass sie zur Lähmung und zu Gefühlen der Schwäche und Angst führen.<br />

Die Ziele dieser Intervention sind Distanz zum bisherigen Geschehen zu schaffen<br />

und neue Bewertungsmaßstäbe und Ziele zu setzen.<br />

Abschluss<br />

Eine Menge von Mechanismen wirken intensivierend auf den Konflikt, und nicht<br />

umgekehrt in eine positive Richtung. Nur durch Bewusstmachen (dazu das<br />

Alltagsbewusstsein nach B. Volmerg und Th. Leithä<strong>user</strong>) und auch durch viel Mut<br />

kann der Mensch diesen Mechanismen und somit dem Konflikt begegnen.<br />

Wichtig bei Interventionen ist: Eine Intervention ist nur wirksam, wenn sie nicht<br />

isoliert erfolgt, sondern mit anderen Interventionen vertieft und ergänzt wird. Für<br />

Interventionen in Konfliktsituationen sucht man nach Möglichkeiten eine Methode, die<br />

gleichzeitig an mehreren Komponenten des Konfliktes ansetzt.<br />

Abschließend sind die neun Stufen auf einem Plakat veranschaulicht (s. Anhang 1).<br />

Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 27


Gruppenarbeit<br />

Die geplante Gruppenarbeit, eine Übung zu den neun Eskalationsstufen, wird aus<br />

zeitlichen Gründen nicht mit den Workshop-Teilnehmern durchgeführt. Die<br />

Vorstellung des Stufenmodells und der Interventionsarten hat mehr als die geplante<br />

Zeit eingenommen. Die Gruppenarbeit, eine Geschichte mit einer Aufgabe dazu, ist<br />

aber trotzdem im Anhang hinterlegt (Anhang 2).<br />

Diskussion im Plenum<br />

Statt der Gruppenarbeit wird für die restliche verbliebene Zeit der Raum für<br />

Diskussion eröffnet mit folgenden Ausgangsfragen:<br />

o Sind noch Fragen zu dem Stufenmodell oder den Interventionsarten offen<br />

geblieben?<br />

o Was ist euch dabei durch den Kopf gegangen?<br />

o Was heißt das für die eigene Rolle?<br />

o Fällt euch dazu etwas aus der Praxis ein? Denn jeder hat ja Kontakt zum Feld.<br />

Diskussion in Stichworten:<br />

o Es wird festgestellt, dass die drei Ebenen, Mikro-, Meso- und Makro-Ebene, in<br />

dem Stufenmodell wieder zu finden sind.<br />

o Die Erfahrungen mit Konflikten bewegen sich nur in der ersten Hauptphase<br />

des Stufenmodells.<br />

o Das Thema Rechtsradikale und Möglichkeiten der Interventionen werden<br />

angesprochen und kurz andiskutiert.<br />

o Vom Thema Rechtsradikaler wird auf das allgemeinere Problem der<br />

Ausländerfeindlichkeit umgeschwenkt. Es wird angemerkt, dass jeder einen<br />

Ausländer-Stereotyp im Kopf hat und man oft positiv überrascht ist, wenn man<br />

einen Ausländer näher kennen lernt und dieser Stereotyp nicht bestätigt wird.<br />

o Wieder gefunden wird im Workshop-Thema auch das Thema Ablehnungs-<br />

bindungen: Im Konfliktmodell wird abwechselnd immer wieder versucht sich<br />

über die andere Partei zu erheben bzw. die Autorität über die andere Partei zu<br />

bekommen, unbewusst geleitet von Kindheitserfahrungen bzw. früheren<br />

Autoritätsbindungen.<br />

o Es wird zuletzt noch die Verbindung zum Projektthema hergestellt. Dabei wird<br />

am Beispiel von Luhmann und dem Systemvertrauen verdeutlicht, dass zum<br />

Beispiel das Schiedsverfahren oder der Machteingriff in einem Konfliktfall mit<br />

entsprechender Stufe gewählt werden muss, damit das Systemvertrauen<br />

wieder hergestellt wird. D.h. z.B., dass aus dem System eine Person<br />

herausgenommen wird, weil sie vielleicht zu autoritär ist, usw. („der berühmte<br />

Kopf, der rollen muss“), um das System zu schützen bzw. damit es nicht<br />

gemeinsam in den Abgrund geht.<br />

Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 28


Schlusswort<br />

Schlusswort und Feedback<br />

Zum Schluss lässt das Workshop-Team den Workshop noch einmal Review<br />

passieren. So wurde am Anfang der Konfliktbegriff definiert und das Menschenbild<br />

nach Glasl vorgestellt, was sozusagen die Grundlage für alles weitere war.<br />

Vorgestellt wurde daran anschließend, wie innere Faktoren des Menschen<br />

zusammenwirken, sich im äußeren Verhalten entladen bzw. zeigen und Effekte bei<br />

der Gegenpartei auslösen. Dies steigert sich kreislaufartig bis zur Eskalation des<br />

Konflikts. Dies sollte zum Verständnis des menschlichen Verhaltens beitragen, damit<br />

verstanden wird, warum der Mensch sich im Stufenmodell zum Schluss sogar selbst<br />

vernichtet. Des Weiteren wurde abwechselnd mit der Darstellung der Eskalations-<br />

stufen verschiedene dazupassende Interventionsarten vorgestellt.<br />

Feedbackregeln<br />

Zu einem abgeschlossenen Workshop und zu einer guten Projektkultur gehört auch<br />

ein konstruktives Feedback. An dieser Stelle wird noch einmal an die Feedback-<br />

regeln für Feedbackgeber und Feedbacknehmer erinnert.<br />

Grundregeln für Feedbackgeber<br />

• Offen sein, die eigenen Reaktionen zu beschreiben<br />

• Bedürfnisse und Gefühle des anderen berücksichtigen<br />

• Moralische Bewertungen vermeiden<br />

• Sich auf veränderbare Verhaltensweisen beziehen, nicht auf<br />

persönliche Unzulänglichkeiten<br />

• Möglichst konkret; an realen, erlebten Situationen<br />

• Rechtzeitig – möglichst bald<br />

• Überprüfung der eigenen Klarheit und Genauigkeit durch Dritte<br />

• Man kann sich auch irren!<br />

• Hierarchie nicht verschleiern und nicht ausnutzen<br />

Dokumentation des Workshops „<strong>Konfliktmanagement</strong>“ vom 08.01.2003 29


Grundregeln für Feedbacknehmer<br />

• Zuhören, ggf. nachfragen – Feedbackgeber sagt seine persönlichen<br />

Eindrücke<br />

• Sich nicht verteidigen<br />

• Am Ende den eigenen Erkenntnisgewinn deutlich machen<br />

Stichworte zum Feedback an das Workshop-Team<br />

o Der Workshop hatte einen runden Abschluss und war insgesamt eine runde<br />

Sache.<br />

o Die Übung Haus-Baum-Hund wurde als lustig empfunden.<br />

o Das Modell ist sehr ausführlich vorgestellt worden.<br />

o Das Zeitmanagement war nicht ganz optimal, aber dafür ist der Workshop ja<br />

eine gute Übung.<br />

o Das Gesagte hätte untereinander mehr verbunden sein können.<br />

o Das Publikum sollte bei Inhaltlichem noch mehr einbezogen werden.<br />

Literatur<br />

Glasl, F. (1994). <strong>Konfliktmanagement</strong>. Ein Handbuch für Führungskräfte und<br />

Berater. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben.<br />

http://<strong>www</strong>.friedenspädagogik.de/themen/plakat.htm<br />

http://<strong>www</strong>.friedenspädagogik.de/service/unter/konfli/eska_01.htm<br />

Moser, F. (2001). Konfliktbearbeitung. Unterlagen zum <strong>Konfliktmanagement</strong>.<br />

http://<strong>www</strong>.land.salzburg.at/schule/e3pi/scripten/<br />

___________________________________________________________________


___________________________________________________________________<br />

Anhang 1<br />

Anhang<br />

Das Plakat zu den neun Eskalationsstufen.<br />

"Streitkultur"<br />

2. Debatte:<br />

Polarisation im<br />

Denken, Fühlen und<br />

Wollen, Schwarz-<br />

Weiß-Denken,<br />

Sichtweise von<br />

Überlegenheit und<br />

Unterlegenheit.<br />

5. Gesichtsverlust:<br />

Öffentliche und direkte<br />

Angriffe, die auf den<br />

Gesichtsverlust des<br />

Gegners zielen.<br />

1. Verhärtung:<br />

Die Standpunkte verhärten sich und prallen aufeinander,<br />

aber es besteht noch die Überzeugung, dass die Spannungen<br />

durch Gespräche lösbar sind. Noch keine starren Parteien<br />

oder Lager.<br />

3. Taten:<br />

"Reden hilft nichts mehr". Strategie der vollendeten<br />

Tatsachen. Die Empathie geht verloren, Gefahr von<br />

Fehlinterpretationen.<br />

4. Images Koalitionen:<br />

Die Parteien manövrieren sich gegenseitig in negative Rollen<br />

und bekämpfen sich. Werbung um Anhänger.<br />

6. Drohstrategien:<br />

Drohung und Gegendrohung. Konfliktbeschleunigung durch<br />

Ultimatum.


7. Begrenzte<br />

Vernichtungsschläge:<br />

Der Gegner wird nicht<br />

mehr als Mensch<br />

gesehen. Begrenzte<br />

Vernichtungsschläge als<br />

"passende" Antwort.<br />

Umkehrung der Werte.<br />

Ein kleiner eigener<br />

Schaden wird bereits als<br />

Gewinn bewertet.<br />

8. Zersplitterung:<br />

Zerstörung und Auflösung des feindlichen Systems als Ziel.<br />

9. Gemeinsam in den Abgrund:<br />

Totale Konfrontation ohne einen Weg zurück. Die Vernichtung<br />

des Gegners zum Preis der Selbstvernichtung wird in Kauf<br />

genommen.<br />

Illustrationen:<br />

Burkhard Pfeifroth, Reutlingen<br />

Quelle: http://<strong>www</strong>.friedenspädagogik.de/themen/plakat.htm


Anhang 2<br />

Hier haben wir für euch nachträglich noch die Aufgabe der geplanten Gruppenarbeit,<br />

die nach der Vorstellung des Stufenmodells folgen sollte, aufgeführt. Es ist eine<br />

lustige Geschichte und die Aufgabe dazu steht unter der Geschichte.<br />

Nicht alles gefallen lassen... Gerhard ZWERENZ<br />

Wir wohnten im dritten Stock mitten in der Stadt und haben uns nie etwas zu Schulden<br />

kommen lassen, auch mit Dörfelts von gegenüber verband uns eine jahrelange Freund-<br />

schaft, bis die Frau sich kurz vor dem Fest unsere Bratpfanne auslieh und nicht zurück-<br />

brachte. Als meine Mutter dreimal vergeblich gemahnt hatte, riss ihr eines Tages die Geduld,<br />

und sie sagte auf der Treppe zu Frau Muschg, die im vierten Stock wohnt, Frau Dörfelt sei<br />

eine Schlampe. Irgendwer muss das den Dörfelts hinterbracht haben, denn am nächsten<br />

Tag überfielen Klaus und Achim unseren Jüngsten, den Hans, und prügelten ihn windel-<br />

weich. Ich stand grad im Hausflur, als Hans ankam und heulte. In diesem Moment trat Frau<br />

Dörfelt drüben aus der Haustür, ich lief über die Straße, packte ihre Einkaufstasche und<br />

stülpte sie ihr über den Kopf. Sie schrie aufgeregt um Hilfe, als sei sonst was los, dabei<br />

drückten sie nur die Glasscherben etwas auf den Kopf, weil sie ein paar Milchflaschen in der<br />

Tasche gehabt hatte. Vielleicht wäre die Sache noch gut ausgegangen, aber es war just um<br />

die Mittagszeit, und da kam Herr Dörfelt mit dem Wagen angefahren. Ich zog mich sofort<br />

zurück, doch Elli, meine Schwester, die mittags zum Essen heimkommt, fiel Herrn Dörfelt in<br />

die Hände. Er schlug ihr ins Gesicht und zerriss dabei ihren Rock. Das Geschrei lockte<br />

unsere Mutter ans Fenster und als sie sah, wie Herr Dörfelt mit Elli umging, warf unsere<br />

Mutter mit Blumentöpfen nach ihm. Von Stund an herrschte erbitterte Feindschaft zwischen<br />

den Familien. Weil wir nun Dörfelts nicht über den Weg trauen, installierte Herbert, mein<br />

ältester Bruder, der bei einem Optiker in die Lehre geht, ein Scherenfernrohr am Küchen-<br />

fenster. Da konnte unsre Mutter, waren wir anderen alle unterwegs, die Dörfelts beobachten.<br />

Augenscheinlich verfügten diese über ein ähnliches Instrument, denn eines Tages schossen<br />

sie von drüben mit einem Luftgewehr herüber. Ich erledigte das feindliche Fernrohr dafür mit<br />

einer Kleinkaliberbüchse, an diesem Abend ging unser Volkswagen unten im Hof in die Luft.<br />

Unser Vater, der als Oberkellner im hoch renommierten Café Imperial arbeitete, nicht<br />

schlecht verdiente und immer für den Ausgleich eintrat, meinte, wir sollten uns jetzt an die<br />

Polizei wenden. Aber unserer Mutter passte das nicht, denn Frau Dörfelt verbreitete in der<br />

ganzen Straße, wir, das heißt unsere gesamte Familie, seien derart schmutzig, daß wir<br />

mindestens zweimal jede Woche badeten und für das hohe Wassergeld, das die Mieter zu<br />

gleichen Teilen zahlen müssen, verantwortlich wären. Wir beschlossen also, den Kampf aus<br />

eigener Kraft in aller Härte aufzunehmen, auch konnten wir nicht mehr zurück, verfolgte doch<br />

die gesamte Nachbarschaft gebannt den Fortgang des Streites. Am nächsten Morgen schon<br />

wurde die Straße durch ein mörderisches Geschrei geweckt. Wir lachten uns halb tot. Herr<br />

Dörfelt, der früh als erster das Haus verließ, war in eine tiefe Grube gefallen, die sich vor der<br />

Haustür erstreckte. Er zappelte ganz schön in dem Stacheldraht, den wir gezogen hatten,<br />

nur mit dem linken Bein zappelte er nicht, da hielt er fein still, das hatte er sich gebrochen.<br />

Bei alledem konnte der Mann noch von Glück sagen - denn für den Fall, daß er die Grube<br />

bemerkt und umgangen hätte, war der Zünder einer Plastikbombe mit dem Anlasser seines<br />

Wagens verbunden. Damit ging kurze Zeit später Klunker-Paul, ein Untermieter von Dörfelts,<br />

hoch, der den Arzt holen wollte. Es ist bekannt, daß die Dörfelts leicht übel nehmen. So<br />

gegen zehn Uhr begannen sie unsre Hausfront mit einem Flakgeschütz zu bestreichen. Sie<br />

mussten sich erst einschießen, und die Einschläge befanden sich nicht alle in der Nähe<br />

unserer Fenster. Das konnte uns nur recht sein, denn jetzt fühlten sich auch die anderen<br />

Hausbewohner geärgert, und Herr Lehmann, der Hausbesitzer, begann um den Putz zu<br />

fürchten. Eine Weile sah er sich die Sache noch an, als aber zwei Granaten in seiner guten<br />

Stube krepierten, wurde er nervös und übergab uns den Schlüssel zum Boden. Wir robbten<br />

sofort hinauf und rissen die Tarnung von der Atomkanone. Es lief alles wie am Schnürchen,<br />

wir hatten den Einsatz oft genug geübt. Die werden sich jetzt ganz schön wundern,


triumphierte unsere Mutter und kniff als Richtkanonier das rechte Auge fachmännisch<br />

zusammen. Als wir das Rohr genau auf Dörfelts Küche eingestellt hatten, sah ich drüben<br />

gegenüber im Bodenfenster ein gleiches Rohr blinzeln, das hatte freilich keine Chance mehr,<br />

Elli, unsre Schwester, die den Verlust ihres Rockes nicht verschmerzen konnte, hatte zorn-<br />

roten Gesichts das Kommando „Feuer!“ erteilt. Mit einem unvergesslichen Fauchen verließ<br />

die Atomgranate das Rohr, zugleich fauchte es auch auf der Gegenseite. Die beiden<br />

Geschosse trafen sich genau in der Straßenmitte. Natürlich sind wir nun alle tot, die Straße<br />

ist hin, und wo unsere Stadt früher stand, breitet sich jetzt ein graubrauner Fleck aus. Aber<br />

eins muss man sagen, wir haben das Unsere getan, schließlich kann man sich nicht alles<br />

gefallen lassen. Die Nachbarn tanzen einem sonst auf der Nase herum.<br />

Aufgabe: Die sehr theoretisch erscheinenden Eskalationsstufen können anhand dieser<br />

literarischen Aufarbeitung viel anschaulicher werden. Arbeitet die drei Hauptphasen (Sache,<br />

Personen, Vernichtung) heraus.<br />

Lassen sich die Schwellen oder auch neun Eskalationsstufen in der Geschichte wieder<br />

finden?<br />

Quelle: Moser, 2001, S. 57.


Anhang 3<br />

Als kleines Bonbon haben wir für euch noch 10 Faustregeln, wie man sich im<br />

Konfliktfall in jedem Fall verhalten sollte.<br />

So „gewinnst“ du jeden Konflikt<br />

Zehn fatale Regeln<br />

1. Beharre unbedingt auf deinem Standpunkt, der andere wird schon nachgeben.<br />

2. Mache permanent und lautstark in der Öffentlichkeit bekannt, daß das Recht<br />

auf deiner Seite ist und der Gegner Unrecht begeht.<br />

3. Suche nur Lösungen, die deine Interessen maximal befriedigen, schließlich<br />

bist du ja im Recht.<br />

4. Stelle den Gegner vor vollendete Tatsachen, das nimmt ihm den Wind aus<br />

den Segeln.<br />

5. Suche dir Verbündete, die dir bedingungslos folgen, das schüchtert ein.<br />

6. Wenn der Gegner nicht einlenkt, so drohe ihm Gewalt an, das zeigt immer<br />

Wirkung.<br />

7. Akzeptiere auf keinen Fall Vermittlungsversuche Dritter, denn diese wollen nur<br />

deinen Gegner unterstützen.<br />

8. Ziehe Erkundigungen über das Privatleben deines Gegners ein und gib diese<br />

an die Presse weiter.<br />

9. Wenn dies nicht ausreicht, so lanciere Gerüchte, über geplatzte Schecks,<br />

drohende Zahlungsunfähigkeit oder sexuelle Eskapaden deines Gegners.<br />

10. Gemeinsam mit dem Gegner unterzugehen ist allemal besser, als<br />

Zugeständnisse zu machen, schließlich geht es ja um den Sieg der Wahrheit.<br />

Günther Gugel/ Uli Jäger, 1999<br />

Quelle: http://<strong>www</strong>.friedenspädagogik.de/service/unter/konfli/eska_01.htm

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