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Hysterie und Zwang - Klinik für Psychosomatik und ...

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<strong>Hysterie</strong> <strong>und</strong> <strong>Zwang</strong><br />

Dr. Karsten Hake<br />

<strong>Klinik</strong> <strong>für</strong> <strong>Psychosomatik</strong><br />

<strong>und</strong><br />

Psychotherapeutische Medizin<br />

Universität Rostock


<strong>Hysterie</strong><br />

Ist ein seelisches Leiden ohne krankhaften<br />

organischen Bef<strong>und</strong>, der sich entweder in<br />

seelisch bedingten Lähmungen, Ausfall<br />

der Sinnesorgane, Gefühlsstörungen oder<br />

einer relativ charakteristischen<br />

Persönlichkeitsstruktur äußert.


Hysterische Symptome<br />

Persönlichkeitstörung<br />

Psychische Funktionsstörungen<br />

Konversionsstörungen (körperliche Ebene)


Geschichte der <strong>Hysterie</strong><br />

Antike: „Die Gebärmutter ist ein Tier, das glühend nach<br />

Kindern verlangt. Bleibt dasselbe nach der Pubertät<br />

lange Zeit unfruchtbar, so erzürnt es sich, durchzieht den<br />

ganzen Körper, verstopft die Luftwege, hemmt die<br />

Atmung <strong>und</strong> bringt auf diese Weise den Körper in die<br />

größten Gefahren <strong>und</strong> erzeugt allerlei Krankheiten“<br />

(Platon 427-347 v. Chr., Timaios)<br />

Galen (129-ca 200 n Chr.) : <strong>Hysterie</strong> wird durch<br />

Sekretstau im Uterus hervorgerufen<br />

Mittelalter: Hysterische Symptome sind Ausdruck von<br />

Besessenheit


Im 18. <strong>und</strong> 19. Jhd. Wechsel von gynäkologisch<br />

definiertem zu neurologisch definierten<br />

Krankheitsmodell, psychologische Faktoren werden aber<br />

als Auslöser akzeptiert.<br />

Freud (1895): „Bei der <strong>Hysterie</strong> erfolgt die<br />

Unschädlichmachung der unverträglichen Vorstellung<br />

dadurch, daß deren Erregungssumme ins Körperliche<br />

umgesetzt wird, wo<strong>für</strong> ich den Namen Konversion<br />

vorschlagen möchte“<br />

Green (1982): <strong>Hysterie</strong> ist eine Abwehrformation gegen<br />

frühe Ängste wie Objektverlust <strong>und</strong> Depression.


Phänomenologie des hysterischen<br />

Charakters<br />

Theatralisches Verhalten mit Dramatisierungs-<br />

Demonstrationstendenzen<br />

Emotionale Labilität, emotionale Ausbrüche,<br />

Wechselnde oberflächliche Affekte<br />

Aktive Abhängigkeitstendenzen<br />

Übererregbarkeit<br />

Egozentrismus<br />

Verführerisches Verhalten<br />

Suggestibilität<br />

Nach Mentzos 1980


Hysterische oder histrionische<br />

Persönlichkeitsstörung<br />

Hyperemotionalität als spezifische Form<br />

der Abwehr<br />

Identitäts- <strong>und</strong> Bewußtseinsstörung in<br />

Form der Dissoziation<br />

Negatives Selbst<br />

Nach Hoffmann u. Eckert-Henn


Histrionische<br />

Persönlichkeitsstörung F60.4<br />

1. Dramatisierung bzgl. der eigenen Person, theatralisches<br />

Verhalten, übertriebener Ausdruck von Gefühlen<br />

2. Suggestibilität, leichte Beeinflußbarkeit durch andere<br />

3. Oberflächliche <strong>und</strong> labile Affektivität<br />

4. Egozentrik, Selbstbezogenheit <strong>und</strong> fehlende Bezugnahme auf<br />

andere<br />

5. Dauerndes Verlangen nach Anerkennung, erhöhte Kränkbarkeit<br />

6. Verlangen nach aufregender Spannung <strong>und</strong> nach Aktivitäten, in<br />

denen die betreffende Person im Mittelpunkt steht<br />

7. Andauerndes manipulatives Verhalten zur Befriedigung eigener<br />

Bedürfnisse


Psychische Funktionsstörungen bei<br />

<strong>Hysterie</strong><br />

Erinnerungsstörungen des Kurzzeitgedächnisses,<br />

Pseudoamnesien, Pseudodemenzen<br />

Dämmerzustände, Unwirklichkeitsempfindungen<br />

(Depersonalisation, Derealisation), Dissoziation in Form<br />

des Getrennthaltens psychischer Abläufe, Trance<br />

Hyperemotionalität bis zu Erregungszuständen<br />

(„Hysterischer Anfall“), Dramatisierungstendenz,<br />

ausgeprägtes Agieren, emotionale Labilität<br />

Sexuelle Empfindungsstörungen, Frigidität bis zur<br />

Anorgasmie, Hypersexualität, ausgeprägtes sexuelles<br />

Agieren


Dissoziative Störungen<br />

(Konversionsstörungen) F44<br />

Dissoziative Amnesie F44.0<br />

Dissoziative Fugue F44.1<br />

Dissoziativer Stupor F44.2<br />

Trance- <strong>und</strong> Bessenheitszustände F44.3<br />

Dissoziative Bewegungstörungen F44.4<br />

Dissoziative Krampfanfälle F44.5<br />

Dissoziative Sensibilitäts- <strong>und</strong><br />

Empfindungsstörungen F44.6


Verbindendes Merkmal aller Konversionssymptome<br />

ist der symbolische Gehalt (z.B.<br />

Faustballen bei Wut).<br />

Symptome können sich wandeln, um<br />

unbewußte Straf- <strong>und</strong> Triebentlastungsfunktion<br />

zu behalten.<br />

Konversionssymptome wandeln sich im<br />

Zeitgeist (früher eher grobes Ausdrucksverhalten z.B.<br />

Arc de cercle, heute eher subtile Beschwerden z.B.<br />

CFS)


Psychodynamik<br />

Unbewußtes Bemühen, die Selbstrepräsentanz zu<br />

manipulieren, sich selbst anders zu erleben <strong>und</strong> auch<br />

anderen gegenüber anders zu erscheinen.<br />

Das eigene Über-Ich ist der allgegenwärtige Zuschauer in<br />

der Königsloge<br />

Inszenierungen dienen der Abwehr des Eigentlichen<br />

(„Gegenemotion“)<br />

Sexualisierung ist Abwehrbewegung gegen bedrohliche<br />

Abhängigkeitsbeziehung<br />

Gr<strong>und</strong>motive sind Verlust, Trennung, Sorge angenommen<br />

zu werden, Verlassenheitsgefühle<br />

Neigung zu Identifizierung, um das Objekt an sich zu<br />

binden


Typische Konflikte bei <strong>Hysterie</strong><br />

Ödipaler Konflikt, triadische<br />

Konstellationen werden unbewußt<br />

hergestellt<br />

Oraler Abhängigkeitskonflikt<br />

Narzißtischer Selbstwertkonflikt,<br />

Manipulation der Selbstrepräsentanzen<br />

<strong>und</strong> Objekte dienen der Stabilisierung des<br />

labilen Selbstbildes


Psychotherapie der <strong>Hysterie</strong><br />

Analytisch orientierte, aufdeckende<br />

Verfahren<br />

Deutung von szenischem Verhalten <strong>und</strong><br />

der darin verborgenen Emotionen<br />

Wichtig, immer wieder Gegenübertragung<br />

beobachten


<strong>Zwang</strong>sstörungen


<strong>Zwang</strong>sstörung F42<br />

Wiederkehrende Gedanken <strong>und</strong><br />

Handlungen, die als unsinnig <strong>und</strong> quälend<br />

erlebt werden <strong>und</strong> gegen die (erfolglos)<br />

Widerstand geleistet wird (Ich-dyston)<br />

Sind als eigene Gedanken oder Impulse<br />

<strong>für</strong> den Patienten erkennbar<br />

Gedanke oder Handlungsausführungen<br />

sind nicht angenehm


<strong>Zwang</strong>sgedanken F42.0<br />

<strong>Zwang</strong>hafte Ideen<br />

Bildhafte Vorstellungen<br />

<strong>Zwang</strong>simpulse<br />

Quälend oder sinnlos<br />

Häufig verb<strong>und</strong>en mit der Unfähigkeit<br />

alltägliches zu tun oder zu entscheiden<br />

Enge Beziehung zw. Grübelzwang <strong>und</strong><br />

Depression


Themen von <strong>Zwang</strong>sgedanken<br />

(nach Akhtar et al., 1975)<br />

Schmutz oder Verseuchung (Menschliche o.a.<br />

Exkremente, Schmutz, Staub, Samen, Menstruationsblut, Keime,<br />

Infektionen)<br />

Gewalt <strong>und</strong> Aggression (Körperlicher oder verbaler<br />

Angriff auf sich selbst oder andere Personen; Unfälle,<br />

Missgeschick, Krieg, Katastrophen, Tod)<br />

Ordnung (Ordentlichkeit, Symmetriebestrebungen in der<br />

Ausrichtung von Gegenständen usw.)<br />

Religion (Existenz Gottes, religiöse Praktiken <strong>und</strong> Rituale,<br />

Glaubenssätze, moralische Einstellungen)<br />

Sexualität (Sexuelle Handlungen an sich oder anderen,<br />

inzestuöse Impulse, sexuelle Leistungsfähigkeit)


<strong>Zwang</strong>shandlungen F42.1<br />

Stereotype Handlungen, die zwanghaft<br />

ausgeführt werden<br />

Unterlassen oder Abrechen der Handlung<br />

führt zu massiver Angst, Unruhe oder<br />

Aggression<br />

Handlungen sind (bis auf kurze<br />

Spannungsreaktion) nicht angenehm<br />

Oft ritualhafter Ausbau der Handlung


Differentialdiagnose<br />

Depression<br />

Schizophrenie<br />

Gilles de la Tourette- Syndrom<br />

Organische psychische Störungen<br />

Komorbidität<br />

Depression


Häufige <strong>Zwang</strong>shandlungen<br />

Reinlichkeitszwang<br />

Kontrollzwang<br />

Ordnungszwang<br />

Berührzwang<br />

Zählzwang<br />

verbale Zwänge


Zu mehr als 90% treten <strong>Zwang</strong>sgedanken<br />

<strong>und</strong> –Handlungen gemeinsam auf<br />

Frauen <strong>und</strong> Männer gleich häufig betroffen<br />

Prävalenz 2-3%<br />

Prognose: unbehandelt sehr schlecht,<br />

10% Chronifizierung,<br />

30-50% Teilremission


Differentialdiagnose<br />

Normale Phänomene<br />

Depression<br />

Schizophrenie<br />

Gilles de la Tourette- Syndrom<br />

Hirnorganische Erkrankungen<br />

Komorbidität<br />

Depression


Erklärungsmodelle<br />

Genetische <strong>und</strong> Neurobiologische<br />

Faktoren<br />

Verhaltenstheorie:<br />

- Lernen am Modell<br />

- Verstärkung der Zwänge durch<br />

Reduktion von Angst<br />

Kognitive Theorie:<br />

<strong>Zwang</strong>skranke überschätzen die<br />

Wahrscheinlichkeit <strong>für</strong> das Auftreten<br />

negativer Ereignisse


Erklärungsmodelle II<br />

Psychoanalytisch: Regression auf analsadistische<br />

Phase, Ansprüche des Über-Ichs<br />

werden durch Reaktionsbildung erfüllt.<br />

Einspruch des Gewissens<br />

Bewußter<br />

<strong>Zwang</strong>simpuls<br />

Unbewußter <strong>Zwang</strong>simpuls<br />

Bewußte<br />

<strong>Zwang</strong>sbe<strong>für</strong>chtung<br />

<strong>Zwang</strong>sgedanken <strong>Zwang</strong>shandlungen<br />

Ängste


Therapie<br />

Tiefenpsychologische Verfahren zeigen<br />

wenig Wirksamkeit<br />

Medikamentöse Therapie mit SSRI oder<br />

Clomipramin<br />

Therapie der Wahl: Verhaltenstherapie,<br />

Exposition-Reaktionsverhinderung

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