ERHARD LUCAS-BUSEMANN Die Ermordung Rosa Luxemburgs ...
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40 <strong>ERHARD</strong> <strong>LUCAS</strong>-<strong>BUSEMANN</strong><br />
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und weinten", Israels Auszug aus Ägypten, die Wiederkunft<br />
Christi, das Jüngste Gericht; auf ein weiteres Bibelzitat<br />
komme ich gleich noch etwas genauer zu sprechen.<br />
Auch dieses Gedicht gehörte zum geistigen Besitz der sozialistischen<br />
Arbeiterbewegung. Zitiert wurde gern aus der<br />
Strophe 10 die vorletzte Zeile, wobei man meist die beiden<br />
Teile umstellte: "Es ist kein Rühmen, ist kein Drohn, 's ist der<br />
Geschichte ehrnes Muß!" Das paßte zur Geschichtsmetaphysik<br />
der sozialistischen bzw. marxistischen Arbeiterbewegung:<br />
wir werden siegen, denn wir sind die Vollstrecker<br />
der Gesetzmäßigkeiten der Geschichte! <strong>Rosa</strong> Luxemburg<br />
zitiert eine andere Stelle, nämlich den Schluß von Strophe 6:<br />
"Sie (die Revolution) spricht mit dreistem Prophezein, so gut<br />
wie weiland euer Gott: Ich war, ich bin - ich werde sein!"<br />
Zitat zweiter besonders berühmter Stellen der Bibel, die eine<br />
aus dem Alten, die andere aus dem Neuen Testament: die<br />
Selbstbezeichnung Jahwes gegenüber Moses und die<br />
Selbstbezeichnung Gottes gegenüber dem Seher Johannes in<br />
der Apokalypse. Da ich davon ausgehe, daß die meisten von<br />
Ihnen die Bibel nicht so gut kennen wie Ferdinand Freiligrath<br />
und <strong>Rosa</strong> Luxemburg, habe ich die beiden Texte unter das<br />
Gedicht gesetzt.<br />
Nun zitiert <strong>Rosa</strong> Luxemburg nicht direkt aus der Bibel wie<br />
Freiligrath, sondern indirekt auf dem Weg über das Gedicht<br />
von Freiligrath, und zwar aus dem Kopf, wie wir immer im<br />
Auge haben müssen. Dabei läßt sie etwas weg und fügt etwas<br />
anderes hinzu. Sie läßt weg die Worte bei Freiligrath "so gut<br />
wie weiland euer Gott" (Strophe 6, letzte Zeile). Sie tilgt also<br />
die Spur, die bei Freiligrath zum Gott der Bibel hinführt. Es<br />
könnte sein, daß ihr dies für die "Rote Fahne" und für die<br />
Berliner Arbeiterschaft unzumutbar erschien. Sicher scheint<br />
mir, daß <strong>Rosa</strong> Luxemburg, als Jüdin und als belesene Frau,<br />
sich im klaren darüber war, daß sie hier den Gott der Bibel<br />
zitierte. Was sie gegenüber dem Text von Freiligrath<br />
hinzugefügt hat, sind die beiden Worte "mit Posaunenklang".