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in dieser Form existierenden Phraseologismus bei Tafel, den es nur noch in der<br />

„schlichteren" Variante bei Tisch gibt.]<br />

Auch der Numerus kann verfestigt sein:<br />

Allein es ist schwer, in lustiger Stimmung, und wenn man dem Witze den<br />

Zügel schießen läßt, nicht in einen satirischen Ton zu fallen. (Kniggc, 122)<br />

[heute nur noch: die Zügel...]<br />

Die Verfestigung von Negationsclemenlen ist ein charaktcrischcr Zug der<br />

Phra-seologisierung:<br />

Man muß das Herz, haben, Wahrheit zu sagen und Wahrheit anzuhören, auch<br />

dann, wenn diese Wahrheit hart ist (...) (Knigge, 217).<br />

Heute ist der Ausdruck nur noch mit Negation geläufig: nicht das Herz haben,<br />

ein: zu tun (Duden 11; die Markierung „gehoben" deutet daraufhin, daß er im<br />

Veralten begriffen ist).<br />

10.8 Phraseologismcn mit gleicher (oder fast gleicher) Form, aber anderer<br />

Bedeutung<br />

Selten kann man den genauen geschichtlichen Moment bezeichnen, in dem ein<br />

semantischer Wandel initiiert wird. Einen solchen Fall finden wir in den<br />

„Wahlverwandtschaften" mit dem Ausdruck der rote Faden (der heute die Bedeutung<br />

'der leitende Gedanke, die Grundlinie, das Grundmotiv' hat):<br />

Goethe kommentiert seine Verwendung von roter Faden als „Gleichnis" und<br />

weist selbst auf die geschichtlichen Hintergründe hin:<br />

Wir nehmen daher Gelegenheit von demjenigen, was Ollilic sich daraus in<br />

ihren Heften angemerkt, einiges mitzuteilen, wozu wir keinen schicklichem<br />

Übergang finden als durch ein Gleichnis, das sich uns beim Betrachten ihrer<br />

liebenswürdigen Blätter aufdringt. Wir hören von einer besonderen Einrichtung bei<br />

der englischen Marine. Sämtliche Tauwerke der königlichen Flotte, vom stärksten bis<br />

zum schwächsten, sind dergestalt gesponnen, daß cm roter Faden durch das Ganze<br />

durchgeht, den man nicht herauswinden kann ohne alles aufzulösen, und woran auch<br />

die kleinsten Stucke kenntlich sind, daß sie der Krone gehören. Eben so zieht sich<br />

durch Ottiliens Tagebuch ein Faden der Neigung und Anhänglichkeit, der alles<br />

verbindet und das Ganze bezeichnet. (Goethe, Wahlverwandtschaften. 134)<br />

Wenn in dieser Textstelle der rote Faden zunächst nur in wörtlicher Bedeutung<br />

erscheint und in übertragener Bedeutung nur von der Faden der Neigung die Rede ist,<br />

so wird an späterer Stelle der rote Faden explizit in bezug auf das Tagebuch<br />

verwendet:<br />

Manches eigene von innigerem Bezug wird an dem roten Faden wohl zu<br />

erkennen sein. (Goethe, Wahlverwandtschaften, 150)<br />

Es ist natürlich nicht auszuschließen, daß auch andere Sprecher und Schreiber<br />

vor Goethe oder gleichzeitig mit ihm den roten Faden im übertragenen Sinn<br />

verwendet haben mögen, doch ist zweifellos der Text von Goethe der Grund dafür,<br />

daß der Ausdruck gebräuchlich und damit zum l'hniscologismus wurde. (Sowohl in<br />

Röhrich als in Duden 11 wird Goethe als Urheljei des Phraseologis-mus bezeichnet.)<br />

Man könnte den Ausdruck in bezug auf das „YVerk Goethes somit als<br />

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