Anti-Political-Correctness

Anti-Political-Correctness Anti-Political-Correctness

07.10.2013 Aufrufe

antimodernen, kollektividentisch orientierten Übriggebliebenen ist. Gestärkt durch das Allgemeinwerden „allgemeiner“ Marktgesetze wird behauptet, daß die Bedingungen der Selbstartikulation von Frauen und anderer gesellschaftlich marginalisierter Gruppen nunmehr „gleich“ sei, d.h. daß sie den gleichen „Wettberwerbsbedingungen“ unterworfen werden können. Ein „Zuviel“ an Gleichheit könnte die „Freiheit“ bedrohen. Eine Frauen-Quote? Wozu? Wenn Frauen doch die gleichen Ausbildungsmöglicheiten erhalten, wenn sie jetzt wählen können, was sie aus sich machen wollen, wenn sie doch nicht mehr mit Verordnungen vom Markt der Möglichkeiten abgehalten werden? Es ist der alte bürgerliche Voluntarismus, der im Gewand der behaupteten Gleichheit die Freiheit höher als alles zu schätzen weiß. Wen kümmern die Fakten der niedrigen Ebenen, die die Realität der Gleichheit nicht hergeben können? Zustimmung zum Bestehenden wird über die Moral eingeholt; so ist es nicht verwunderlich, daß nicht der Ausschluß von Frauen aus Machtpositionen oder der hohe Anteil von Frauenerwerbslosigkeit Wellen in den Medien schlagen, sondern der Gesetzentwurf gegen die „sexuelle Belästigung“ am Arbeitsplatz. Politisch korrektes Verhalten gegenüber Frauen sei, sie nicht am Arbeitsplatz sexuell zu belästigen. Mit freiem Willen ausgestattet erlaubt sich die hegemoniale Männlichkeit die fürsorgliche Geste, das Weib vor sich zu schützen. In der öffentlichen Diskussion sind Kommentare wie der folgende erstens häufig zu finden und zweitens in anderer Weise fürsorglich, weniger selbst-bezogen: es gilt Frauen vor den Dogmen von Feministinnen zu schützen: „Daß es Frauenfeindlichkeit gibt und daß es sie besser nicht gäbe, steht außer 16

Zweifel. Doch läßt sie sich verbieten? Wo beginnt sie? Darf eine hochsensible Minderheit der weiblichen Mehrheit ihre Geschmacksgrenzen, ihre Sexualmoral aufzwingen - um dann mit ihr im Schlepptau das Zeitalter der Tugend auszurufen?“ 17 Die gesellschaftliche Unterwerfung von Frauen wird zugunsten einer subjektiv empfindbaren Feindschaft, also eines persönlichen Verhältnisses, unsichtbar gemacht; das Zitat legt nahe, daß die eigentliche Macht von Feministinnen ausgehe; die „vierte Gewalt“ sieht sich herausgefordert, sie zu kontrollieren. Im östlichen Teil dieses Landes wird pc überwiegend als „politischer Opportunismus“ als „vorauseilender Gehorsam“ verstanden. 18 Nur weil die Kulturen nicht miteinander verkehren bleibt unauffällig, daß der westliche Anti-pc das Aufbegehren verachtet, wie der östliche die Unterwerfung. Es ist wahr: der Anti-pc richtet sich - zwar nicht gegen Frauen - aber gegen Feminismus und Feminstinnen. Und was theoretisch so ernstgenommen wird: die Macht von Sprache bei der Wirklichkeitsgestaltung, erfährt politisch eine Verfolgung, sobald auf dem Terrain Frauen auftreten, die an die angestrebte Gleichheit erinnern. Der Soziologe W. Engler schreibt: „Die Ostfrauen durften lernen, sich endlich wie richtige Frauen zu verhalten, und das hieß zunächst einmal, ordentliches Deutsch 17 Finger weg ... Mund halten! in: Fokus19, 1994, S. 175 18 vgl. z.B. Hanna Behrend, Gewendete Praktiken, in: Das Argument, 213, (1996), 1, S. 39-50 und Christoph Hein, Ich hielte gern Fride und Ruhe aber der Narr will nicht. Über Politik und Intellektuelle, in: Freitag 8.März 1996, S. 9-10 17

Zweifel. Doch läßt sie sich verbieten? Wo beginnt sie? Darf<br />

eine hochsensible Minderheit der weiblichen Mehrheit ihre Geschmacksgrenzen,<br />

ihre Sexualmoral aufzwingen - um dann mit<br />

ihr im Schlepptau das Zeitalter der Tugend auszurufen?“ 17 Die<br />

gesellschaftliche Unterwerfung von Frauen wird zugunsten einer<br />

subjektiv empfindbaren Feindschaft, also eines persönlichen<br />

Verhältnisses, unsichtbar gemacht; das Zitat legt nahe,<br />

daß die eigentliche Macht von Feministinnen ausgehe; die<br />

„vierte Gewalt“ sieht sich herausgefordert, sie zu kontrollieren.<br />

Im östlichen Teil dieses Landes wird pc überwiegend als „politischer<br />

Opportunismus“ als „vorauseilender Gehorsam“<br />

verstanden. 18 Nur weil die Kulturen nicht miteinander verkehren<br />

bleibt unauffällig, daß der westliche <strong>Anti</strong>-pc das Aufbegehren<br />

verachtet, wie der östliche die Unterwerfung.<br />

Es ist wahr: der <strong>Anti</strong>-pc richtet sich - zwar nicht gegen Frauen -<br />

aber gegen Feminismus und Feminstinnen. Und was theoretisch<br />

so ernstgenommen wird: die Macht von Sprache bei der<br />

Wirklichkeitsgestaltung, erfährt politisch eine Verfolgung, sobald<br />

auf dem Terrain Frauen auftreten, die an die angestrebte<br />

Gleichheit erinnern. Der Soziologe W. Engler schreibt: „Die Ostfrauen<br />

durften lernen, sich endlich wie richtige Frauen zu<br />

verhalten, und das hieß zunächst einmal, ordentliches Deutsch<br />

17 Finger weg ... Mund halten! in: Fokus19, 1994, S. 175<br />

18 vgl. z.B. Hanna Behrend, Gewendete Praktiken, in: Das Argument,<br />

213, (1996), 1, S. 39-50 und Christoph Hein, Ich hielte gern Fride<br />

und Ruhe aber der Narr will nicht. Über Politik und Intellektuelle, in:<br />

Freitag 8.März 1996, S. 9-10<br />

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