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Naturrecht, Geschichte und Vernunft (I) - Tuomi

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<strong>Vernunft</strong> <strong>und</strong> Gewissen 44 <strong>und</strong> damit mit Pflichten <strong>und</strong> Rechten, die unverlierbar <strong>und</strong><br />

unverzichtbar sind. 45 J. Messner hat die <strong>Naturrecht</strong>sauffassung im Hinblick auf die<br />

Pflichten (denen natürlich auf der anderen Seite Rechte 46 entsprechen) in markanter<br />

Weise in die Form des sozialethischen Kernsatzes gebracht: „Daß jeder Mensch so<br />

gegenüber allen <strong>und</strong> alle ihm gegenüber verpflichtet sind, macht die Menschenwürde<br />

aller aus.“ 47 Sah Kant die Voraussetzung des Gewissens in der sich von der traditionellen<br />

Metaphysik trennenden Autonomie der <strong>Vernunft</strong> begründet, ist aus Sicht der<br />

Metaphysik <strong>und</strong> ihres personalen Menschenbildes der Teilhabegedanke Gr<strong>und</strong> des<br />

dem Gewissen des Menschen zukommenden normativen Sonderrangs.<br />

3. Das Gewissen als Teilhabe am Ewigen Gesetz <strong>und</strong> seine freiheitlich-soziale Relevanz:<br />

<strong>Naturrecht</strong>sgr<strong>und</strong>satz der katholischen Soziallehre<br />

Das Gewissen ist gemäß der durch Augustinus <strong>und</strong> Thomas von Aquin systematisierten<br />

Lehre Teilhabe am Ewigen Gesetz: ein in der <strong>Geschichte</strong> des Rechtsdenkens von<br />

augustinischer <strong>und</strong> thomasischer <strong>Naturrecht</strong>sbegründung bis in die moderne <strong>und</strong> die<br />

zeitgenössische <strong>Naturrecht</strong>sphilosophie immer wieder systematisierter klassischer<br />

<strong>Naturrecht</strong>sgedanke. 48 Aufgabe des Menschen ist die Erfüllung einer gesamthaften<br />

Sinnordnung, somit die Einordnung seiner einzelnen Handlungen in einen allgemeinen<br />

Sinn. Der religiöse Mensch anerkennt diesen Sinn in der göttlichen Schöpfungsordnung<br />

<strong>und</strong> im Auftrag Gottes an den Menschen, entsprechend seiner Natur die<br />

Gesellschaft zu gestalten. Die Instanz dieser Verantwortung ist das Gewissen, womit,<br />

wie A. F. Utz dies systematisierte, die Natur des Menschen die Normgr<strong>und</strong>lage einer<br />

überindividuellen, gesellschaftlichen Ordnung ist – eine Gr<strong>und</strong>lage, deren Normativität<br />

vorstaatlichen Charakters ist. 49<br />

Die Lehre vom Gewissen als Teilhabe am Ewigen Gesetz erweist sich als alles andere<br />

denn nur Theorie, sie hat sozialethische Konsequenzen, wie sie Christoph Schefold<br />

in einer gr<strong>und</strong>legenden rechtsphilosophisch-philosophiegeschichtlichen Arbeit über<br />

„Souveränität als <strong>Naturrecht</strong>sproblem“ herausgearbeitet hat 50 : diese Konsequenzen –<br />

da begründet in einer vorstaatlichen Normativität – sind von freiheitlich-sozialer<br />

Relevanz. Dies ist ein von allen in der Tradition der katholischen Soziallehre 51 <strong>und</strong><br />

des Katholizismus 52 argumentierenden (s. insbesondere O. von Nell-Breuning 53 , G.<br />

G<strong>und</strong>lach 54 , J. Messner 55 , J. Höffner 56 ) wie überhaupt metaphysisch-ontologisch<br />

orientierten zeitgenössischen „<strong>Naturrecht</strong>sschulen“ – seien es eher deduktiv (A. F.<br />

Utz) oder eher induktiv orientierte <strong>Naturrecht</strong>sansätze (J. Messner) – herausgearbeiteter<br />

Sachverhalt. Mit Recht sieht A. Rauscher 57 diese im transzendent begründeten<br />

personalen Menschenbild zum Ausdruck kommende freiheitlich-soziale Ordnungsrelevanz<br />

als einen der Angelpunkte der katholischen Soziallehre.<br />

4. <strong>Naturrecht</strong>lich verstandene Freiheit des Gewissens<br />

Es sei im folgenden eine zentrale Passage der Arbeit von Schefold zitiert. Sie ist nicht<br />

nur eine klar formulierte Erklärung, warum das metaphysisch begründete <strong>Naturrecht</strong><br />

der Menschenwürde <strong>und</strong> der Freiheit entspricht <strong>und</strong> wie aus dieser Sicht Freiheit zu<br />

definieren ist, sondern kann zugleich (wenigstens implizit) auch als eine in wenigen<br />

Sätzen resümeehaft ausgesprochene Widerlegung sowohl der hegelianischen geschichtsimmanent<br />

bzw. der Habermas’schen diskursethisch begründeten Universal-<br />

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