Naturrecht, Geschichte und Vernunft (I) - Tuomi
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Die im Sinne naturrechtlicher Normenlogik gefaßte Gemeinwohlnorm umfaßt den<br />
Menschen in seiner individuellen <strong>und</strong> sozialen Natur <strong>und</strong> ist als solche Gr<strong>und</strong> der<br />
Normativität <strong>und</strong> Integrationsleistung einer ihr adäquaten Gesellschaftsordnung. Das<br />
in dieser Metaphysik des Sozialen supponierte Menschenbild ist das des Menschen<br />
als personalen Wesens, d.h. – im Gegensatz zu jeder Vorstellung einer hegelianischgeschichtsdialektisch<br />
„geschuldeten“ Verantwortung – des in persönlich verantworteter<br />
Freiheit handelnden Menschen, der keiner geschichtsdialektischen Normativität<br />
unterliegt, der vielmehr die abstrakt vorgegebenen (auch dem Staat <strong>und</strong> der Gesellschaft<br />
vorgegebenen <strong>und</strong> daher der staatlichen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Verfügung<br />
entzogenen) Wesensnormen der menschlichen Natur zu konkretisieren hat 37 .<br />
Wie sieht diese Zuordnung von „Allgemeinem“ <strong>und</strong> „Konkretem“ aus? Sie ist nicht<br />
zu verwechseln mit der nur scheinbar ähnlichen Auffassung der dialektischen Geschichtsphilosophie,<br />
wie dies in der <strong>Naturrecht</strong>skritik des Kritischen Rationalismus<br />
aufgr<strong>und</strong> einer fälschlichen Gleichsetzung von dialektischer <strong>und</strong> naturrechtlicher<br />
Philosophie als „Essentialismus“ bzw. „Historizismus“ geschieht. Wie A. F. Utz in<br />
seinen Schriften herausgearbeitet hat, ist – im Gegensatz zur geschichtsdialektischen<br />
Auffassung der Natur des Menschen als der in der <strong>Geschichte</strong> sich nach einem dialektischen<br />
Prozeß entwickelnden Menschheit (Hegel, Marx) – in der Sicht des <strong>Naturrecht</strong>s<br />
die Natur „jenes Allgemeine in den konkreten Menschen, das diese in der<br />
<strong>Geschichte</strong> mit der ihnen verliehenen (<strong>und</strong> darum geb<strong>und</strong>enen) Freiheit konkretisieren<br />
sollen. Die Aufgabe, die Gesellschaft in Selbstverantwortung zu gestalten, ist<br />
darum nicht deutbar aus der Einsicht in den universalhistorischen Entwicklungsprozeß<br />
der Freiheit als solcher, sondern ist vielmehr begründet in der universalen Natur<br />
des Menschen als einer abstrakten, durch personale Freiheit zu konkretisierenden<br />
Norm.“ 38<br />
2. <strong>Vernunft</strong>, Gewissen <strong>und</strong> personale Würde des Menschen<br />
Aus der Sicht des metaphysisch-ontologischen <strong>Naturrecht</strong>s sind die Menschenrechte<br />
<strong>und</strong> die Handlungsprinzipien ohne die Vorstellung eines ewigen Schöpfers nicht<br />
erklärbar. 39 Utz entfaltet in dieser Frage die in seinen verschiedenen Veröffentlichungen<br />
dargestellte <strong>Naturrecht</strong>sdoktrin des Thomas von Aquin.<br />
Freiheit ist aus der Sicht des Metaphysikers nicht voraussetzungsfrei – ein nicht<br />
zuletzt auch von Papst Benedikt XVI. in seinen theologischen Schriften immer wieder<br />
herausgearbeiteter Sachverhalt. 40 Die von Gott geschaffene Freiheit <strong>und</strong> aufgetragene<br />
geschichtliche Aufgabe des Menschen weist auf dessen personale Würde, die ihm<br />
durch die Gottebenbildlichkeit verliehen wurde. Thomas von Aquin erörtert ausführlich<br />
in der Summa theologica die Gottebenbildlichkeit des Menschen. 41 Er betont,<br />
daß diese den Intellekt, den freien Willen <strong>und</strong> (in der Sprache von J. Messner) die<br />
Kreativität des Menschen in seinem Werk bedeutet. Thomas von Aquin spricht jedoch<br />
an anderer Stelle der Summa theologica in geradezu moderner Weise auch vom<br />
Begriff der in Freiheit <strong>und</strong> Selbstzwecklichkeit gründenden Menschenwürde. 42 Von<br />
Freiheit <strong>und</strong> Selbstzwecklichkeit spricht auch die moderne Philosophie in ihren unterschiedlichen,<br />
sei es transzendent, sei es nicht-transzendent verankerten Ausprägungen.<br />
Thomas kommt in der „Summe gegen die Heiden“ darauf zu sprechen, daß<br />
gegenüber denen, die an keinen Gott glauben, nur das <strong>Vernunft</strong>argument bleibe, dem<br />
sie sich beugen müssen. 43 Jeder Mensch ist ausgezeichnet durch die Begabung mit<br />
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