000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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DRITTER TEIL Der Königsweg der christlichen Mission 1 HINWEISE AUF DEN KÖNIGSWEG AUS DER GESAMTEN CHRISTLICHEN MISSION Um den früh-christlichen Rahmen zu zeigen, in den die besondere Art und Weise einzuordnen ist, auf die der Apostel Thomas sein Unternehmen, Indien zu missionieren, in Angriff nahm, sollen hier in größerer Ausführlichkeit die anderen Missionsarbeiten der frühen Kirche besprochen werden, die gleichfalls den Weg über die politisch führenden Kräfte des jeweiligen Landes – bzw. der damaligen Ökumene, d.i. Roms – einschlugen. Dies schien ihnen allen offensichtlich der wirksamste Weg – und an dieser Einschätzung dürfte sich in der Zwischenzeit kaum etwas geändert haben –, das Wort Gottes zu verbreiten. Der Königsweg erweist sich ganz klar vor allem dann von grundlegender Bedeutung, wenn ernsthaft versucht werden soll, der Kirche in einem gegebenen Land ein eigentliches Heimatrecht zu verschaffen 351 . Thomas war dieser Königsweg aus der von ihm selbst veranlaßten Aussendung des Herrenjüngers Thaddäus an den Hof von Edessa schon geläufig – wir haben davon gesprochen –, aber auch aus dem, was ihm über die Aktivitäten des Kaisers Tiberius in Jerusalem bekannt geworden war 352 . Was sich wenige Jahre später zwischen Paulus und Seneca 353 abspielen würde und für die Einbürgerung des Christentums in Rom und im ganzen römischen Reich von eminenter Bedeutung war – »Die christl. Apokryphen des 2. Jh. setzen einen oftmaligen Briefwechsel zw. Paulus u. S. voraus« 354 – war Thomas bei der Planung seines indischen Missionsvorhabens noch nicht bekannt. Er dürfte vorher abgereist sein. Doch ist auch dieser Vorgang um Seneca und Paulus nur ein weiterer Beleg dafür, daß der ›Königsweg‹ der war, den offenbar alle Apostel suchten. Auch Xaverius wird ihn gehen: Er betrat 1459 den Boden Japans als Gesandter des portugiesischen Königs. Xaverius’ Ordensbruder Matteo Ricci konnte sich 1601 in Peking als Hofastronom empfehlen. 351) Speziell auf Thomas’ eigenes Missionsfeld, Indien, werden wir darauf in dem abschließenden Kapitel ›India Christiana‹ eingehen. 352) Zu letzterem s. unten auf den Seiten 144–148. 353) Seneca, von Geburt Spanier, lebte von 4 v. Chr. bis 65 n. Chr. 354) s. LThK Bd 9, 1964 s.v. ›Seneca‹ Sp 664f. (E. Elorduy). Den Text s. hier unten auf den Seiten 192–204. 67

Der ›Königsweg‹ war es auch, den die Jesuiten in Indien selbst 1578 – 1583 unter Akbar am Hof zu Agra einzuschlagen versuchten 355 . Nach dem Scheitern dieses ersten Versuchs gingen sie auf das Anraten eines griechischen Subdiakons Leo Grimon, der sich an Akbars Hof aufhielt, wieder aus, den Großmoghul zu bekehren, diesmal an seinen Hof in Lahore 356 . Nach dem Scheitern auch dieses Unternehmens zogen sie schließlich ein drittes Mal aus, wieder nach Lahore, und zwar von 1595 bis zu Akbars Tod im Jahre 1606 357 . Daß offenbar auch Petrus in Rom diesen Weg gegangen war, und zwar mit Erfolg, soll hier jetzt auch in größerer Ausführlichkeit zur Sprache kommen. Denn er und Paulus kamen offensichtlich nicht im Zusammenhang mit der Verfolgung ums Leben, die Nero um die Brandkatastrophe der Stadt herum inszenierte 358 . Wie Reicke betont, weisen Kreuzigung und Enthauptung auf einen anderen Hintergrund hin 359 . Die tatsächliche Ausstaffierung des Todes des Apostels Petrus, nämlich seine in größter Öffentlichkeit erfolgreich ausgetragene Auseinandersetzung mit dem am kaiserlichen Hof dem Anschein nach zu größtem Ansehen gelangten samaritaner Häresiarchen Simon Magus, ist uns offenbar in großem Detail in den Petrusakten wie auch in Eusebius aufbewahrt 360 . Wertvollste historische Daten scheinen sich dazu auch in der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine erhalten zu haben 361 . Von hier aus möchte dann auch ein Licht auf die erstaunliche Tatsache fallen, daß nicht nur Petrus und Paulus, daß vielmehr auch Seneca im Jahr 65 der kaiserlichen Ungnade zum Opfer fiel. Ohne jetzt schon auf diesen offenbar äußerst ›beredten‹ Vorgang aus den sog. ›Schweigenden Jahrhunderten‹ 362 , nämlich den Briefwechsel zwischen Paulus und Seneca, in größerer Ausführlichkeit eingehen zu können – immerhin wurde das Reich in den Jahren 54 bis 62 praktisch von Seneca regiert; sein Tod i.J. 65 war Neros Befehl! –, sei doch so viel gesagt: Nicht nur passen die Briefe in ihrem persönlich gehaltenen Duktus und Inhalt durchaus zu dem, was uns – von Pauli Seite – aus dem Philemon-Brief geläufig ist. Wenn die moderne Kritik vielmehr darauf hinweisen zu müssen glaubt – und denkt, sie damit abtun zu können: »Die Briefe sind lateinisch verfaßt und weisen einen schlechten Stil auf« 363 , dann hat dieser Umstand seinen 355) s. P. Thomas, Christians and Christianity in India and Pakistan, London 1954, 105–110. 356) s. P. Thomas 1954, 110. 357) s. P. Thomas a.O. 110–125. 358) s. Reicke 3 1982, 249f. 359) s. Reicke a.O. 360) s. Eusebius HE II,13–15. 361) s. Die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine. Aus dem Lateinischen übersetzt von R. Benz, Darmstadt 10 1984, 428–434. – Was übrigens Jakobus de Voragine für die Kirchengeschichte bis hin zu Petrus Martyr ist, das ist Otto Flakes »Ulrich von Hutten« für die Geschichte der Reformation, s. dazu weiter unten den Dritten Exkurs: Otto Flake und die Erasmische Gelehrten-Republik. 362) s. den Titel der weiter unten in Anm. 682 zitierten Arbeit Ellerts. 363) s. Weidinger, Apokryphen, 555; im gleichen Sinn 3 RGG Bd 5, 1961, s.v. ›Seneca‹ Sp 1698f. (+ M. Dibelius/A. Dihle). 68

Der ›Königsweg‹ war es auch, den die Jesuiten in Indien selbst 1578 – 1583 unter<br />

Akbar am Hof zu Agra einzuschlagen versuchten 355 . Nach dem Scheitern dieses ersten<br />

Versuchs gingen sie auf das Anraten eines griechischen Subdiakons Leo<br />

Grimon, der sich an Akbars Hof aufhielt, wieder aus, den Großmoghul zu bekehren,<br />

diesmal an seinen Hof in Lahore 356 . Nach dem Scheitern auch dieses Unternehmens<br />

zogen sie schließlich ein drittes Mal aus, wieder nach Lahore, und zwar von 1595 bis<br />

zu Akbars Tod im Jahre 1606 357 .<br />

Daß offenbar auch Petrus in Rom diesen Weg gegangen war, und zwar mit Erfolg,<br />

soll hier jetzt auch in größerer Ausführlichkeit zur Sprache kommen. Denn er und<br />

Paulus kamen offensichtlich nicht im Zusammenhang mit der Verfolgung ums Leben,<br />

die Nero um die Brandkatastrophe der Stadt herum inszenierte 358 . Wie Reicke betont,<br />

weisen Kreuzigung und Enthauptung auf einen anderen Hintergrund hin 359 .<br />

Die tatsächliche Ausstaffierung des Todes des Apostels Petrus, nämlich seine in<br />

größter Öffentlichkeit erfolgreich ausgetragene Auseinandersetzung mit dem am<br />

kaiserlichen Hof dem Anschein nach zu größtem Ansehen gelangten samaritaner<br />

Häresiarchen Simon Magus, ist uns offenbar in großem Detail in den Petrusakten wie<br />

auch in Eusebius aufbewahrt 360 . Wertvollste historische Daten scheinen sich dazu<br />

auch in der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine erhalten zu haben 361 .<br />

Von hier aus möchte dann auch ein Licht auf die erstaunliche Tatsache fallen, daß<br />

nicht nur Petrus und Paulus, daß vielmehr auch Seneca im Jahr 65 der kaiserlichen<br />

Ungnade zum Opfer fiel.<br />

Ohne jetzt schon auf diesen offenbar äußerst ›beredten‹ Vorgang aus den sog.<br />

›Schweigenden Jahrhunderten‹ 362 , nämlich den Briefwechsel zwischen Paulus und<br />

Seneca, in größerer Ausführlichkeit eingehen zu können – immerhin wurde das<br />

Reich in den Jahren 54 bis 62 praktisch von Seneca regiert; sein Tod i.J. 65 war Neros<br />

Befehl! –, sei doch so viel gesagt: Nicht nur passen die Briefe in ihrem persönlich<br />

gehaltenen Duktus und Inhalt durchaus zu dem, was uns – von Pauli Seite – aus dem<br />

Philemon-Brief geläufig ist. Wenn die moderne Kritik vielmehr darauf hinweisen zu<br />

müssen glaubt – und denkt, sie damit abtun zu können: »Die Briefe sind lateinisch<br />

verfaßt und weisen einen schlechten Stil auf« 363 , dann hat dieser Umstand seinen<br />

355) s. P. Thomas, Christians and Christianity in India and Pakistan, London 1954, 105–110.<br />

356) s. P. Thomas 1954, 110.<br />

357) s. P. Thomas a.O. 110–125.<br />

358) s. Reicke 3 1982, 249f.<br />

359) s. Reicke a.O.<br />

360) s. Eusebius HE II,13–15.<br />

361) s. Die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine. Aus dem Lateinischen übersetzt von R. Benz,<br />

Darmstadt 10 1984, 428–434. – Was übrigens Jakobus de Voragine für die Kirchengeschichte bis hin zu Petrus<br />

Martyr ist, das ist Otto Flakes »Ulrich von Hutten« für die Geschichte der Reformation, s. dazu weiter<br />

unten den Dritten Exkurs: Otto Flake und die Erasmische Gelehrten-Republik.<br />

362) s. den Titel der weiter unten in Anm. 682 zitierten Arbeit Ellerts.<br />

363) s. Weidinger, Apokryphen, 555; im gleichen Sinn 3 RGG Bd 5, 1961, s.v. ›Seneca‹ Sp 1698f.<br />

(+ M. Dibelius/A. Dihle).<br />

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