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000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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Damit kann natürlich nicht die Grablege der augenblicklichen Könige, d.h. des<br />

Hauses, dem ›Mazdai‹ angehört, gemeint sein. Mazdai war noch nicht bekehrt und<br />

würde sich einem solchen Tun widersetzt haben. Es muß die Grablege eines voraufgehenden,<br />

staatlicherseits nicht mehr in Achtung gehaltenen Königsgeschlechts gewesen<br />

sein. Doch die Bevölkerung, die zäher an der Verehrung einmal in Respekt<br />

gekommener Plätze und ihrer Kultobjekte festhält (s.u.), hielt es für angebracht, dort<br />

ihren neuen Heros zu bestatten.<br />

Im Ganzen vermittelt die Formulierung der Akten den Eindruck, die christliche<br />

Bevölkerung habe Thomas unter ihre Schutzgötter aufgenommen 303 .<br />

Eines der bekanntesten einschlägigen Beispiele aus der Religionsgeschichte ist der<br />

exzessive, jedoch durchaus nicht vereinzelt dastehende Kult der königlichen Ahnen,<br />

den das kommagenische Herrscherhaus etwa zu der Zeit betrieb, von der wir hier<br />

handeln. Dies geschah einschließlich dem Umstand, daß die Grabanlagen zu regelrechten<br />

›Hierothesia‹, Grabheiligtümern, ausgebaut wurden: Der königlichen Grablege<br />

fügte man die Darstellungen der Götter hinzu und verehrte diese zusammen mit<br />

den verstorbenen Königen und erwartete von dieser Art pietas nicht zuletzt die Fortdauer<br />

des Heils des königlichen Stammes und des von ihm beherrschten Landes 304 .<br />

Was uns hier besonders interessiert – denn darin liegt die engste Parallele zu dem,<br />

worauf der Bericht der Thomas-Akten hinzuweisen scheint –, ist die lebhafte und<br />

andauernde Verehrung der königlichen Toten durch die Bevölkerung, im komma-<br />

303) Zur Kultkontinuität zwischen ›heidnischen‹ und christlichen ›Heiligen Orten‹, zu der die Bevölkerung<br />

– und dies oft unter der Leitung ihrer geistlichen Führer – offenbar bei weitem bereiter ist, als wir<br />

meinen, nachvollziehen zu dürfen, s. in Agathangelos’ Geschichte Armeniens (Ende 5. Jahrhundert) den<br />

Bericht, wie St. Gregor der Erleuchter zu Beginn des 4. Jahrhunderts den Sitz der von ihm neu gegründeten<br />

armenischen Kirche an der Stelle eines Tempels des Verethragna errichtet, von wo aus er zu einem<br />

anderen Ort zog, an dem der Tempel des Hauptgottes der alten Armenier, des Aramazd, stand, um dort<br />

mit dem neubekehrten König das Fest Nawasard zu begehen (s. J.R. Russel, Zoroastrian Problems in<br />

Armenia: Mihr and Vahagn in: Th. J. Samuelian [Ed.], Classical Armenian Culture, Roanoke Va/USA 1982<br />

[= Armenian Texts and Studies, Nr. 4], 2 mit Bezug auf Agathangelos 809–836), letzteres ursprünglich ein<br />

Fest der indogermanischen Göttin Anahita, s. W. Haussig (Hrgb.), Wörterbuch der Mythologie, Bd 4,<br />

1986, s.v. Feste S. 111. Zum andern beschreibt Agathangelos, wie derselbe Gregor der Erleuchter eine<br />

Lichtvision hat, die in ihrer speziellen Art kaum von den göttlichen Lichterscheinungen der (alt-heidnischen)<br />

zoroastrischen Mythologie zu unterscheiden sind, s. A. Hultgard, Change and Continuity in the<br />

Religion of Ancient Armenia with particular reference to the Vision of St. Gregory (Agathangelos § 731 –<br />

755) in: Th. J. Samuelian (Ed.), Classical Armenian Culture, Roanoke Va/USA 1982 (= Armenian Texts<br />

and Studies, Nr. 4.), 10–15 mit Bezug auf Agathangelos 731–755. Schließlich feiern auch wir das<br />

höchsteFest des Kirchenjahres unter dem Namen einer alten germanischen (Fruchtbarkeits-)Göttin, der<br />

Ostara! Unsere alten iro-schottischen Missionare haben es so eingerichtet.<br />

304) s. z.B. H. Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen unter König Mithradates I. Kallinikos<br />

und seinem Sohne Antiochos I., Leiden 1973 und ders., Der kommagenische Mazdaismus, passim. Spezielle<br />

Aussagen zur Ausstattung der Grablegen mit Götterbildern s. Waldmann, Mazdaismus 154; zum Heil,<br />

das aus dieser Form der Verehrung erwartet wird, a.O. 33–36 bzw. – einschließlich Bezügen bis in den<br />

indischen Raum – a.O. 127.<br />

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