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000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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Das Christentum des heutigen Indiens weist neben dem von den Thomaschristen<br />

und ihrer wechselvollen Geschichte charakterisierten Aspekt aber noch einen ganz<br />

anderen, kaum minder bedeutungsvollen Bereich auf. Und hier kam es, und das weitgehend<br />

zeitgleich mit den von Zerrissenheit und Auseinandersetzung geprägten Vorgängen<br />

in Südindien, zu einem, so erstaunlich das auch klingen mag, Synergieeffekt<br />

aller christlichen Einflußnahmen auf den immensen indo-arischen Kulturbereich.<br />

Dieser brachte Früchte hervor, die sich, statistisch kaum zu erfassen, unseren Augen<br />

oft verbergen wollen, die aber trotzdem einen Teil der »Geschichte des Christentums<br />

in Indien« darstellen und die, wie man wohl annehmen darf, eine Wandlung des indischen<br />

Denkens bewirkt haben, die tiefer geht und umfassender greift, als die Zahlen<br />

von Bekehrungen, Taufen und neuerrichteten Kirchensprengeln vermuten lassen.<br />

Das Phänomen ist bekannt. Eindringliche Untersuchungen sind ihm in großer Zahl<br />

gewidmet worden 4 . Und doch ist ihr, nämlich der Bewegung des Neohinduismus,<br />

noch nicht die stolze und freudige Würdigung als einem Ereignis, das Osten und Westen<br />

geistig näher brachte, zuteil geworden. Fiel die starke Position der Kolonialmächte<br />

und ihrer Vertreter auch hin mit der Ausrufung der Unabhängigkeit und<br />

mußten viele Missionare das Land verlassen mit dem Eindruck, ihr Ziel nicht erreicht<br />

zu haben; die Missionsgesellschaften ihre Bücher schließen mit einem Fazit,<br />

das weit unter dem erhofften Ergebnis stand: Die über die Jahrhunderte der politischen<br />

Vormachtstellung hin ausgeübte Einflußnahme hat ihre Spuren doch hinterlassen<br />

und die oft unter unsäglichen Opfern von christlichen Missionaren aller Denominationen<br />

geleistete Arbeit ist nicht ins Leere gegangen. Aber nicht nur die dieser<br />

Männer und Frauen. Die Bemühungen der vorstaatlichen und staatlichen Kolonialbehörden<br />

haben parallel zum Tun der Missionare Wirkungen hervorgebracht – auch<br />

das muß offen bekannt werden und hat nichts mit Kolonialromantik zu tun -, die in<br />

größtem Ausmaß zur Verchristlichung des Landes beigetragen haben.<br />

Ein hier besonders erwähnenswertes Phänomen ist, daß, und wie, z.B. die Beamten<br />

des Archaeological Survey of India – ich nenne nur Namen wie Sir William Jones und<br />

Charles Wilkins, die, wie Romila Thapar in ihrer History of India hervorhebt, nach<br />

dem Vorgang der Jesuiten schließlich ihre Arbeiten unter der East India Company<br />

aufnahmen 5 – historisches Denken in Indien heimisch gemacht haben. Mag es auf<br />

den ersten Blick auch scheinen, daß dies mit ›Christentum in Indien‹ nichts zu tun<br />

habe, so sei doch nur kurz darauf hingewiesen, daß es tatsächlich eine der<br />

fundamentalsten Divergenzen, wenn nicht die fundamentalste, zwischen indischem<br />

und jüdisch-christlichem religiösen Denken darstellt, daß die zuletzt genannte theologische<br />

Tradition auf heilsgeschichtlichen Fakten gründet, auf Manifestationen der<br />

Transzendenz in der Geschichte: Das christliche wie das jüdische Glaubensbekenntnis<br />

besteht aus einer Aufzählung geschichtlicher Heilstaten Gottes. Eine Grund-<br />

4) Zu diesem s. die instruktive und viel zu wenig bekannte Arbeit A. Krämer, Christus und Christentum<br />

im Denken des modernen Hinduismus, Bonn 1958 = Untersuchungen zur allgemeinen Religionsgeschichte,<br />

begründet von Carl Clemen, N.F., herausgegeben von Gustav Mensching, Heft 2.<br />

5) s. R. Thapar, A History of India, vol. 1, Harmondsworth 1966, 16f.<br />

4

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