000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
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wem die römische Hauptstadt sie so oft zu dulden hat. Aber wenn die menschliche<br />
Niedrigkeit hätte aussagen können, was die Ursache ist, und ungestraft in<br />
dieser Finsternis sprechen dürfte, so würden schon alle alles sehen. Christen<br />
und Juden sind als Brandstifter – leider Gottes! – hingerichtet worden, wie es<br />
gewöhnlich geschieht. Dieser Rohling, wer immer es ist, der am Morden Vergnügen<br />
findet und die Lüge als Deckmantel benutzt, ist für seine Zeit bestimmt;<br />
und wie jeweils der Beste als ein Haupt für viele geopfert wird, so wird<br />
auch dieser Verfluchte für alle im Feuer verbrannt werden. 132 Paläste, 4<strong>000</strong><br />
Mietshäuser sind niedergebrannt in sechs Tagen; der siebente Tag brachte eine<br />
Pause. Ich wünsche Dir gute Gesundheit, Bruder.<br />
Geschrieben am 28. März unter dem Konsulat des Frugi und Bassus889 .<br />
Kommentar:<br />
Zu: » ... das unbesiegbare Glück«: Die schönste Umschreibung des Gottesnamens, die<br />
mir je zu Gesicht gekommen ist. Ganz entsprechend dem Urteil der modernen Kritik:<br />
»Allgemein ist der Inhalt der Briefe als dürftig zu bezeichnen« 890 .<br />
Zu: »Gaius Caesar«: Gemeint ist Kaiser Caligula, 37–41, der Vor-Vorgänger Neros<br />
im Amt.<br />
Es erstaunt schon, aber das ist ja der Zweck unserer Überlegungen, in einem Text,<br />
oder besser: einer Textgruppe, wie der vorliegenden Briefsammlung, die alle Anzeichen<br />
historischer Echtheit an sich trägt, darüber informiert zu werden, daß und wie<br />
ein Paulus nicht nur mit Seneca korrespondierte, mit ihm seine Schriften austauscht<br />
und verschiedentlich tiefschürfende persönliche Gespräche über Fragen des christlichen<br />
Glaubens und ethischen Handelns führt, daß Seneca darüberhinaus vielmehr<br />
auch mit Nero selber nicht weniger als mit Sabina Poppaea Glaubensgespräche führte,<br />
diese gar, wie die Äußerungen Pauli in Brief VIII nur allzu deutlich machen, ganz<br />
in der Art seines Meisters: Mit großem Ungestüm und – zuweilen jedenfalls – ohne<br />
rechten Blick für ein importune – opportune. Daß der ›Fälscher‹ jetzt auch hier den<br />
Leser mit glaubhaft dosierten Andeutungen auf die ›mehr als vagen‹ anderweitigen<br />
Hinweise darauf vorzubereiten vermag, daß Seneca die Sabina Poppaea dabei wohl<br />
zu bekehren vermochte 891 – dieses ›Fälschers‹ Genialität grenzt ans Übermenschliche;<br />
oder war es vielleicht, wie schon mehrfach angedeutet 892 , doch nur ein mieser<br />
kleiner Übersetzer, der nicht gut Latein konnte? -, läßt dem Gedanken an ein Falsifikat<br />
tatsächlich keinen Raum mehr.<br />
Ein Letztes: Seneca war also Christ; natürlich – soviel Diskretion wurde auch damals<br />
schon geübt; von Christus selber vorgelebt 893 – ohne dabei wohl je eine der zahl-<br />
889) Dieses Datum bezeichnet das Jahr 64 n. Chr.<br />
890) So C. Römer, in Hennecke/Schneemelcher, Bd II, 5 1989, 45.<br />
891) s. jetzt weiter unten die S. 212–216.<br />
892) s. oben S. 68f. und S. 197f.<br />
893) s. z.B. Joseph von Arimatäa (und wohl auch Nikodemus) Joh 19,38.<br />
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