000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
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Serenissimus hatte nun einmal nach – zugegeben – kurzer Vorstellung geruht, den<br />
Paulus als ›einen Menschen, der nicht die herkömmliche Bildung besitze‹, zu bezeichnen.<br />
Seneca, nicht gewillt, dem Kaiser eine großangelegte Aufklärungsrede zu halten<br />
– den Souverän eines Fehlurteils zu überführen, war schon immer ein Wagnis, dem<br />
man sich nur aussetzt, wenn es absolut notwendig ist – speist den Kaiser mit einer<br />
schönen erbaulichen Geschichte ab. Kam es doch zunächst einmal nur darauf an, den<br />
Kaiser dem Christentum gegenüber in eine irgendwie positive Stimmung zu versetzen.<br />
Und das war ja offensischtlich trotz allem erreicht. So schließt Seneca dann seinen<br />
Bericht davon an Paulus mit einem augenzwinkernden: », ... und damit scheint<br />
der Kaiser im Bilde zu sein«.<br />
Paulus wird übrigens nichts dagegen gehabt haben, auch hier »Allen alles zu werden«,<br />
nämlich dem ungebildeten Kaiser ein Ungebildeter.<br />
Hier wohl auch der Grund dafür, daß Petrus in unserem Briefwechsel keine Erwähnung<br />
findet: Bei den beiden Intellektuellen Paulus und Seneca stimmte, wie man<br />
heute zu sagen pflegt, die Chemie. Sie verstanden sich. Petrus dagegen kam mit Nero<br />
in Kontakt im Zusammenhang mit seiner Auseinandersetzung mit dem der Art des<br />
Neronischen Hofes eher entsprechenden Simon Magus, bei der dann hinwiederum<br />
Paulus irgendwie nicht mit dabei war: s.o. Weilte Paulus zu dieser Zeit nicht in Rom?<br />
Oder: Beteiligte er sich nicht öffentlich an diesen Aktivitäten Petri?<br />
Oh, verfügte ich nur auch über die gestalterische Phantasie und das psychologische<br />
Einfühlungsvermögen des ›Fälschers‹ unserer Briefe! Diese erreichen tatsächlich einen<br />
Grad der Vollkommenheit, der auf der einen Seite so garnicht mit seiner kümmerlichen<br />
Latinität zusammenpaßt, der es einem auf der anderen Seite aber als<br />
durchaus angebracht erscheinen läßt, nach anderen Werken dieses Shakespeares des<br />
vierten Jahrhunderts Ausschau zu halten – an ihrer ›speziellen Latinität‹ übrigens<br />
jederzeit leicht zu erkennen.<br />
Hätte darüberhinaus ein solches ›Fälschertalent‹, dessen intime Kenntnis der zum<br />
inneren Kreis des Kaiserhauses gehörigen Personen unbezweifelbar ist, nicht wenigstens<br />
auch Ansätze davon zu erkennen geben müssen, mal den abgehackten<br />
›Epigrammatischen Stil‹ Senecas, mal die ins Unendliche verlaufenden Perioden<br />
Pauli zu imitieren?<br />
Nun, der Text ist zwar lateinisch, aber durchgehend gleich schlecht – Altaner hätte<br />
ihn sonst nicht einfach als ganzen als eine »Schülerarbeit einer lateinischen<br />
Rhetorenschule des 4. Jahrhunderts« bezeichnen können 877 . Doch läßt er trotzdem<br />
charakteristische Unterschiede zwischen den beiden Briefgruppen erkennen, die er<br />
wiedergibt.<br />
877) s. B. Altaner/A. Stuiber, Patrologie. Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter, Freiburg etc.<br />
9 1978, 140. – Hierin liegt, im Grunde genommen, zumindest gleichfalls ein Hinweis darauf vor, daß die<br />
Briefe ursprünglich griechisch abgefaßt wurden. Ihr Inhalt ist bei weitem zu kompliziert, als daß er von<br />
einem ›Schüler‹ entworfen sein könnte. Er verlangt damit andererseits, daß dem linguistischen poverello<br />
die Texte für seine Übung zumindest in einer nicht-lateinischen Form vorlagen.<br />
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