000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
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Briefwechsels Abgar-Tiberius verfälscht er nun zunächst den Brief des Tiberius, indem<br />
er diesen bereits von dem im Senat gescheiterten Antrag berichten läßt. Abgars<br />
Antwortschreiben aber baut Moses um ein Zitat auf, das er wörtlich aus Tertullians<br />
Bewertung von Tiberius’ Vorgehen Eusebius HE II,2 übernimmt: »Wenn der Gott<br />
dem Menschen nicht zusagt, wird er kein Gott. Bald wird der Mensch Gott gnädig<br />
sein müssen«, schreibt Tertullian840 . Abgar aber formuliert (nach Pseudo-Moses):<br />
»Ainsi donc, si Dieu ne convient point à l’homme, il ne peut être Dieu, puisqu’il faut<br />
que Dieu soit jugé, justifié par l’homme« 841 . Angesichts dessen ist Gärtners Urteil über<br />
Pseudo-Moses wohl zuzustimmen: »Die Darstellung ist ... in fast jeder Hinsicht unglaubhaft«<br />
842 . Schon Pseudo-Moses scheint im 8. Jahrhundert sein Werk u.a. zu dem<br />
Zweck verfaßt zu haben, um die Kirchengeschichtsschreibung jetzt nicht mehr durch<br />
gnostizistische Einsprengsel zu verunsichern und in Verruf zu bringen, wie dies in den<br />
ersten Jahrhunderten der christlichen Ära geschah843 , sondern durch simple Fälschungen.<br />
Als facit aus dem Voraufgehenden kann man also formulieren: Seit Tiberius lagen in<br />
Rom Pläne, wie man so sagt, ›in der Schublade‹, die Juden für das, was sie Jesus angetan<br />
hatten, zu strafen, und zwar mit militärischen Mitteln. Der Kaiser hatte durch<br />
seinen Antrag an den Senat, die Gottheit Jesu anzuerkennen, seine Sympathie mit<br />
dem Christentum nur allzu deutlich zu verstehen gegeben844 und stimmte Abgars im<br />
Jahre 34/35 formulierten Ansinnen zu. Die Verwirklichung eben dieser Pläne führten<br />
die Juden dann allerdings durch ihre im Jahre 66 einsetzende Aufstandsbewegung<br />
erst selber herbei.<br />
Wie ernst Rom die Vorgänge um den jüdischen Messiaskönig jedoch auch in den<br />
auf die Eroberung Jerusalems folgenden Jahrzehnten nahm, zeigt die von Domitian<br />
(81–96) in seinem 14. Regierungsjahre getroffene Maßnahme, die Mitglieder des<br />
Davididenhauses – nota bene: nicht die der Familie der Herodianer! – aufzuspüren<br />
und zu töten845 . Jedoch hatte das betreffende politische Kalkül in den Kreisen der<br />
römischen Machthaber nach Tiberius’ und Neros Tod offenbar eine andere Richtung<br />
eingeschlagen. Die Vorkommnisse in der Ursprungsregion des sich rasch ausbreitenden<br />
Christentums und um seinen charismatischen Führer wurden jetzt eher als Bedrohung<br />
empfunden. Von daher wird auch am ehesten das Vorgehen der späteren<br />
Kaiser gegen das Christentum und die Christen zu verstehen sein, nicht weniger, als<br />
840) Den vollständigen Text s. unten S. 187f.<br />
841) s. Cureton 1864/1967, 134f.<br />
842) s. H. Gärtner in: Der Kleine Pauly, Bd 3, 1979 s.v. Moses Chorenazi, Sp 1438.<br />
843) s. zuletzt Waldmann, Heilsgeschichte, Anm 385 und die dortigen Verweise und S. 114 und 150.<br />
844) s. oben den Abschnitt b. des ersten Exkurses: ›Die katholische Wissenschaft und Tiberius der Kaiser<br />
von Rom‹ auf den Seiten 144–148.<br />
845) s. Th. Mommsen, (Hrgb.), Chronica minora Saeculorum IV. V. VI. VII., vol. I, Berlin 1892, 640.<br />
Diese Nachricht fügt sich sehr wohl zu den sonstigen Informationen, die wir über die letzten Regierungsjahre<br />
dieses Kaisers besitzen, s. z.B. Der Kleine Pauly, Bd 2, 1975 s.v. Domitianus Sp 124 (O. Hiltbrunner)<br />
und die daraus übernommenen Mitteilungen oben auf S. 150.<br />
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