000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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noctem versus, ut stellae in coelo visae sint: terraeque motus in Bithynia Nicaenae urbis multas aedes subvertit694 .« Der Text lautet übersetzt: »Im vierten Jahr der 202. Olympiade geschah eine große Sonnenfinsternis, die aus allen, die vorher eintrafen, hervorragt: Zur sechsten Stunde wurde der Tag in dunkle Nacht verwandelt, sodaß die Sterne am Himmel sichtbar wurden. Zudem geschah in Bithynien ein Erdbeben und brachte den größten Teil der Stadt Nizäa zum Einsturz695 .« Außer dem bereits erwähnten Hinweis auf Thomas’ Wirken in Indien rühmt sich der päpstliche Text keines Datums aus dem ersten Jahrhundert! Immerhin, auch Flavius Josephus wird als Autor aus den Jahren 93 und 94 zitiert. Nur noch ein winziges Detail sei angeführt, das die Lachhaftigkeit des von den Zuarbeitern des Papstes Gebotenen erkennen läßt: Das aus der gesamten frühchristlichen Literatur wohlbekannte von Domitian 95 hingerichtete Ehepaar T. Flavius Clemens und Flavia Domitilla696 , ersterer Vetter Domitians und Konsul ordinarius eben dieses Jahres 95, letztere Enkelin Vespasians, sieht die heutige profane Geschichtswissenschaft ohne weiteres als Christen an: »... beide wahrscheinlich doch Anhänger des Christentums, ...«. So Otto Hiltbrunner 1975697 . Und auf das Urteil eines solchen Gelehrten hätte sich ein päpstliches Dokument ohne weiteres stützen können! Eben diese Hinrichtung war es dann, die zu der Verschwörung seiner, des Domitians, Gattin Domitia mit Freunden und Hofbeamten führte, der der Kaiser am 18. September 96 zum Opfer fiel698 . Im Text der Enzyklika bietet sich uns ganz das Bild von F.X. Seppelts »Aufstieg des Papsttums«, in dem er auf insgesamt 342 Seiten die »Geschichte der Päpste von den Änfängen bis zu dem Regierungsantritt Gregors des Großen« beschreibt, d.h. bis zum Jahre 590, und dabei das Kunststück fertigbringt, bereits auf der sechsten (sic!) Textseite699 die Ereignisse der Zeit nach 100 zu erreichen. Und es würde ihm mit seinen Informationen über das erste Jahrhundert nicht einmal bis dahin gelangt 694) s. Eusebii chronicorum lib. II interprete S. Hieronymo, zu Christi Jahr 33, in: Migne PL, Bd 27, Paris 1866, Sp 445/446. 695) Die Übersetzung des letzten Satzes berücksichtigt auch den griechischen Urtext! – ›Natürlich‹ sind Phlegons Olympiaden nicht erhalten. Sie hatten halt das Pech, von Eusebius – wenn auch nicht in seiner Historia Ecclesiastica – zitiert zu werden. Zum generellen Schwund, der zumindest einmal bei den in Eusebs HE zitierten Werken zu beobachten ist, s. ausführlich unten auf den S. 160–166. 696) s. die ausführliche, auf die hervorragende Quelle Hegesipp (Mitte 2. Jahrhundert) zurückgehende Darstellung Eusebius HE III,18,4. 697) in: ›Der Kleine Pauly‹, Bd 2, 1975 s.v. Domitianus Sp 124f. (mit Lit!). 698) s. Der Kleine Pauly a.O. – Unnötig zu sagen, daß sich das LThK über solche Vorstellungen nur belustigt hinwegsetzen kann, s. LThK Bd 3, 1959 s.v. Domitilla Sp 495f. (A.P. Frutaz). 699) Es ist dies die Seite 14 des Buches: F.X. Seppelt, Der Aufstieg des Papsttums. Geschichte der Päpste von den Änfängen bis zu dem Regierungsantritt Gregors des Großen, Leipzig 1931. Der Text beginnt auf der Seite 9. 150

haben, wenn er auf dieser kurzen Strecke nicht noch viel Erbauliches hätte einfließen lassen. γ Johannes Paul II. und das Alter gewisser nichtchristlicher Religionen Doch fahren wir fort mit der Befragung des päpstlichen Rundschreibens. Auf der Seite 34 700 unternimmt es der Text, bei dem Auftrag zur Abhaltung von »Synoden mit kontinentalem Charakter« im Zusammenhang der dabei für Asien anzuberaumenden »Kontinentalsynode« die dortigen Religionen als die »ältesten Kulturen und Lokalreligionen« zu apostrophieren, auf der folgenden Seite (35 701 ) schlechthin als »älteste Formen der Religiosität«. Dies ist ein Schlag ins Gesicht der gesamten jüdisch-christlichen theologischen Tradition, die sich immer als die älteste (Adam) Form der Begegnung Gottes mit dem Menschen verstanden hat und dies mittlerweile auch in groben Umrissen mit den Mitteln moderner Religionswissenschaft zu belegen vermag. In der parallel zu dieser Arbeit erscheinenden Aufsatzsammlung gehe ich in dem dort unter der Nr. XIII angeordneten bisher unveröffentlichten paper »Neuere Ergebnisse von Palaioontologie, Humangenetik und Linguistik und daraus erwachsende theologisch/ethische Problemfelder« auf die entsprechenden Fragen ein. Das paper hatte als Diskussionsvorlage für ein interdisziplinäres Gespräch gedient, das ich am 25. Januar 1994 mit namhaften Vertretern der Humangenetik, Linguistik (ein Indogermanist und ein Semitist) und der Palaiozoologie an der Universität Tübingen durchgeführt habe. Unbeeinflußt von theologischen und kirchlichen Interessen kann z.B. heute ein Palaiozoologe bei der Darstellung der Ereignisse, die im Lauf der wirtschaftlichen und sozio/kulturellen Revolution im vorderen Orient nächst dem sog. ›Fruchtbaren Halbmond‹ vor etwa 10.000 Jahren abspielten, schreiben: Diese Ereignisse spiegeln sich »z.B. im biblischen Mythos von der Vertreibung aus dem Paradies wider 702 .« Ohne hier näher darauf eingehen zu können, sei nur noch so viel gesagt, daß die relevante moderne Literatur 703 starke Hinweise insbesondere darauf erkennen läß, daß unter den vor dieser wirtschaftlichen und zugleich sozio/kulturellen Revolution schon viele Jahrtausende, vielleicht gar 100 – 200-tausend Jahre lebenden Menschen 700) Abschnitt Nr. 38. 701) Es handelt sich weiterhin um den Abschnitt Nr. 38. 702) s. H.-P. Uerpmann, Die Anfänge von Tierhaltung und Pflanzenbau, in: Urgeschichte in Baden- Württemberg, Stuttgart 1983, 405. 703) Die päpstliche Enzyklika ist, wie die Bemerkung von der »Ausrichtung auf den Monotheismus« ihrer ›ältesten‹ Religionen erkennen läßt, offenbar auf dem Stand der zu ihrer Zeit epochemachenden Arbeiten des Steyler Missiologen P. Wilhelm Schmidt SVD (1868 – 1954) stehengeblieben. 151

haben, wenn er auf dieser kurzen Strecke nicht noch viel Erbauliches hätte einfließen<br />

lassen.<br />

γ Johannes Paul II. und das Alter gewisser nichtchristlicher Religionen<br />

Doch fahren wir fort mit der Befragung des päpstlichen Rundschreibens.<br />

Auf der Seite 34 700 unternimmt es der Text, bei dem Auftrag zur Abhaltung von<br />

»Synoden mit kontinentalem Charakter« im Zusammenhang der dabei für Asien anzuberaumenden<br />

»Kontinentalsynode« die dortigen Religionen als die »ältesten Kulturen<br />

und Lokalreligionen« zu apostrophieren, auf der folgenden Seite (35 701 )<br />

schlechthin als »älteste Formen der Religiosität«.<br />

Dies ist ein Schlag ins Gesicht der gesamten jüdisch-christlichen theologischen Tradition,<br />

die sich immer als die älteste (Adam) Form der Begegnung Gottes mit dem<br />

Menschen verstanden hat und dies mittlerweile auch in groben Umrissen mit den<br />

Mitteln moderner Religionswissenschaft zu belegen vermag.<br />

In der parallel zu dieser Arbeit erscheinenden Aufsatzsammlung gehe ich in dem<br />

dort unter der Nr. XIII angeordneten bisher unveröffentlichten paper »Neuere Ergebnisse<br />

von Palaioontologie, Humangenetik und Linguistik und daraus erwachsende<br />

theologisch/ethische Problemfelder« auf die entsprechenden Fragen ein. Das<br />

paper hatte als Diskussionsvorlage für ein interdisziplinäres Gespräch gedient, das<br />

ich am 25. Januar 1994 mit namhaften Vertretern der Humangenetik, Linguistik (ein<br />

Indogermanist und ein Semitist) und der Palaiozoologie an der <strong>Universität</strong> <strong>Tübingen</strong><br />

durchgeführt habe.<br />

Unbeeinflußt von theologischen und kirchlichen Interessen kann z.B. heute ein<br />

Palaiozoologe bei der Darstellung der Ereignisse, die im Lauf der wirtschaftlichen<br />

und sozio/kulturellen Revolution im vorderen Orient nächst dem sog. ›Fruchtbaren<br />

Halbmond‹ vor etwa 10.<strong>000</strong> Jahren abspielten, schreiben: Diese Ereignisse spiegeln<br />

sich »z.B. im biblischen Mythos von der Vertreibung aus dem Paradies wider 702 .«<br />

Ohne hier näher darauf eingehen zu können, sei nur noch so viel gesagt, daß die<br />

relevante moderne Literatur 703 starke Hinweise insbesondere darauf erkennen läß,<br />

daß unter den vor dieser wirtschaftlichen und zugleich sozio/kulturellen Revolution<br />

schon viele Jahrtausende, vielleicht gar 100 – 200-tausend Jahre lebenden Menschen<br />

700) Abschnitt Nr. 38.<br />

701) Es handelt sich weiterhin um den Abschnitt Nr. 38.<br />

702) s. H.-P. Uerpmann, Die Anfänge von Tierhaltung und Pflanzenbau, in: Urgeschichte in Baden-<br />

Württemberg, Stuttgart 1983, 405.<br />

703) Die päpstliche Enzyklika ist, wie die Bemerkung von der »Ausrichtung auf den Monotheismus«<br />

ihrer ›ältesten‹ Religionen erkennen läßt, offenbar auf dem Stand der zu ihrer Zeit epochemachenden<br />

Arbeiten des Steyler Missiologen P. Wilhelm Schmidt SVD (1868 – 1954) stehengeblieben.<br />

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