000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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So konnte Celtis sich gar höchste Kirchenfürsten dienstbar machen: Der ›Sodalidas literaria Rhenana‹, einer der von ihm gegründeten gelehrten Gesellschaften, stand der Kanzler der Universität Heidelberg und Wormser Bischof J. v.Dalberg als Präsident vor 672 . Nicht weniger vermochte Celtis sich als Hofpoet (poeta laureatus) zu empfehlen. Im Jahre 1487 wurde er von Kaiser Friederich III. in Nürnberg gekrönt 673 . Was schließlich den Fall Konstantinopels in unserem Zusammenhang angeht: Mitsamt den Folgen war er aus christlicher Sicht entgegen Zweigs Darstellung wohl alles andere als eine ›Sternstunde der Menschheit‹. 144 b. Die katholische Wissenschaft und Tiberius, der Kaiser von Rom Ein besonders krasses Beispiel nun, wie die Erasmische Gelehrten-Republik die katholische Wissenschaft über den Tisch zu ziehen vermochte – ein minder grobschlächtiger Ausdruck scheint hier nicht am Platze -, stellt der Verlauf der wissenschaftlichen Diskussion des von Eusebius HE II,2 wiedergegebenen Kaiser Tiberius betreffenden Vorganges dar. Mit vielen Details berichtet Eusebius in seiner Kirchengeschichte, wie Kaiser Tiberius (+ 37, vier Jahre nach Jesu Tod) wohl nicht zuletzt aufgrund des ihm von Pilatus erstatteten Berichts über die seinen Amtsbereich betreffenden Vorgänge den Senat ersucht, Jesus als Gott anzuerkennen und damit die christliche Religion als religio licita zu etablieren674 . Wegen seiner Wichtigkeit hier der Text bei Eusebius: Nachdem die wunderbare Auferstehung und Himmelfahrt unseres Erlösers den meisten bereits bekannt geworden war, erstattete Pilatus gemäß der alten Gewohnheit der Provinzbeamten, über die neuen Vorfälle den Inhaber der kaiserlichen Gewalt zu unterrichten, auf daß dieser über kein Ereignis in Unkenntnis bleibe, dem Kaiser Tiberius Bericht über die allen Bewohnern von ganz Palästina bereits bekannten Vorgänge bei der Auferstehung unseres Heilandes Jesus sowie über seine anderen ihm zur Kenntnis gekommenen Wunder und über den Glauben der Menge, welche ihn bereits seit seiner Auferstehung von den Toten für einen Gott hielt675 . 672) s. LThK Bd 3, 1959 s.v. Dalberg 1, Sp 124 (H. Raab). 673) s. LThK s.v. ›Celtis‹ a.O. Auch abgesehen von dieser (Un-)Tat apostrophiert die Geschichte besagten Friederich – offenbar zurecht – gerne als »des Heiligen Römischen Reiches oberste Schlafmütze«. Dem entsprechend der Verlauf seines Ablebens. An die geistigen Grundlagen seines König- und Kaisertums, die ihn verpflichten, »die Guten zu belohnen und die Bösen zu strafen« (1Petr 2,13), dachte dieser Monarch wohl nicht. Dasselbe gilt für Bischof v.Dalberg. Sie werden sich dafür zu verantworten haben. 674) Der Begriff religio licita, der später bei der Fassung der das Christentum betreffenden Toleranzedikte Konstantin I. und Theodosius I. von zentraler Bedeutung sein wird, taucht zum erstem Mal auf bei Tertullian, u.z. in Bezug auf die jüdische Religion, die er dort im staatsrechtlichen Sinn – im Gegensatz zum Christentum – als »eine erlaubte« bezeichnet, s. Tertullian apol 21. Näheres s. Mommsen, Ges.Schr. 3, 419. 675) s. Eusebius HE II,2,1–2.

Der Senat weist die Sache ab, da sie noch nicht geprüft sei 676 . Offenbar schwant dem Senat die außerordentliche Gewichtigkeit der ihm vom Kaiser zur Entscheidung vorgelegten Sache, daß es nämlich mit der Anerkennung der Göttlichkeit Jesu möglicherweise um seine letztinstanzliche Autorität in religiösen Dingen geschehen sein werde. Er war wohl besser informiert, als er vorgab. Tatsächlich scheint seine ›Prüfung‹ der Frage bis auf den Kern, nämlich den Absolutheitsanspruch dessen, der sich als der verheißene Messias des Judentums bezeugt hatte, vorgestoßen zu sein. Wer nämlich der Messias war, bzw. sein sollte und worin seine Ansprüche bestanden, dürfte dem Senat aus seiner Gesetzgebung zur Sonderstellung der jüdischen Religion geläufig gewesen sein 677 . In keiner Kirchengeschichte ist heute mehr von dem an den Senat gerichteten Ansinnen des Kaisers Tiberius, Jesus als Gott anzuerkennen, die Rede. Es durfte einfach nicht wahr sein, daß Christi Botschaft so bald nach seinem Tode nicht nur bis in die höchsten Kreise des Reiches vorzudringen vermochte, daß sie vielmehr da auch feste Zustimmung erhielt, gar vom Kaiser dem Senat zur Genehmigung vorgelegt wurde. So schreibt Haeuser, der die Historia Ecclesiastica des Eusebius für die BKV übersetzte, in einer – zudem sachlich unzutreffenden – Anmerkung zur Stelle: »Was hier Tertullian und ihm folgend Eusebius auf Grund der Überlieferung über des Tiberius Stellung zum Christentum berichten, mag wohl von gutmütigen Christen zu apologetischen Zwecken erfunden worden sein«. Selbst ein Heinrich Kraft entblödet sich nicht, diese eigentlich nur als ›dummdreist‹ charakterisierbare Formulierung Haeusers wörtlich in die von ihm besorgte deutsche Ausgabe der HE zu überneh- 676) Der Chronograph Prosper Tiro beschreibt diesen Vorgang in seiner Epitoma de Chronicon mit den Worten: »Pilato de Christianorum dogmate ad Tiberium referente Tiberius rettulit ad senatum, ut inter cetera sacra reciperetur. verum cum ex consulto patrum Christianos eliminari urbe placuisset, Tiberius per edictum accusatoribus comminatus est mortem«, s. Th. Mommsen, (Hrgb.), Chronica minora Saeculorum IV. V. VI. VII., vol. I, Berlin 1892, 411. Der Text lautet übersetzt: »Da Pilatus den Tiberius über die Lehren der Christen unterrichtet hatte, kam Tiberius beim Senat ein, daß sie [die Lehre] den Heiligtümern beigezählt (unter die übrigen Heiligtümer aufgenommen) werde. Da es dem Beschluß der Väter (Senatoren) aber gefiel, die Christen aus der Stadt zu vertreiben, bedrohte Tiberius durch ein Edikt (durch kaiserliche Verordnung) diejenigen mit dem Tode, die [Christen] zur Anklage brächten.« Erst die Fassung Prospers läßt Tertullians und Eusebs Nachricht, Tiberius habe die »Ankläger der Christen mit Nachteilen bzw. mit dem Tode bedroht« (s. Tetrull apol 5, hier wiedergegeben unten als Quellentext Nr. 5, bzw. Eusebius HE II,2,6), verstehen: Beide, Tertullian nicht weniger als Eusebius, unterdrücken scheu den Vertreibungsbeschluß. Das heißt auf der anderen Seite: Alle drei (Prosper aus Hieronymus, s. Mommsen 1892, 347) schöpfen offenbar unabhängig aus einer authentischen Quelle, aus der der eine dies, der andere das verwendet. 677) Zur römischen Sondergesetzgebung über die Stellung der jüdischen Religion unterrichtet noch immer am besten Th. Mommsen, Der Religionsfrevel nach römischem Recht in: Ges.Schr. 3, 416–419. – Dazu, daß der Senat im Rahmen des christlichen Ordo keineswegs seine sakralen Rechte verlor, vielmehr weiterhin in die Gestaltung des religiösen Lebens eingriff, u.a. sogar in die Ordnung der Papstwahl, s. unten die Anm 688. 145

Der Senat weist die Sache ab, da sie noch nicht geprüft sei 676 .<br />

Offenbar schwant dem Senat die außerordentliche Gewichtigkeit der ihm vom Kaiser<br />

zur Entscheidung vorgelegten Sache, daß es nämlich mit der Anerkennung der<br />

Göttlichkeit Jesu möglicherweise um seine letztinstanzliche Autorität in religiösen<br />

Dingen geschehen sein werde. Er war wohl besser informiert, als er vorgab. Tatsächlich<br />

scheint seine ›Prüfung‹ der Frage bis auf den Kern, nämlich den Absolutheitsanspruch<br />

dessen, der sich als der verheißene Messias des Judentums bezeugt hatte, vorgestoßen<br />

zu sein. Wer nämlich der Messias war, bzw. sein sollte und worin seine Ansprüche<br />

bestanden, dürfte dem Senat aus seiner Gesetzgebung zur Sonderstellung<br />

der jüdischen Religion geläufig gewesen sein 677 .<br />

In keiner Kirchengeschichte ist heute mehr von dem an den Senat gerichteten Ansinnen<br />

des Kaisers Tiberius, Jesus als Gott anzuerkennen, die Rede. Es durfte einfach<br />

nicht wahr sein, daß Christi Botschaft so bald nach seinem Tode nicht nur bis in die<br />

höchsten Kreise des Reiches vorzudringen vermochte, daß sie vielmehr da auch feste<br />

Zustimmung erhielt, gar vom Kaiser dem Senat zur Genehmigung vorgelegt wurde.<br />

So schreibt Haeuser, der die Historia Ecclesiastica des Eusebius für die BKV übersetzte,<br />

in einer – zudem sachlich unzutreffenden – Anmerkung zur Stelle: »Was hier<br />

Tertullian und ihm folgend Eusebius auf Grund der Überlieferung über des Tiberius<br />

Stellung zum Christentum berichten, mag wohl von gutmütigen Christen zu apologetischen<br />

Zwecken erfunden worden sein«. Selbst ein Heinrich Kraft entblödet sich<br />

nicht, diese eigentlich nur als ›dummdreist‹ charakterisierbare Formulierung<br />

Haeusers wörtlich in die von ihm besorgte deutsche Ausgabe der HE zu überneh-<br />

676) Der Chronograph Prosper Tiro beschreibt diesen Vorgang in seiner Epitoma de Chronicon mit<br />

den Worten:<br />

»Pilato de Christianorum dogmate ad Tiberium referente Tiberius rettulit ad senatum, ut inter cetera sacra<br />

reciperetur. verum cum ex consulto patrum Christianos eliminari urbe placuisset, Tiberius per edictum<br />

accusatoribus comminatus est mortem«,<br />

s. Th. Mommsen, (Hrgb.), Chronica minora Saeculorum IV. V. VI. VII., vol. I, Berlin 1892, 411.<br />

Der Text lautet übersetzt:<br />

»Da Pilatus den Tiberius über die Lehren der Christen unterrichtet hatte, kam Tiberius beim Senat ein,<br />

daß sie [die Lehre] den Heiligtümern beigezählt (unter die übrigen Heiligtümer aufgenommen) werde.<br />

Da es dem Beschluß der Väter (Senatoren) aber gefiel, die Christen aus der Stadt zu vertreiben, bedrohte<br />

Tiberius durch ein Edikt (durch kaiserliche Verordnung) diejenigen mit dem Tode, die [Christen] zur<br />

Anklage brächten.«<br />

Erst die Fassung Prospers läßt Tertullians und Eusebs Nachricht, Tiberius habe die »Ankläger der Christen<br />

mit Nachteilen bzw. mit dem Tode bedroht« (s. Tetrull apol 5, hier wiedergegeben unten als Quellentext<br />

Nr. 5, bzw. Eusebius HE II,2,6), verstehen: Beide, Tertullian nicht weniger als Eusebius, unterdrücken<br />

scheu den Vertreibungsbeschluß. Das heißt auf der anderen Seite: Alle drei (Prosper aus Hieronymus, s.<br />

Mommsen 1892, 347) schöpfen offenbar unabhängig aus einer authentischen Quelle, aus der der eine dies,<br />

der andere das verwendet.<br />

677) Zur römischen Sondergesetzgebung über die Stellung der jüdischen Religion unterrichtet noch<br />

immer am besten Th. Mommsen, Der Religionsfrevel nach römischem Recht in: Ges.Schr. 3, 416–419. –<br />

Dazu, daß der Senat im Rahmen des christlichen Ordo keineswegs seine sakralen Rechte verlor, vielmehr<br />

weiterhin in die Gestaltung des religiösen Lebens eingriff, u.a. sogar in die Ordnung der Papstwahl, s.<br />

unten die Anm 688.<br />

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