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000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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gnostische Einschübe auf. Der umfänglichste von diesen, das Logion 13, gibt ein angebliches<br />

Gespräch Jesu mit dem Apostel Thomas wieder. Von daher erhielt die ganze<br />

Spruchsammlung den Namen ›Thomas-Evangelium‹ und die tatsächlich nur auf<br />

den kleineren Teil ihres Inhalts zutreffende Bezeichnung ›gnostisch‹ 640 .<br />

In Logion 13 sagt der Herr auf ein unkanonisches, von Thomas als »unaussprechbar«<br />

(nefas) bezeichnetes Bekenntnis zu Jesus hin dem Jünger drei Worte, die dieser<br />

nach seiner eigenen Aussage den anderen gleichfalls weder mitteilen darf noch<br />

kann 641 . Als gnostischer Einschub wird auch Logion 97 angesehen, dem weder eine<br />

Sinnparallele aus den Evangelien, noch ein orthodoxes Verständnis zugewiesen werden<br />

kann. Sein entmutigender Determinismus charakterisiert es hingegen klar als<br />

eine treffende bildhafte Wiedergabe der gnostischen Auffassung von der Verlorenheit<br />

der Seele im Kosmos 642 .<br />

Eine umgekehrte Art der Entstehung des Thomas-Evangeliums, nämlich die, daß<br />

die Sammlung aus den kanonischen Evangelien exzerpiert worden sei, ist nicht anzunehmen.<br />

Einer solchen Vermutung widerspricht das Vorkommen von allgemein als<br />

historisch angesehenen, in den Evangelien aber nicht wiedergegebenen Jesusworten,<br />

wie z.B. des Logions 102: »Jesus hat gesagt: ›Wehe über die Pharisäer, denn sie ähneln<br />

einem Hunde, der in der Ochsenkrippe liegt; denn weder frißt er selbst, noch [läßt] er<br />

die Ochsen fressen.‹« Dieses bildkräftige Logion hat z.B. eine eindeutige Sinnparallele<br />

in Mt 23, 13 643 .<br />

Was nun die uns hier interessierende Frage nach dem Bezug des Thomas-Evangeliums<br />

auf den historischen Apostel Thomas angeht, muß festgestellt werden, daß der<br />

oben genannte gnostische Einschub eines fiktiven Gespräches Jesu mit Thomas<br />

nichts über den historischen Thomas aussagt. Die Schrift ist nicht nur ein<br />

Pseudepigraphon, sie bietet, was bei Pseudepigraphen sonst immerhin häufig genug<br />

anzutreffen ist, auch in ihrem Inhalt keine Aussage über den Apostel, dessen Namen<br />

sie trägt. Die in der Pistis Sophia c. 42f. wiedergegebene Tradition, daß der Herr nach<br />

seiner Auferstehung speziell Matthias, Philippus und Thomas den Auftrag gegeben<br />

habe, »alle seine Handlungen zu berichten und alle seine Taten aufzuzeichnen« 644 ,<br />

wohl eine Aitiologie, erfunden, die Autorität unseres Evangeliums zu untermauern,<br />

möchte bezüglich des Thomas daraus entstanden sein, daß es dem gnostischen<br />

Drang, geheime Lehren Jesu wiedergeben zu wollen, entgegenkam, gerade denjenigen<br />

aus der Jüngerschar, der sich in den kanonischen Schriften als schwerfällig im<br />

640) s. z.B. Hennecke/Schneemelcher 4 1968, 199f.<br />

641) Das Logion ist wiedergegeben ebenda 206f.<br />

642) Zur gnostischen Auffassung von der Verlorenheit des Menschen im Kosmos s. H. Waldmann,<br />

Heilsgeschichte, z.B. S. 85ff. das Kap. VIa »Zurvanismus und Gnosis. Allgemeine Zusammenhänge« und<br />

passim. – Ausführlich zu Logion 97 s. z.B. E. Haenchen, Die Botschaft des Thomas-Evangeliums, Berlin<br />

1961, 34–37, Hennecke/Schneemelcher 4 1968, 220–223 und die einfühlsame Interpretation in R. Kasser,<br />

L’Évangile selon Thomas. Présentation et commentaire théologique, Paris 1961, 109f.<br />

643) s. dazu ausführlich Hennecke/Schneemelcher 4 1968, 212.<br />

644) s. ebenda 227.<br />

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