000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
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das indische Volk auch manches, das es selbst unter diesem Schleier als Faszinierendem<br />
am Christentum erkannte, begierig und bereiten Herzens aufnehmen: Den zerrissenen<br />
Rock Christi, der ihm wortreich vorgehalten wurde, anzuziehen, weigerte es<br />
sich.<br />
Nicht glücklicher gestaltete sich die Lage des Landes im Zuge des Aufbaus<br />
landbürtiger staatlicher Institutionen mit Erlangung der Unabhängigkeit wenige Jahre<br />
nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Mochten auch Gandhi, Nehru und andere<br />
starke Sympathien für das Christentum, gar speziell für den Katholizismus hegen<br />
633 . Das Land war derart geschüttelt von bzw. und fixiert auf die Lösung seiner<br />
nationalen Probleme und auf die Auseinandersetzung zwischen Hinduismus und Islam,<br />
daß Überlegungen zu einer grundsätzlichen Neuorientierung, wie sie z.B. im 9.<br />
Jahrhundert nach der Gründung des Kiever Reiches angestellt wurden, einfach nicht<br />
in den Sinn kamen. Der ausgestreute Samen erstickte rasch unter den Sorgen der<br />
Alltagsgeschäfte. Daran änderte auch nichts, daß in katholischer Literatur Nehru<br />
und seiner offensichtlich gegebenen Hinneigung zum Christentum hymnisch anmutende<br />
Kapitel gewidmet wurden 634 . Die Besinnung, zu der vor allem die Großen hinduistischer<br />
Prägung während den in der Zeit des Freiheitskampfes oft Jahre dauernden<br />
Gefängnisaufenthalten gekommen waren, wurde rasch vom nationalen und<br />
antimuslimischen Kampfgeschrei übertönt. So wurde auch diese historische Chance<br />
nicht genutzt. Im Gegenteil: Durch die Eingliederung in die Organisationen der Länder<br />
der sog. ›Dritten Welt‹, angeführt von Männern wie dem kommunistischen<br />
Partisanenkämpfer Tito, und durch die schon von Nehru, insbesondere aber von seiner<br />
Tochter Gandhi favorisierte Anlehnung an Rußland öffnete sich das Land mehr<br />
und mehr dem Einfluß des atheistischen Materialismus. Die schon unter der englischen<br />
Herrschaft zu beklagende ›Säkularisierung‹ des Landes wurde auf diesem<br />
Wege nicht unwesentlich vorangetrieben, womöglich in noch stärkerem Ausmaß als<br />
durch die gleichzeitig damit vorangetriebene Auflösung und Entmachtung der geist-<br />
Letzteres bezeichnet gerade die dem Deismus und seiner Ablehnung einer besonderen Offenbarung entgegengesetzte<br />
Position. de Nobilis Vorbehalt dürfte auch auf Matteo Ricci zutreffen: Die Anpassung an<br />
die chinesischen (konfuzianischen) Riten wurden von diesem und seinen Nachfolgern aus der Societas<br />
Jesu als »rein zivil« angesehen, somit den Bereich des Glaubens und der Offenbarung nicht tangierend, s.<br />
LThK Bd 8, 1963 s.v. Ritenstreit Sp 1323 (J. Beckmann).<br />
633) s. z.B. das eindeutige Urteil Jawaharlal Nehrus in seiner Autobiographie:<br />
»Protestantism tried to adapt itself to new conditions and wanted to have the best of both worlds. It<br />
succeeded remarkably so far as this world was concerned, but from the religious point of view it fell, as an<br />
organised religion, between two stools, and religion gradually gave place to sentimentality and big<br />
business. Roman Catholicism escaped this fate, as it stuck on to the old stool, and, so long as that stool<br />
holds, it will flourish. To-day it seems to be the only living religion, in the restrictied sense of the word, in<br />
the West«,<br />
s. Jawaharlal Nehru, an autobiography, London 21 1955, 376. – Näheres dazu s. in Waldmann, Heilsgeschichte,<br />
1–5. Man beachte auch das oben auf S. 4 zum Neohinduismus referierte.<br />
634) s. z.B. Herbstrith, Begegnung mit Indien, Trier 1969, 267–292. Diesem geht auf den Seiten 243–<br />
266 ein ebensolches Kapitel zu Gandhi voraus, dessen Zustandekommen einen natürlich weniger erstaunt.<br />
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