000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
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VIERTER TEIL<br />
India Christiana<br />
Es ist wohl zu verwundern, daß bis zum Jahre 1995, dem Datum der Niederschrift<br />
dieser Arbeit, in Indien nur Anfänge des Christentums zu beobachten sind und warum<br />
sich der Subkontinent nicht früher als Ganzes der Predigt des Evangeliums öffnete.<br />
Galt das religiöse Interesse des indischen Volkes, von Hoch und Nieder, doch<br />
schon immer als besonders lebhaft, aufmerksam, tief und was für schmückende Beiworte<br />
sonst man ihm noch zuschreiben möchte.<br />
So ist die Geschichte der Anfänge des Christentums in Indien bis zum Jahre 1995<br />
vor allem zu sehen als eine Geschichte der schmerzhaften Ereignisse und Entwicklungen,<br />
die das Land daran hinderten, sich gleich dem mittelmeerischen Raum und<br />
der mit ihm verbundenen europäischen Landmasse, dazu den beiden Amerika und<br />
den Philippinen, dem Licht des Evangeliums zu öffnen. Was in Europa – gewiß, es<br />
brauchte Jahrhunderte des Kampfes und der Auseinandersetzung – schließlich und<br />
zuweilen in Windeseile raumfassend sich ausbreitete und zum alle Bereiche des öffentlichen<br />
und privaten Lebens durchformenden Allgemeingut wurde, in Indien sollten<br />
bis zum Jahre 1995 solche Ereignisse unmöglich erscheinen, ganz so als hätten<br />
Alter und innere Zwistigkeiten dem Christentum die Kraft genommen, in großer<br />
Zahl neue Kinder zu zeugen und ganze Weltregionen seiner Milde zu unterwerfen.<br />
Aber: Nicht nur daß eben dies auch in späteren Jahrhunderten dort, wo herrscherlicher<br />
Wille die störenden Elemente fernhielt, möglich war – verwiesen sie auf Rußland,<br />
die beiden Amerika und die Philippinen – auch dann noch verwirklicht werden<br />
konnte und Christi Herrschaft sich einzubürgern vermochte, als habe sie dort schon<br />
immer bestanden. – Auch in Indien waren Aufbrüche zu beobachten, die über dieses<br />
Land die Fluten göttlicher Erleuchtung sich hätten ergießen lassen, gerade so wie in<br />
dem Frankenreich Chlodwigs oder den spanischen und portugiesischen Kolonialreichen,<br />
wären dagegen nicht immer wieder Dämme, höhere und höhere Dämme von<br />
›wachsamen‹ Gegnern christlichen Lebens errichtet worden, die zu beseitigen nicht<br />
in der Macht der Kirche lag.<br />
So ist die kirchliche Geschichte dieses Landes die Geschichte seiner erfolglosen<br />
Bekehrungsversuche, insbesondere eine Geschichte der Mächte, die die umfassende<br />
Ausbreitung des Christentums verhinderten. Gleich wie nach dem Ringen der ersten<br />
drei Jahrhunderte in ganz wesentlichem Ausmaß Förderung durch kaiserliche und<br />
herrscherliche Einsicht und Weisheit den Siegeslauf des Christentums in Europa,<br />
Rußland und vielen überseeischen Gebieten ermöglichten, so waren es in Indien<br />
gleich-wesentlich die Bemühungen von Herrschern, die, aus welchen Gründen auch<br />
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