000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
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Die Stadt, das wissen wir, war aufgebracht genug, sodaß eine Szene wie die gerade<br />
beschriebene als durchaus möglich angesehen werden muß. In unserer Frage nun<br />
ergibt sich das Bild, als sei Paulus, als er im Jahre 65 zur Verurteilung gelangte, bereits<br />
seit dem Vorjahre, dem Jahr des Stadtbrandes, in Gefangenschaft gewesen und damals<br />
tatsächlich wegen des Geschreies der Römer nicht zu Tode gekommen.<br />
Jakobus498 fährt dann aber fort – und diese Szene dürfte dann bereits im Jahre 65<br />
liegen:<br />
»Darauf wurde ihm Paulus gemäß dem Edikt499 vorgeführt, und er blieb dabei,<br />
dieser solle enthauptet werden500 .«<br />
Auch hier kein rechtes Motiv für die Verurteilung, sieht man von einer Reihe kaiserlicher<br />
Invektiven ab, die diesmal nur Jakobus wiedergibt:<br />
»Aber als Nero ihn sah, schrie er voll Wut: ›Tötet den Zauberer, schlagt dem<br />
Betrüger das Haupt ab, laßt den Missetäter nicht länger leben, der die Geister<br />
von sich bringt, schafft den Verführer der Seelen von der Erde!‹«<br />
Hier ist es der in Benz’ antikisierendem Deutsch für uns auf den ersten Blick wenig<br />
einleuchtende Ausruf: »..., der die Geister von sich bringt, ...«, der uns den richtigen<br />
Weg weisen möchte.<br />
Wie wir unten in einer ausführlichen Würdigung des Briefwechsels Paulus/Seneca<br />
und einiger Kapitel aus den dem Senator Macellus zugeschriebenen acta Petri et Pauli<br />
darlegen, ist wohl tatsächlich davon auszugehen, daß nicht nur Seneca Christ war,<br />
daß sich vielmehr auch Neros Gemahlin Sabina Poppaea gegen Ende ihres Lebens<br />
dem Christentum zugewandt und gleich vielen anderen Männern und Frauen die<br />
eheliche Gemeinschaft mit dem ungläubigen Ehepartner – hier Nero – aufgehoben<br />
haben dürfte501 .<br />
Weder Nero, noch die frühchristlichen Schriftsteller konnten offen davon reden:<br />
Senecas Bekehrung – und erst recht die der Kaiserin – war für den Hof ebenso unerträglich<br />
wie sie für die Christen unmöglich bekanntzumachen war.<br />
Das Ganze deutet auf ein hohes Alter der Überlieferung – sowohl der mißglückten<br />
Versuche, ein Todesmotiv für Paulus zu ›erfinden‹, wie für das hilflose Schweigen der<br />
offenbar echten Texte: So groß die Wut des Kaisers über Paulus auch war, der in<br />
seinen Augen ohne Zweifel als mitverantwortlich für die sittliche Festigkeit des<br />
Seneca und die ihm, dem Kaiser, daraus bei seiner in den letzten Jahren praktizierten<br />
›Selbstfindung‹ erwachsenden ›Schwierigkeiten‹ angesehen wurde, sie offen aussprechen<br />
konnte er nicht. So blieb es bei den von Jakobus mitgeteilten Schmähreden,<br />
gipfelnd in dem Ausruf:<br />
498) bzw. Schneemelcher.<br />
499) »Niemand von den Christen sollte angerührt werden, bis er selbst ihren Fall untersucht habe,« s.o.<br />
500) s. Benz bzw. Schneemelcher a.O.<br />
501) s. unten die Quellentexte Nr. 12 bzw. Nr. 14. – Dazu, daß auch Männer ihre im Unglauben verharrenden<br />
Frauen verließen, s. z.B. in Texten wie dem ›Martyrium sancti Petri Apostoli‹ das Kapitel 5 des<br />
griechischen Textes bzw. das Kapitel 34 des lateinischen auf den Seiten 86f. in: R.A. Lipsius – M. Bonnet<br />
(Hrgb.), Acta apostolorum apocrypha, Bd 1, Leipzig 1891.<br />
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