000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
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Als letzter ist der praefectus urbi zu nennen, der schon in der Königszeit bei Abwesenheit<br />
des Herrschers die Staatsgeschäfte leitete. Nachdem das Amt während mehrerer<br />
Jahrhunderte geruht zu haben scheint, wurde es seit Augustus wieder besetzt,<br />
seit Tiberius ständig. Meist ein consularis, d.h. ehemaliger Konsul, war er in Rom der<br />
Vertreter des Kaisers, »besonders auch in der Gerichtsbarkeit« 449 .<br />
Blickt man nun auf die Präfekten, die in Rom höchstrichterliche Gewalt ausübten,<br />
dann möchte es sich bei dem ›Präfekten Agrippa‹, den die Petrusakten und Salonius’<br />
Linus-Text als den Richter der Apostelfürsten nennen, am ehesten um einen<br />
praefectus urbi gehandelt haben. Denn die Prätorianerpräfekten dieser Jahre sind<br />
bekannt – keiner von ihnen hieß Agrippa. Andererseits ist unter den in der PIR aufgeführten<br />
Trägern des Namens Agrippa bei keinem erwähnt, daß er das Amt des<br />
praefectus annonae bekleidet habe. Noch weist einer der dort aufgezählten Nicht-<br />
Konsularen – also derer, die für das Amt eines praefectus annonae Verwendung gefunden<br />
haben könnten – einen Lebenswandel auf, der es erlauben würde, ihm die<br />
Stiefel des ›Präfekten Agrippa‹ der Petrusakten anzuziehen. So fallen die beiden zuletzt<br />
genannten Ämter bei der Suche nach der Präfektur, die unser ›Agrippa‹ eingenommen<br />
haben könnte, praktisch aus. Das zwingt uns, die Suche danach auf die<br />
Konsularen zu beschränken.<br />
Die Zahl der Konsularen dieser Jahre ist natürlich sehr klein. Dagegen dürften sie<br />
aus den gut erhaltenen fasti consulares jedoch nahezu lückenlos bekannt sein. Unter<br />
diesen führt die PIR aber einen auf, der nicht nur Agrippa heißt, der vielmehr nach<br />
dem einhelligen Urteil der antiken Geschichtsschreibung auch den Lebenswandel<br />
vorzuweisen hat, der erlauben würde, in ihm den ›Präfekten Agrippa‹ der Petrusakten<br />
zu vermuten. Es handelt sich um Decimus Haterius Agrippa450 .<br />
Gaheis schließt seinen RE-Artikel ›D. Haterius Agrippa‹ mit den Worten:<br />
»Tac ann VI,4 erwähnt zum J. 32 sein feindseliges Auftreten im Senat gegen die<br />
Consuln des vorhergehenden Jahres, wodurch er sich nur noch verhaßter gemacht<br />
habe, und zeichnet mit scharfen Strichen den Charakter des durch seinen<br />
ausschweifenden Lebenswandel entnervten Mannes451 .«<br />
Dies gilt also schon für den Agrippa des Jahres 32. Einem solchen Mann könnte man<br />
auch in späteren Jahren eine Auseinandersetzung mit dem Haupt der Christengemeinde<br />
um seine vier Konkubinen durchaus zutrauen. Schwierigkeiten bereitet auf<br />
den ersten Blick das hohe Alter des Haterius. Im Jahre 15 n. Chr. war er bereits<br />
tribunus plebis452 . Hat er dieses Amt jedoch suo anno erhalten, d.h. in dem für diese<br />
bestimmte Würde erforderlichen Mindestalter – es betrug, jedenfalls in der Kaiserzeit,<br />
27 Jahre453 – dann hätte er im Jahre 65 gerade erst im 77. Lebensjahr gestanden.<br />
88<br />
449) s. a.O. 1107.<br />
450) 21 cos. des, 22 cos. ord., s. PIR IV, Berlin 2 1952–1966, Nr. 25 (A. Schubring/L.Petersen).<br />
451) s. RE, Bd VII,2, Stuttgart 1912 s.v. D. Haterius Agrippa Sp 2513f. (Gaheis).<br />
452) s. a.O. Sp 2514.<br />
453) s. Der Kleine Pauly, Bd 5, 1975 s.v. Tribunus Sp 949 (H. Volkmann).