000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
000 Titelei - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Wiederum ähnlich wie bei der Untersuchung des Wirkens des Apostels Thomas in<br />
Indien haben wir es auch hier – und nicht nur bei Jakobus – des öfteren mit gnostisch<br />
verderbten Texten zu tun. Doch wie bei den Quellen zu Thomas’ Leben, können wir<br />
auch hier nicht zuletzt aufgrund der Kriterien, mithilfe derer wir in diesen Texten<br />
Historisches von Phantastischem zu trennen gelernt haben, die wesentlichen Inhaltsstoffe<br />
der zugrundeliegenden Berichte herausarbeiten. So wird es uns möglich sein,<br />
ein Bild vom Leben Petri zu entwickeln, das, gemäß den Anforderungen moderner<br />
Geschichtsschreibung erarbeitet, von Petrus dennoch Taten und Erfolge zu berichten<br />
weiß, die uns in Zukunft bei der Erwähnung des Namens des Apostelfürsten nicht<br />
mehr zunächst und fast ausschließlich an seine Verleugnung und an seine Flucht aus<br />
Rom denken lassen, wobei letztere durch Sienkiewicz’ ›Quo vadis‹ und entsprechende<br />
Verfilmungen der breiten Öffentlichkeit zu staunenswerter Bewußtheit gebracht<br />
wurde, während der Hahn auf den Kirchtürmen schon immer das Gedächtnis von<br />
Petri Verrat – so wurde es uns als Kindern jedenfalls erzählt – wachhielt.<br />
Entgegen diesem von der modernen Publizistik dem öffentlichen Bewußtsein in<br />
den letzten Jahrhunderten aufoktroyierten Petrusbild wird uns das Folgende einen<br />
Mann vor Augen führen, der sich nicht nur nicht scheute, dem größten und fähigsten<br />
theologischen Gegenspieler seiner Zeit, Simon Magus, mit unbezweifelbarem Mut<br />
immer wieder persönlich und – mit Erfolg gegenüberzutreten.<br />
Darüberhinaus vermochte Petrus durch sein geisterfülltes Tun offensichtlich nicht<br />
nur ganz allgemein die Aufmerksamkeit des Kaisers – wie auch die von dessen engstem<br />
Berater, Seneca – auf sich zu ziehen. So hoch der Magus sich in die Gunst des<br />
Kaisers auch schon eingeschlichen haben mochte: Mit seinem persönlichen Einsatz<br />
konnte Petrus ihn wie schon in Caesarea so auch jetzt in Rom bloßstellen, damit<br />
seine junge und noch ungefestigte Herde nicht nur davor rettend, den beeindruckenden<br />
Spiegelfechtereien des samaritanischen Häresiearchen zu verfallen, vielmehr –<br />
und das zu zeigen, ist hier unser erstes Anliegen – erreichte er damit auch, bei den<br />
besseren Kräften am Hofe der Kirche Christi ein Ansehen zu verschaffen, ohne das<br />
deren Entwicklung in den darauffolgenden Jahrhunderten undenkbar wäre. Daß<br />
Rom und seine Christengemeinde die Mutter und das Zentrum des Christentums der<br />
kommenden Jahrtausende wurde, ist Petri Verdienst. Unter den Augen des Hofes<br />
wirkte er in der Stadt die magnalia, die die Kirche bis heute in die Herzen der Römer<br />
einpflanzten, von deren Erinnerung sie nicht lassen wollen, die ihnen – jeder<br />
Cicerone weiß noch darum und vermeldet sie – bis heute gegenwärtig sind, und die<br />
sie mit berechtigtem Stolz an ihrer Katholizität festhalten lassen, mag auch Arbeit,<br />
die mit stetem Tropfen die Kraft ihrer Überzeugung auszuhöhlen sucht, über Jahrhunderte<br />
hin bestrebt gewesen sein, Stück um Stück dessen, was ihnen so lieb ist, der<br />
Lächerlichkeit anheimzugeben und ihr Teuerstes aus den Büchern der gelehrten Welt<br />
zu verbannen: Sie hielten trotzdem daran fest, und – das werden wir sehen – behielten<br />
Recht, auch und gerade vor der Wissenschaft!<br />
Gleich den Indern, die von ihrem Thomas nicht lassen wollten, und denen nun kein<br />
Grund mehr entgegengehalten werden kann, daß er ihr Land besucht, missioniert<br />
und mit seinem Blut befruchtet hat, sollte es doch gelingen, auch den Römern die<br />
70