Identifizierung und Charakterisierung von neuen Genen für die ...

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- 146 - Andere Arbeitsgruppen haben zum Teil ähnliche Erfahrungen mit anderen vergleichbaren Genen gemacht. In der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Gruss wurde von einem anderen Doktoranden (Martin Ballastik) ein weiteres Protein der TRIM-Familie untersucht. Dieses zeigte seinen Phänotyp erst in 15 Monate alten Tieren, die aufgrund des Verlustes von Purkinje-Zellen im Cerebellum Motorkoordinationsstörungen entwickelten. Eine andere Arbeitsgruppe aus den USA berichtet von einem Gen mit auch Zink-Ring-Finger-Struktur und Protein-Protein-Interaktionsfähigkeit sowie E3-Ubiquitin-Ligaseaktivität zur Regulation von Zielproteinen (Ruan, Tecott et al. 2001), das zum Teil ähnliche Expression im Hippocampus und corticalen Bereichen der Riechwahrnehmung besitzt wie TRIM46. Dieses Gen zeigte im KO keinen auffälligen morphologischen Phänotyp, auch nicht in den betroffenen Hirnstrukturen, sondern nur im Verhalten, Defizite in der Riechwahrnehmung und Ethanolsensitivität. Möglicherweise wäre ein Doppel-KO durch Verpaarung der beiden Mauslinien ein Ansatz für einen synergistischen Phänotyp. Da TRIM46 im Hippocampus (insbesondere Gyrus dentatus, CA2) exprimiert ist sowie im entorhinalen Cortex, der Amygdala und im Innenohr, bieten sich insbesondere solche Verhaltensversuche an, bei denen Lernen und Gedächtnis, Angst, Riechwahrnehmung, Hören, sowie verknüpfendes Lernen/Konditionierung auf Riech-/Hörreize geprüft wird, ähnlich wie in dem gerade zitierten Artikel. Diese Versuche sind für die Kooperation mit der auf Verhaltensforschung spezialisierten Forschungsgruppe JSW-Research aus Graz in Österreich eingeleitet worden. Die mit Yeast-Two-Hybrid gefundenen Proteine weisen ebenso weniger auf Funktionen in morphologischen Veränderung als auf dynamische temporär veränderliche Prozesse innerhalb unangetasteter zellulärer Morphologie hin, insbesondere die Mitglieder von Signaltransduktions-Kaskaden wie G-Proteinassoziierte Proteine, Rho-Proteine, die an Informationsverarbeitungs- und Verhaltensprozessen beteiligt sein könnten. Die Funktion von TRIM-Proteinen ist mit ihrer E3-Ubiquitinligase, andere Proteine für den Abbau im Proteasom zu markieren, also Genregulation auf Proteomebene, neben siRNA/miRNA auf Transkriptomebene und den Transkriptionsfaktoren auf Genomebene. Sie fungieren somit als Schalter oder Begrenzer, als Schalter dann, wenn sich der zelluläre Zustand ändert und dafür eine Reihe Proteine schnell entsorgt werden müssen, die zu dem neuen Zustand nicht mehr passen. Transkriptionsfaktoren können zwar neue Gene anschalten und so den Zustand einer Zelle verändern, aber nicht gezielt die Proteinreste eines alten Zustandes beseitigen, was aber auch notwendig ist, damit die Zellen vollständig und in definierter Zeit den Zustand umschalten. Als Begrenzer fungieren sie, indem sie die Konzentration der Proteine, welche konstitutiv exprimiert werden, begrenzen. Somit sind viele TRIM-Gene auch Tumorsuppressoren (TRIM46 vielleicht auch). Die Funktion als Schalter auf Proteomebene und die Interaktion mit Proteinen der Signaltransduktion zusammen mit der Lokalisation im Gehirn und insbesondere im Hippocampus, dieser zentralen Struktur für Lernen und Gedächtnis, macht den Ausgang der Verhaltensexperimente erwartungsvoll und spannend. Abbildung 140: Auswahl standardisierter Verhaltenstests für Mäuse. Links das Rotarod für Überprüfung der Motorkoordination. In der Mitte ein 8-Arm-Labyrinth für Lernen und Gedächtnis. Rechts das Wasser-Labyrinth („Water- Maze“), bei dem die Tiere eine unter der Wasseroberfläche verborgene Plattform erreichen müssen, um aus dem Wasser zu kommen. Dazu müssen sich die Tiere an Landmarken wie Tischen, Stühlen orientieren, um die Plattform so im Wiederholungsfalle schneller direkt erreichen zu können.

Zusammenfassung - 147 - In dieser Arbeit wurde eine Microarray-Expressionsanalyse mit dem Ziel durchgeführt, neue Gene mit regionalisierter Expression im cerebralen Cortex der Maus zu finden. Die auf diese Weise gefundenen Gene wurden annotiert und mittels in-situ-Hybridisierung verifiziert. Neben bekannten Genen wurden 26 neue ESTs gefunden, von denen 5 in dieser Arbeit ausführlicher dargestellt wurden. Diese konnten als neue Markergene für die Cortexentwicklung identifiziert werden, die bisher noch gar nicht bzw. nicht für den Cortex veröffentlich sind. Die Befunde sind zum Teil sehr überraschend gewesen und konnten bisherige Annahmen zu den Genen widerlegen. So zeigte das Gen Nse1 eine fast ausschließliche Expression im Gehirn und dort im frontalen Cortex, obwohl es aufgrund seiner bekannten Funktion in der Hefe als ein ubiquitäres Gen postuliert wurde, was allerdings auch längere Zeit verhindert haben mag, dass die Expression dieses Gens bisher genauer untersucht wurde. Mit seiner möglichen Funktion in der Genregulation durch Beeinflussung des Chromatinzustandes ist eine wichtige Rolle in der Gehirnentwicklung anzunehmen, so dass diese Entdeckungen gute Grundlagen weiterer Forschung sein dürften, insbesondere da der frontale Cortex auch beim Menschen für dessen höhere kognitiven Leistungen sowie das soziale Verhalten eine besondere Rolle spielt. In dem Wettstreit der beiden Theorien um die Cortexspezifizierung, dem Protocortex-Modell auf der einen Seite, welches die „Fernprogrammierung“ des Cortex durch einwachsende thalamische Afferenzen annimmt, und dem Protomap-Modell auf der anderen Seite, welches intrinsische Faktoren vorzieht, konnten in dieser Arbeit weitere 2 Gene gefunden werden, die bereits eine intrinsische Identifizierung zulassen. Die Gene ERM (Etv5) und TRIM46 zeigten Expression in ihren speziellen corticalen Arealen bereits vor dem Eintreffen thalamo-corticaler Projektionen zum Stadium E14 und behielten diese bis zum Abschluss der embryonalen Cortexentwicklung bei bzw. weiteten diese darüber hinaus aus. Das Gen TRIM46 wurde für eine detailliertere Analyse ausgewählt, weil es einer bekannten Proteinfamilie angehört, von deren Vertretern viele an Krankheiten auch im Menschen beteiligt sind. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Knock-out-Maus von TRIM46 angefertigt und die Tiere vom embryonalen Stadium E9 an bis zu einem adulten Alter von 10 Monaten hinsichtlich eines Phänotyps untersucht. Hierbei konnte im Gehirn keine offensichtliche morphologische Veränderung festgestellt werden und auch bekannte Markergene blieben in ihrer Expression unverändert, wobei eine solche Markeranalyse allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben kann, sondern nur eine bestimmte Anzahl aus rationalen Motiven ausgewählt wurde. Das Gen zeigte neben dem Gehirn aber auch Expression im Endothel von wachsenden Arterien und anderen Endothelien in der Lunge, der Niere, der Harnblase, dem Darm, dem Innenohr, dem Auge. Hier konnten Abnormitäten in den Tieren festgestellt werden, allerdings mit relativ geringen Penetranzen von einigen Prozent der Geborenen. Es zeigten sich Blutungen mit Entzündungen in der Lunge und in einem Einzelfall erhöhte Glukosespiegel im Urin. Auffälliger waren die Ausbildungen von Tumoren in mehreren der Tiere. Zur genaueren Charakterisierung dieser Vorfälle müssten Langzeitstudien mit einer größeren Tierzahl durchgeführt werden. Auch Versuche zur gezielten Tumorinduktion wären sinnvoll. Ferner besteht Berechtigung zu der Aussicht, dass mit weiter fortschreitendem Alter der Versuchstiere sich noch ein deutlicherer Phänotyp entwickeln kann bzw. die Penetranzen steigen, da – wie in der Diskussion besprochen – mehrere verwandte und Gene ähnlichen Typs erst chronisch über einen längeren Zeitraum zu einem Ausbruch der jeweiligen Defekte führen. Dies kann auf die Funktion dieser Proteine als E3-Ubiquitinligase begründet werden, die andere Proteine über den Abbau im Proteasom regulieren und bei Wegfall dieser Funktion zu einer Akkumulation dieser Zielproteine in den Zellen führen mögen, die irgendwann im Leben der Zellen bzw. Tiere an Toleranzgrenzen stößt. In diesem Zusammenhang wurde auch diskutiert, ob vielleicht eine Überexpression, also „Knock-in“ statt eines Knock-outs zu akuteren Effekten führen würde.

Zusammenfassung<br />

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In <strong>die</strong>ser Arbeit wurde eine Microarray-Expressionsanalyse mit dem Ziel durchgeführt, neue Gene mit<br />

regionalisierter Expression im cerebralen Cortex der Maus zu finden. Die auf <strong>die</strong>se Weise gef<strong>und</strong>enen<br />

Gene wurden annotiert <strong>und</strong> mittels in-situ-Hybridisierung verifiziert. Neben bekannten <strong>Genen</strong> wurden 26<br />

neue ESTs gef<strong>und</strong>en, <strong>von</strong> denen 5 in <strong>die</strong>ser Arbeit ausführlicher dargestellt wurden. Diese konnten als<br />

neue Markergene <strong>für</strong> <strong>die</strong> Cortexentwicklung identifiziert werden, <strong>die</strong> bisher noch gar nicht bzw. nicht <strong>für</strong><br />

den Cortex veröffentlich sind. Die Bef<strong>und</strong>e sind zum Teil sehr überraschend gewesen <strong>und</strong> konnten<br />

bisherige Annahmen zu den <strong>Genen</strong> widerlegen. So zeigte das Gen Nse1 eine fast ausschließliche<br />

Expression im Gehirn <strong>und</strong> dort im frontalen Cortex, obwohl es aufgr<strong>und</strong> seiner bekannten Funktion in der<br />

Hefe als ein ubiquitäres Gen postuliert wurde, was allerdings auch längere Zeit verhindert haben mag,<br />

dass <strong>die</strong> Expression <strong>die</strong>ses Gens bisher genauer untersucht wurde. Mit seiner möglichen Funktion in der<br />

Genregulation durch Beeinflussung des Chromatinzustandes ist eine wichtige Rolle in der<br />

Gehirnentwicklung anzunehmen, so dass <strong>die</strong>se Entdeckungen gute Gr<strong>und</strong>lagen weiterer Forschung sein<br />

dürften, insbesondere da der frontale Cortex auch beim Menschen <strong>für</strong> dessen höhere kognitiven<br />

Leistungen sowie das soziale Verhalten eine besondere Rolle spielt.<br />

In dem Wettstreit der beiden Theorien um <strong>die</strong> Cortexspezifizierung, dem Protocortex-Modell auf der<br />

einen Seite, welches <strong>die</strong> „Fernprogrammierung“ des Cortex durch einwachsende thalamische Afferenzen<br />

annimmt, <strong>und</strong> dem Protomap-Modell auf der anderen Seite, welches intrinsische Faktoren vorzieht,<br />

konnten in <strong>die</strong>ser Arbeit weitere 2 Gene gef<strong>und</strong>en werden, <strong>die</strong> bereits eine intrinsische <strong>Identifizierung</strong><br />

zulassen. Die Gene ERM (Etv5) <strong>und</strong> TRIM46 zeigten Expression in ihren speziellen corticalen Arealen<br />

bereits vor dem Eintreffen thalamo-corticaler Projektionen zum Stadium E14 <strong>und</strong> behielten <strong>die</strong>se bis zum<br />

Abschluss der embryonalen Cortexentwicklung bei bzw. weiteten <strong>die</strong>se darüber hinaus aus.<br />

Das Gen TRIM46 wurde <strong>für</strong> eine detailliertere Analyse ausgewählt, weil es einer bekannten Proteinfamilie<br />

angehört, <strong>von</strong> deren Vertretern viele an Krankheiten auch im Menschen beteiligt sind. Im Rahmen <strong>die</strong>ser<br />

Arbeit wurde eine Knock-out-Maus <strong>von</strong> TRIM46 angefertigt <strong>und</strong> <strong>die</strong> Tiere vom embryonalen Stadium E9<br />

an bis zu einem adulten Alter <strong>von</strong> 10 Monaten hinsichtlich eines Phänotyps untersucht. Hierbei konnte im<br />

Gehirn keine offensichtliche morphologische Veränderung festgestellt werden <strong>und</strong> auch bekannte<br />

Markergene blieben in ihrer Expression unverändert, wobei eine solche Markeranalyse allerdings keinen<br />

Anspruch auf Vollständigkeit haben kann, sondern nur eine bestimmte Anzahl aus rationalen Motiven<br />

ausgewählt wurde. Das Gen zeigte neben dem Gehirn aber auch Expression im Endothel <strong>von</strong> wachsenden<br />

Arterien <strong>und</strong> anderen Endothelien in der Lunge, der Niere, der Harnblase, dem Darm, dem Innenohr, dem<br />

Auge. Hier konnten Abnormitäten in den Tieren festgestellt werden, allerdings mit relativ geringen<br />

Penetranzen <strong>von</strong> einigen Prozent der Geborenen. Es zeigten sich Blutungen mit Entzündungen in der<br />

Lunge <strong>und</strong> in einem Einzelfall erhöhte Glukosespiegel im Urin. Auffälliger waren <strong>die</strong> Ausbildungen <strong>von</strong><br />

Tumoren in mehreren der Tiere. Zur genaueren <strong>Charakterisierung</strong> <strong>die</strong>ser Vorfälle müssten Langzeitstu<strong>die</strong>n<br />

mit einer größeren Tierzahl durchgeführt werden. Auch Versuche zur gezielten Tumorinduktion wären<br />

sinnvoll. Ferner besteht Berechtigung zu der Aussicht, dass mit weiter fortschreitendem Alter der<br />

Versuchstiere sich noch ein deutlicherer Phänotyp entwickeln kann bzw. <strong>die</strong> Penetranzen steigen, da – wie<br />

in der Diskussion besprochen – mehrere verwandte <strong>und</strong> Gene ähnlichen Typs erst chronisch über einen<br />

längeren Zeitraum zu einem Ausbruch der jeweiligen Defekte führen. Dies kann auf <strong>die</strong> Funktion <strong>die</strong>ser<br />

Proteine als E3-Ubiquitinligase begründet werden, <strong>die</strong> andere Proteine über den Abbau im Proteasom<br />

regulieren <strong>und</strong> bei Wegfall <strong>die</strong>ser Funktion zu einer Akkumulation <strong>die</strong>ser Zielproteine in den Zellen<br />

führen mögen, <strong>die</strong> irgendwann im Leben der Zellen bzw. Tiere an Toleranzgrenzen stößt. In <strong>die</strong>sem<br />

Zusammenhang wurde auch diskutiert, ob vielleicht eine Überexpression, also „Knock-in“ statt eines<br />

Knock-outs zu akuteren Effekten führen würde.

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