Identifizierung und Charakterisierung von neuen Genen für die ...

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- 134 - Bei der Annotierung der Gene (siehe ab Seite 32) stellten unter den bereits bekannten Genen die Transkriptionsfaktoren (19 Gene) die größte Einzelfraktion. Bei den unbekannten ESTs waren diese hingegen nur noch die drittgrößte Fraktion (17 Gene). Dies mag daran liegen, dass sich die bisherige Entwicklungsforschung im Gehirn auf vornehmlich Transkriptionsfaktoren konzentrierte und nach solchen gesucht hat. Auffallend bei den ESTs war der hohe Anteil von Genen, die der Signaltransduktion annotierten (24 Gene) in Relation zu den bereits bekannten (7 Gene). Da die Hauptfunktion des Gehirnes und Cortex die Signalverarbeitung ist, wundert es nicht, dass diese Proteinklasse zahlreich vertreten ist. Es könnte sein, dass dieser auch während der Entwicklung eine größere Bedeutung als bisher angenommen im Vergleich mit Transkriptionsfaktoren beizumessen wäre. Andererseits könnte sich darin für das Stadium E18,5 auch eine bereits sich etablierende funktionelle Identität der Cortexregionen niederschlagen als Folge vorhergegangener Determinierungsschritte. Das Stadium E18,5 befindet sich schließlich am Ende der embryonalen Cortexentwicklung, so dass weniger initiierende Gene als von Determinanten abgeleitete Gene (downstream targets) erwartet werden können, die corticale Identitäten nicht mehr wesentlich bestimmen, sondern bestehende weiter zu manifestieren helfen, folglich weniger neue Transkriptionsfaktoren als mehr Effektorproteine wie Signaltransduktoren. Die hohe Anzahl an nicht annotierbaren Sequenzen unbekannter Funktion (26 Gene) bei den ESTs überrascht nicht und stellt für zukünftige Forschungen das größte Potential. Verifizierung der Chip-Daten mittels ISH gibt eine erste Charakterisierung für neu gefundene Gene Die Vorhersagen der Microarray-Experimente wurden durch in-situ-Hybridisierungen verifiziert und weiter spezifiziert. Insgesamt wurden für das Stadium E18,5 ca. 80 ISH gemacht, wobei sich eine Übereinstimmung mit den Chip-Daten zu 70% ergab. Nicht übereinstimmende Gene zeigten entweder gar kein Signal oder nur Hintergrund, d.h. die ISH-Sonde funktionierte nicht, oder ein widersprüchliches Ergebnis, d.h. Expression woanders im Körper nur nicht im Gehirn. Die Ursache hierfür ist einmal in der Konzeption der Microarray-Experimente zu sehen, die ohne statistische Repetitionen angelegt wurden, weil man stattdessen mit ISH im nächsten Schritt filterte. Des Weiteren müssen die für ISH ausgesuchten Sequenzen nicht immer identisch mit den Genabschnitten auf den Chips gewesen sein und z.B. Splicevarianten von Genen können dann gewebsspezifisch unterschiedliche Expressionen zeigen. Oftmals funktionieren bestimmte Sondern auch nicht und man müsste diese optimieren und benachbarte Genabschnitte alternativ wählen. Solche Optimierungen waren aber für jedes einzelne Gen eines Screens zu aufwändig, so dass man sich ökonomisch zunächst auf die funktionierenden konzentrierte. Die Ergebnisse der ISH aller am Cortex-Projekt beteiligten Gruppen wurden in eine Datenbank eingetragen, die bald online zur Expressionskartierung im Cortex der Maus öffentlich zur Verfügung gestellt werden soll. Ein besonderes Augenmerk galt den neu entdeckten ESTs oder bekannten Genen, die bisher noch nicht für das Gehirn und den Cortex charakterisiert worden waren. Mit Fortschreiten der Annotationsmöglichkeiten sank deren Zahl im Laufe der Zeit. In dieser Arbeit sind diejenigen neuen ESTs dargestellt, die für das Stadium E18,5 nach wie vor unbekannt sind und Gegenstand einer Veröffentlichung sein sollen. Klon 137 – Nse1 Klon 137 zeigt eine sehr gute Übereinstimmung zwischen ISH und den Microarray-Vorhersagen. Die Expression ist sehr spezifisch für das Gehirn und regionalisiert im Cortex. Im Körper ist hingegen keine oder kaum eine Expression messbar. Die Microarray-Sequenzen wie auch die ISH-Sonde annotieren zu dem Maus-Homolog des bereits in Mensch und Hefe bekannten Gens Nse1. Auch wenn dieses Gen schon seit einiger Zeit bekannt ist – der erste Eintrag in PubMed datiert auf Juni 2002 – und seit dem über 10

- 135 - Publikationen sich damit beschäftigten, überrascht die Tatsache, dass keinerlei Expressionsdaten in Wirbeltieren bekannt sind. Das Gen ist vielmehr für Hefe charakterisiert (Morikawa H 2004), (Fujioka Y 2002). Möglicherweise ging man angesichts der Expression in einem Einzeller wie Hefe davon aus, dass das Gen eine fundamentale Funktion für eine Zelle bzw. für jede Zelle aufweisen sollte, so dass auch bei einem Vielzeller von einer ubiquitären Expression, die vielleicht lediglich zellzyklusreguliert sein dürfte, auszugehen wäre. Das könnte ein Grund dafür sein, dass bisher noch niemand die Motivation verspürt hat, für das Gen eine Expressionsanalyse in einem Wirbeltier durchzuführen. Umso erstaunlicher ist nun das in unserem Cortex-Screen gefundene Resultat, dass dieses Gen überhaupt nicht ubiquitär vorkommt, sondern ausgezeichnet im Gehirn und Cortex exprimiert ist. Offenbar ist im Verlaufe der Evolution die grundsätzliche Zellfunktion redundant geworden und die Genfunktion konnte sich auf bestimmte Bereiche und Gewebe spezifizieren. Vergleicht man weiter mit den bisher bekannten Funktionsdaten des Proteins in Hefe, so ist allerdings eine Funktion in der Entwicklung sehr nahe liegend. Zu erwähnen wäre eine Publikation (Solmi, De Sanctis et al. 2004), die Nse1 in humaner Colon-Mucosa, sowohl beim Gesunden als auch beim Krebs, festgestellt hat, was die Aussage der reinen Gehirnspezifität etwas einschränkt, allerdings von uns zum Stadium der ISH E14 diese Colon-Mucosa noch nicht nachweisbar war, so dass hier tatsächlich die Gehirnspezifität vorliegt. Nse1 wurde mittels Yeast-Two-Hybrid-Screen als Interaktionspartner des Spr18-Rad18 / Smc5-Smc6 – Genkomplexes gefunden (McDonald, Pavlova et al. 2003). Dieser hat in der Hefe eine essentielle Funktion in DNA-Reparatur-Vorgängen. Smc steht für „structural maintenance of chromosomes“ und umfasst eine Gruppe von 6 Proteinen, die zentrale Rollen für Chromosomen-Dynamik und –Organisation spielen sowie untereinander hochmolekulare Proteinkomplexe bilden können, an denen auch nicht-SMC-Proteine assoziiert sind. Als solche sind die Nse-Proteine benannt als nicht- SMC-Elemente. Bekannte SMC-Komplexe sind Smc2-Smc4 und Smc1-Smc3, die auch als Condensin und Cohesin geläufig sind. In der Zellteilung hält Cohesin die Schwesterchromatiden zusammen und Condensin verdichtet die Chromatinstruktur durch ATPabhängige Einfuhr positiver Supercoils in die DNA-Struktur. Disruption von Condensin führt zu schweren Defekten der Chromosomenkondensation und Segregation (Hirano and Mitchison 1994; Hirano, Kobayashi et al. 1997). Neben der Mitose spielen diese Prozesse eine Rolle bei der X-Inaktivierung und Dosiskompensation sowie dem Gen-Silencing durch Kompaktierung von Chromosomenabschnitten (Martinez-Balbas, Dey et al. 1995). Bei diesen Vorgängen kann es zu Doppelstrangbrüchen in der DNA kommen, wie sie auch durch Strahlung induziert werden können. In beiden Fällen fungiert Rad18 in seinem Proteinkomplex zur Rekombinations- Reparatur der DNA. Diese Genfunktion ist essentiell für die Zellproliferation und Gendefekte verhindern diese. Abbildung 135: Protein-Interaktionspartner von Nse1 (Sergeant, Taylor et al. 2005). Abbildung 134: (© 2004 Garland Science). Einmal mehr zeigt sich hier eine ubiquitäre Funktion für Zellteilungen allgemein. Entsprechend wurde für Rad18 auch eine ubiquitäre Expression in Säugetieren festgestellt mit einer besonders starken Expression im Hodengewebe (Masuyama, Tateishi et al. 2005). Während des Zellzyklus liegt das Maximum der Expression in der S-Phase, jedoch verbleibt eine Restkonzentration auch in anderen Phasen. Die meisten Veröffentlichungen über Smc5-Smc6 beschäftigen sich mit deren Funktion für die DNA- Reparatur. Jedoch wurden kürzlich auch erste Hinweise für eine Funktion in der Genregulation durch Chromatin-Silencing gefunden (van der Laan, Uringa et al. 2004). In Testis wurde die Lokalisation von Rad18 auf transkriptionell inaktivierten Regionen von X- und Y-Chromosomen beobachtet. Denkbar wäre

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Publikationen sich damit beschäftigten, überrascht <strong>die</strong> Tatsache, dass keinerlei Expressionsdaten in<br />

Wirbeltieren bekannt sind. Das Gen ist vielmehr <strong>für</strong> Hefe charakterisiert (Morikawa H 2004), (Fujioka Y<br />

2002). Möglicherweise ging man angesichts der Expression in einem Einzeller wie Hefe da<strong>von</strong> aus, dass<br />

das Gen eine f<strong>und</strong>amentale Funktion <strong>für</strong> eine Zelle bzw. <strong>für</strong> jede Zelle aufweisen sollte, so dass auch bei<br />

einem Vielzeller <strong>von</strong> einer ubiquitären Expression, <strong>die</strong> vielleicht lediglich zellzyklusreguliert sein dürfte,<br />

auszugehen wäre. Das könnte ein Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong> sein, dass bisher noch niemand <strong>die</strong> Motivation verspürt hat,<br />

<strong>für</strong> das Gen eine Expressionsanalyse in einem Wirbeltier durchzuführen.<br />

Umso erstaunlicher ist nun das in unserem Cortex-Screen gef<strong>und</strong>ene Resultat, dass <strong>die</strong>ses Gen überhaupt<br />

nicht ubiquitär vorkommt, sondern ausgezeichnet im Gehirn <strong>und</strong> Cortex exprimiert ist. Offenbar ist im<br />

Verlaufe der Evolution <strong>die</strong> gr<strong>und</strong>sätzliche Zellfunktion red<strong>und</strong>ant geworden <strong>und</strong> <strong>die</strong> Genfunktion konnte<br />

sich auf bestimmte Bereiche <strong>und</strong> Gewebe spezifizieren. Vergleicht man weiter mit den bisher bekannten<br />

Funktionsdaten des Proteins in Hefe, so ist allerdings eine Funktion in der Entwicklung sehr nahe liegend.<br />

Zu erwähnen wäre eine Publikation (Solmi, De Sanctis et al. 2004), <strong>die</strong> Nse1 in humaner Colon-Mucosa,<br />

sowohl beim Ges<strong>und</strong>en als auch beim Krebs, festgestellt hat, was <strong>die</strong> Aussage der reinen Gehirnspezifität<br />

etwas einschränkt, allerdings <strong>von</strong> uns zum Stadium der ISH E14 <strong>die</strong>se Colon-Mucosa noch nicht<br />

nachweisbar war, so dass hier tatsächlich <strong>die</strong> Gehirnspezifität vorliegt.<br />

Nse1 wurde mittels Yeast-Two-Hybrid-Screen als Interaktionspartner<br />

des Spr18-Rad18 / Smc5-Smc6 – Genkomplexes gef<strong>und</strong>en<br />

(McDonald, Pavlova et al. 2003). Dieser hat in der Hefe eine<br />

essentielle Funktion in DNA-Reparatur-Vorgängen. Smc steht <strong>für</strong><br />

„structural maintenance of chromosomes“ <strong>und</strong> umfasst eine Gruppe<br />

<strong>von</strong> 6 Proteinen, <strong>die</strong> zentrale Rollen <strong>für</strong> Chromosomen-Dynamik <strong>und</strong><br />

–Organisation spielen sowie untereinander hochmolekulare<br />

Proteinkomplexe bilden können, an denen auch nicht-SMC-Proteine<br />

assoziiert sind. Als solche sind <strong>die</strong> Nse-Proteine benannt als nicht-<br />

SMC-Elemente. Bekannte SMC-Komplexe sind Smc2-Smc4 <strong>und</strong><br />

Smc1-Smc3, <strong>die</strong> auch als Condensin <strong>und</strong> Cohesin geläufig sind. In<br />

der Zellteilung hält Cohesin <strong>die</strong> Schwesterchromatiden zusammen<br />

<strong>und</strong> Condensin verdichtet <strong>die</strong> Chromatinstruktur durch ATPabhängige<br />

Einfuhr positiver Supercoils in <strong>die</strong> DNA-Struktur.<br />

Disruption <strong>von</strong> Condensin führt zu schweren Defekten<br />

der Chromosomenkondensation <strong>und</strong> Segregation (Hirano<br />

and Mitchison 1994; Hirano, Kobayashi et al. 1997).<br />

Neben der Mitose spielen <strong>die</strong>se Prozesse eine Rolle bei<br />

der X-Inaktivierung <strong>und</strong> Dosiskompensation sowie dem<br />

Gen-Silencing durch Kompaktierung <strong>von</strong> Chromosomenabschnitten<br />

(Martinez-Balbas, Dey et al. 1995). Bei<br />

<strong>die</strong>sen Vorgängen kann es zu Doppelstrangbrüchen in<br />

der DNA kommen, wie sie auch durch Strahlung<br />

induziert werden können. In beiden Fällen fungiert<br />

Rad18 in seinem Proteinkomplex zur Rekombinations-<br />

Reparatur der DNA. Diese Genfunktion ist essentiell <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Zellproliferation <strong>und</strong> Gendefekte verhindern <strong>die</strong>se.<br />

Abbildung 135: Protein-Interaktionspartner<br />

<strong>von</strong> Nse1 (Sergeant, Taylor et<br />

al. 2005).<br />

Abbildung 134: (© 2004 Garland Science).<br />

Einmal mehr zeigt sich hier eine ubiquitäre Funktion <strong>für</strong> Zellteilungen allgemein. Entsprechend wurde <strong>für</strong><br />

Rad18 auch eine ubiquitäre Expression in Säugetieren festgestellt mit einer besonders starken Expression<br />

im Hodengewebe (Masuyama, Tateishi et al. 2005). Während des Zellzyklus liegt das Maximum der<br />

Expression in der S-Phase, jedoch verbleibt eine Restkonzentration auch in anderen Phasen.<br />

Die meisten Veröffentlichungen über Smc5-Smc6 beschäftigen sich mit deren Funktion <strong>für</strong> <strong>die</strong> DNA-<br />

Reparatur. Jedoch wurden kürzlich auch erste Hinweise <strong>für</strong> eine Funktion in der Genregulation durch<br />

Chromatin-Silencing gef<strong>und</strong>en (van der Laan, Uringa et al. 2004). In Testis wurde <strong>die</strong> Lokalisation <strong>von</strong><br />

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