INTELLIGENT MOBIL IN DER KOMMUNE - Toni Hofreiter
INTELLIGENT MOBIL IN DER KOMMUNE - Toni Hofreiter
INTELLIGENT MOBIL IN DER KOMMUNE - Toni Hofreiter
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong><strong>IN</strong>TELLIGENT</strong> <strong>MOBIL</strong> <strong>IN</strong> <strong>DER</strong> <strong>KOMMUNE</strong><br />
Auf dem Weg<br />
in die autofreie Stadt
2<br />
Impressum:<br />
Herausgeber: Dr. <strong>Toni</strong> <strong>Hofreiter</strong> MdB<br />
Autorinnen: Ste Leisenheimer<br />
Rosi Steinberger<br />
Layout, Satz: slius GmbH,<br />
Vicky Heinzl<br />
Druck: Laser-Line GmbH<br />
gedruckt auf 100 % Recyclingpapier<br />
Bildnachweise:<br />
Titelbild: © Steinberger, © Kara@fotolia.de,<br />
© Aniol@fotolia.de, © Vitaly Krivosheev@fotolia.de<br />
Seite 5 © Michaela Runge, © fefufoto@fotolia.de<br />
Seite 6, 16, 19, 22 © Rosi Steinberger<br />
Seite 7 © MVV München<br />
Seite 11 © Münster Poster<br />
Seite 13, 20, 27 © Markus Büchler<br />
Seite 14 © auto.pege.org<br />
Seite 21 © Vicky Heinzl<br />
Seite 24 ©Alternative Kommunalpolitik (AKP)<br />
Seite 26 © VRD@fotolia.de<br />
Seite 25, 29, 30 © autofreiestadt.at<br />
Oktober 2012
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort – Verkehrskollaps in Ballungsräumen<br />
Der ÖPNV in Deutschland allgemein<br />
und speziell in Bayern<br />
ÖPNV – was ist das eigentlich<br />
Finanzierung des ÖPNV<br />
Finanzierung SPNV<br />
Finanzierung übriger ÖPNV<br />
Das GVFG<br />
(Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz)<br />
und das Entflechtungsgesetz<br />
Die Novellierung des<br />
Personenbeförderungsgesetzes (PBefG)<br />
Zukunft der ÖPNV-Finanzierung unsicher<br />
Verbesserung der Situation in den Städten<br />
Klassische „push“- Instrumente<br />
Die City Maut<br />
Die Nahverkehrs- oder Mobilitätsabgabe<br />
Parkraumbewirtschaftung<br />
ÖPNV-Ticket statt Pendlerpauschale<br />
Flankierende Maßnahmen zur<br />
Reduzierung des Verkehrs<br />
Carsharing<br />
Fahrradverkehr<br />
Shared Space<br />
Stadt der kurzen Wege<br />
Tempo 30 als stadtverträgliche Regelgeschwindigkeit<br />
Steigerung der Attraktivität vom ÖPNV<br />
Vision: Autofreie Stadt<br />
3
Verkehrskollaps in Ballungsräumen – was hilft dagegen?<br />
Kommunen in Deutschland stehen vor sehr unterschiedlichen<br />
Herausforderungen. Während ländliche Regionen<br />
von Abwanderung bedroht sind, erfahren Ballungsräume,<br />
um die es im Folgenden hauptsächlich gehen wird,<br />
eine enorme Zuwanderung.<br />
Bereits heute leben – mit steigender Tendenz – mehr<br />
als die Hälft e der Menschen in Ballungsgebieten. Rund<br />
70 Prozent der Treibhausgase entstehen dort und<br />
einige Städte stehen<br />
bereits kurz vor einem<br />
Verkehrskollaps.<br />
Die Kommunen ersti cken<br />
einerseits im Verkehr<br />
und haben andererseits<br />
oft mals nicht mehr die<br />
Mitt el, ihre Straßen und<br />
Brücken in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten.<br />
Lärm, Abgase und Flächenverbrauch verschlechtern die<br />
Lebensbedingungen in den Städten zunehmend.<br />
4<br />
Das Ziel:<br />
Vermeidung, Verringerung und Verlagerung<br />
des motorisierten Individualverkehrs.<br />
Der Öff entliche Personennahverkehr (ÖPNV) leistet in<br />
dieser schwierigen Situati on einen unverzichtbaren<br />
Beitrag dazu, dass Mobilität umwelt- und klimaverträglich<br />
ermöglicht wird.<br />
Die Zukunft der Finanzierung des ÖPNV ist ungewiss.<br />
Die Mitt el, die der Bund dafür bislang zur Verfügung<br />
gestellt hat, laufen in der heuti gen Form 2019 aus.<br />
Wie es weitergeht ist derzeit noch heft ig umstritt en.<br />
Außerdem stellt sich die Frage,<br />
wie dieser ÖPNV eigentlich<br />
organisiert wird. Wer bezahlt<br />
welche Leistung und welche<br />
Möglichkeiten haben die Aufgabenträger<br />
(also die Landkreise<br />
und die Kommunen), den ÖPNV<br />
zu verbessern?<br />
Der ÖPNV kann ein „Rett ungsanker“ sein, wichti ger<br />
ist jedoch, die Menschen mit geeigneten Mitt eln dazu
zu bringen, ihn auch zu nutzen und Konzepte zu<br />
entwickeln, damit z.B. Busse und U-Bahnen nicht aus<br />
allen Nähten platzen. All das geht nur mit ausreichenden<br />
finanziellen Mitteln, auch hier werden wir Ansätze<br />
aufzeigen, mit denen die Kommunen in der Lage sein<br />
werden, für erweiterte Aufgaben im ÖPNV auch Gelder<br />
bereitzustellen.<br />
Wichtig sind für uns Grüne die Ziele, Mobilität zu<br />
ermöglichen und den gesamten Umweltverbund (also<br />
Fuß- und Fahrradverkehr, Bus und Bahn, aber auch Carsharing<br />
und Taxis) zu stärken.<br />
Bei der Vermeidung des Verkehrskollapses geht es<br />
immer auch darum, das Leben in der Stadt lebenswerter<br />
zu machen. Wir wollen Maßnahmen aufzeigen, die<br />
Kindern neuen Platz zum Spielen geben, die Luftqualität<br />
verbessern u.v.a.m.<br />
Vorliegendes Heft kann dazu einige Anhaltspunkte<br />
liefern. Natürlich ist die Situation in Deutschland überall<br />
ähnlich, dennoch werden wir uns im Folgenden mit Beispielen<br />
und Gesetzen meist auf Bayern beschränken.<br />
5
Der ÖPNV in Deutschland allgemein und speziell in Bayern<br />
ÖPNV – was ist das eigentlich<br />
Als öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) wird in<br />
Deutschland der Personenverkehr als Teil des öffentlichen<br />
Verkehrs im Rahmen der Grundversorgung auf<br />
Straße, Schiene und Wasser im Nahbereich bezeichnet.<br />
Er unterteilt sich in den schienengebundenen Personennahverkehr<br />
(SPNV) und den übrigen ÖPNV.<br />
Der SPNV umfasst alle Züge im Nahverkehr: Regional-<br />
Express, Regionalbahn aber auch die S-Bahn.<br />
Zum übrigen ÖPNV gehören Straßenbahnen, Buslinien<br />
und in großen Städten auch U-Bahnen und Stadtbahnen.<br />
Auch Taxis werden zum ÖPNV gerechnet.<br />
Zuständigkeit:<br />
Seit Anfang der 1990er Jahre sind die Länder für den<br />
Nahverkehr verantwortlich. Sie selbst oder von ihnen<br />
Beauftragte (z. B. Zweckverbände) sind die Aufgabenträger<br />
für den SPNV. Die Landkreise und kreisfreien Städte<br />
sind Aufgabenträger für den übrigen ÖPNV.<br />
6<br />
Zentrales Planwerk für den Nahverkehr sollen die Nahverkehrspläne<br />
sein. Sie existieren leider nicht überall<br />
und sie haben bislang auch noch keinen verbindlichen<br />
Charakter.
Der Nahverkehrsplan ist ein<br />
Verkehrsentwicklungsplan speziell für den öffentlichen<br />
Personennahverkehr. Er soll Ziele und<br />
Konzepte des allgemeinen ÖPNV enthalten und<br />
muss mit der Städte- und Landesbauplanung, mit<br />
dem Umweltschutz sowie den Grundsätzen von<br />
Wirtschaft lichkeit und Sparsamkeit abgesti mmt<br />
sein. Der Nahverkehrsplan bildet den Rahmen<br />
für die Entwicklung des allgemeinen öff entlichen<br />
Personennahverkehrs: htt p://gruenlink.de/cxj<br />
Er ist in vielen Ländern vorgeschrieben, in<br />
Bayern allerdings nur eine „Kann“- Besti mmung.<br />
(siehe Art. 13 „Gesetz über den Öff entlichen<br />
Personennahverkehr in Bayern (BayÖPNVG)“)<br />
htt p://gruenlink.de/cxk<br />
Vom bayerischen Verkehrsministerium gibt es eine<br />
Leitlinie zur Erstellung solcher Nahverkehrspläne.<br />
htt p://gruenlink.de/cxl<br />
Einige Städte schreiben ihren Nahverkehrsplan<br />
immer wieder (auch langfristi g) in sog.<br />
Nahverkehrsentwicklungsplänen fort (z.B.<br />
Nürnberg). htt p://gruenlink.de/cxm<br />
Finanzierung des ÖPNV<br />
Die Finanzierung des ÖPNV in Deutschland ist historisch<br />
gewachsen und sehr komplex. Während der Personenfernverkehr<br />
im Prinzip privatwirtschaft lich geregelt ist<br />
und für den Zugbetrieb keine öff entlichen Zuschüsse<br />
bekommt, wird der ÖPNV aus Gründen der Daseinsvorsorge<br />
durch staatliche Zuschüsse gefördert.<br />
Die Finanzierung des ÖPNV erfolgt mit großen Beträgen<br />
durch den Bund. Man unterscheidet zwischen dem<br />
schienengebundenen Personennahverkehr SPNV und<br />
dem übrigen ÖPNV.<br />
Finanzierung SPNV<br />
Zum SPNV gehören alle Regionalzüge und S-Bahnen.<br />
Aufgabenträger sind die Länder. Die Länder erhalten für<br />
den Betrieb so genannte Regionalisierungsmitt el vom<br />
Bund.<br />
7
8<br />
Mit der Bahnreform 1992 wurde die Zuständigkeit<br />
für den SPNV an die Bundesländer übertragen.<br />
Der Bund stellt den Ländern die sogenannten<br />
Regionalisierungsmitt el für die Bestellung von<br />
Zugkilometern zur Verfügung. Genauer geregelt<br />
wird dieser Betrag bzw. dessen Verwendung<br />
im Regionalisierungsgesetz: In Art.6 steht,<br />
dass mit diesen Mitt eln insbesondere der<br />
Schienenpersonennahverkehr zu fi nanzieren ist.<br />
Das Land bzw. die Zweckverbände legen die<br />
Verkehrslinien, den Verkehrsumfang sowie<br />
weitere Kriterien wie Takte und Fahrzeuge<br />
fest. Es gilt das so genannte Bestellerprinzip.<br />
Auf der Basis von Ausschreibungen<br />
ermitt eln sie das preiswerteste<br />
Angebot für eine Vertragslaufzeit (meist<br />
mehr als fünf Jahre). Wer diese Mitt el<br />
erhält, wird also im Wett bewerb entschieden<br />
Die Verkehrsunternehmen im<br />
SPNV erhalten die Regionalisierungsmitt el<br />
vom Staat und – je nach Vertrag – ggf.<br />
zusätzlich die Fahrgelderlöse.<br />
Bayern:<br />
Die Bayerische Eisenbahn-gesellschaft (BEG)<br />
wurde 1995 vom Freistaat Bayern gegründet.<br />
Sie plant und bestellt für das Staatsministerium<br />
für Wirtschaft , Infrastruktur, Verkehr und<br />
Technologie (BStMWIVT) den gesamten SPNV. Das<br />
Wirtschaft sministerium ist gleichzeiti g oberste<br />
Planungsbehörde.<br />
Im Jahr 2012 gab es für den SPNV<br />
bundesweit Mitt el in Höhe von<br />
ca. 7 Mrd. €, nach Bayern ging davon<br />
ca. 1 Mrd. €.<br />
Ende 2013 laufen diese Mitt el<br />
allerdings in der derzeiti gen Form<br />
aus. Im Jahr 2014 soll die künft ige<br />
Höhe der Mitt el, die jährliche<br />
Anpassung, sowie die Verteilung<br />
zwischen den Ländern für Zeiträume<br />
ab 2015 erneut überprüft werden.
Anmerkung: Da die DB-AG immer mehr Strecken aus<br />
dem Fernverkehrsnetz herausgenommen hat, gibt<br />
es den kuriosen Fall, dass z.B. die Strecke München<br />
– Prag als Nahverkehrsverbindung gilt, die über die<br />
Regionalisierungsmitt el bezahlt werden muss.<br />
Finanzierung übriger ÖPNV<br />
Zum übrigen ÖPNV gehören U-Bahnen, Straßenbahnen<br />
und Busse. Aufgabenträger sind die Städte, Gemeinden<br />
und Landkreise. Diese erhalten für Investi ti onen<br />
so genannte GVFG-Mitt el vom Bund und den Ländern<br />
(die Ländermitt el heißen seit 2007 Entf lechtungsmitt el).<br />
Zusätzlich werden noch eigene Landesmitt el an die Aufgabenträger<br />
weiter gereicht, z.B. staatlicher Ausgleich<br />
für Sozialtarife oder Zuschüsse für Tarifverbünde. Kommunen<br />
subventi onieren den ÖPNV häufi g auch durch<br />
gesonderte Zuschüsse oder durch die Verlustabdeckung<br />
innerhalb ihrer Stadtwerke.<br />
Die Verkehrsunternehmen im ÖPNV erhalten Linienmonopole<br />
und bekommen gesetzliche Ausgleichszahlungen<br />
(z.B. für den Schülerverkehr). Im Gegenzug sind die<br />
Unternehmen verpfl ichtet, ein ausreichendes ÖPNV-<br />
Angebot sicherzustellen. Ein Wett bewerb zwischen den<br />
Unternehmen besteht nicht.<br />
EXKURS: Schülerverkehr<br />
Die Organisati on des Schülerverkehrs ist durch<br />
das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) geregelt.<br />
Die Finanzierung des Schülerverkehrs<br />
erfolgt durch Zuschüsse des Staates, der dafür<br />
Ausgleichszahlungen an die Busunternehmen gewährt.<br />
Die Bezuschussung des Schülerverkehrs ist<br />
in ländlichen Gebieten der einzige Garant für ein<br />
annähernd kostendeckendes Linienbusangebot<br />
und die wichti gste öff entliche Bezuschussung<br />
des ÖPNV in der Fläche. Unternehmen verdienen<br />
in erster Linie durch die verbilligten<br />
Schülerfahrkarten. Sie konzentrieren deshalb ihre<br />
Akti vitäten auf diese anspruchslose Gruppe. Da<br />
die gefahrenen Personenkilometer bezuschusst<br />
werden, führt dies häufi g zu langen Strecken,<br />
die nicht zeitopti miert sind, sondern möglichst<br />
viele Kilometer aufweisen. Das ist das absolut<br />
falsche Vorgehen, denn es sollen ja nicht die<br />
Unternehmen „subventi oniert“ werden, sondern<br />
es müsste einen Anreiz geben, dass möglichst viel<br />
ÖPNV angeboten wird.<br />
9
Das GVFG (Gemeindeverkehrsfi nanzierungsgesetz)<br />
und das Entf lechtungsgesetz<br />
Der Bund fi nanziert Investi ti onen in den ÖPNV durch<br />
zwei verschiedene Programme. Es gibt das Bundesprogramm<br />
nach GVFG und das Landesprogramm nach dem<br />
Entf lechtungsgesetz. Die Mitt el speisen sich aus den<br />
Mineralölsteuereinnahmen des Bundes.<br />
10<br />
Das Bundesprogramm fördert ÖPNV-<br />
Schienenverkehrswege in Ballungsgebieten bei<br />
Vorhaben ab 50 Mio. € zuwendungsfähiger Kosten.<br />
Es beinhaltet jährlich ca. 330 Mio. €, davon 252<br />
Mio. € für die Altländer. Der maximale Fördersatz<br />
beträgt 60 % der zuwendungsfähigen Kosten.<br />
Planungs- und Verwaltungskosten sind nicht<br />
zuwendungsfähig.<br />
Das Bundesprogramm ist mehrfach überzeichnet.<br />
Klassisches Beispiel: der zweite S-Bahn-Tunnel in<br />
München (Kostenschätzung: 2,3 Mrd. €) würde den<br />
Großteil der Mitt el für die Altländer verschlingen.<br />
Die Länderwünsche übersteigen die Mitt el des GVFG-<br />
Bundesprogramms deutlich. Wenn der Bund die gewünschten<br />
Finanzhilfen in voller Höhe an die Länder<br />
ausreichen wollte, müsste der Finanzrahmen ab 2012<br />
von gegenwärti g 333 Mio. auf 836 Mio. € pro Jahr erhöht<br />
werden.<br />
GVFG-Bundesprogramm<br />
(bei konstantem<br />
Finanzrahmen)<br />
Alte<br />
Bundesländer<br />
Neue<br />
Bundesländer,<br />
Berlin<br />
Fördersumme<br />
2012-<br />
2019<br />
Förderwünsche<br />
2012-<br />
2019<br />
Diff erenz<br />
2,0 Mrd. € 5,8 Mrd. € 3,8 Mrd. €<br />
644 Mio. € 890 Mio. € 246 Mio. €<br />
Tabelle: Fördersumme – Förderwünsche des<br />
GVFG-Bundesprogramms<br />
Der Bund stellt sich auf den Standpunkt, dass begonnene,<br />
aber bis 2019 nicht abgeschlossene Projekte<br />
von den Ländern zu Ende fi nanziert werden müssen<br />
(Bundestags-Drucksache 17/9678 Nr. 65). Dieses für die<br />
Länder unkalkulierbare Risiko führt schon jetzt dazu,<br />
dass viele im GVFG-Bundesprogramm gelisteten Projekte<br />
fi nanziell in der Luft hängen.
Das Landesprogramm (= Entf lechtungsmitt el) beinhaltet<br />
Zuschüsse von jährlich ca. 1,3 Mrd. €.<br />
Sie werden an die Länder ausgereicht zur<br />
Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den<br />
Kommunen. Die Mitt el fl ießen in Investi ti onen<br />
für den ÖPNV, aber auch in Straßenbau (in<br />
Bayern sind das im Mitt el 65 Prozent). Die Mitt el<br />
für dieses Programm sind ab 2014 nicht mehr<br />
zweckgebunden. Aber viele Länder, u.a. Bayern,<br />
haben sich verpfl ichtet, diese Mitt el auch bis<br />
2019 in Verkehrsinvesti ti onen zu stecken. Wenn<br />
die Zweckbindung für den Verkehr beibehalten<br />
werden soll, muss dies in Ländergesetzen geregelt<br />
werden, wie in einigen Bundesländern bereits<br />
geschehen.<br />
Das zugehörige Entf lechtungsgesetz wurde im Zuge der<br />
Föderalismusreform geschaff en. Es enthält auch die<br />
Prozentsätze, nach denen die 1,3 Mrd. € auf die Länder<br />
verteilt werden. Bayern bekommt 14,7 %, das sind ca.<br />
196 Mio. € pro Jahr.<br />
Das Auslaufen der Entf lechtungsmitt el 2019 hat<br />
übrigens Grundgesetzrang!<br />
Gesetzliche Grundlagen:<br />
Gesetz über den Öff entlichen Personennahverkehr in<br />
Bayern (BayÖPNVG): htt p://gruenlink.de/d4z<br />
Regionalisierungsgesetz: htt p://gruenlink.de/cxn<br />
Entf lechtungsgesetz: htt p://gruenlink.de/cxv<br />
Bayerisches Gemeindeverkehrsfi nanzierungsgesetz:<br />
htt p://gruenlink.de/cxx<br />
11
Die Novellierung des Personen-<br />
beförderungsgesetzes (PBefG)<br />
Am 01.01.2013 tritt die Novelle des PBefG in Kraft.<br />
Die Novellierung passt das deutsche Recht an die<br />
EU-Verordnung an.<br />
Es geht vor allem um die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge,<br />
Eigenerbringung und Direktvergabe.<br />
Beim ÖPNV gilt weiterhin der Vorrang eigenwirtschaftlicher<br />
Verkehre, das heißt Verkehr ohne öffentliche<br />
Zuschüsse. Das unternehmerische Betätigungsfeld<br />
insbesondere für das mittelständisch geprägte Omnibusgewerbe<br />
ist somit gesichert. Gleichzeitig wird die<br />
Aufgabenverteilung von Aufgabenträger und Genehmigungsbehörde<br />
neu strukturiert, wobei die Rolle der<br />
Auftragsgeber (also der Kommunen) gestärkt wurde.<br />
Außerdem wird in der Gesetzesnovelle die Barrierefreiheit<br />
gestärkt: Vom Ziel vollständiger Barrierefreiheit<br />
darf nach einer Übergangfrist bis 2022 nur noch in<br />
begründeten Ausnahmen abgewichen werden.<br />
Der Buslinienfernverkehr wird freigegeben. Zukünftig<br />
sind überall in Deutschland Fernbuslinien möglich, die<br />
untereinander und auch mit dem Eisenbahnfernverkehr<br />
konkurrieren dürfen. Damit wird es ein völlig neues<br />
12<br />
öffentliches Verkehrsangebot geben, das sich insbesondere<br />
an preissensible Kunden richten wird, denen<br />
Bahnfahren oft zu teuer ist.<br />
Personenbeförderungsgesetz: http://gruenlink.de/cxj<br />
Zukunft der ÖPNV-Finanzierung unsicher<br />
Die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs<br />
(ÖPNV) steht vor entscheidenden Weichenstellungen.<br />
Gleich zwei tragende Säulen für die Finanzierung der<br />
kommunalen Verkehrsinfrastruktur drohen wegzubrechen.<br />
Das GVFG-Bundesprogramm zur Förderung<br />
der kommunalen Schieneninfrastruktur mit jährlich<br />
330 Mio. € läuft 2019 aus. Gleichzeitig enden auch die<br />
Bundeszuschüsse für die entsprechenden Landesprogramme,<br />
deren Zweckbindung für den Verkehr schon<br />
zum 1. Januar 2014 entfällt, sofern die Länder nichts<br />
anderes beschließen. Das heißt, zurzeit ist noch völlig<br />
ungeklärt, wie es mit der Finanzierung des ÖPNV nach<br />
2019 weitergeht.<br />
Das Auslaufen der Bundes- und Länderprogramme<br />
wurde damit begründet, dass die Infrastruktur für den<br />
öffentlichen Verkehr bis 2019 weitgehend fertig gestellt<br />
sei. Völlig ausgeblendet wird dabei der erhebliche Bedarf<br />
für Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen, der in den<br />
nächsten Jahren sogar weiter ansteigen wird.
Weitere Kritikpunkte:<br />
• Die Förderung nach GVFG erfolgt ausschließlich über<br />
eine Investitionsförderung. Das hat den großen Nachteil,<br />
dass Kommunen zu überdimensionierten Strukturen<br />
verleitet werden, ohne auf die Folgekosten zu<br />
achten.<br />
• Fehlende Förderung des Betriebs führt zur Vernachlässigung<br />
bestehender Strecken bei gleichzeitig<br />
hohen Investitionen in neue Strecken.<br />
• Für Mittelstädte und den ländlichen Raum bleibt<br />
kaum Geld übrig. Der weitaus überwiegende Anteil<br />
der Fördergelder (etwa 80 Prozent)<br />
fließt in die Ballungsräume, da dort<br />
die großen Investitionsvorhaben und<br />
Prestigeprojekte realisiert werden.<br />
• Die ersatzlose Streichung der GVFG-<br />
Mittel würde in vielen Städten und<br />
Regionen die Zukunft des ÖPNV gefährden.<br />
Deshalb ist ein Ersatz für das GVFG<br />
notwendig. Denkbar wäre ein höherer<br />
Mineralölsteueranteil, der den Ländern<br />
als Kompensation (ggf. zweckgebunden)<br />
zufließt.<br />
Grüne Vorstellungen:<br />
Dieser Bahnhof lädt nicht zum<br />
Bahnfahren ein<br />
• Sicherstellung einer Finanzierung des ÖPNV durch<br />
Bundeszuschüsse auch nach 2019, ggf. ergänzt durch<br />
Mittel wie City-Maut, Nahverkehrsabgabe etc.<br />
• Mehr Wettbewerb auch bei der Verteilung von GVFG<br />
Mitteln, d.h. auch hier sollten die gefahrenen Strecken<br />
finanziert werden und nicht die Investitionen,<br />
ähnlich wie das Bestellerprinzip bei den Regionalisierungsmitteln<br />
• Sämtliche ÖPNV-Fördermittel müssen gebündelt<br />
werden, durch das „Wirrwarr“ der Förderungen geht<br />
leicht der Überblick verloren.<br />
• Keine Förderung von teuren Prestigeprojekten,<br />
sondern Förderung nur zur<br />
realen Verbesserung der Daseinsvorsorge.<br />
• Vorstellbar sind bei der Förderung auch<br />
Modelle, wo die belohnt werden, die<br />
den höchsten Zuwachs an Fahrgästen<br />
oder auch die höchste Zufriedenheit<br />
vorweisen können (im Sinne einer Leistungs-<br />
und Finanzierungsvereinbarung).<br />
13
• Open Data, d.h. öffentliche Bekannmachung der Zahlen,<br />
mit denen Förderwürdigkeiten errechnet werden.<br />
• Das Kosten-Nutzen-Verhältnis (NKV) zur Bewertung<br />
einzelner Infrastrukturmaßnahmen, wo die Kosten<br />
dem erwarteten volkswirtschaftlichen Nutzen gegenübergestellt<br />
werden, muss klarer und nachvollziehbarer<br />
strukturiert werden.<br />
• Die standardisierte Bewertung, mit der Projekte bewertet<br />
werden, die über 50 Mio. € zuwendungsfähige<br />
Kosten übersteigen, muss reformiert werden und<br />
öffentlich nachvollziehbar sein.<br />
14<br />
Verbesserung der Situation<br />
in den Städten<br />
Bislang ist klar geworden: Die Kommunen ersticken<br />
einerseits im Verkehr und haben andererseits oftmals<br />
nicht mehr die Mittel, ihre Straßen und Brücken in<br />
einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten. Lärm,<br />
Abgase, Flächenverbrauch und dazu noch Tote und Verletzte<br />
verschlimmern den kommunalen Verkehrskollaps:<br />
höchste Zeit da gegenzusteuern.<br />
Die finanzielle Situation der meisten Kommunen in<br />
Deutschland ist als schlecht zu bezeichnen.<br />
Die rechtliche Situation ist unsicher, da einerseits noch<br />
niemand weiß, wie es mit der Finanzierung des ÖPNV<br />
ab 2019 weitergeht und andererseits die Erhebung von<br />
eigenen Gebühren seitens der Kommunen rechtlich<br />
noch nicht geklärt ist.<br />
Was also tun? Den Kopf in den Sand stecken und abwarten<br />
oder einfach immer neue Gelder in unsinnige<br />
Straßenprojekte investieren? Das kann beides nicht die<br />
Lösung sein.<br />
Wir meinen, die einzige Lösung für die Entlastung der<br />
Städte ist ein besserer ÖPNV in Verbindung mit mehr
Fuß- und Fahrradverkehr um damit letztlich nicht nur<br />
den Verkehrskollaps abzuwenden, sondern das Leben in<br />
den Innenstädten wieder lebenswerter zu machen.<br />
Das Gemeindeverkehrsplanungsgesetz:<br />
Als Ausweg aus dem kommunalen<br />
Verkehrschaos hat das Umweltbundesamt einen<br />
Gesetzesentwurf vorgestellt, nämlich den des<br />
Gemeindeverkehrsplanungsgesetzes (GVPIG):<br />
htt p://gruenlink.de/cy9<br />
Eine nachhalti ge Verbesserung der gesamten<br />
Verkehrssituati on könne laut UBA nur über<br />
Gesamtverkehrskonzepte erreicht werden: Heute<br />
prakti zierte, oft informale, Verkehrsplanungen haben<br />
keine Durchsetzungskraft . Es wird zu viel für<br />
die einzelnen Verkehrsmitt el unabhängig voneinander<br />
geplant. Die Gemeinden müssten also verpfl<br />
ichtet werden, einen Verkehrsplan aufzustellen,<br />
der verbindliche Immissionsgrenzwerte festlegt<br />
und - und das ist das wichti gste - auch ordnungsrechtliche<br />
Vollzugsinstrumente und fi nanzielle<br />
Mitt el dafür festlegt bzw. bereitstellt.<br />
Um das zu erreichen ist eine Reihe von Maßnahmen<br />
sinnvoll. Welche, das ist je nach Ausgangslage in den<br />
Kommunen sehr unterschiedlich: meist wird das Beste<br />
ein Mix aus verschiedenen Instrumenten sein. Nur,<br />
wenn der ÖPNV mehr Menschen anzieht (pull) und<br />
gleichzeiti g das Autofahren unatt rakti ver wird (push),<br />
kann es gelingen, hier neue Kräft e zu entf alten. Die Mittel,<br />
um den Autoverkehr unatt rakti ver zu machen, sind<br />
im Falle von Gebühren auch solche, die den Kommunen<br />
fi nanzielle Mitt el zur Förderung des ÖPNV einbringen.<br />
Somit werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.<br />
Push-Maßnahmen, z.B.:<br />
• Gebührenerhebung (Maut, Parkgebühren, Abgaben etc.).<br />
• Parkraumreduzierung zusammen mit einer entsprechenden<br />
Parkraumbewirtschaft ung und generelle<br />
Zufahrtsbeschränkungen mit Straßenbenutzungsgebühren.<br />
• Gezielte Geschwindigkeitsbeschränkungen.<br />
• Umverteilung der Straßenfl ächen mit einer Gewichtung<br />
auf den öff entlichen Verkehr, d. h. mehr Bus-<br />
spuren sowie eine privilegierte Signalsteuerung für<br />
den ÖPNV und den Umweltverbund.<br />
15
Pull-Maßnahmen, z.B.:<br />
• Erstellung eines fl ächendeckenden Radverkehrsnetzes<br />
und eines att rakti ven Fußwegenetzes.<br />
• Vorrangstellung für Bus und Bahn mit häufi ger<br />
Bedienung.<br />
• Hoher Warte- und Fahrkomfort und geringe Umsteigehäufi<br />
gkeit sowie Park & Ride sowie Bike & Ride.<br />
• Beteiligung der Öff entlichkeit an der Planung des<br />
ÖPNV-Netzes auf Basis von Nahverkehrsplänen.<br />
• Übersichtliche Fahrplaninformati onen und Kostengestaltung.<br />
16<br />
Wir fordern außerdem<br />
einen anderen rechtlichen<br />
Rahmen für die<br />
Ausgestaltung des Verkehrs<br />
in der Kommune,<br />
dazu zählen eine Fortsetzung<br />
der Finanzierung,<br />
die Neuausrichtung des<br />
PBefG und verlässliche<br />
Nahverkehrspläne.<br />
Ein umstritt enes pull-Instrument:<br />
„Freier ÖPNV für alle“<br />
„Was nichts kostet, ist nichts wert!“ – mit diesem<br />
Argument müssen sich alle BefürworterInnen<br />
eines kostenlosen ÖPNV immer zuerst auseinandersetzen.<br />
Ein kostenfreier ÖPNV würde in<br />
der Tat eine Menge Probleme mit sich bringen.<br />
Zum einen werden sicherlich die öff entlichen<br />
Nahverkehrssysteme verstärkt genutzt, ggf. bis<br />
über die Leistungsfähigkeit der Systeme hinaus.<br />
Zum andern ist die Gegenfi nanzierung umstritt en.<br />
Im belgischen Hasselt jedoch hat sich das System<br />
„kostenloser ÖPNV“ sehr gut bewährt.<br />
Unsere Forderung: Wir fordern einen freien ÖPNV<br />
für alle Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre, mindestens<br />
aber für Kinder bis 14, wenn sie gemeinsam<br />
mit ihren Eltern oder Großeltern unterwegs<br />
sind.<br />
Zu Hasselt siehe htt p://gruenlink.de/3jn
Klassische „push“- Instrumente<br />
Um den ÖPNV zu stärken gibt es einige Maßnahmen,<br />
die die Menschen Richtung ÖPNV bewegen, nämlich die<br />
push- und die pull-Instrumente. Pull-Instrumente sind<br />
dabei alle jene Mittel, die die Attraktivität des ÖPNV<br />
(einschließlich Fahrrad- und Fußgängerverkehr) selber<br />
steigern.<br />
Push Instrumente dagegen sind all jene Mittel, die den<br />
Autoverkehr tendenziell unattraktiver machen und die<br />
Menschen daher zur Nutzung alternativer Verkehrsmittel<br />
motivieren. Auf den letzten Seiten wurden dabei<br />
schon einige genannt, wie Geschwindigkeitsbeschränkungen,<br />
Streichung von Durchgangsverkehren, Flächenumverteilungen<br />
etc. In diesem Kapitel beschränken<br />
wir uns jedoch auf jene Methoden, die gleichzeitig den<br />
Kommunen Gelder einbringen.<br />
Die City Maut<br />
Mit City Maut wird die Erhebung von Gebühren für die<br />
Nutzung innerstädtischer Straßen bezeichnet. Hierfür<br />
spricht eine Reihe von praktischen Gründen, allerdings<br />
gibt es gegen die City Maut Widerstände.<br />
Lärm, Pendlerpauschale und hohe Grundstückspreise in<br />
der Stadt lassen immer mehr Menschen in die Vororte<br />
ziehen, mit dem Auto zur Arbeit fahren und schließlich<br />
die Städte im Verkehr versinken. Bisherige Maßnahmen<br />
dies zu verändern, führten nicht zum erwünschten<br />
Erfolg. Die City Maut könnte nun helfen, wenigstens das<br />
Verkehrsaufkommen in den Städten zu begrenzen.<br />
Die City Maut dient nicht nur als Push-Instrument und<br />
zur Einnahmeverbesserung für Kommunen, sie sorgt zusätzlich<br />
für sauberere Luft in den Städten. Dank weniger<br />
Staus fließt der Verkehr besser, was Unfälle reduziert,<br />
Verletzte und Tote vermeidet und noch dazu die Lärmbelästigung<br />
vermindert.<br />
Wer ist jedoch für die Einführung der City Maut<br />
zuständig?<br />
In Deutschland wird immer wieder darüber diskutiert,<br />
wer sich für die Einführung einer City Maut aussprechen<br />
könnte bzw. wer darüber letztendlich entscheiden darf.<br />
In der Antwort unserer Kleinen Anfrage vom<br />
19. Mai 2009 heißt es nun ganz offiziell von der Bundesregierung,<br />
dass „die Länder in eigener Zuständigkeit<br />
eine City Maut für Kommunal- und Landesstraßen<br />
einführen“ können.<br />
17
18<br />
Exkurs: Umweltzone<br />
2006 wurde im Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />
nach der Erstellung eines Luft reinhalteplanes die<br />
Möglichkeit geschaff en, bei Überschreitung der<br />
Grenzwerte eine Umweltzone, innerhalb derer<br />
nur schadstoff arme Autos fahren dürfen, einzuführen.<br />
Mit Hilfe dieser Umweltzonen sollen die<br />
gesundheitsgefährdenden Feinstaub-Emissionen<br />
eingedämmt werden.<br />
Die Grenzen der Umweltzonen sind in den Städten<br />
oft mals solche, die ggf. bei einer City Maut ebenfalls<br />
Verwendung fi nden könnten. Nicht zuletzt<br />
deshalb ist es positi v zu bewerten, dass sich<br />
immer mehr Kommunen in Deutschland für eine<br />
Umweltzone entscheiden.<br />
htt p://gruenlink.de/cyb<br />
htt p://www.umweltbundesamt.de/umweltzonen/<br />
Die Nahverkehrs- oder Mobilitätsabgabe<br />
Eine Nahverkehrsabgabe erhebt Beiträge, die zweckgebunden<br />
für den ÖPNV verwendet werden müssen. Sie<br />
ist zwar nach kommunalem Recht prinzipiell schwierig,<br />
sei aber dennoch möglich, sagen die Einen, Andere<br />
fordern vorab gesetzliche Anpassungen.<br />
Es gibt verschiedene Modelle, wer eine Nahverkehrsabgabe<br />
zahlen sollte. So gibt es Modelle, wo der<br />
Arbeitgeber zahlt, es gibt Überlegungen, dass alle<br />
BewohnerInnen einer Kommune sie zahlen (etwa als<br />
„ÖPNV“-Cent) oder auch z.B. nur die FahrzeughalterInnen<br />
einer Kommune, beispielsweise bei der Zulassung<br />
ihres Fahrzeuges.<br />
Möglich wäre eine solche Abgabe auch bei der Neuausweisung<br />
von Baugebieten, als Naherschließungsabgabe.<br />
Dieses Modell könnte angelehnt werden an die<br />
Beitragserhebung für die technische Infrastrukturerschließung,<br />
also Wasser, Straße und Kanalisati on. Vorteil:<br />
Es wäre möglich, mit der ÖPNV-Erschließung eines<br />
Neubaugebietes eine direkte Gegenleistung zu schaff en.<br />
Weiterhin gibt es die Überlegung, diese Abgabe entweder<br />
prozentual vom Einkommen (als Steuerzuschlag)<br />
oder als Pauschale zu erheben.
Als Gegenzug für die Nahverkehrsabgabe ist auch<br />
eine sog. Verkehrsflatrate denkbar – das kann bis hin<br />
zu einem Gratis-Angebot gehen, kann aber auch auf<br />
die Möglichkeit beschränkt werden, dass Bewohner-<br />
Innen der Stadt besonders günstige Monats- oder<br />
Jahreskarten kaufen können.<br />
Modelle einer Nahverkehrsabgabe in anderen europäischen<br />
Ländern:<br />
Die Wiener U-Bahn-Steuer gilt als vorbildlich. Die<br />
französische Nahverkehrsabgabe deckt mittlerweile<br />
angeblich sogar ein Drittel der gesamten französischen<br />
ÖPNV-Kosten. In der Schweiz wird verstärkt<br />
eine Mobilitätsabgabe diskutiert.<br />
Parkraumbewirtschaftung<br />
Die Parkraumbewirtschaftung umfasst alle Maßnahmen<br />
zur Steuerung des Parkplatzangebotes, d.h. es kann<br />
Dauerparkbeschränkungen geben, Parkgebühren, Anwohnerparkplätze,<br />
Kurzparkzonen (Brötchentaste) und<br />
vieles mehr.<br />
Wichtig ist dabei die Überwachung der Regelungen. Neben<br />
Einnahmen für die Stadt soll damit auch die Attraktivität<br />
des Autoverkehrs gesenkt werden - bei gleichzeitiger<br />
Verbesserung der Situation für Anrainer.<br />
Rechtsgrundlage für die<br />
Parkraumbewirtschaftung<br />
ist das Straßenverkehrsgesetz<br />
StVG sowie insbesondere<br />
der § 45 der Straßenverkehrsordnung<br />
StVO.<br />
Dieser regelt, dass die<br />
Straßenverkehrsbehörde<br />
aus Gründen der Sicherheit<br />
oder Ordnung des Verkehrs<br />
entsprechende Maßnahmen<br />
anordnen kann.<br />
Parkgebühren müssen<br />
daher immer verkehrlich<br />
begründet sein und solche, die offensichtlich dazu da<br />
wären zusätzliche Einnahmen für den Haushalt zu erzielen,<br />
wären als „Parksteuer“ nicht rechtens.<br />
Wir fordern hier eine Änderung der Regelungen und<br />
wollen – wie z.B. auch in Wien – die Parkgebühren zu<br />
100 Prozent für die Förderung des ÖPNV verwenden.<br />
Einen informativen Flyer zur Parkraumbewirtschaftung<br />
hat Berlin 2008 herausgebracht: http://gruenlink.de/cyb<br />
Ein weiteres gut dokumentiertes Beispiel des Parkraummanagementes<br />
findet sich in München: http://gruenlink.de/cyk<br />
19
ÖPNV-Ticket statt Pendlerpauschale<br />
Seit 2004 gibt es die Entfernungspauschale(Pendlerpauschale),<br />
die für alle<br />
Verkehrsmittel gilt, wobei<br />
0,30 € je Kilometer angesetzt<br />
werden.<br />
Auch wenn die Pendlerpauschale<br />
mittlerweile<br />
eine unabhängig von<br />
der Wahl des benutzten<br />
Verkehrsmittels gewährte<br />
Entfernungspauschale ist,<br />
wird sie doch immer wieder<br />
kritisiert.<br />
So meint auch das Umweltbundesamt,<br />
die Abschaffung<br />
der Pendlerpauschale<br />
führe zu einer erheblichen<br />
Verminderung des Verkehrsaufkommens<br />
und<br />
sei somit eine politisch<br />
sinnvolle Maßnahme.<br />
20<br />
Übrigens: Die erste Parkuhr ging 1935 in Oklahoma<br />
City in Betrieb!<br />
Das sehen wir langfristig auch<br />
so, allerdings verlangen diejenigen<br />
PendlerInnen, die sich auf<br />
die Pauschale verlassen haben,<br />
berechtigterweise nach einem<br />
Nachteilsausgleich.<br />
Wir könnten uns daher vorstellen<br />
die Pendlerpauschale entweder<br />
nach Art des Verkehrsmittels<br />
zu staffeln oder sie komplett in<br />
eine ÖPNV-Pauschale umzuwandeln.<br />
Zu prüfen ist hier allerdings<br />
die Frage nach dem Gebot der<br />
Gleichbehandlung.<br />
In Österreich zum Beispiel kann<br />
man die Pendlerpauschale unter<br />
20 km nur beantragen, wenn<br />
die „Benutzung eines öffentlichen<br />
Verkehrsmittels nicht<br />
möglich oder nicht zumutbar“<br />
ist. Diese Zumutbarkeit ist genau<br />
definiert:
Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist<br />
genau dann nicht zumutbar wenn:<br />
• zumindest auf dem halben Arbeitsweg kein öffentliches<br />
Verkehrsmittel verkehrt,<br />
• eine starke Gehbehinderung dauernd vorliegt oder<br />
• bestimmte Wegzeiten überschritten werden.<br />
Flankierende Maßnahmen zur<br />
Reduzierung des Verkehrs<br />
Hier werden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt,<br />
die Menschen in den ÖPNV zu „ziehen“, also die vorher<br />
bereits erwähnten „pull“-Instrumente. Wir fassen den<br />
Begriff hier allerdings bewusst weiter, denn nicht nur<br />
Busse und Bahnen, sondern auch alle anderen Möglichkeiten<br />
wie Förderung von Carsharing, Fahrrädern etc.<br />
verbessern ja die Situation in den Kommunen.<br />
Im Mittelpunkt soll nicht nur der Verkehr in den Städten<br />
stehen, sondern letztlich die Lebenssituation der Menschen,<br />
die dort wohnen.<br />
Carsharing<br />
Neben dem öffentlichen Personenverkehr mit Bus und<br />
Bahn, Fahrrad und zu Fuß gehen, wird das Carsharing<br />
häufig als die vierte Säule des sog. Umweltverbundes<br />
bezeichnet. Durchschnittlich teilen sich laut UBA derzeit<br />
35 NutzerInnen ein Carsharing-Auto. Die Nutzung von<br />
CarSharing-Autos ist wesentlich effizienter: Carsharing-<br />
Fahrzeuge werden zu 20% bis 35% der Zeit genutzt,<br />
private PKW dagegen zu weniger als 4%.<br />
Carsharing ist eine gute Möglichkeit um CO 2 einzusparen<br />
aber auch um den Flächenverbrauch im ruhenden<br />
Verkehr zu reduzieren. Jedes Carsharing Auto ersetzt<br />
vier bis acht private PKWs – außerdem sind diese Autos<br />
im Durchschnitt kleiner, neuer und folglich sparsamer<br />
im Verbrauch.<br />
21
Eine Reihe von Problemen muss aus dem Weg geräumt<br />
werden, um Carsharing attraktiver zu machen.<br />
• Es gibt noch keine gesetzliche Grundlage für Carsharing<br />
Stationen im öffentlichen Raum, d.h. die Anbieter<br />
finden oftmals schwer Abstell- bzw. Wechselplätze<br />
für die Autos.<br />
• E-mobile sind für Carsharing Anbieter momentan<br />
kaum einsetzbar, da die elektrischen Lademöglichkeiten<br />
schwer kalkulierbar sind.<br />
• Tarifsysteme müssen übersichtlich, gerecht und nachvollziehbar<br />
sein, um möglichst viele NutzerInnen zu<br />
gewinnen.<br />
Viele Anbieter von Carsharing haben sich im Bundesverband<br />
Carsharing e.V. (bcs) organisiert.<br />
http://www.carsharing.de/.<br />
In Zukunft ist Carsharing gerade im gewerblichen Bereich<br />
eine Option.<br />
Spannend zu beobachten ist, wie sich die erste private<br />
carsharing Plattform entwickelt: http://www.tamyca.de/.<br />
Hier können Menschen privat ihr Auto zur Verfügung<br />
stellen: wer es gerade braucht kann es mieten. Man<br />
kann dabei kartenbasiert suchen, wo Autos in der<br />
Umgebung zu welchen Konditionen angeboten werden.<br />
22<br />
Sowohl Vermieter als auch Mieter werden über eine<br />
Versicherung, die der Mieter zu zahlen hat, geschützt<br />
und können sich gegenseitig bewerten.<br />
Fahrradverkehr<br />
Fahrräder sind eigentlich DAS Verkehrsmittel der Städte:<br />
wer radelt bewegt sich, lebt dadurch gesünder und hat<br />
mehr Spaß, ist flexibel, kennt keine Parkplatzsuche, ist<br />
bei Kurzstrecken innerhalb der Städte meist schneller<br />
als mit dem Auto oder mit Öffentlichen, ist sicherer unterwegs<br />
als Autofahrer, erlebt die Umgebung bewusster,<br />
spart Geld, schont das Klima und ist mehr oder weniger<br />
lautlos! Dennoch fahren immer noch viel zu viele Menschen<br />
innerstädtische Kurzstrecken mit dem Auto. Das<br />
Fahrradfahren muss also noch stark gefördert und der<br />
„Umstieg“ erleichtert werden.
Unsere Grünen Forderungen:<br />
• Nutzerfreundlicher Fahrradtransport in der Bahn und<br />
im ÖPNV.<br />
• Förderung der Verleihsysteme.<br />
• Aufnahme von Fahrradanhängern in Leihsystemen<br />
(z.B. für den Großeinkauf).<br />
• Beleuchtung der Fahrradwege, soweit sinnvoll.<br />
• Flächendeckendes Fahrradnetz mit att rakti ven, sicheren<br />
und schnellen innerstädti schen Verbindungen.<br />
• Sichere Kreuzungsführungen.<br />
• Überdachte und diebstahlsichere Abstellplätze für<br />
Fahrräder.<br />
• Bike&Ride-Systeme.<br />
Gute Beispiele in anderen Ländern zeigen, dass in<br />
Deutschland eindeuti g noch zu wenig für die Förderung<br />
des Fahrradverkehrs getan wird.<br />
Gelungene Akti onen und Kampagnen beschreibt der<br />
ADFC (auch zum Nachahmen) auf seiner Homepage:<br />
htt p://gruenlink.de/cyl<br />
Viel zu lesen gibt es auf der Seite “Nati onaler Radverkehrsplan”<br />
des Bundesverkehrsministeriums:<br />
htt p://www.nati onaler-radverkehrsplan.de/<br />
EXKURS: Pedelec (Pedal Electric Cycles)<br />
Viele Leute meiden das Fahrrad, weil sie zum<br />
Beispiel nicht verschwitzt am Arbeitsplatz ankommen<br />
wollen oder weil sie bergige Strecken<br />
scheuen. Das sind klassische Situati onen, wo ein<br />
elektrisch unterstütztes Fahrrad seine Vorteile<br />
ausspielt. Natürlich sollte die Energie, die man ins<br />
Rad einspeist aus regenerati ven Quellen kommen.<br />
Ein Gegenargument sind für viele die Akkus, die<br />
die Umwelt in ihrer Herstellung belasten. Im<br />
Vergleich zum Auto sind diese Belastungen allerdings<br />
so gering, dass wir die Pedelecs für eine<br />
gute Alternati ve halten und wünschen, dass diese<br />
in Verleihsysteme einbezogen werden. Gerade<br />
hinsichtlich des demografi schen Wandels können<br />
wir davon ausgehen, dass immer mehr ältere<br />
Menschen die elektrische Unterstützung beim<br />
Radeln nutzen werden. Siehe hierzu auch:<br />
htt p://www.e-radkaufen.de/<br />
23
Shared Space<br />
Bei Shared Space wird weitgehend auf Verkehrsschilder,<br />
Markierungen und Ampeln verzichtet. Dadurch wird<br />
erreicht, dass sich der Autoverkehr rücksichtsvoller ins<br />
menschliche Miteinander aus Fußgängern, Radfahrern<br />
und spielenden Kindern einfügt. Die Verkehrssicherheit<br />
und die Aufenthaltsqualität auf öffentlichen Plätzen<br />
erhöhen sich. Die scheinbare Unsicherheit führt zur<br />
Entschleunigung des Verkehrs.<br />
Die Kernidee von Shared Space: Verkehrsregeln sollen<br />
durch soziale Regeln ersetzt werden. Das Verhältnis<br />
der Verkehrsteilnehmer soll durch<br />
Blickkontakt so verändert werden,<br />
dass die Rücksichtnahme steigt. So<br />
gilt „ständige Vorsicht und gegenseitige<br />
Rücksicht“, wie im § 1 der StVO<br />
gefordert.<br />
Erste praktische Erfahrungen in<br />
Bohmte, einer kleinen Gemeinde<br />
mit 13.600 Einwohnern unweit von<br />
Osnabrück, sind durchaus positiv,<br />
genauso wie bei Shared-Space-Projekten<br />
im Ausland. Wissenschaftliche<br />
Analysen stehen allerdings noch aus.<br />
24<br />
Ein „aufgeräumtes“ Straßenbild trägt entscheidend zur<br />
Verkehrssicherheit bei, weil es für gute Sichtbeziehungen<br />
sorgt. Gute Sichtbeziehungen lassen sich am besten<br />
erreichen, indem der ruhende Verkehr fast vollständig<br />
verbannt wird. Angenehmer Nebeneffekt: Die neue<br />
Übersichtlichkeit trägt auch zur Verbesserung der Straßenraumgestaltung<br />
und damit Erhöhung der Lebensqualität<br />
bei.<br />
Vorteil für den Einzelhandel: Besonders kleine Gemeinden,<br />
deren Geschäfte zum Teil vom Durchgangsverkehr<br />
abhängen, brauchen nicht befürchten, dass die Kunden<br />
wegbleiben, weil der<br />
Autoverkehr nicht durch<br />
eine teure Umgehungsstraße<br />
verlagert wird. Ein<br />
baufertiges Konzept gibt<br />
es jedoch nicht. Jedes<br />
Problem vor Ort braucht<br />
eine maßgeschneiderte<br />
Lösung, die sich an den<br />
räumlichen Verhältnissen<br />
orientiert.<br />
WICHTIG: Bei der Planung<br />
von Shared Space sollten<br />
immer die örtlichen
Blindenverbände einbezogen werden. Für sehbehinderte<br />
Menschen können sich Schwierigkeiten bei einer<br />
„Straße für alle“ ergeben, die sich mit guter Planung<br />
und ein paar Tricks jedoch vermeiden lassen.<br />
Siehe hierzu: http://gruenlink.de/cym<br />
Stadt der kurzen Wege<br />
Die Aufteilung von Siedlungsgebieten in reine Wohnquartiere<br />
und Gewerbegebiete führt zu einer Zunahme<br />
des motorisierten Individualverkehrs und zu einer<br />
Beeinträchtigung von Lebensqualität. Ein klassisches<br />
Beispiel sind die Einkaufszentren auf der grünen Wiese.<br />
Dieser Entwicklung steht die Forderung nach einer Stadt<br />
der kurzen Wege entgegen.<br />
Die „Stadt der kurzen Wege“ bezeichnet ein Leitbild der<br />
Stadtplanung, das vor allem seit den 1980er Jahren verfolgt<br />
wird. Diesem Leitbild zufolge kann das Verkehrsbedürfnis<br />
verringert und somit der Verkehr vermieden<br />
werden, indem Bedingungen geschaffen werden, die<br />
räumliche Distanzen zwischen Wohnen, Arbeit, (Nah-)<br />
Versorgung, Dienstleistungen, Freizeit- und Bildungsorten<br />
vermeidet.<br />
Auch Maßnahmen im Verkehrsbereich sind für eine<br />
„Stadt der kurzen Wege“ erforderlich.<br />
Als angestrebtes Ergebnis sollte es möglich sein, dass<br />
anteilig mehr Fußgänger-, Radfahr- oder öffentlicher<br />
Personennahverkehr und weniger motorisierter Individualverkehr<br />
stattfindet.<br />
Grüne Forderungen:<br />
Die Besorgung des täglichen Bedarfs muss wieder in der<br />
unmittelbaren Nähe zur Wohnung möglich sein.<br />
• Urbanität soll sich entfalten können, indem der<br />
Verkehr weicht und Kommunikation auf öffentlichen<br />
Plätzen nicht im Motorenlärm untergeht.<br />
• Straßen sollen wieder zum Ort der Begegnung werden<br />
und Quartiere verbinden anstatt sie zu zerschneiden.<br />
25
Tempo 30 als stadtverträgliche<br />
Regelgeschwindigkeit<br />
Derzeit beträgt die Regelgeschwindigkeit in geschlossenen<br />
Ortschaften 50 km/h.<br />
Die Straßenverkehrsbehörden<br />
ordnen ferner<br />
innerhalb geschlossener<br />
Ortschaften, insbesondere<br />
in Wohngebieten<br />
und Gebieten mit hoher<br />
Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte<br />
sowie<br />
hohem Querungsbedarf,<br />
Tempo 30-Zonen im<br />
Einvernehmen mit der<br />
Gemeinde an. Die Zonen-<br />
Anordnung darf sich<br />
weder auf Straßen des<br />
überörtlichen Verkehrs<br />
(Bundes-, Landes- und<br />
Kreisstraßen) noch auf<br />
weitere Vorfahrtstraßen<br />
erstrecken (§ 45 StVO).<br />
26<br />
Kommunen, die Tempo 30 auf bestimmten Streckenabschnitten<br />
einführen wollen, müssen dies also begründen<br />
und durch die Straßenverkehrsbehörden genehmigen<br />
lassen. Dabei stoßen sie häufig an ihre Grenzen,<br />
da die StVO oft nicht mit den realen Gegebenheiten<br />
übereinstimmt.<br />
Wir wollen die Regelgeschwindigkeit auf 30 km/h<br />
senken. Den Kommunen soll die Entscheidung darüber,<br />
welche Streckenabschnitte mit höherer Geschwindigkeit<br />
befahren werden dürfen, überlassen werden (z.B.<br />
Durchgangsstraßen).<br />
Heute muss Tempo 30 extra gekennzeichnet werden,<br />
Tempo 50 nicht. Das soll durch die Einführung von Tempo<br />
30 als Regelgeschwindigkeit umgedreht werden.<br />
Die Entscheidung darüber, bei welchen Straßen weiter<br />
50 km/h gilt, würde immer vor Ort gefällt werden.<br />
Um das zu erreichen, ist eine Änderung der Straßenverkehrsordnung<br />
notwendig.<br />
Tempo 30 für:<br />
• Eine Senkung der Unfallhäufigkeit (vor allem bei<br />
Kindern).<br />
• Weniger tödliche Unfälle oder Schwerverletzte.
• Einen gleichmäßigerer Verkehrsfluss.<br />
• Weniger Schilder.<br />
• Weniger Lärm und Abgase.<br />
• Mehr Lebensqualität.<br />
Steigerung der Attraktivität vom ÖPNV<br />
All diese Instrumente haben nur eine eingeschränkte<br />
Wirkung, solange der ÖPNV unattraktiv ist. Die wichtigsten<br />
Voraussetzungen, damit öffentlicher<br />
Nahverkehr angenommen wird, sind<br />
ein ordentlicher Takt, gute Umsteigezeiten,<br />
nachvollziehbare und attraktive Linien sowie<br />
Schnelligkeit und Sicherheit.<br />
Schnell kann der ÖPNV nur sein, wenn er<br />
Vorteile gegenüber dem Auto hat, sei es<br />
durch Vorrangschaltungen an Ampeln oder<br />
durch eigene Trassen.<br />
Sicher sind die Öffentlichen nur dann, wenn<br />
die Menschen sich darin auch subjektiv<br />
sicher fühlen, da reicht eine objektive Sicherheit<br />
nicht aus. Insbesondere das spezifische<br />
Sicherheitsbedürfnis von Kindern,<br />
Jugendlichen und Frauen ist zu beachten. Hierzu<br />
gehören attraktive, d.h. leicht ein- und überschaubare<br />
Wartehäuschen für Busse, mehr Licht und Übersichtlichkeit<br />
auch an allen anderen Haltestellen und Stationen<br />
und auf gar keinen Fall dunkle, abgeschiedene<br />
Park&Ride Plätze.<br />
Besonders attraktiv wird ein Netz natürlich durch<br />
Flexibilität, also z.B. durch den Einsatz von Rufbussen,<br />
Sammeltaxis und Nachtbussen, aber auch durch die<br />
Mitnahmemöglichkeit von Fahrrädern.<br />
Ein schwer durchschaubares, umständliches<br />
Ticketsystem kann alle<br />
vorherigen Anstrengungen zunichte<br />
machen. Es sollte daher überall die<br />
Möglichkeit bestehen, Fahrkarten<br />
über das Mobiltelefon zu beziehen,<br />
aber auch Fahrscheinautomaten<br />
müssen so platziert werden, dass<br />
es unproblematisch ist, dort eine<br />
Fahrkarte zu erwerben, egal ob mit<br />
Kleingeld, Scheinen oder Karte.<br />
Ein besonders einfach zu benutzendes<br />
System besteht in London mit<br />
der Oyster card.<br />
27
Die Karte kann überall aufgefüllt werden und im Vorbeigehen<br />
wird der zu zahlende Betrag abgebucht; allerdings<br />
nie mehr als ein Tagesti cket kosten würde.<br />
Wünschenswert wäre natürlich eine Verknüpfung von<br />
ÖPNV und Fernverkehr, die Möglichkeit mit einem<br />
Nahverkehrstagesti cket erst z.B. in Nürnberg zu fahren,<br />
dann den ICE nach München zu nehmen und dort mit<br />
dem Tagesti cket wieder in die U-Bahn zu steigen. Ein<br />
Schritt in die richti ge Richtung sind die Verbundsysteme.<br />
28<br />
Ein Verkehrsverbund ist ein rechtlicher und<br />
organisatorischer Zusammenschluss von<br />
Gebietskörperschaft en, in Deutschland also<br />
Landkreisen oder kreisfreien Städten zur gemeinsamen<br />
und abgesti mmten Durchführung<br />
des Öff entlichen Personennahverkehrs (ÖPNV).<br />
Er besteht meist in der Form einer Gesellschaft<br />
mit beschränkter Haft ung, bei der die Kreise bzw.<br />
Städte und oft auch das jeweilige Bundesland<br />
Gesellschaft er sind.<br />
Vorteile eines Verkehrsbundes:<br />
• Einbeziehung aller im Linienverkehr täti gen Verkehrsunternehmen<br />
(Schiene, Busse, städti sche Verkehrsunternehmen).<br />
• ein einheitliches Tarifsystem für Bahn und Bus<br />
(Verbundtarif).<br />
• Ausgabe gemeinsamer Fahrkarten.<br />
• freie Verkehrsmitt elwahl („mit dem Bus hin, mit der<br />
Bahn zurück”).<br />
• Anreiz zur Entwicklung neuer Märkte (neue Kunden,<br />
neue Kurse, neue Linien).<br />
• sukzessive Angebotsverbesserung im öff entlichen<br />
Verkehr durch opti mierten Einsatz der Ressourcen.<br />
„Wer täglich 100 km mit dem Auto zur<br />
Arbeit pendelt, ist nicht ch<br />
mobiler als<br />
jemand, der mit dem<br />
Fahrrad 5 km zu seinem Arbeitsplatz<br />
fährt.“ (SRU)
Vision: Autofreie Stadt<br />
Eine Stadt komplett ohne Autos? Das können<br />
wir uns derzeit selber nicht vorstellen – und<br />
wollen das auch nicht: natürlich soll die Feuerwehr<br />
nicht wieder mit Pferdekutschen kommen,<br />
selbstverständlich brauchen wir Polizei-<br />
und Krankenwagen, logischerweise wird<br />
es auch private Pkw in Zukunft in den Städten<br />
geben, nicht nur für Gehbehinderte.<br />
Wie diese in der postfossilen Zeit angetrieben<br />
werden, ist nicht die Frage, die wir uns hier<br />
stellen wollen. Was im Fokus unserer Vorstellung<br />
einer autofreien Stadt steht, ist die Frage,<br />
wie viel Raum das private Auto in Zukunft in<br />
einer Kommune einnehmen darf und soll.<br />
Nicht nur Staus verstopfen heute viele Straßen, auch<br />
Parkplätze beanspruchen überaus viele unserer wertvollen<br />
Flächen in den Innenstädten. Diese Flächen sind<br />
momentan verloren für Fahrradwege, für angenehme<br />
Fußgängerboulevards mit Sitzmöbeln, Bäumen, Blumen<br />
und vor allem für die Möglichkeit nicht nur zu schlendern,<br />
sondern auch zu kommunizieren. Straßen und<br />
Großparkplätze durchschneiden unsere städtischen<br />
Kommunikationsräume.<br />
Wir wollen diesen Raum für die Menschen zurückgewinnen!<br />
Viele nehmen die schlechte Luft in unseren<br />
Städten und den Krach der Autos fast nicht mehr wahr,<br />
so sehr haben sie sich daran gewöhnt.<br />
Modellhafte Stadtteile in Deutschland machen vor,<br />
wie es auch ohne Autos bzw. mit wenig motorisiertem<br />
Verkehr funktionieren kann und wie dadurch aktive<br />
Nachbarschaften und „Mikrokosmen“ entstehen. Ein<br />
Beispiel dafür ist das Viertel Vauban in Freiburg.<br />
Neue Verkehrsstrukturen bringen in Metropolen unbestritten<br />
ein Plus an Lebensqualität.<br />
29
In London sind tagsüber in der City fast nur noch Taxis<br />
und Busse unterwegs und man kann sogar an frequentierten<br />
Plätzen wie vor der St. Pauls Cathedral wieder<br />
miteinander reden. In Paris entstehen nun entlang der<br />
Seine Radwege und auch diese Stadt, in der noch vor<br />
Kurzem FahrradfahrerInnen als potenzielle Selbstmordkandidaten<br />
galten, hat es geschafft, mit einer „radikalen“<br />
Verkehrspolitik die Lebensqualität deutlich zu<br />
steigern – mit einem Zugewinn an Luftqualität, vermindertem<br />
Schadstoffausstoß und weiteren Vorteilen.<br />
Die Stadt der Zukunft<br />
Die autofreie Stadt wird also ein soziales gesellschaftliches<br />
Leben in der Stadt für alle und gleichzeitig Mobilität<br />
für alle ermöglichen. Autos spielen nicht mehr die<br />
Hauptrolle, werden weniger Platz beanspruchen und<br />
das Leben in der Stadt wird wieder mehr von den Menschen,<br />
die in ihr leben, bestimmt.<br />
Viele Städte haben das schon erkannt und sind auf<br />
einem guten Weg. Aber: es sind noch zu viele Hindernisse,<br />
zu vieles kann noch nicht von den Kommunen selber<br />
bestimmt und geplant werden. Wir möchten die Kommunen<br />
ermuntern, die Zukunft der Mobilität vorausschauend<br />
zu gestalten.<br />
30<br />
Natürlich hoffen wir auf eine andere Politik seitens<br />
des Bundes und für einen Paradigmenwechsel in der<br />
Verkehrspolitik hin zu einer Mobilitätspolitik, die die<br />
Bedürfnisse aller Menschen ernst nimmt, ohne andere<br />
einzuschränken oder gesundheitlich zu schädigen.<br />
Wenn wir es schaffen, den Verkehrskollaps von den Ballungsräumen<br />
abzuwenden, wird gleichzeitig die Lebensqualität<br />
in den Städten wieder steigen.<br />
Siehe hierzu auch:<br />
https://www.facebook.com/#!/autofreiestadt
http://gruenlink.de/cxj = http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/pbefg/gesamt.pd<br />
http://gruenlink.de/cxk = http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-<br />
%C3%96PNVGBY1996rahmen&doc.part=X&st=lr<br />
http://gruenlink.de/cxl = http://www.laendlicherraum.bayern.de/fileadmin/Dokumente/PDF/Demographischer_Wandel/LEIT-<br />
L<strong>IN</strong>IE98.pdf<br />
http://gruenlink.de/cxm = http://www.nuernberg.de/internet/verkehrsplanung/nahverkehrsentwicklungsplan.html<br />
http://gruenlink.de/d4z = http://www.bundesrecht24.de/cgi-bin/lexsoft/bundesrecht24.cgi?chosenIndex=0708&templateID=d<br />
oc&xid=168033,1&uxz=993655935&a1=0708&c1=1&c2=05&c3=01&c4=0104<br />
http://gruenlink.de/cxn = http://www.gesetze-im-internet.de/regg/BJNR239500993.html<br />
http://gruenlink.de/cxv = http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/entflechtg/gesamt.pdf<br />
http://gruenlink.de/cxx = http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-<br />
VkVGemFinGBYrahmen&doc.part=X<br />
http://gruenlink.de/cxj = http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/pbefg/gesamt.pdf<br />
http://gruenlink.de/cy9 = http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-k/k2091.pdf<br />
http://gruenlink.de/3jn = http://de.wikipedia.org/wiki/Personennahverkehr_in_Hasselt<br />
http://gruenlink.de/cyb = http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bimschv_35/gesamt.pdf<br />
http://gruenlink.de/cyb = http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/politik_planung/strassen_kfz/parkraum/download/<br />
http://gruenlink.de/cyk = http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Kreisverwaltungsreferat/Verkehr/<br />
http://gruenlink.de/cyl = http://www.adfc.de/Aktionen--Kampagnen/Aktionen--Kampagnen<br />
http://gruenlink.de/cym = http://www.dbsv.org/dbsv/unsere-struktur/uebergreifende-fachausschuesse/gfuv/shared-space/<br />
31
„The right to have access to every building in the city by private motorcar in an age when<br />
everyone possesses such a vehicle is the right to destroy the city.”<br />
...sagt der Architekturkritiker Lewis Mumford<br />
Dr. <strong>Toni</strong> <strong>Hofreiter</strong> MdB<br />
Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN<br />
Platz der Republik 1<br />
11011 Berlin<br />
Tel.: 030 / 227 - 7 45 15<br />
Fax: 030 / 227 - 7 66 45<br />
anton.hofreiter@bundestag.de<br />
www.toni-hofreiter.de