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Relativsaetze nach Engel und Eisenberg.pdf

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RESTRIKTIVE UND NICHTRESTRIKTIVE RELATIVSÄTZE<br />

Nach ENGEL (1988: 292-295) sind Relativsätze nominale Angaben <strong>und</strong> haben ähnlich den<br />

Adjektiven die semantische Funktion, ein Nomen näher zu bestimmen (zu qualifizieren,<br />

klassifizieren usw.). Wie alle Attributsätze haben sie ihre reguläre Stelle hinter dem Nomen.<br />

Voranstellung ist in dichterischer oder rhetorisch ausschmückender Rede, ebenso bei<br />

ironischer Verwendung derselben Ausdrucksformen möglich. Die Voranstellung des<br />

Relativsatzes bewirkt die Hervorhebung des Attributsatzes, sind aber in der Standardsprache<br />

nicht üblich.<br />

(56a) Den Mann, der all dies durchgestanden hat, will ich mir zukommen lassen. (<strong>nach</strong>gest.)<br />

(56b) Der all dies durchgestanden hat, den Mann will ich mir kommen lassen. (vorangestellt)<br />

Relativsätze können restriktiv oder nicht-restriktiv sein. Restriktive Relativsätze sind in der<br />

Regel obligatorisch, weil sie für das Verständnis des Satzes notwendig sind. Mit restriktiven<br />

Relativsätzen schränkt man ähnlich wie mit einigen Gradpartikeln (z.B. nur) den Bezug auf<br />

eine bestimmte Teilmenge von Objekten ein (57).<br />

(57) Ein Junge hatte vier Großväter. Sein Fre<strong>und</strong> wollte wissen, was sie von Beruf waren.<br />

Der Junge antwortete:<br />

(57a) Derjenige Großvater, der Chemiker war, lebte in München. (r)<br />

(57b) Derjenige Großvater, der Bäcker war, lebte in Köln. (r)<br />

(57c) Derjenige Großvater, der Arzt war, lebte in Hamburg. (r)<br />

(57d) Derjenige Großvater, der Politiker war, lebte in Berlin. (r)<br />

Von nicht-restriktiven Relativsätzen (58) spricht man, wenn lediglich ein Merkmal zum<br />

Bezugsnomen hinzugefügt wird. Wird ein nicht-restriktiver Relativsatz zu einem Nomen<br />

hinzugefügt oder weggelassen, verändert sich der Bezug auf die Anzahl der außersprachlichen<br />

Objekte nicht. In nicht-restriktiven Relativsätzen können Abtönungspartikeln (vor allem ja,<br />

doch, eben, halt, eigentlich), solche Partikeln wie übrigens, <strong>und</strong> Elemente wie wie du weißt<br />

<strong>und</strong> bekanntlich verwendet werden. Außerdem können nicht-restriktive Relativsätze durch<br />

Pause vom Bezugselement getrennt werden (intonatorisch größere Selbständigkeit).<br />

(58) Ein Junge lebte in München. Dort lebte auch sein Großvater. Der Fre<strong>und</strong> des Jungen<br />

wollte mehr über den Großvater erfahren. Der Junge erzählte:<br />

Mein Großvater, der (übrigens) Chemiker war, war ein kluger Mann. Trotzdem lebte<br />

er in ständigen Geldsorgen. ... (n-r)<br />

Nach EISENBERG ( 3 1994:254) wird der Relativsatz in (1a) appositiv genannt, weil er - im<br />

Gegensatz zu dem in (1b) - keinen Einfluß auf die Extension der übergeordneten NGr hat,<br />

Oberbürgermeister Eichel wird hinsichtlich des Begriffsumfanges vom Relativsatz nicht<br />

verändert. (Wort mit Hauptakzent durch Großbuchstaben gekennzeichnet)<br />

(1a) Oberbürgermeister EICHEL, der mit den Grünen koaliert, hat noch auf Jahre eine<br />

sichere Mehrheit.<br />

(1b) Ein OBERBÜRGERMEISTER, der mit den Grünen koaliert, hat noch auf Jahre eine<br />

sichere Mehrheit.<br />

(Mit Betonung auf ein ergäbe sich ein Zahlwort <strong>und</strong> ein n-r Relativsatz!)


EISENBERG ( 3 1994:228-229) betrachtet das semantische Verhältnis von Relativsatz <strong>und</strong><br />

Kernsubstantiv. »(8) <strong>und</strong> (9) zeigen, daß dieses Verhältnis in einem wichtigen Punkt<br />

uneinheitlich ist.<br />

(8) a. Die Pädagogik ist eine Disziplin, die der Menschheit immer Segen gebracht hat<br />

b. Diejenigen Bäume, die morsch sind, werden gefällt<br />

c. Jeder Linguist, der was auf sich hält, geht zweimal jährlich zum Friseur<br />

(9) a. Seine Eltern, die wohlhabende Leute sind, ließen ihn verkommen<br />

b. Du, der du immer Glück gehabt hast, solltest dich da heraushalten<br />

c. Die Sonne, die jetzt eigentlich sieben St<strong>und</strong>en täglich scheinen sollte, ist überhaupt<br />

nicht zu sehen<br />

Die Relativsätze in (8) werden restriktiv genannt, weil die NGr mit Relativsatz extensional<br />

eingeschränkt ist gegenüber der ohne Relativsatz. In (8c) etwa kann jeder Linguist sich auf<br />

jedes Element der Menge der Linguisten beziehen, jeder Linguist, der was auf sich hält aber<br />

nur auf jedes Element einer Teilmenge der Linguisten, denn nicht alle Linguisten halten etwas<br />

auf sich.<br />

Die Relativsätze in (9) werden nichtrestriktiv oder appositiv genannt,. weil der Relativsatz<br />

nichts an der Extension der NGr, in der er enthalten ist, ändert. Seine Eltern, die wohlhabende<br />

Leute sind in (9a) etwa bezieht sich auf dieselben Personen wie seine Eltern allein.<br />

Beide Arten von Relativsätzen geben uns eine »nähere Bestimmung« des modifizierten<br />

Nominals. Bei den restriktiven betrifft diese Bestimmung aber den Umfang der bezeichneten<br />

Klasse, bei den nichtrestriktiven nicht. Erstere tragen zur Identifizierung des Bezeichneten<br />

bei, letztere nicht.<br />

Viele Relativsätze können in Isolierung sowohl restriktiv als auch nichtrestriktiv gelesen<br />

werden. Wenn jemand sagt »Die Kirche, die wir gestern noch besucht haben, ist abgebrannt«,<br />

<strong>und</strong> dem Adressaten ist bekannt, um welche Kirche es sich handelt, dann ist die Lesung<br />

nichtrestriktiv. Wird die Kirche erst durch den Relativsatz identifiziert, dann ist restriktiv<br />

gelesen worden. Allgemein gilt: ist das Nominal ohne Relativsatz definit, dann kann er<br />

nur nichtrestriktiv gelesen werden, sonst auch restriktiv. Häufig wird der nichtrestriktive<br />

Relativsatz durch eine Pause vom Kern getrennt <strong>und</strong> durch eine Partikel oder ein Adverb<br />

abgetönt (Die Kirche, die wir ja/übrigens/zufälligerweise. . . gestern noch besucht haben, ist<br />

abgebrannt). Es sind noch eine Reihe weiterer Formkriterien bekannt, mit deren Hilfe sich<br />

beide Gruppen unterscheiden lassen (Motsch 1965; Becker 1978). Dennoch bleibt es dabei,<br />

daß der größte Teil der Relativsätze sowohl restriktiv als auch nichtrestriktiv gelesen werden<br />

kann (Aufgabe 66).«<br />

KRITERIEN zur Unterscheidung nicht-restriktiver Relativsätzen von restriktiven:<br />

• zwischen Bezugselement <strong>und</strong> Relativsatz ist eine Pause möglich (Parenthese-Intonation),<br />

auch eine fallende Kadenz auf dem Bezuselement ist realisierbar ;<br />

• Artikelwörter <strong>und</strong> Pronomina in der Bezugs-NP (<br />

vgl. auch Aufgabe 66) lassen sich –<br />

semantisch gesehen - nicht durch selektierende oder einschränkende Artikelwörter wie<br />

derjenige ersetzen;<br />

• Abtönungspartikeln (vor allem ja, doch, eben, halt, eigentlich), solche Partikeln wie<br />

übrigens <strong>und</strong> Elemente wie wie du weißt <strong>und</strong> bekanntlich sind einsetzbar;


• Auch <strong>nach</strong> Eliminierung des nicht-restriktiven Relativsatzes bleibt der Bezug der NP auf<br />

eine bestimmte Anzahl von außersprachlichen Elementen konstant.<br />

Aufgabe 66 (EISENBERG 3 1994: 454):<br />

a) „Liegt das Bezeichnete eines Nominals eindeutig fest wie bei Eigennamen <strong>und</strong><br />

Personalpronomina, so kann ein dem Nominal hinzugefügter Relativsatz im allgemeinen<br />

nur nichtrestriktiv gelesen werden. Ordnen Sie unter diesem Gesichtspunkt die folgenden<br />

Pronomina da<strong>nach</strong>, ob bei Ihnen ein restriktiver, ein nichtrestriktiver oder ein Relativsatz<br />

mit beiden Lesungen steht:<br />

aller, der, derjenige, dieser, einer, einiger, jeder, jemand, jener, keiner, mancher, niemand,<br />

solcher, vieler.<br />

b) Legen Sie in dem folgenden Satz den Hauptakzent auf das Prädikatsnomen, <strong>und</strong> zwar<br />

einmal auf den Artikel die <strong>und</strong> einmal auf das Substantiv Berliner:<br />

Es waren die Berliner, die den Umzug der Regierung wollten.<br />

Lösungshinweis (EISENBERG 3 1994: 500):<br />

(a) Restriktiv: derjenige, jeder, jemand, keiner, niemand;<br />

Nichtrestriktiv: dieser, jener<br />

Doppeldeutig: aller, der, einer, einiger, mancher, solcher, vieler.<br />

(b) Bei Hauptakzent auf dem Artikel handelt es sich um einen normalen Kopulasatz. Der<br />

Relativsatz ist restriktiv. Das Pronomen es im Subjekt ist phorisch <strong>und</strong> ersetzbar<br />

durch das.<br />

Bei Hauptakzent auf dem Substantiv ist der Kopulasatz generisch zu lesen. Das<br />

Pronomen es ist expletiv, der Relativsatz ist nichtrestriktiv. Die Klassische<br />

Transformationsgrammatik leitet ihn ab aus dem Satz Die Berliner wollten den<br />

Umzug, d.h. der Kopulasatz, der ja eigentlich „Hauptsatz“ ist, kommt im Ausgangssatz<br />

gar nicht vor. Sätze dieser Form werden zur Fokussierung einzelner Satzlglieder<br />

verwendet. Sie gehören zu den Herausstellungskonstruktionen. Die<br />

Transformationsgrammatik spricht von Spaltsatz (engl. Cleft sentence).

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