07.10.2013 Aufrufe

Veröffentlichungsreiche der Abteilung Regulierung von Arbeit ... - WZB

Veröffentlichungsreiche der Abteilung Regulierung von Arbeit ... - WZB

Veröffentlichungsreiche der Abteilung Regulierung von Arbeit ... - WZB

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Veröffentlichungsreiche</strong> <strong>der</strong> <strong>Abteilung</strong> <strong>Regulierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

des Forschungsschwerpunkts Technik-<strong>Arbeit</strong>-Umwelt des Wissen­<br />

schaftszentrums Berlin für Sozialforschung<br />

FS II 92-201<br />

Der soziale Raum "Betrieb".<br />

Zur Strukturierung <strong>der</strong> betrieblichen Sozialwelt<br />

aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> bourdieuschen Sozialtheorie<br />

Johanna Hofbauer*<br />

* wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für<br />

Allgemeine Soziologie und Wirtschaftssoziologie,<br />

Wirtschaftsuniversität Wien, Augasse 2-6, A-1090 Wien<br />

Berlin/Wien, April 1992<br />

ISSN 0724-5084<br />

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (<strong>WZB</strong>)<br />

Reichpietschufer 50, D-1000 Berlin 30,<br />

Telefon: (030) 25 49 1- 0


ZUSAMMENFASSUNG:<br />

Der soziale Raum "Betrieb". Zur Strukturierung <strong>der</strong> betrieblichen Sozialwelt aus <strong>der</strong> Sicht<br />

<strong>der</strong> Bourdieuschen Sozialtheorie.<br />

Die Frage <strong>der</strong> betrieblichen Strukturbildung erlangt in <strong>der</strong> heutigen industriesoziologischen Debatte<br />

erneut Aktualität. Im deutschsprachigen Raum zeigt dies die Entwicklung <strong>von</strong> Konzepten, wie<br />

"Sozialverfassung" (Hildebrandt/Seltz), "Sozialordnung" (Kotthoff/Reindl) o<strong>der</strong> "Mikropolitik"<br />

(Ortmann). Das Interesse an <strong>der</strong> sozialen Dimension des Betriebs, an <strong>der</strong> politischen und<br />

kulturellen Fundierung betrieblicher Sozialwelten läßt jedoch neue Fragestellungen formulieren,<br />

die sich mit den bislang gängigen Erklärungsmustem vielfach nicht o<strong>der</strong> nicht zufriedenstellend<br />

beantworten lassen. In dieser Situation scheinen zwei Dinge erfor<strong>der</strong>lich: zum einen die kritische<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem etablierten Theorieangebot; zum an<strong>der</strong>en die Öffnung <strong>von</strong> Grenzen<br />

gegenüber allgemeinen soziologischen Theorien, insbeson<strong>der</strong>e gegenüber neueren Entwicklungen.<br />

Der vorliegende Text kommt diesem Anspruch insofern nach, als er zunächst die konzeptionellen<br />

Strategien und Probleme einiger, für die Geschichte <strong>der</strong> Industriesoziologie maßgeblicher Ansätze<br />

diskutiert (hier: die "kontrolltheoretische", "kontingenztheoretische" und "technikdetermmistische"<br />

Begründung betrieblicher Strukturen); im weiteren wird <strong>der</strong> Beitrag <strong>von</strong> Giddens' "Structuration<br />

Theory" und Crozier/Friedbergs "Gameskonzept" erörtert; schließlich, und hauptsächlich geht es<br />

aber darum, die Sozialtheorie <strong>von</strong> Pierre Bourdieu darzustellen. Die Navigation durch das<br />

Bourdieusche Theoriegebäude stützt sich auf einen Kompaß an industriesoziologischen Fragen.<br />

Ziel ist es, die Relevanz <strong>von</strong> Konzeptionen wie Habitus, Feld, Kapitalien, sozialer Tausch für die<br />

Fragen <strong>der</strong> Erklärung betrieblicher Strukturbildung aufzuzeigen.<br />

ABSTRACT:<br />

The Social Space "Business Corporation". Structuration of the Social World of the<br />

Corporation from the Point of View of the Social Theory of Bourdieu.<br />

The question of the social generation of corporational structures is gaining importance in todays'<br />

debates of industrial sociology. In thé German speaking context this is indicated by the<br />

development of concepts, such as "Sozialverfassung" (Hildebrandt/Seltz), "Sozialordnung"<br />

(Kotthoff/Reindl) or "Mikropolitik" (Ortmann). Yet, the interest in the social dimension of the<br />

corporation, in the political and cultural foundation of the social worlds of corporations provokes<br />

questions, which in many cases may not or may not satisfactorily be answered by the current<br />

explanatory patterns. In this situation the requirement seems to be twofold: first, for a critical<br />

discussion of already established theories; second, for an intensified discussion of general social<br />

theories, especially of new developments. This text meets these requirements in so far as it first<br />

discusses some of the main concepts in the history of industrial sociology (here: "labor control<br />

theory", "contingency theory" and "technology deterministic theory"); further, the contribution of<br />

Giddens' "Structuration Theory" and Crozier/Friedbergs "Games Concept" is discussed; finally, and<br />

in the main instance, the social theory of Pierre Bourdieu is portrayed. The navigation through the<br />

theoretical universe of Bourdieu is guided by a compass of questions of industrial sociology. The<br />

purpose is to show the relevance of concepts, such as habitus, field, capitals, social exchange for<br />

questions concerning the explanation of structure generation of enterprises.


VORWORT<br />

Ein Text, welcher wie <strong>der</strong> folgende vom Thema " Strukturbildung" gezeichnet ist, verdient, so<br />

meine ich, ein paar Vor-Worte zu seiner eigenen Strukturierung. Ich möchte mich und die<br />

werten Leserinnen und Leser nicht länger aufhalten, son<strong>der</strong>n nur ein, zwei, kurze Bemerkun­<br />

gen dazu machen, insbeson<strong>der</strong>e und zunächst zur Beziehung "Industriesoziologische Fragen<br />

und Bourdieusche Antworten".<br />

Diese Beziehung wird hier ausgehend <strong>von</strong> erkenntnistheoretischen und methodologischen<br />

Fragen an die Industriesoziologie, vertreten durch einige ausgewählte Konzepte, geknüpft<br />

werden. Solche Orientierung an Grundsätzlichkeiten wül ein merkbar höheres Maß an<br />

Tiefenschärfe für bestimmte Problemfel<strong>der</strong> erzeugen und damit schließlich eine theoretische<br />

Alternative ins Blickfeld bekommen, welche in industriesoziologischen <strong>Arbeit</strong>en zum Thema<br />

heute noch weitgehend unsichtbar ist. Die Gründe dafür sind wohl sehr vielfältig. Ich möchte<br />

dem hier nicht genau nachspüren, glaube aber, daß es unter an<strong>der</strong>em an verschiedenen, im<br />

einzelnen sicherlich begründeten Übersetzungsschwierigkeiten liegt. Übersetzung, das heißt<br />

zweierlei: Erstens, die Herstellung <strong>von</strong> Verständnis für Theoretisierungs- und Erklärungs­<br />

weisen unterschiedlicher wissenschaftlicher Kulturen. Zweitens, die buchstäbliche Uber-<br />

Setzung theoretischer Konzepte in empirische Forschungsprogramme und Fragestellungen.<br />

Beim Schreiben des vorliegenden Textes ging ich da<strong>von</strong> aus, daß die eine <strong>Arbeit</strong>, die empi­<br />

rische Umsetzung, nicht ohne die an<strong>der</strong>e, die inhaltlich-theoretische Vorab-Klärung, zu<br />

machen sei. Diese Vorarbeit wollte ich hier leisten. Dazu war es nötig, den gesamten Apparat<br />

an Bourdieuschen Denkwerkzeugen auseinan<strong>der</strong>zunehmen, um bestimmte Teile, die er­<br />

fahrungsgemäß hierzulande immer wie<strong>der</strong> Rezeptionsprobleme bereiten, möglichst ausführlich<br />

zu rekonstruieren, mit eigenen Beispielen bzw. mit den letztlich vielsagendsten aller mög­<br />

licher Kommentare, nämlich Bourdieus eigenen Worten zu erläutern und wie<strong>der</strong> im Zusam­<br />

menhang des weiträumigen Theoriegebäudes zu plazieren.<br />

Die eigentliche Hauptarbeit, konkrete empirische Forschungsarbeiten anhand dieser Werk­<br />

zeuge durchzuführen, ist jedoch noch ausständig. Der vorliegende Text muß deshalb selbst<br />

wie<strong>der</strong> eine Vielzahl an Fragen offen lassen - Fragen, die so manchen Leserinnen und Lesern<br />

zu Recht als die eigentlich brennenden erscheinen mögen. Der Text ist so gesehen unfertig<br />

und kann wohl nur den Status einer Zwischenstation beanspruchen. Sollten aber die ersten<br />

Schritte, die hiermit getan wurden, genügend Anregung für einen fruchtbaren Fortgang <strong>der</strong><br />

auf konkrete Forschungspraxis bezogenen Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Bourdieuschen Denk­<br />

werkzeug bieten, so wäre zumindest meinem Anspruch genüge getan. Denn ich sehe meinen


Beitrag viel eher als Auftakt, denn als Abschluß einer Diskussion, die, so hoffe ich, <strong>von</strong> den<br />

Überlegungen in diesem Textes zusätzlich angeregt wird, und in <strong>der</strong>en Verlauf Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Umsetzung des hier vorgestellten Erklärungspotentials entwickelt werden.<br />

Abschließend noch ein Wort zur Zitationspolitik: Ich habe mich beim Verfassen dieses Textes<br />

bemüht» das breite Spektrum des Bourdieuschen Werks möglichst vollständig zu erfassen,<br />

konzentrierte mich bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Textstellen und Quellen aber auf bereits ins Deutsche<br />

übersetztes Material bzw. auf einige wenige noch nicht ins Deutsche übersetzte, aber zumin­<br />

dest im englischen Original vorliegende Artikel. Diese Auswahl erschien mir sinnvoll wegen<br />

<strong>der</strong> erfahrungsgemäß leichteren Zugänglichkeit dieser Publikationen. Nichtzuletzt ging es mir<br />

aber auch darum, den Rezeptionsgewohnheiten <strong>der</strong> Leserinnen und Leser auf diese Weise eher<br />

zu entsprechen als durch Zitationen aus französischen Originalen und Sekundärliteraturen.<br />

Johanna Hofbauer<br />

Wien, Aprü 1992


INHALT<br />

Einleitung o<strong>der</strong>: diesseits und jenseits <strong>der</strong> Pole 1<br />

I. TEIL<br />

1. Perspektiven <strong>der</strong> Erklärung betrieblicher Strukturbildung 7<br />

1.1. Perspektivenwandel in <strong>der</strong> britischen Debatte 7<br />

1.2. Beiträge zum Perspektivenwandel in <strong>der</strong> deutschen Industriesoziologie 9<br />

2. Fragen zur theoretischen Begründung und Konzeptualisierung des "Sozialen" 12<br />

2.1. Kontrolltheoretische Ansätze 14<br />

2.2. Kontingenztheoretische und technikdeterministische Ansätze 16<br />

2.3. Giddens' "Theory of Structuration" und Crozier/Friedbergs "Gameskonzept" 18<br />

3. Zur Erklärung betrieblicher Strukturbildung<br />

II. TEIL<br />

auf <strong>der</strong> soziologischen Grundlage <strong>der</strong> Bourdieuschen "Theorie <strong>der</strong> Praxis" 25<br />

3.1. Der soziale Raum "Betrieb" 25<br />

3.2. Strukturierte Praxisformen und strategische Praktiken - das Habituskonzept 26<br />

3.3. Sozialer Raum "Betrieb" und Fel<strong>der</strong> 31<br />

3.4. Soziale Fel<strong>der</strong> als Kräftefel<strong>der</strong> 34<br />

3.5. Zur »Ökonomie <strong>der</strong> Sozialwelt« 37<br />

3.6. Kapital und <strong>Arbeit</strong> 39<br />

3.7. Sozialer Tausch und Strukturbildung 43<br />

4. Resümee und Zusammenfassung 47<br />

Literatur


Einleitung o<strong>der</strong>: diesseits und jenseits <strong>der</strong> Pole<br />

"Sociality necessarily pervades<br />

organizations and should not evade their<br />

conceptualization" (Clegg 1989, 98).<br />

"Von allen Gegensätzen, die die<br />

Sozialwissenschaften künstlich spalten,<br />

ist <strong>der</strong> grundlegendste und ver<strong>der</strong>blichste<br />

<strong>der</strong> zwischen Subjektivismus und Objektivismus"<br />

(Bourdieu 1987, 49)<br />

Für die Industriesoziologie scheint das bislang dominierende Angebot an Erklärungen<br />

betrieblicher Strukturbildung zunehmend erweiterungsfähig und -bedürftig zu werden.<br />

Denn nicht zuletzt angesichts aktueller empirischer Befunde, stößt man auf offene Fragen,<br />

die anhand des traditionellen industriesoziologischen Theorieangebots nicht o<strong>der</strong> zumindest<br />

nicht zufriedenstellend zu beantworten sind. In dieser Situation wird <strong>von</strong> verschiedenen<br />

Seiten das Symptom "Theoriedefizit" diagnostiziert. Wie auch immer gerechtfertigt diese<br />

Diagnose sein mag, muß man ebenso vermuten, daß das Problem nicht nur eines <strong>der</strong> Quan­<br />

tität ("Zu-Wenig-Theorie") sein kann, son<strong>der</strong>n auch eines <strong>der</strong> Qualität ist.<br />

Das Problem <strong>der</strong> Erklärung betrieblicher Strukturbildung in letzterer Fassung angehend,<br />

verfolgt die vorliegende <strong>Arbeit</strong> das Ziel, durch eine Auseinan<strong>der</strong>setzung mit grundlegenden<br />

theoretisch-methodologischen Problemen die gegenwärtige Diskussion in <strong>der</strong><br />

Industriesoziologie voranzutreiben. Als Ausgangspunkt dazu wird eine Fragestellung<br />

gewählt, die in ihrer verdichteten Form einen bekannten Topos <strong>der</strong> allgemeinen Soziologie<br />

wi<strong>der</strong>gibt: die Frage <strong>der</strong> "konzeptionellen Vermittlung zwischen sozialer Struktur und<br />

Praxis".<br />

Damit sollte u.a. folgendes deutlich werden: Die Industriesoziologie ist gegenwärtig mit<br />

einem Problem konfrontiert, das zu den Grundfragen <strong>der</strong> Soziologie überhaupt zählt und das<br />

aktuell unter dem Titel "Mikro-Makro-Problem" gerade heute wie<strong>der</strong> zu einem zentralen<br />

Gegenstand <strong>der</strong> Theorie-Debatte geworden ist.<br />

Der Industriesoziologie stellt es sich freilich in ganz spezifischer Form. Dann nämlich, wenn<br />

die Konzeptualisierung <strong>von</strong> <strong>der</strong>art wi<strong>der</strong>sprüchlich erscheinenden Phänomenen ansteht, wie:<br />

die Unterschiedlichkeit betrieblicher "Sozialordnungen" (Kotthoff/Reindl 1990), die Nicht-<br />

linearität <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong>sprozeßentwicklung, o<strong>der</strong> die Uneinheitüchkeit in <strong>der</strong> Implementations­<br />

praxis neuer Technologien konstatiert wird; an<strong>der</strong>erseits jedoch festgestellt werden muß,<br />

daß betriebliche Sozialorganisationen offensichtlich we<strong>der</strong> beliebig gestaltbar, noch per<br />

1


Dekret restrukturierbar, um nicht zu sagen "überwältigbar" sind (etwa <strong>von</strong> an<strong>der</strong>norts<br />

erprobten, im konkreten Fall jedoch nicht greifenden Organisations- und Management­<br />

modellen; o<strong>der</strong> <strong>von</strong> betriebsfremden, d.h. nicht aus <strong>der</strong> jeweiligen betrieblichen Praxis selbst<br />

hervorgegangenen Untemehmenskultur- bzw. Unternehmensphilosophie-Konzepten).<br />

Augenscheinlich verhin<strong>der</strong>n hier in <strong>der</strong> Industriesoziologie, genauso wie in <strong>der</strong> allgemeinen<br />

Soziologie, polarisierte Sichtweisen ein adäquates Verständnis <strong>der</strong> betrieblichen Praxis: Der<br />

objektvistische Blick marxistischer und strukturfunktionalistischer Ansätze vernachlässigt<br />

die Mikroebene <strong>der</strong> sich täglich ereignenden friktions- und konfliktreichen, bedeutungs­<br />

geladenen, in jedem Fall höchst voraussetzungsvollen Strukturierungsprozesse <strong>der</strong><br />

(betrieblichen) Sozialorganisation. O<strong>der</strong>, um es mit Bourdieu (1979, 164) zu sagen: er ist<br />

verleitet, zur "Logik <strong>der</strong> Sache" zu machen, was vielmehr "Sache <strong>der</strong> Logik" ist (man denke<br />

bspw. an Bravermans Postulate zur Entwicklung des mo<strong>der</strong>nen Produktionsprozesses), und<br />

damit die Bedeutung sozialer Organisierungsprozesse auf <strong>der</strong> betrieblichen Mikroebene zu<br />

verkennen. In <strong>der</strong> Konsequenz wird die konzeptionelle Integration eines zu<br />

"unübersichtlich" gewordenen Gegenstands selbst zum Problem bzw. bereitet sie offen­<br />

sichtlich einige Mühe.<br />

Aus <strong>der</strong> subjektivistischen Sicht, die rationalistisch-voluntaristischen Modellkonstruktionen<br />

zugrundeliegt, bleibt an<strong>der</strong>erseits immer wie<strong>der</strong> unklar, wie sich die Fülle an divergierenden<br />

Interessen und Entscheidungen schließlich zu geregelten, strukturierten sozialen Hand-<br />

lungs- und Verhaltensweisen formt. Das heißt industriesoziologisch gesprochen, wie bspw.<br />

betriebsspezifische "Verhandlungskulturen" (Bechtle 1989) erzeugt und etabliert werden, die<br />

die täglichen Mikropolitiken zu tragen vermögen; o<strong>der</strong>, wie sich bestimmte Legitünations-<br />

prinzipien als wirksam, d.h. als allgemein verbindlich durchsetzen, um in Form ange­<br />

messener Erwartungen und konformer Interessen zur Reproduktion bestehen<strong>der</strong><br />

Herrschaftsverhältnisse beizutragen.<br />

Objektivismus und Subjektivismus scheinen somit gleichermaßen ungeeignete Aus­<br />

gangspunkte zu sein, um den gegenwärtigen Anfor<strong>der</strong>ungen an industriesoziologische<br />

Theoriebildung gerecht zu werden: den Betrieb als "soziales System" bzw., spezifischer<br />

noch, als "sozialen Raum" (Bourdieu) zu begreifen.<br />

Die kritische Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> konzeptionellen und methodologischen Tradition<br />

hat nun heute aber bereits Ansätze hervorgebracht, die das bestehende Erklärungsspektrum<br />

deutlich erweitern. Industriesoziologie, die sich um eine komplexere Sichtweise ihres<br />

Forschungsgegenstandes bemüht, kann sich deshalb mittlerweüe auf einem Theoriefeld<br />

2


ewegen, das sich sowohl diesseits als auch jenseits <strong>der</strong> erwähnten Polarisierungen geöffnet<br />

hat. Aus den vielfältigen Rekonzeptualisierungsbeispielen, die hier mögliche Bezugspunkte<br />

für industriesoziologische Forschungsarbeit bieten, seien im folgenden zunächst <strong>Arbeit</strong>en<br />

diesseits <strong>der</strong> Pole erwähnt: Wierborn und Clegg für wichtige Erweiterungen im Bereich des<br />

objektivistischen Paradigmas in <strong>der</strong> marxistischen Theorietradition; und Elster für die Ent­<br />

wicklung einer differenzierteren Perspektive im Bereich des subjektivistischen Paradigmas<br />

<strong>der</strong> Rational-Choice-Theorien.<br />

Wierborn (1986) ist vor allem deshalb hier zu erwähnen, weil er einen <strong>der</strong> zentralen<br />

Eckpfeiler <strong>der</strong> marxistischen Theorietradition, den "Ideologie"-Begriff in seiner klassischen<br />

Auffassung als "falsches Bewußtsein" verstanden, einer kritischen Reflexion unterzieht.!<br />

Entgegen <strong>der</strong> einseitigen und letztlich reduktionistischen Deutung des Begriffs etabliert<br />

Therborn ein differenzierteres Verständnis - und dies ausdrücklich innerhalb <strong>der</strong> marxis­<br />

tischen Denktradition. Er stellt dabei nicht die Überzeugungskraft herrschen<strong>der</strong> Bedeu­<br />

tungsmuster, Ideologien, in Frage. Im Gegenteil. Statt aber ideologische Strukturen als<br />

etwas <strong>der</strong> Persönlichkeit Äußerliches zu betrachten, analysiert er sie als Produkte <strong>von</strong><br />

Prozessen <strong>der</strong> ideologischen Formierung des Subjekts - Prozesse, die, ob ihres "dialectic<br />

character", immer schon unter zwei Aspekten zu betrachten sind: einerseits <strong>der</strong> Unter­<br />

werfung <strong>der</strong> Subjekte "un<strong>der</strong> a particular force or or<strong>der</strong>"; und an<strong>der</strong>erseits <strong>der</strong><br />

"qualification" <strong>der</strong> Subjekte als "makers or creators of something" (Wierborn 1988,16 ff.)2<br />

Ein weiteres Beispiel ist Clegg (1989), <strong>der</strong> in seinen "Radical Revisions" bestehen<strong>der</strong><br />

Machtkonzeptionen auf eine Erweiterung <strong>der</strong> marxistischen Theorienperspektive zielt,<br />

indem er den "relations of production" die "relations ofmeaning" hinzufügt. Dabei versteht<br />

1) Therborn folgt damit einer <strong>von</strong> Althusser (1977) vorgezeichneten Argumentationslinie: Altbusser hat den<br />

Subjekt-Begriff als einen zentralen Begriff <strong>der</strong> marxistischen Ideologie-Theorie entwickelt, und die<br />

Konstituierung des Subjekts als einen Prozeß <strong>der</strong> ideologischen Formierung ("ideologische Anrufung des<br />

Subjekts") aufgezeigt Subjekt sein heißt somit ideologisch geprägt sein, d.h. nicht nur mit bestimmten<br />

politischen Meinungen, son<strong>der</strong>n viel genereller noch mit bestimmten Erwartungen, Einstellungen,<br />

Neigungen, Ambitionen, Befürchtungen, etc. ausgestattet sein.<br />

2) Dazu nur eine kurze weitere Erläuterung: "subjection" und "qualification" sind Therborn zufolge die zwei<br />

Seiten eines Prozesses, welche schon <strong>von</strong> daher ihrer Tendenz nach korrespondieren. Dennoch ist diesem<br />

Prozeß <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruch immanent. Die konkrete Verän<strong>der</strong>ung in den Bedeutungs- und Sinnstrukturen<br />

führt Therborn darauf zurück, daß sich im latenten Spannungsverhältnis zwischen "subjection'' und<br />

"qualification" ein manifester Wi<strong>der</strong>spruch entwickelt. (Ebd., 46). Dies bspw. im Zuge des Wandels beruflicher<br />

Kompetenzen und Qualifikationen (etwa durch weitreichende bildungspolitsche Maßnahmen), <strong>der</strong><br />

nicht <strong>von</strong> einem gleichlaufenden Wandel <strong>der</strong> symbolischen Integrationsmechanismen begleitet wird.<br />

Exemplarisch dafür ist <strong>der</strong> Fall einer höher qualifizierten <strong>Arbeit</strong>nehmerschaft, <strong>der</strong>en "Selbstverständnis''<br />

(welches sich in ihren Erwartungen und Interessen ausdrückt) mit traditionellen Motivationsstrategien und<br />

Kontrollpraktiken in Konflikt geraten müssen. In einem solchermaßen produzierten Wi<strong>der</strong>spruch entsteht<br />

Therborn zufolge ein Verän<strong>der</strong>ungspotential, das zur Reorganisation <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong>sbeziehungen und <strong>der</strong><br />

zugrundeliegenden ideologischen Strukturen führen kann.<br />

3


er letztere als selbst wesentliche, d.h. nicht nur <strong>der</strong>ivative Bestimmungsfaktoren <strong>der</strong><br />

Produktion und Reproduktion betrieblicher Sozialordnungen. Ähnlich wie Therborn betont<br />

also auch Clegg die normativ-ideologische bzw. kulturelle Dimension <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong>sorganisa­<br />

tion und forciert u.a. mit dem folgenden, fast schon axiomatischen Satz eine zunehmend<br />

auch die deutschsprachige Industriesoziologie dominierende Sichtweise: "The person is not<br />

only one who sells their labour power and thus alienates their 'species-being' but also one<br />

who constitutes, and is constituted by a moral universe of meaning." (Ebd., 98) Mit <strong>der</strong><br />

Wahl dieses konzeptionellen Ausgangspunkts eröffnet Clegg ein mehrdimensionales Ver­<br />

ständnis des Sozialen. Es ist dies ein Verständnis, das im weiteren auch zu einer Umkehr<br />

<strong>der</strong> theoretisch-analytischen Prioritäten führen könnte, etwa indem <strong>von</strong> einer bestehenden<br />

gesellschafts- bzw. betriebsspezifischen Kultur aus <strong>der</strong>en funktionelle Ordnung erforscht<br />

wird. Das würde also heißen, daß einmal "die symbolische Ordnung in <strong>der</strong> materiellen<br />

Tätigkeit" (Sahlins 1981, 15, Hervorhebung J.H.) in den Vor<strong>der</strong>grund gestellt wird, und<br />

nicht, wie üblich, vice versa. Damit wäre jedoch eine kulturanthropologische Sichtweise<br />

eingeschlagen, die sich bereits jenseits <strong>der</strong> kritisch-marxistischen Industriesoziologie<br />

bewegt.<br />

Auch auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite <strong>der</strong> methodologischen Pole wurde in den letzten Jahren ein sehr<br />

bedeutendes Theoriefeld erschlossen, das man mit "Erweiterte Rational-Choice-Kon-<br />

zeption" betiteln kann. Geht es den RC-Konzeptionen generell um eine "theoretische<br />

Rückeroberung <strong>der</strong> Akteurintention als ursächlichem Moment <strong>von</strong> Handlungen"<br />

(Wiesenthal 1987), so zeichnet darunter wohl am deutlichsten die <strong>Arbeit</strong>en <strong>von</strong> Jon Elster<br />

<strong>der</strong> Mangel an "überraschungsfreier Trivialität" (Ebd., 434) aus. Das ist u.a. darauf<br />

zurückzuführen, daß Elster (etwa 1987) ein Konzept intentionalen Handelns entwirft,<br />

welches dem Individuum Willensschwäche und Selbsttäuschung ("wishful thinking")<br />

zugestehen kann. Konsistent mit seinem erweiterten Rationalitätskonzept sind auch solche<br />

Phänomene des Handelns, die für frühere RC-Konzeptionen noch als "irrational" abgetan<br />

wurden, wie: akteursseitige Stilisierungen zu subjektiver Wahl, was eigentlich objektive<br />

Notwendigkeiten o<strong>der</strong> Zwänge sind (Entscheidung zum Verzicht auf "saure Trauben");<br />

o<strong>der</strong> freiwillige Opfer des Individuums aus Rücksicht auf ein langfristiges Ziel ("globales<br />

Maximum").<br />

Mit <strong>der</strong> Integration dieser Bereiche gelingt Elster nicht zuletzt eine weitreichende<br />

"Resozialisierung" des langjährig RC-geprüften "homo oeconomicus". 3<br />

Frühere Kritiken<br />

an RC-Theorien, sie würden utilitaristisch und voluntaristisch argumentieren, scheinen also<br />

neuere Ansätze, wie jenen Elsters, nicht mehr in <strong>der</strong>selben Weise treffen zu können.<br />

3) U.a. aus diesem Grund müssen wir später noch einmal auf Elster zurückkommen.<br />

4


Mit dem Gewinn eines differenzierteren Zugriffs auf Akteur und Intentionalitäts- wie<br />

Rationalitätsbegriff, sind jedoch an<strong>der</strong>erseits, und dies durchaus absichtlich, Einbußen an<br />

theoretischer Reichweite gemacht worden. Und so könnte man sagen, daß - quasi in Analo­<br />

gie zum global maximierenden Individuum, das zu strategischen Verzichten bereit ist, um<br />

sein Ziel zu erreichen - die neuere Variante <strong>der</strong> RC-Theorien einen theoriestrategischen<br />

Verzicht leistet: jenen auf apriorisch formulierte und universalistische Erklärungsansprüche<br />

und im weiteren dann auch auf den Entwurf einer allgemeinen Gesellschaftstheorie. Diese<br />

Art Bescheidenheit <strong>der</strong> neueren RC-Theorie zeichnet sie zunächst aus, da sie nunmehr zu<br />

halten vermag, was sie verspricht: für ihre speziellen Fragestellungen überzeugende<br />

Antworten zu liefern. Jedoch wird, wie auch Wiesenthal im bereits zitierten Aufsatz fest­<br />

stellt, im Endeffekt <strong>der</strong> Bereich genuin soziologischer Erklärungen geschmälert.<br />

Dies hat erwartungsgemäß Folgen für eine Industriesoziologie, die mit diesen Theorien<br />

arbeitet. Für Fragenkomplexe, die im beson<strong>der</strong>en Maße <strong>von</strong> Interesse für die Industrie­<br />

soziologie sind, scheint jedenfalls kein adäquater Bezugsrahmen zur Beantwortung vorzu­<br />

liegen, so z.B.: wie sich die soziale Prägung <strong>von</strong> Interessen ("Präferenzen"), differenziert<br />

nach sozialen Gruppen vollzieht; wie die Chance <strong>der</strong> Interessendurchsetzung im mikropoli­<br />

tischen Prozeß vor dem Hintergrund makroskopisch betrachteter Positionsverteilung, d.h.<br />

<strong>der</strong> Positionierug des Individuums in Machtstrukturen zu sehen ist; wie man an die globalere<br />

Frage <strong>der</strong> sozialen Erzeugung sozialer, (mikro)politischer und kultureller Beziehungsstruk­<br />

turen herangehen könnte, sodaß auch eine, bereits oben erwähnte klassische Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an soziologische Theoriebildungen geleistet werden kann: die konzeptionelle Verbindung<br />

zwischen Struktur- und Handlungsebene herzustellen.<br />

Für die Bewältigung dieser und ähnlich gelagerter Problemstellungen bietet sich nun eine<br />

theoretische Perspektive an, die nicht mehr diesseits, son<strong>der</strong>n jenseits <strong>der</strong> methodologischen<br />

Pole liegt, indem sie die beiden quasi zu einer Synthese auf einem an<strong>der</strong>en Niveau führt -<br />

wobei <strong>der</strong> Bereich genuin soziologischer Erklärung, wie es oben hieß, nicht geschmälert,<br />

son<strong>der</strong>n, im Gegenteil, weitestmöglich ausgedehnt wird: die <strong>Arbeit</strong>en des französischen<br />

Soziologen Pierre Bourdieu, die, bisher nur in <strong>der</strong> Soziale-Ungleichheiten-Forschung und<br />

in <strong>der</strong> Kultursoziologie4 breiter diskutiert, wohl auch gerade <strong>der</strong> neueren industriesoziolo­<br />

gischen Forschung interessante Entwicklungsmöglichkeiten weisen können. Daß dem so ist,<br />

soll hier nicht einfach postuliert werden, son<strong>der</strong>n im Wege einer Rekonstruktion zunächst<br />

<strong>der</strong> Entwicklung aktueller Forschungsperspektiven und Problemstellungen <strong>der</strong> Industrie-<br />

4) Vgl. etwa die Sammelbände Kreckel (1983) und E<strong>der</strong> (1989), sowie die Aufsätze <strong>von</strong> Hometh (1984) und<br />

Müller (1986).<br />

5


Soziologie, im weiteren dann <strong>der</strong> Diskussion des vorliegenden Theorieangebots, schließlich<br />

einer Darstellung <strong>der</strong> Bourdieuschen Theorieperspektiven nachvollziehbar gemacht werden.<br />

Wenn nun das Feld <strong>der</strong> Diskussion jenseits <strong>der</strong> klassischen Pole geöffnet und die Per­<br />

spektiven weiterführen<strong>der</strong> Ansätze angedeutet wurden, so sei an diesem Punkt nochmals <strong>der</strong><br />

Gedankengang an den thematischen Kern dieser <strong>Arbeit</strong> zurückgebunden, und gleichzeitig<br />

ihr argumentatorischer take-off festgehalten: Inhaltlicher Fokus <strong>der</strong> Diskussion wird die<br />

Frage <strong>der</strong> Erklärung betrieblicher Strukturbildung sein, wie sich die neuere Industriesozio­<br />

logie damit konfrontiert sieht. "Warum und inwiefern sich das Problem <strong>der</strong> Erklärung<br />

betrieblicher Strukturbildung heute aber aufs Neue stellt" wird dabei genauso zu themati­<br />

sieren sein, wie die Frage, welche Indizien für einen begründeten Perspektivenwandel in <strong>der</strong><br />

Industriesoziologie sprechen; weshalb die Reichweite traditioneller Erklärungsmuster als zu<br />

begrenzt erscheinen muß; und schließlich, noch einmal konkret, welche Erklärungsansätze<br />

heute vorliegen, die insbeson<strong>der</strong>e für die aktuellen Problemstellungen <strong>der</strong> Industriesoziolo­<br />

gie interessant sind.<br />

Im Versuch, sich <strong>der</strong> Beantwortung dieser Fragen schrittweise zu nähern, soll zunächst an<br />

einige industriesoziologische <strong>Arbeit</strong>en erinnert werden, die zur Entwicklung <strong>der</strong> aktuellen<br />

Forschungsperspektiven des Fachs beitrugen. Daraus seien vorerst einige "Labour-Process-<br />

Debate" bezogene britische Beiträge genannt, gefolgt <strong>von</strong> den im deutschsprachigen Raum<br />

mit zunehmendem Interesse diskutierten Neuformulierungen und -thematisierungen<br />

betrieblicher Strukturbildungsdimensionen.<br />

6


I. TEIL<br />

1. Perspektiven <strong>der</strong> Erklärung betrieblicher Strukturbildung<br />

1.1. Perspektivenwandel in <strong>der</strong> britischen Debatte<br />

Von Seiten <strong>der</strong> britischen Industriesoziologen wurden bereits im Rahmen <strong>der</strong> "zweiten<br />

Welle" <strong>der</strong> "Labour-Process-Debate"5 Konzepte entwickelt, die Bravermans (1974) als zu<br />

eindimensional kritisierte Fassung des "Modemen Produktionsprozesses" deutlich erweiter­<br />

ten. Bravermans zentrale Thesen - wie die zunehmende Dequalifizierung und Degradierung<br />

<strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong> (Proletarisierung), weiters die fortschreitende Segmentierung und Fragmen­<br />

tierung <strong>der</strong> Tätigkeiten (funktionelle <strong>Arbeit</strong>steilung), schließlich die expandierende<br />

Kontrolle des Kapitals über die <strong>Arbeit</strong>, kurz: die Fortführung des historischen Prozesses <strong>der</strong><br />

Taylorisierung des <strong>Arbeit</strong>sprozesses - wurden praktisch in allen Punkten einer eingehenden<br />

Kritik unterzogen. Insbeson<strong>der</strong>e Bravermans grundlegende Konzeption eines weitgehend<br />

linearen Entwicklungsprozesses und einer sich universal vollziehenden Entwicklungslogik<br />

mußte zurückgewiesen werden, angesichts <strong>der</strong> Fülle an empirischen <strong>Arbeit</strong>en, die regionale<br />

und branchenmäßige Disparitäten, sowie gegenläufige Tendenzen feststellten: Requalifi-<br />

zierungsprozesse, funktionelle Reintegration, Formen des mehr o<strong>der</strong> weniger organisierten<br />

"Unterlaufens" <strong>der</strong> Managementkontrolle (durch <strong>Arbeit</strong>swi<strong>der</strong>stand, Lei­<br />

stungszurückhaltung, etc.), heterogene <strong>Arbeit</strong>skräftegruppe und entsprechend unter­<br />

schiedliche Interessen. Bravermans Szenario <strong>von</strong> Gegenwart und Zukunft industries­<br />

gesellschaftlicher Produktions- und <strong>Arbeit</strong>sprozesse induzierte insgesamt eine breite Aus­<br />

einan<strong>der</strong>setzung, in Folge <strong>der</strong>er sich neue, im Vergleich zu seinen Perspektiven erweiterten<br />

herausbildeten.<br />

Für die Entwicklung eines <strong>der</strong>artigen Perspektivenwandels im angelsächsischen Raum<br />

waren bspw. Friedmans (1977) und Edwards (1979) <strong>Arbeit</strong>en ausschlaggebend. Ihre<br />

Schlußfolgerungen aus einerseits gegenwartsbezogener und an<strong>der</strong>erseits historiographischer<br />

Analyse, sprachen für eine differenziertere Sicht <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong>sprozeß und darin konstituierter<br />

Kontrollstrategien. Damit wurden nicht nur Kontrollformen und Managementstrategien 6<br />

5) Für die deutsche Industriesoziologie hat sich v.a. <strong>der</strong> <strong>von</strong> HüdebrandtlSeltz (1987) herausgegebene<br />

Sammelband als wertvolle Einführungslektüre zu Stand und Entwicklung <strong>der</strong> Debatte erwiesen. Auch<br />

Lothar Lappe (1986) muß hier erwähnt werden. Er stellt <strong>der</strong> britischen Sicht des labcur process die theoretischen<br />

und empirischen Perspektiven <strong>der</strong> deutschen Industriesoziologie gegenüber. Da hier nur einige<br />

<strong>der</strong> markantesten Beispiele aus <strong>der</strong> britischen Industriesoziologie erwähnt werden können, sei an dieser<br />

Stelle umso mehr Lappes interessante und sehr informative Diskussion empfohlen.<br />

6) Vgl. Edwards (1979) Konzeption <strong>der</strong> drei historisch aufeinan<strong>der</strong>folgenden Kontrolltypen: einfache,<br />

technische, bürokratische Kontrolle. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite Friedmans (1977) Konzept <strong>der</strong> "direkten Kon-<br />

7


vielschichtiger gedacht, son<strong>der</strong>n auch Möglichkeiten zur Konzeprualisierung feinkörnigerer<br />

Entwicklungsmodelle angezeigt (wobei allerdings Edwards selbst wie<strong>der</strong>um dafür kritisiert<br />

werden mußte, ein lineares Entwicklungsschema seiner Kontrolltypen aufzustellen, bspw. in<br />

Thompson [1987]).<br />

In dieser Hinsicht konnte weiters Burawoy mit seiner wohl bekanntesten <strong>Arbeit</strong><br />

"Manufacturing Consent" (1979) einen entscheidenden Einfluß auf britische und darüber<br />

hinausreichende Diskussionsfel<strong>der</strong> nehmen. Burawoy, dessen <strong>Arbeit</strong>en bekanntlich ent­<br />

scheidend auf seinen eigenen Erfahrungen als Industriearbeiter beruhen, widmet sich in<br />

dieser <strong>Arbeit</strong> dem Phänomen <strong>der</strong> Reproduktion betrieblicher Macht- und Herr­<br />

schaftsverhältnisse. Er geht dabei aber, im Unterschied etwa zu Braverraan, da<strong>von</strong> aus, daß<br />

die betrieblichen Akteure auch auf "shop-fioor"-Ebene, interessegleitet und strategisch<br />

handeln (s. dazu Anm. 7). Burawoy sieht diese also als aktive Teilnehmer <strong>der</strong> für die<br />

betriebliche Strukturbildung zentralen Spiele des "making out". Mit Nachdruck lenkt er<br />

somit immer wie<strong>der</strong> die Aufmerksamkeit auf die alltäglichen sozialen Auseinan­<br />

<strong>der</strong>setzungen um die Strukturierung des <strong>Arbeit</strong>sprozesses, in denen die <strong>Arbeit</strong>er sehr wohl<br />

ihre politischen Spielräume nutzen - wenn diese Spielräume auch auf solche <strong>der</strong> Entschei­<br />

dung über ihre Leistungsintensität beschränkt sind. In diesem Sinne sollte bei Burawoy nicht<br />

mehr so sehr den "politics of production" <strong>der</strong> institutionalisierten Interessenvertreter,<br />

son<strong>der</strong>n den "politics in production" <strong>der</strong> unmittelbar in den Produktionsprozeß involvierten<br />

Akteure (v.a. eben auch jener auf "shop floor" Ebene) eine Hauptrolle zuerkannt werden.<br />

Richtungsweisend ist in diesem Zusammenhang v.a. auch Burawoys Beobachtung <strong>der</strong> kon-<br />

sens- und legitimationsstiftenden Wirkung sozialer Praxis. Burawoy begründet dies damit,<br />

daß allein durch die Teilnahme an den für alltägliche betriebliche Praxis konstitutiven<br />

Spielen (v.a. des "making out"), je<strong>der</strong> betriebliche Akteur unweigerlich die herrschenden<br />

Regeln vollzieht, und auf diese Weise gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag zur Produk­<br />

tion des allgemeinen "Konsenses" leistet. Auf Basis dieser Beobachtung, die Burawoy zu<br />

den genannten Neuformulierungen <strong>der</strong> Reproduktionsmechanismen betrieblicher Macht-<br />

und Herrschaftsverhältnisse veranlassen, können dann auch traditionelle analytische<br />

Dilemmata (wie das sogenannte "Management-düemma") in ein "in und durch Praxis" ent­<br />

schärftes Spannungsverhältnis übergeleitet werden.?<br />

trolle" und <strong>der</strong> "verantwortlichen Autonomie". Die simplizistische Konzeption des Managements, als einer<br />

hinsichtlich ihrer Interessen homogenen und strategisch geschlossen auftretenden Gruppe, hat bspw. Lu<strong>der</strong><br />

(1987) mit Nachdruck kritisiert.<br />

7) Das "Managementdilemma" läßt aus dem ambivalenten Verhältnis <strong>von</strong> Systemintegratton einerseits und<br />

Sozialintegration an<strong>der</strong>erseits ein "Diszipliiüerungs- und Konsensproblem" für betriebliche Führungskräfte<br />

entstehen (Vgl. bspw. Flecker/Volst 1988). Konkret auf dieses Dilemma gemünzt, kann man<br />

8


1.2. Beiträge zum Perspektivenwandel in <strong>der</strong> deutschen Industriesoziologie<br />

In <strong>der</strong> deutschsprachigen Industriesoziologie hatte sich eine differenzierte Sicht des<br />

<strong>Arbeit</strong>sprozesses durch Bezug auf soziale Kontexte und lokale Praktiken beson<strong>der</strong>s inner­<br />

halb <strong>der</strong> akteurs- und interessen- bzw. strategiebezogenen Ansätze entwickeln können.<br />

Auffallend an den rezenteren <strong>Arbeit</strong>en im Bereich dieser Ansätze ist eine verän<strong>der</strong>te<br />

Diktion, die zugleich ein verän<strong>der</strong>tes empirisches wie theoretisches Problembewußtsein<br />

innerhalb <strong>der</strong> vielzitierten "Zunft" anzuzeigen scheint. Diese Modifikation des industrie­<br />

soziologischen Vokabulars - absehbar an Begriffen wie die "Politikarenen"<br />

(Aichholzer/Flecker/Schienstock 1989), "Mikropolitiken" (Ortmann 1988), "Verhand­<br />

lungsfel<strong>der</strong> und Verhandlungskulturen" (Bechtle 1989) sowie, noch weitreichen<strong>der</strong> gefaßt,<br />

die "Betrieblichen Sozialverfassungen" (Hildebrandt/Seltz 1989), etc. - deutet auf eine<br />

Erweiterung <strong>der</strong> aktuellen industriesoziologischen Forschungsperspektiven hin, wonach<br />

betriebliche Sozialstrukturen nicht mehr allein als abhängiger Variablenkomplex, deter­<br />

miniert <strong>von</strong> den abstrakt formulierten Prinzipien kapitalistischer Produktionslogik hinge­<br />

nommen werden wollen und können. Stattdessen rücken auch hier die "politics in<br />

production" mehr und mehr ins Zentrum des Interesses. Mehr noch: sie scheinen sich als<br />

privilegierter, weil fruchtbarer(er) Zugang zur Erklärung <strong>der</strong> vielfältigen sozio-kulturellen<br />

Ausgestaltungen betrieblicher Sozialsysteme durchzusetzen.<br />

Die Hinwendung <strong>der</strong> industriesoziologischen Forschung auf die konkrete soziale und<br />

(mikro)politische Praxis im Betrieb, zieht nun die bereits angedeutete Konsequenz nach<br />

sich: soll es statt einer homogenisierenden Sicht <strong>der</strong> Dinge um die heterogenen, jeweils<br />

spezifischen Formen und Inhalte <strong>der</strong> sozialen Auseinan<strong>der</strong>setzungen um die Strukturierung<br />

des <strong>Arbeit</strong>sprozesses auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> jeweils bestehenden objektiv-institutionalisierten<br />

und subjektiv-internalisierten Strukturen gehen, so muß sich das Forschungsfeld <strong>der</strong><br />

Industriesoziologie zwangsläufig verdichten. Denn eine komplexere Vorstellung <strong>von</strong> den<br />

Produktions- und Reproduktionsmechanismen betrieblicher Strukturen führt die Viel­<br />

schichtigkeit sozialer Beziehungen innerhalb eines beobachteten Betriebes vor Augen,<br />

genauso wie die Vielfältigkeit sozialer Strukturen im Vergleich zwischen den Betrieben.<br />

nun mit Burawoy da<strong>von</strong> ausgehen, daß die Beschäftigten zwar aus eigenen Interessen handeln und eigene<br />

Entscheidungen treffen, dabei aber letztlich doch wie<strong>der</strong> die bestehenden Macht- und Herrschaftsstrukturen<br />

reproduzieren. Ihre strategischen Praktiken gefährden demnach die Managementziele<br />

(Produktivitätssteigerung und Herrschaft) nicht, son<strong>der</strong>n laufen letztlich auf die Verfolgung dieser Ziele<br />

hinaus. Wobei we<strong>der</strong> diese reproduktive Wirkung ihrer strategischen Praktiken, noch die geschickten<br />

Interventionen des Managements als solche für sie durchschaubar sein mögen.<br />

9


Das heißt im weiteren nun aber auch, daß die Frage <strong>der</strong> sozialen Erzeugung bzw. Produktion<br />

und <strong>der</strong> Reproduktion empirisch heterogener Sozialstrukturen an<strong>der</strong>s zu stel-len ist! Je mehr<br />

<strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong>prozeß nämlich als "autonom" gegenüber einer verallge-meinerten indu­<br />

striegesellschaftlichen Produktionsweise angesehen wird, desto deutlicher verlangt er nach<br />

einer eigenständigen Erklärung. Die empirisch uneinheitlichen Erscheinungsbil<strong>der</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Arbeit</strong>prozessen sind ja nicht mehr auf mehr o<strong>der</strong> weniger große Abweichungen eines<br />

generellen Typs reduzierbar. Vielmehr muß man die jeweils beson<strong>der</strong>en<br />

"Sozialverfassungen" bzw. "Sozialordnungen" (Kotthoff/Reindl 1990) in ihrer vollen<br />

Bedeutung als Produkte betriebsspezifischer sozialer Strukturierungsprozesse sehen.<br />

"Vielschichtigkeit" und "Vielfältigkeit" betrieblicher Strukturen wollen dann nicht mehr<br />

einer abstrakten Logik geopfert werden, son<strong>der</strong>n als zentrale "Merkmale" des indu­<br />

striesoziologischen Forschungsgegenstandes anerkannt werden.<br />

Diese "Anerkennung" zeigt sich zunächst im Bemühen um eine adäquate beschreibende<br />

Erfassung je spezifischer Produktions- und <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse. Im weiteren und darüber<br />

hinaus muß sie jedoch auch im Bemühen um eine adäquate theoretische Fundierung und<br />

Konzeptualisierung betrieblicher Strukturbildung bestehen (siehe dazu genauer später, Kap.<br />

2). Wenn sich die Industriesoziologie empirischen Fragen - wie "unterschiedliche Möglich­<br />

keiten und Grenzen <strong>der</strong> Gestaltung <strong>von</strong> Sozialstrukturen und Regelsystemen" o<strong>der</strong><br />

"Klassifikationen unterschiedlicher Verhandlungskulturen und Politikarenen" - analytisch<br />

nahem will, muß sie sich also einen entsprechenden theoretischen Bezugsrahmen schaffen,<br />

innerhalb dessen verschiedenste sozialorganisatorische "Gestalten" erklärt werden können.<br />

Bemerkenswert an dem bisher besprochenen industriesoziologischen Perspektivenwandel<br />

sind darüber hinaus noch die folgenden Aspekte: nicht allein <strong>der</strong> gegenstandsbezogene<br />

Interessenhorizont verschiebt, o<strong>der</strong> besser erweitert und verfeinert sich; auch das Spektrum<br />

an Sichtweisen wird reichhaltiger - letzteres ist wahrscheinlich nicht zuletzt auf die zu­<br />

nehmende Öffnung einerseits in Richtung benachbarter Soziologien (bspw. <strong>der</strong> Organisa-<br />

tionssoziologie)8 und an<strong>der</strong>erseits in Richtung allgemeiner Gesellschaftstheorie^ zurückzu­<br />

führen.<br />

8) Als prominente Beispiele für Autoren <strong>der</strong> solchermaßen an organisationssoziologische Forschung<br />

angeschlossenen <strong>Arbeit</strong>en, sind zu nennen: <strong>der</strong> bereits zitierte Beitrag <strong>von</strong> Clegg (1989); weiters BurawoylWright<br />

(1990), die auf die Bedeutung <strong>der</strong> hegemonialen Kontrolle und <strong>der</strong> Selbstkontrolle in Fragen<br />

des "Agency"-Problems hinweisen; sowie natürlich Croziers bzw. Crozier/Friedbergs (1979) Ansatz <strong>der</strong><br />

Machtspiele vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Kontrolle <strong>von</strong> Ungewißheitszonen (letztere werden unten näher<br />

besprochen).<br />

9) So bezieht sich bspw. Traxler (1989) auf RC-Theorien (u.a. auf Elster), während Schimank (1986 und<br />

1987) an die (Luhmannsche) Systemtheorie anschließt. Darüber hinaus ist Giddens' Theory of Structura-<br />

10


Es könnte sich hierbei um eine Art "Koevolution" handeln, d.h. um zwei sich wechselweise<br />

bedingende Weiterentwicklungsprozesse. Demnach wäre auf <strong>der</strong> einen Seite ein Bedürfnis<br />

nach brauchbar(er)en Erklärungen des mit herkömmlichen Konzepten nicht zufriedenstel­<br />

lend bewältigbaren, verän<strong>der</strong>ten Erscheinungsbildes an betrieblichen Realitäten geschaffen<br />

worden; auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite hätte die Rezeption dahingehend interessanter theoretischer<br />

Neuerungen die Forschungsfragen selbst verän<strong>der</strong>t und die entsprechende Sensibilität für die<br />

(mikro)politische, kulturelle, soziale Dimension im Betrieb mitproduziert.<br />

Wie dem auch sei: Die neuere Geschichte <strong>der</strong> Industriesoziologie zeigt jedenfalls, daß man<br />

den Betrieb, über seine technisch-ökonomische Bestimmung hinaus, verstärkt als soziales<br />

System zu begreifen beginnt. Ein soziales System, das in Form eines mehrdimensionalen<br />

Beziehungsgefüges strukturiert ist. Von zunehmendem Interesse ist es dann auch, den<br />

Betrieb als Ort <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung um die Strukturierung <strong>der</strong> Macht- und Herrschafts­<br />

verhältnisse zu untersuchen, d.h. als einen (müao)polüischen Raum. Indem politische Aus­<br />

einan<strong>der</strong>setzungen sowohl auf Basis spezifischer bestehen<strong>der</strong> Legitimationsprinzipien statt­<br />

finden als auch um diese Prinzipien geführt werden (um Definition und Anerkennung <strong>der</strong><br />

Form und Inhalte dieser Auseinan<strong>der</strong>setzungen), muß schließlich auch die kulturelle<br />

Dimension des Betriebs zu einem zentralen Forschungsgegenstand werden. Das heißt, daß<br />

hier die "symbolische" Ordnung <strong>der</strong> sozio-politischen Prozesse interessiert - jene<br />

Deutungsmuster und Interpretationsschemata also, die sich in einer spezifischen Sozial­<br />

organisation als legitim durchsetzten und praktisch wirksam sind.<br />

Wie die Entstehung und Etablierung dieser sozialen Strukturen im Betrieb nun zu erklären<br />

ist, kann als ganz zentrale Problemstellung gewertet werden. Umso notwendiger machen es<br />

die <strong>der</strong>zeit vorliegenden empirischen Beobachtungsgrundlagen, sich mit den daran an­<br />

schließenden, teils sehr grundlegenden Fragen auseinan<strong>der</strong>zusetzen. Der folgende Abschnitt<br />

wird sich mit dieser Thematik befassen: Ausgehend vom Bezug zu allgemeinsoziologischen<br />

Problemstellungen werden die für die Industriesoziologie relevanten und im Laufe <strong>der</strong><br />

letzten Jahren als prominente Referenzpunkte aufscheinenden Ansätze erwähnt. Es handelt<br />

sich also um eine grobe Skizze, auf <strong>der</strong> lediglich die Eckpunkte des konzeptionellen Feldes<br />

markiert werden sollen. An dieser Stelle sollen weniger die genauen Argumentationslinien<br />

<strong>der</strong> Ansätze nachgezeichnet werden, son<strong>der</strong>n mehr die analytischen Ausgangspunkte und<br />

Stoßrichtungen im Zentrum des Interesses stehen. Inhaltlicher Aufhänger <strong>der</strong> folgenden<br />

dort" zu erwähnen, rezipiert in den <strong>Arbeit</strong>en <strong>von</strong> Ortmann (bspw. 1988). Eine ober die Giddensche Konzeption<br />

noch hinausgehende Perspektive zum Thema betrieblichen Strukturwandels ist in Pierre Bourdieus<br />

"Theorie <strong>der</strong> Praxis", auf die ja später noch näher eingangen wird, angelegt.<br />

11


Darstellung ist die jeweilige konzeptionelle Strategie, die zur Erklärung sozialer (d.h. auch<br />

betrieblicher bzw. organisatorischer) Strukrurbildung verfolgt wird.<br />

2. Fragen zur theoretischen Begründung und Konzeptualisierung des "Sozialen"<br />

In dem oben geschil<strong>der</strong>ten Szenario tauchen in <strong>der</strong> Industriesoziologie offensichtlich<br />

konzeptionelle Probleme (wie<strong>der</strong>) auf, mit denen sich die allgemeine Soziologie seit dem<br />

Bestreben ihrer Etablierung als eigenständige Disziplin auseinan<strong>der</strong>setzt. Das Durkheimsche<br />

Leitmotiv <strong>der</strong> Soziologie, Soziales sei durch Soziales zu erklären, mag dabei als imaginärer<br />

Angelpunkt <strong>der</strong> historischen und gegenwärtigen Diskussionen dienen. Im selben Maße wie<br />

dieses Postulat ihnen nämlich als gemeinsame Legitimationsgrundlage diente, hat die<br />

Soziologie kontroversielle, auch sich einan<strong>der</strong> ausschließende Konzeptionen ihres Gegen­<br />

standes entwickelt. Weit <strong>von</strong> einer geschlossenen Rezeptur entfernt, öffnet sich innerhalb<br />

des Durkheimschen Postulats die spektrale Vielfalt <strong>der</strong> Soziologien: Sowohl ihre<br />

erkenntnistheoretischen als auch ihre methodischen und methodologischen Debatten ent­<br />

zündeten sich immer wie<strong>der</strong> an <strong>der</strong> grundlegenden Problematik, <strong>der</strong> definitorischen und<br />

konzeptionellen Fassung des "Sozialen".* 0<br />

Wenig überraschend und zufällig ist, daß die Frage nach <strong>der</strong> Konzeption des "Sozialen" im<br />

betrieblichen Funktionszusammenhang seit jeher gleichermaßen kontroversiell war. Zwar<br />

herrschte unter den deutschen Industriesoziologen lange Zeit relativ breiter Konsens, was<br />

ihre Verankerung innerhalb <strong>der</strong> kritisch-marxistischen Tradition betrifft!!. Doch auf dieses<br />

einstige Einverständnis, läßt sich vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Wandels<br />

inhaltlicher "Besetzungen" (Forschungsschwerpunkte, Begriffsprägungen) einerseits, und<br />

des ebenso spürbaren Wandels vormals etablierter Denkstrukturen an<strong>der</strong>erseits, nicht mehr<br />

im selben Maße bauen.<br />

10) Vgl. Heinz Bude (1988), <strong>der</strong>, ausgehend <strong>von</strong> eben diesem klassischen Postulat, in einer sehr aufschlußreichen<br />

Reklassifikation folgende Soziologien analysiert: jene, die Soziales als "externe Struktur", als<br />

"interne Struktur" und als "serielle Struktur" begreifen; solchermaßen differenziert nach ihren jeweils<br />

unterschiedlichen Vorstellungen über Ort und Funktionsweise sozialer Strukturen, bewegt sich Soziologie<br />

seiner Auffassung nach "<strong>von</strong> einer Entsubstantialisierung und Entsubjektivierung zu einer Entstrukturalisierung<br />

und Enttotalisierung des Sozialen" (Ders, 2). Wir werden uns, das sei vorausgeschickt, nur mit den<br />

ersten beiden Typen <strong>von</strong> Konzeptionen befassen: "Soziales als externe Struktur" (in den strukturfunktionalistischen<br />

und -deterministischen Konzeptionen) gegenüber "Soziales als interne Struktur" (v.a. bei<br />

Giddens und Bourdieu)<br />

11) Ein, wie BraczykIKnesebeckjSchmidt (1982) es formulieren, "...bis Mitte <strong>der</strong> 70er Jahre kaum in Zweifel<br />

gezogenes...'Selbstbild m<br />

(19), gestützt auf eine "kognitive Identität auf <strong>der</strong> Ebene <strong>von</strong> Theoriestatus,<br />

Themenzentrierung und Methodenbestimmung" (20).<br />

12


Ganz deutlich zeigt sich deshalb die Bedeutung konzeptioneller Fragen dort, wo es um die<br />

Entwicklung <strong>von</strong> "Sozial- bzw. Politikmodellen" geht. Gerade hier mag zwar die Fest­<br />

stellung, daß Industriebetriebe nicht nur Güter und Dienstleistungen produzieren, son<strong>der</strong>n<br />

wesentlich auch soziale Beziehungen ob seiner Trivialität kein Aufsehen mehr erregen. Ganz<br />

sicherlich als nicht-trivial müssen jedoch die konzeptionellen Probleme gelten, die sich bei<br />

einer analytischen Bestimmung dieser Beziehungen stellen. Damit ist nämlich eines <strong>der</strong><br />

Hauptprobleme jeglicher soziologischer Erklärung angesprochen: <strong>der</strong> theoretische Status<br />

<strong>von</strong> sozialem System und Akteur sowie die Konzeptualisierung <strong>der</strong> Vermittlungsprozesse<br />

zwischen Strukturen und Strategien .12<br />

Viele <strong>der</strong> gegenwärtigen industriesoziologischen <strong>Arbeit</strong>en schneiden diese Problematik an<br />

(wenn auch zum Teil nur indirekt). Ihre methodologischen und konzeptionellen Grundlagen<br />

können, einer üblichen Systematisierungsweise zufolge, auf <strong>der</strong> soganannten "Struktur-<br />

Handlungs-Achse" lokalisiert werden. Im folgenden kurzen Überblick soll versucht werden,<br />

industriesoziologische (o<strong>der</strong> für Industriesoziologie relevante) Ansätze auf dieser Achse<br />

einzuordnen. Ziel dieser Vorgangsweise ist, die Diskussion über die zu erörternden An­<br />

sätzen einmal nicht primär aus <strong>der</strong> Perspektive ihrer empirischen Plausibilität zu führen.<br />

Vielmehr steht <strong>der</strong> methodologisch-konzeptionelle Ort dieser Ansätze und <strong>der</strong> <strong>von</strong> dort aus<br />

jeweils absehbare Erklärungshorizont zur Diskussion.<br />

Der hier nur eng gefaßte Bogen spannt sich <strong>von</strong> "strukturnahen" Ansätzen (am Beispiel <strong>von</strong><br />

kontrolltheoretischen, kontingenztheoretischen und technikdeterministischen Ansätzen) zu<br />

<strong>der</strong>en Kritiker, die zugleich "Vermittlungsansätze" entwickelt haben (jene also, die Struk­<br />

tur- und Handlungsebene zu integrieren versuchen).^ Zunächst jedoch zu den struktur­<br />

nahen Konzeptionen und <strong>der</strong> Perspektive, aus <strong>der</strong> sie Strukturbildungsprozesse betrachten:<br />

12) Den historischen sowie theorie- und gegenstandsspezifischen Beson<strong>der</strong>heiten entsprechend, ist damit ein<br />

sehr facettenreiches Problem angesprochen. Um nur einige bekannte Kodierungsbeispiele zu nennen: die<br />

Vermittlung zwischen Mikrc— und Makroebene, zwischen objektiven Bedingungen und subjektiven<br />

Entscheidungen, zwischen ökonomisch-funktionalen Imperativen und individuellen Interessen, zwischen<br />

systemischer Entwicklungslogik und konkreten Gestaltungsprozessen, zwischen sozialen Praxisformen und<br />

einzelnen strategischen Praktiken, zwischen Regel und Handlung, etc.<br />

13) Weitere Ansätze, die dieses Bild besser abrunden - v.a. das weitreichende Angebot an handlungstheoretischen<br />

Neuerungen innerhalb <strong>der</strong> Raüonal-Choice und spieltheoretischen Ansätze -, können im begrenzten<br />

Rahmen dieser <strong>Arbeit</strong> nicht entsprechend breit diskutiert werden. An entscheidenden Punkten <strong>der</strong> Bourdieu-Diskussion<br />

wird jedoch auf einzelne Konzepte (Intenionalitäts- und Rationalitätskonzept) Bezug genommen,<br />

wie sie übrigens auch in 4er "Elster-Bourdieu-Debatte" eine Rolle spielten.<br />

13


2.1. Kontrolltheoretische Ansätze<br />

Ganz deutlich wird die Frage nach dem Status <strong>von</strong> "Struktur und Akteur" in kontroll­<br />

theoretischen Ansätzen mitthematisiert. Im sogenannten "KontTollparadigma" - das wohl<br />

<strong>von</strong> Braverman am nachhaltigsten geprägt wurde - ist <strong>der</strong> zentrale Stellenwert <strong>der</strong> Kontrolle<br />

des Kapitals über <strong>Arbeit</strong> durch folgende Argumente begründet 14<br />

: Kapitalistische Produkti­<br />

onsweise ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, daß soziale Ordnung zur Optimierung des<br />

ökonomisch-funktionalen Wirkungskreises mittels weitestgehen<strong>der</strong> Reglementierung bzw.<br />

"Kontrolle" des Erlebens und Handelns <strong>der</strong> Beschäftigten hergestellt wird bzw. werden muß.<br />

Strategien <strong>der</strong> "Entsubjektivierung" <strong>der</strong> Beschäftigten (sie werden auf die Funktion einer<br />

<strong>Arbeit</strong>skraft reduziert) und spezifische Formen des Technikeinsatzes (als wesentlicher<br />

zusätzlicher Kontrollinstanz) übernehmen dabei die wichtige Funktion das dem kapita­<br />

listischen <strong>Arbeit</strong>sprozeß inhärente "Transformationsproblem" zu bewältigen.<br />

Dieses schon als klassisch geltende "Transformationsproblem" 15<br />

entsteht aus einem zen­<br />

tralen analytischen Ausgangspunkt, <strong>der</strong> zugleich die spezifische Herangehensweise <strong>der</strong><br />

Kontrolltheoretiker an die Frage "Vermittlung zwischen Struktur und Handlung" ver­<br />

deutlicht. Denn die "Transformationsfrage" stellt sich ausgehend vom Postulat des<br />

"doppelten Charakters <strong>der</strong> Ware <strong>Arbeit</strong>" und <strong>der</strong> analytischen Differenzierung <strong>von</strong><br />

"<strong>Arbeit</strong>skraft" und "Person des <strong>Arbeit</strong>nehmers" und schafft somit das Problem <strong>der</strong><br />

"Verflüssigung" <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong>, d.h. <strong>der</strong> Umwandlung potentiell-verfügbarer in tatsächlich­<br />

geleistete <strong>Arbeit</strong>. Zur Erklärung <strong>der</strong> solchermaßen theoretisch verankerten Trans­<br />

formationsprozesse muß nun auf diverse analytische "Bindeglie<strong>der</strong> zwischen Struktur und<br />

Handlung" (Vgl. Traxler 1989,20; Hervorhebung J.H.) rekurriert werden. Wobei sich neben<br />

"Macht und Interesse" eben vor allem "Kontrolle" als zentrale Erklärungsvariable erweist.<br />

Aus kontrolltheoretischer Perspektive wird also die Verbindung zwischen den Anfor<strong>der</strong>un­<br />

gen kapitalistischer Produktionsweise und <strong>der</strong>en Erfüllung im <strong>Arbeit</strong>sprozeß in erster Linie<br />

durch Kontrolle des Kapitals über <strong>Arbeit</strong>, typischerweise in Form technisch-organisatorisch<br />

objektivierter, m.a.W. "struktureller Kontrolle" hergestellt (Hill, zit. in<br />

Schienstock/Flecker/Rainer 1988, 298). Wobei die Erfüllungsgehilfen dieser strukturellen<br />

Funktionsgarantie kapitalistischer Produktionsweise dort gleichzeitig als ihre primären<br />

Nutznießer betrachtet werden: Kapitalist bzw. Manager, die sowohl ein objektives Interesse<br />

14) In Anlehnung an Schimanks (1987) knappe und scharf konturierte Darstellung dieses Paradigmas.<br />

15) Der konzeptionellen Weiterentwicklung innerhalb <strong>der</strong> Bemühungen um eine "Mikrofundierung des<br />

politökonomischen Ansatzes" liegt eine analoge Version dieses klassischen Problems zugrunde: das<br />

"Agency Problem" (s. etwa Bowles/Gmlis 1990)<br />

14


wie die materiell begründete Macht haben, <strong>der</strong>artig indirekte Kontrollsysteme einzusetzen<br />

und gegebenenfalls auch direkte, persönliche, Kontrolltechniken anzuwenden.<br />

Die Kurzschlüsse des "Kontrollparadigmas" sind schon vielerorts kritisiert worden. Statt<br />

einer Wie<strong>der</strong>holung möchte ich an dieser Stelle lieber auf Publikationen zum Thema ver­<br />

weisen, bspw. die bereits zitierte Darstellung in Schienstock/Flecker/Rainer (1988).<br />

Für die Zwecke dieses Aufsatzes ist es aber wichtig festzuhalten, daß innerhalb <strong>der</strong> traditio­<br />

nellen kontrolltheoretischen Ansätze recht klar die Strukturseite auf Kosten <strong>der</strong> Handlungs­<br />

seite zur Erklärung herangezogen wird - und zwar in mehrfacher Hinsicht: Erstens bestim­<br />

men objektive Zwänge (manageriale Kontrollstrategien, technische Systeme, materielle<br />

Zwänge) subjektives Handeln. Zweitens wird ausgehend <strong>von</strong> den abstrakten Prinzipien<br />

kapitalistischer Produktionslogik (Rationalisierung, Ausbeutung, etc.) ein Grundmuster <strong>der</strong><br />

Funktionsweise und Entwicklung <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong>sprozessen gestrickt. Die Heterogenität an<br />

Produktionskonzepten und Sozialverfassungen wird demnach vernachlässigt, zugunsten<br />

eines einheitlichen Schemas. Und drittens schließlich wird die soziale Dimension des<br />

Betriebes generell in ihrer Bedeutung abgeschwächt, v.a. aber konzeptionell vernachlässigt.<br />

Alternative Formen des <strong>Arbeit</strong>shandelns, wie Leistungszurückhaltung und Wi<strong>der</strong>stand,<br />

werden vielfach nur als Entfremdungserscheinungen gedeutet, sozio-politische<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen nur entlang <strong>der</strong> Konfliktschiene "Management- versus Beschäftig­<br />

teninteressen" untersucht.<br />

Ebenso als strukturlastig sind Konzepte zu bezeichnen, die betriebliche Strukturbildung <strong>von</strong><br />

<strong>der</strong> (Produktions)Technik o<strong>der</strong> vom ökonomischen und politisch-institutionellen Umfeld<br />

abhängig denken. Als Ausgangspunkt <strong>der</strong> Erklärung steht nun nicht mehr so sehr eine gene­<br />

ralisierte Strukturierungslogik. Die empirisch vielfältigen Formen struktureller Verhältnisse<br />

werden aber erst wie<strong>der</strong> nur als bedingt durch betriebliche î/mwe/ieinflusse bzw. -anfor­<br />

<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> als notwendig für eine adäquate Tec/z/iiÄadaption gesehen (Vgl. bspw. Og-<br />

burn 1950), anstatt sie genuin soziologisch, d.h. als Produkte sozialer Strukturierungs-<br />

prozesse zu begründen.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Strukturlastigkeit kann <strong>der</strong> Erklärungsanspruch dieses Ansatzes grundsätzlich<br />

nur erhoben werden für ejus Richtung <strong>der</strong> Verbindung zwischen den methodologischen<br />

Polen: <strong>von</strong> den objektiven, strukturellen Verhältnissen (repräsentiert im Zwangsapparat<br />

nach kapitalistischer Produktionslogik) zu den Handlungen und Verhaltensweisen des, in<br />

diesen Apparat eingepaßten, diesen Verhältnissen unterworfenen, einzelnen Akteurs. Eine<br />

gleichermaßen gegenläufige Bewegung ist im wesentlichen nicht nachvollziehbar. Sie ist<br />

15


auch nicht o<strong>der</strong> zumindest weniger relevant als die Erforschung <strong>der</strong> Auswirkungen objek­<br />

tiver struktureller Verhältnisse auf den Einzelnen. Denn aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> solcherart<br />

strukturdeterministisch gefärbten Ansätze gesehen, sind subjektive Handlungs- und Ver­<br />

haltensweisen vordringlich aus ihrer strukturellen Bedingtheit zu erklären. Es geht also all­<br />

gemein darum, die Engführung individueller Handlungs- und Entscheidungsoptionen aus<br />

systemlogischen Zwängen zu erklären. Das Forschungsinteresse richtet sich demgemäß in<br />

erster Linie auf die empirischen Repräsentanzen dieser Zwänge, auf die mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

offenen Reglementierungstechniken des Management.<br />

2.2. Kontingenztheoretische und technikdeterministische Ansätze<br />

In beiden Fällen wird somit sin spezifischer Aspekt als ausschlaggebend zur Erklärung <strong>der</strong><br />

betrieblichen Organisationsform herangezogen. Die Kontingenztheoretiker Lawrence und<br />

Lorsch (1967) bspw. führen einen hohen Grad organisatorischer Formalisierung, Zentra­<br />

lisierung und Zielspezifizität - kennzeichnend für ein "rationales OrganisationsmodeU" -<br />

darauf zurück, daß die organisatorische Umwelt entsprechend homogen und stabil ist.<br />

Demgegenüber ist es für Betriebe, die sich in einer turbulenten Umwelt befinden, ange­<br />

bracht, Prinzipien eines "natürlichen Organisationsmodells" zu verwirklichen (mit ent­<br />

sprechend geringen Ausprägung auf den für das rationale Modell typischen Dimensionen,<br />

jedoch mit umso zentralerer Bedeutung <strong>der</strong> "selbstorganisierenden" informellen Strukturen;<br />

vgl. Scott 1986). Die Entwicklung des einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Organisationsmodells wird somit<br />

zu einer Frage <strong>der</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger guten Anpassung an die betriebliche Umwelt gemacht.<br />

Diese krude evolutionstheoretische Deutung <strong>der</strong> betrieblichen Strukturentwicklung erhält<br />

eine weitere problematische funktionalistische Wendung, wenn dem einfachen<br />

"Überlebens-Zweck" Variablen wie Effizienz o<strong>der</strong> Gewinnmaximierung als struktur­<br />

prägende Erklärungsfaktoren hinzugefügt werden. Damit ist nämlich, wie Silverman (1987)<br />

bemerkt, das Forschungsinteresse auf ein Problem gerichtet, daß soziologisch eigentlich<br />

nicht interessant ist. Denn die Frage, inwieweit Betriebe effizient arbeiten, trägt nichts zum<br />

Verständnis dazu bei "why its structure is as it is, unless we make the teleological assump-<br />

tion that organisations take the form that they do as a response to their needs, one of which<br />

is presumably efficiency." (Ders., 19)<br />

Ebenso wie die kontingenztheoretischen Ansätze gehen "technizistische" Ansätze <strong>von</strong> einem<br />

externen, nun aber produktionstechnik-induzierten Anpassungsdruck aus. In <strong>der</strong><br />

organisationssoziologischen Geschichte trifft man bspw. auf das Konzept <strong>von</strong> Woodward<br />

(1958), das den Grad an technischer Komplexität für bestimmte Produktionsorgansisationen<br />

16


(bspw. Groß- bzw. Kleinserienfertigung) mit einer dafür jeweils angemessenen Form <strong>der</strong><br />

<strong>Arbeit</strong>sorganisation gleichschaltet. Gerade heute muß man diese und ähnliche Konzeptionen<br />

aber problematisieren und die Rolle <strong>von</strong> "Technik" als zentraler Erklärungsvariable für<br />

Produktionsorganisation und <strong>Arbeit</strong>sgestaltung in Zweifel ziehen. Denn wie die neuere<br />

Forschung zur Einführung <strong>von</strong> Informations- und Kommunikationstechnologien zeigt, ist<br />

Technik kein exogener Faktor. Es ist vielmehr da<strong>von</strong> auszugehen, daß bestehende und<br />

zukünftige Technikstrukturen wesentlich <strong>von</strong> betriebsspezifischen sozialen und politischen<br />

Prozessen geprägt sind. Wobei als zentraler Einflußfaktor <strong>der</strong> jeweiligen Technikgestaltung<br />

weiters die spezifischen kulturvermittelten Aneignungsweisen und Deutungsmuster <strong>von</strong><br />

Technik zu berücksichtigen sind. 16<br />

Die Schwächen <strong>der</strong> kontingenztheoretischen und technizistischen Argumentation liegen<br />

somit recht deutlich auf <strong>der</strong> Hand. Um abschließend nur folgende zu nennen: Vernach­<br />

lässigung <strong>der</strong> Bedeutung bestehen<strong>der</strong> sozialer Strukturen (die sich empirisch in Form <strong>von</strong><br />

Akzeptanzverweigerung gegenüber aufoktroyierten Technisierungsvorhaben zeigen);<br />

Reduktion des Betriebs auf seine sachlich-funktionale Zweckbestimmung (und damit auch<br />

Funktionalisierung sozialer Zusammenhänge); Nichtbeachtung <strong>der</strong> <strong>von</strong> den (innerbe­<br />

trieblichen sozialen Prozessen selbst induzierten Strukturierungsdynamik, stattdessen<br />

Hypostasierung eines spezifischen Erklärungsfaktors (Umwelt, Technik).<br />

Die Grenzen <strong>der</strong> Erklärungskraft verschiedener Spielarten speziell des funktionalistischen<br />

Paradigmas mit weiteren Argumenten zu belegen, ist angesichts einer ganzen Tradition <strong>der</strong><br />

Funktionalismuskritik, wohl nicht nötig (als beispielhafte Betreiber dieser Kritik seien hier<br />

nur die in diesem Aufsatz erwähnten Autoren, wie Giddens und Bourdieu genannt). Ebenso<br />

wurde <strong>der</strong> "technologische Determinismus" bereits einer eingehenden Kritik unterzogen<br />

(weshalb Lutz bereits 1987 vom "Ende des Technikdeterminismus" spricht). Abgesehen aber<br />

<strong>von</strong> den offensichtlichen theoretisch-konzeptionellen Mängeln, die eine Rückführung<br />

betrieblicher Sozialstrukturen auf ihre Rahmenbedingungen (betriebliche Umwelt) o<strong>der</strong> auf<br />

unabhängige Technikvariablen bergen muß, haben vor allem auch rezente empirische<br />

Studien überzeugendes Material zu ihrer Kritik geliefert.17<br />

16) Vgl. zur diesbezüglichen Forschung im beson<strong>der</strong>en die <strong>Arbeit</strong>en <strong>von</strong> Homing (1985) und Joerges (etwa<br />

1988).<br />

17) Beiträge renommierter Kritiker technikdeterministischer Erklärungsmodelle liegen bspw. in dem Sammelband<br />

mit dem bezeichnenden Titel "Technik als sozialer Prozeß" vor (in: Weingart 1989). Im Beitrag <strong>von</strong><br />

Schmidt (1989) werden dazu anschauliche Beispiele aus <strong>der</strong> empirischen Forschung zur Einführung neuer<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien angeführt.<br />

17


2.3. Giddens' "Theory of Structuration"und Crozier/Friedbergs "Gameskonzept"<br />

Über die bisher genannten <strong>Arbeit</strong>en hinaus liegen heute jedoch auch Ansätze vor, die in<br />

Fragen <strong>der</strong> Struktur-Handlungs-Vermittlung sehr viel elaborierter erscheinen müssen. Für<br />

industriesoziologische Fragestellungen als relevant sind Giddens' "Theory of Structuration"<br />

sowie Crozier/Friedbergs "Spielkonzept" zu erwähnen - beide widmen sich dem Problem<br />

<strong>der</strong> konzeptionellen Integration <strong>von</strong> Strategie- und Prozeßorientierung ohne Vernach­<br />

lässigung <strong>der</strong> strukturellen Rahmenbedingungen des Handelns. Obwohl in unterschiedlichen<br />

soziologischen Fel<strong>der</strong>n lokalisiert - Giddens tritt stärker im gesellschaftstheoretischen im<br />

Feld auf, Crozier und Friedberg sind eher organisationstheoretischen Kontext zu lokalisieren<br />

- ist den Autoren gemeinsam die Kritik an strukturdeterministischen und -funktiona-<br />

listischen sowie voluntaristisch und rationalistischen Erklärungskonzepten.<br />

Zunächst zu Giddens, dessen <strong>Arbeit</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> Kritik dieser Ansätze überhaupt ihren Ausgang<br />

nimmt und <strong>der</strong> Entwicklung einer Soziologie gewidmet ist, die das Verhältnis zwischen Struk­<br />

tur und Handlung als ein dialektisches versteht. Struktur und Handlung sind demnach nicht<br />

an<strong>der</strong>s zu begreifen, als die zwei sich wechselseitig bedingenden und erzeugenden Momente<br />

des Sozialen ("action and structure présuppose one another", Giddens 1979, 53). Das Konzept<br />

<strong>der</strong> "Duality of Structure" stellt somit ein überzeugendes Votum für den Aufbruch <strong>der</strong> Ein­<br />

seitigkeiten und Eindimensionalitäten <strong>von</strong> sowohl "methodologischem Individualismus" als<br />

auch "methodologischem Holismus" dar.<br />

Vom kritisierten Dualismus zwischen strukturellem Zwang und willkürlichem Handeln gelangt<br />

Giddens über eine dynamische Strukturkonzeption zu einer anspruchsvollen Handlungstheorie.<br />

Interessant und wichtig bei Giddens ist genau diese methodologische Bewegung: soziale Struk­<br />

turen werden als "medium and outcome" sozialen Handelns konzipiert. Sie sind Produkt<br />

("outcome") vergangener Praktiken, welche auf die regelgeleitete Realisierung <strong>der</strong> Handlungs­<br />

ressourcen rückführbar sind. Regeln und Ressourcen werden somit selbst schon als Struk-<br />

turierungsfaktoren konzipiert.l8 Sie befähigen ("enable") die Akteure zu kompetenten und<br />

kontextsensitiven Praktiken, Damit sind aber auch Fähigkeiten und Kenntnisse miteinge­<br />

schlossen, die dem Einzelnen nicht notwendigerweise bewußt sind bzw. für ihn nicht artikula-<br />

18) Giddens wendet sich damit gegen die Vorstellung <strong>der</strong> dem Handelnden) "äußeren Strukturen", genauer gegen<br />

die Konzeptionen <strong>der</strong> "'externality' of social phenomena to individual acitivity" (Giddens 1984,169). Strukturierungsprozesse<br />

machen Giddens zufolge nicht vor den Grenzen sozialer Akteure halt, son<strong>der</strong>n bestehen eben<br />

in Gestalt <strong>von</strong> Regeln und Ressourcen in ihren Köpfen und Körpern.<br />

18


tionsfähig sein müssen. Es handelt sich also um ein "praktisches Wissen", <strong>von</strong> dem das einzelne<br />

Individuum nur ein "practical", jedoch kein "discursive consciousness"l9 hat.<br />

Mit diesen "praktischen" Fähigkeiten und Wissensbeständen soll auch die Tatsache erklärbar<br />

sein, daß soziale Individuen sehr wohl absichtsvoll handeln und bestimmte strategische Orien­<br />

tierungen einschlagen, ohne über diese ihre Absichten auch immer entsprechend Rechenschaft<br />

ablegen zu können (d.h. im Einzelnen sagen könnten, warum sie so und nicht an<strong>der</strong>s handeln,<br />

warum sie sich auf diese und keine an<strong>der</strong>e Weise verhalten).<br />

Dieser Punkt muß hier in aller Kürze erwähnt werden, da die Giddensche Integration <strong>von</strong><br />

Struktur- und Handlungsebene ganz zentral auf <strong>der</strong> konzeptionellen Erweiterung <strong>der</strong> Dimen­<br />

sionen "unintended consequences" und "unconscious conditions of action" basiert. Ohne sie<br />

dem "Irrationalen" o<strong>der</strong> dem "falschem Bewußtsein" zuschreiben zu müssen, sind damit bspw.<br />

auch die nicht als solche wahrgenommenen, aber dennoch wirksamen Machtverhältnisse (die<br />

übrigens, ähnlich wie schon bei Bourdieu, als asymmetrische soziale Beziehungen, bemessen<br />

an den verfügbaren Ressourcen <strong>der</strong> Akteure gedacht werden) genauso analytisch zugänglich<br />

wie strategisches Handeln, das, wiewohl absichtsvoll, zu an<strong>der</strong>en als den intendierten Effekten<br />

führt.<br />

Innerhalb des Giddenschen Erklärungssystems können nun objektive Verhältnisse gedacht<br />

werden, die zwar handlungswirksam und verhaltenssteuernd sind, sich jedoch den Akteuren<br />

nicht als äußerer Zwang auferlegen. Denn die sozialen Kontextstrukturen sind Giddens zufolge<br />

als Produkt regelgeleiteter Realisierungen <strong>von</strong> Handlungsressourcen zu erklären. Die für sozial<br />

kompetentes Handeln erfor<strong>der</strong>lichen Regeln internalisieren die Akteure im Laufe ihrer Sozia­<br />

lisation. Auf <strong>der</strong>en Grundlage werden Gesellschaftsmitglie<strong>der</strong> dazu befähigt, den Umständen<br />

<strong>der</strong> Situation angemessen zu agieren. Indem also soziale Handlungskompetenz auf die sozia­<br />

lisierte Fähigkeit <strong>der</strong> Akteure zurückgeführt wird, den jeweüs relevanten sozialen Kontext<br />

mitzureflektieren, legt Giddens den analytischen Schnitt nicht mehr zwischen objektiven Ver­<br />

hältnissen und Akteuren, o<strong>der</strong> kurz: zwischen Struktur und Handlung. Vielmehr sieht er in den<br />

Handlungsintentiönen und strategischen Orientierungen <strong>der</strong> Akteure selbst bereits wesentliche<br />

Strukturierungsprozesse vollzogen. Dementsprechend heißt es bei Giddens: "Structural<br />

constraints do not operate independently of the motives and reasons that agents have for what<br />

they do." (Giddens 1984,181)<br />

19) Unter "practical consiousness" versteht Giddens die "tacit stocks of knowledge which actors draw upon in the<br />

constitution of social activity"; demgegenüber meint er mit "discursive consciousness" jene Kenntnisse, die<br />

"actors are able to express on the level of discourse". (Giddens 1979,5) Giddens schließt hier offensichtlich an<br />

die klassischen <strong>Arbeit</strong> <strong>von</strong> Michael Polanyi an.<br />

19


Trotz aller Bedeutung, die Giddens dem sozialen Kontext beimißt, eröffnet er damit einen<br />

gänzlich an<strong>der</strong>en analytischen Zugang als objektivistische und strukturdeterministische An­<br />

sätzen das tun können. Denn <strong>der</strong> Strukturbegriff ist bei ihm in einer Weise definiert, die strate­<br />

gisches Handeln als Erklärungsinstanz miteinschließt. "Strategie conduet" wird allerdings nicht<br />

vom sozialen Kontext (strukturiert durch technische, funktionale, kulturelle, politisch-institu­<br />

tionelle, normative, etc. Variablen) abgehoben, son<strong>der</strong>n wesentlich im Rekurs darauf bestimmt.<br />

Giddens bezieht sich in diesem Zusammenhang immer wie<strong>der</strong> ganz explizit auf <strong>Arbeit</strong>en <strong>der</strong><br />

Ethnomethodologie bzw. des Symbolischen Interaktionismus (in <strong>der</strong> Goffmanschen Variante) -<br />

seine Konzeption rekursiver Strukturierungsprozesse kann im Sinne dieser Autoren gedacht<br />

werden. In Giddens' Strukturierungstheorie wird <strong>der</strong> alltäglichen, sich in und durch Praxis<br />

vollziehenden Gestaltungsarbeit an sozialen Beziehungen also große Bedeutung beigemessen.<br />

Inwiefern die Betonung praktischer Gestaltungs- und Interpretationsaktivitäten auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite aber zu Ungereimtheiten mit Giddens' Konzeption struktureller Benachteiligungen in<br />

sozialen Systemen führt, darf darüber hinaus jedoch ebensowenig übersehen werden. Denn<br />

damit macht er das, gerade für die Industriesoziologie wichtige Problem <strong>der</strong> systematischen<br />

Produktion und Reproduktion ungleicher Einfluß- und Durchsetzungschancen zu wenig deut­<br />

lich. In diesem Zusammenhang wurden neben konstruktiven Kritiken (bspw. Livesay 1989)<br />

auch sehr ernsthafte Bedenken gegenüber Giddens geäußert.<br />

Zum Teil scheint in Giddens' Aussagen über die grundlegende Handlungsautonomie des<br />

Einzelnen auch tatsächlich etwas "Voluntaristisches" anzuklingen. Etliche Verdachtsmomente<br />

dafür stecken im Prinzip <strong>der</strong> "dialectic of control", wonach Giddens jedem Akteur, auch dem<br />

offensichtlich Machtlosen, noch ein Machtpotential zugesteht, kontrolliert er doch ein<br />

Mindestmaß an Ressourcen, <strong>von</strong> denen an<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong> abhängig sind. Dieser Handlungs- bzw.<br />

Kontroll-Spielraum, bestehend in <strong>der</strong> einfachen Option "of doing otherwise" (Giddens 1982),<br />

stellt für Giddens eine wesentliche Grundlage jeglicher, und damit auch seiner Handlungs­<br />

theorie dar. Wenn dem aber so ist, müßten die strukturellen Unterschiede zwischen den Hand­<br />

lungsspielräumen <strong>der</strong> Akteure, zwischen sozialen Positionen mit mehr o<strong>der</strong> weniger Einfluß-<br />

und Durchsetzungschancen in seine Handlungstheorie integriert werden.<br />

Gerade was die Bedingungen individueller und damit sozialer Produktion und Reproduktion<br />

dieser Unterschiede betrifft, hat Giddens diese Zusammenhänge zwar allgemein beschrieben,<br />

jedoch <strong>der</strong>en zugrundeliegende Systematik nicht mit <strong>der</strong>, für die Industriesoziologie wohl<br />

wünschenswerten Konsequenz aufgezeigt.<br />

20


Mit <strong>der</strong> Formel <strong>von</strong> den "dialektischen Kontrollbeziehungen" dürfte Giddens deshalb<br />

erwartungsgemäß industriesoziologische Entgegnungen provoziert haben - vor allem wohl <strong>von</strong><br />

Seiten <strong>der</strong> Verteidiger des kontrolltheöretischen Ansatzes.<br />

Diese mögen auch Crozier/Friedbergs Ansatz mit Skepsis begegnen und vor allem an <strong>der</strong>en<br />

mancherorts als etwas dubios empfundenen Begriff <strong>der</strong> "Spiele" einen Brennpunkt <strong>der</strong> Kritik<br />

finden.<br />

Crozier/Friedberg (1987) stellen zunächst einen Verweisungszusammenhang zwischen den<br />

organisationsstrukturell verteilten Kon troll- und Entscheidungsfreiräumen ("Unsicher­<br />

heitszonen"), den Strategien <strong>der</strong> Bewahrung und Ausdehnung dieser Spielräume sowie den<br />

erspielten, legitimen Machtpositionen (bzw. "Autoritätspositionen") her. Der <strong>von</strong> ihnen konzi­<br />

pierte Strukturierungsmodus produziert soziale Beziehungskonstellationen im weiteren nicht als<br />

fait accompli, dem es sich fortan zu unterwerfen gälte. Vielmehr stehen eben die einmal<br />

etablierten Strukturen selbst auf dem Spiel. Denn die fundamentale (spiel)strategische Aus­<br />

richtung <strong>der</strong> Organisationsteilnehmer zielt auf die Beeinflussung <strong>der</strong> Strukturen "sozialer<br />

Fel<strong>der</strong>" und damit auf den <strong>von</strong> ihnen kontrollierbaren Spielraum. Unter Einsatz ihrer<br />

"ökonomischen", "kulturellen" und "sozialen" Ressourcen agieren sie dabei ihren Spielposi­<br />

tionen im jeweiligen Kontext gemäß.<br />

Im Crozier/Friedbergschen Original liest sich dieser Zusammenhang folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

"Keine Situation in einer gegebenen Organisation stellt einen Akteur völlig unter Zwang.<br />

Er behält immer einen Freiheits- und Verhandlungsspielraum. Dank dieses Spielraums<br />

(<strong>der</strong> für seine Gegenspieler wie für die Organisation insgesamt eine Unsicherheitsquelle<br />

ist) besitzt je<strong>der</strong> Akteur Macht über an<strong>der</strong>e Akteure. Diese Macht ist umso größer, je<br />

relevanter die <strong>von</strong> ihm kontrollierte Ungewißheitsquelle für jene ist, das heißt, je<br />

substantieller sie die Fähigkeit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en, zu "spielen" und ihre Strategien zu verfolgen,<br />

berührt." (Crozier/Friedberg 1979, 56)<br />

Auch Crozier/Friedberg geht es also darum, die strategische Komponente <strong>der</strong> Erzeugung<br />

sozialer Strukturen, stärker ins Licht zu rücken. Ungeachtet <strong>der</strong> wohl unbestreitbaren Be­<br />

reicherung, die die Industriesoziologie aus <strong>der</strong> "Spielkonzepf'-Rezeption erfahren hat, sind an<br />

dieser Stelle jedoch einige Kritikpunkte anzumerken. Da ist einmal ihr Strategiebegriff, <strong>der</strong><br />

letztlich unbefriedigend bleiben muß, weil er zu "unbestimmt und folglich <strong>von</strong> geringem analy­<br />

tischen Ertrag" (Traxler 1989, 23) ist. Diese Bedenken muß man aber auch vielen Teilen ihres<br />

übrigen Vokabulars gegenüber anmelden: sie sind im einzelnen nur unpräzise definiert und<br />

21


auch ihre Einbettung in ein kohärentes Begriffssystem ist - zumindest in "Macht und<br />

Organisation" noch - wenig durchformuliert.<br />

All' das scheint beson<strong>der</strong>s insofern problematisch zu sein, als im weiteren die Genese <strong>der</strong><br />

jeweils vorliegenden Machtbeziehung, die Entwicklung <strong>der</strong> Struktur <strong>von</strong> Ungewißheitszonen<br />

sowie im beson<strong>der</strong>en die vergleichende Untersuchung <strong>der</strong> Spielpositionen und -Konstellationen<br />

ebenfalls wenig ausgearbeitet ist. So ist auf <strong>der</strong> Grundlage ihres Konzepts ganz konkret nicht<br />

nachvollziehbar, wie Machtbeziehungen, Ressourcenverteilungen entstehen, anhand welcher<br />

Kriterien man sie differenzieren, klassifizieren und vergleichen könnte. So gesehen greifen sie<br />

dann doch zu kurz bei ihrem Versuch, die Dualität <strong>von</strong> Struktur und Handlung durch das<br />

Konzept <strong>der</strong> "(Macht)Spiele" aufzuheben - wenn auch, und das sei hier abschließend nochmals<br />

betont, ihr Beitrag zum Thema sicherlich zu Recht als wertvoll erachtet wird.<br />

Als Resümee <strong>der</strong> vorhergehenden Ausführungen bleibt an dieser Stelle festzuhalten, daß<br />

sowohl Giddens als auch Crozier/Friedberg bemerkenswerte Schritte in Richtung einer Inte­<br />

gration <strong>der</strong> Struktur- und Handlungsebene gemacht haben, im einzelnen aber noch wichtige<br />

Fragen offen lassen.<br />

In Bezug auf Giddens ist es vorwiegend die Frage <strong>der</strong> konzeptionellen Koppelung <strong>von</strong> Struk-<br />

turierungsprozessen und Prozessen <strong>der</strong> (systematischen, weil strukturell verankerten) Produk­<br />

tion und Reproduktion asymmetrischer sozialer Beziehungen. Darüber hinaus ist <strong>der</strong> Bereich<br />

<strong>der</strong> "nicht-bewußten" strategischen Handlungsmotivationen noch nicht ausreichend an ein<br />

kohärentes Strukturmodell angeschlossen. Livesay (1989), auf dessen Kritik man sich an dieser<br />

Stelle erneut berufen kann, verweist nun an diesem Punkt <strong>der</strong> Giddens-Diskussion auf das<br />

Bourdieusche "Habituskonzept", das seiner Auffassung nach hier ganz entscheidend weiter<br />

führt. Inwieweit darüberhinaus auch Bourdieus "Ökonomie <strong>der</strong> Sozialwelt" die Koppelung <strong>von</strong><br />

Ungleichheits- und Strukturierungskonzeption zu leisten vermag, soll im Anschluß gezeigt<br />

werden,<br />

In Bezug auf Crozier/Friedberg geht es demgegenüber primär um die Klärung <strong>von</strong> Begriffen<br />

und <strong>der</strong>en Stellung innerhalb eines kohärenten Erklärungssystems. Auch hier bietet sich eine<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Bourdieus "Theorie <strong>der</strong> Praxis" an. Obwohl <strong>von</strong> Crozier und Friedberg<br />

nur sehr distanziert zitiert (Hinweise auf Bourdieu finden sich in "Macht und Organisation" nur<br />

in einer kurzen Anmerkung) müssen gerade ihre begrifflichen Parallelen zu Bourdieu auffallen<br />

(z.B. Begriffe wie Fel<strong>der</strong>, Spiele, und die als Einsätze dienenden Ressourcen, differenziert als<br />

22


ökonomische, soziale und kulturelle).20 Wenn auch bei Bourdieu keine Begriffsexplikationen,<br />

etc. im Sinne klassisch-empiristischer Ansprüche vorliegen, so ist sein terminologisches und<br />

theoretisches System im Vergleich zu Crozier/Friedberg jedenfalls deutlich mehr "refined"<br />

(E.O. Wright).<br />

Mit den nachstehenden Ausführungen werden also zwei Ziele verfolgt. Zum einen geht es<br />

darum, die Kritik an den letztgenannten Ansätzen nicht im Leeren stehen zu lassen, son<strong>der</strong>n<br />

Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung aufzuzeigen. Zum zweiten, und damit unmittelbar ver­<br />

bunden, geht es um den Versuch, einige zentrale Konzeptionen <strong>der</strong> Bourdieuschen Theorie<br />

sozialer Praxis für den Objektbereich <strong>der</strong> Industriesoziologie fruchtbar zu machen.<br />

Es wurde in <strong>der</strong> (Industrie)Soziologie schon verschiedentlich auf einen Rezeptionsbedarf<br />

Bourdieus hingewiesen.2l Mit <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Bourdieuschen Soziologie ist nun auch die<br />

Absicht verbunden, <strong>der</strong>artige Anregungen aufzunehmen. Daß es sich dabei um einen ersten<br />

Vorstoß zur näheren Erkundung dieses weiten theoretischen Terrains mittels industriesozio­<br />

logischem Kompaß an spezifischen Fragen und Problemstellungen handelt, sollte dem grundle­<br />

genden Vorhaben jedoch nicht im Wege stehen: die (industrie)soziologische Relevanz Bour­<br />

dieus aufzuzeigen und verschiedene seiner Konzeptionen in industriesoziologische<br />

Diskussionsfel<strong>der</strong> zu plazieren, wie: den "Habitus" für Fragen zum Status des Akteurs und zum<br />

Strategiebegriff; das "soziale (Kräfte)Feld" als Beitrag zur Diskussion um lokale Praktiken<br />

(Betriebsspezifizitäten) und zum Thema Strukturbildung; die "Kapitaltheorie" zur Frage <strong>der</strong><br />

Konzeptualisierung strategischer Ressourcen, ihrer (sozialen) Genese und Klassifikation, wie<br />

auch zur Entwicklung eines Strukturbildungskonzeptes; schließlich <strong>der</strong> "soziale Tausch" für die<br />

Frage <strong>der</strong> <strong>Regulierung</strong> sozialer Beziehungen sowie <strong>der</strong> Produktion und Reproduktion sozialer<br />

Ungleichheiten und Herrschaftsverhältnisse.<br />

Alledem stehen jedenfalls immer die beiden, eingangs aufgestellten Motti voran: Sozialität ist<br />

integraler Bestandteil jeglicher Organisation. Dem muß bei <strong>der</strong> Konzeptionalisierung <strong>von</strong><br />

Organisierungsprozessen, auch <strong>von</strong> betrieblichen Strukturbildungsprozessen voll Rechnung<br />

getragen werden. Strukturbildungsprozesse müssen dabei aber so konzeptualisiert werden, daß<br />

bestehende Strukturen, als soziale Beziehungen und Praxisformen verstanden, aus strategischen<br />

20) Dabei darf man jedoch keinen Moment vergesen, daß diese Parallelität in Wahrheit nur oberflächlich, nur<br />

bezogen auf ein gemeinsames Vokabular, besteht. Theoretisch liegen sie eigentlich völlig konträr: Crozier/Friedbergs<br />

<strong>Arbeit</strong>en sprechen ganz klar für eine Weiterentwicklung <strong>der</strong> Handlungstheorie; Bourdieu hingegen<br />

wird üblicherweise (das ist aber nach wie vor strittig) im Bereich genetisch-strukturalistischer/marxistischer<br />

Theorien eingeordnet.<br />

21) Wie bspw. <strong>von</strong> Livesay (1989) im Kontext <strong>der</strong> Giddens-Diskussion (s.o.); aber auch <strong>von</strong> Mill (1986), <strong>der</strong> die<br />

Bourdieusche "Habitus"-Konzeption in die industriesoziologische Diskussion aufgenommen sehen will.<br />

23


Praktiken erklärt werden können - und umgekehrt die strukturmäßigen Manifestationen ver­<br />

gangener strategischer Praktiken in ihrer Bedeutung als Ausgangspunkte zukünftiger Strategien.<br />

Kurz: es ist die Integration <strong>von</strong> Struktur und Handlung zu leisten.<br />

Wenden wir uns also an diesem Punkt den eingehen<strong>der</strong>en Analyse im Zweiten und Haupt-Teil<br />

dieser <strong>Arbeit</strong> zu.<br />

24


II. TEIL<br />

3. Zur Erklärung betrieblicher Strukturbildung auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Bourdieuschen<br />

"Theorie <strong>der</strong> Praxis"<br />

3.1. Der soziale Raum "Betrieb"<br />

Bei <strong>der</strong> Entwicklung eines Konzeptes betrieblicher Strukturbildung auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong><br />

Bourdieuschen Soziologie, ist da<strong>von</strong> auszugehen, daß <strong>der</strong> Betrieb einen "sozialen Raum" dar­<br />

stellt, d.h.: einen, <strong>von</strong> sozialen Akteuren, "Habitusträgern", und <strong>der</strong>en Praxisweisen struktu­<br />

rierten Raum. Diese Betrachtungsweise stellt den Aspekt <strong>der</strong> sozialen Erzeugung betrieblicher<br />

<strong>Arbeit</strong>sorganisationen in den Vor<strong>der</strong>grund und liegt damit notwendigerweise konträr zu <strong>der</strong><br />

wie<strong>der</strong>holt kritisierten Vorstellung, betriebliche Strukturen seien als Resultat <strong>der</strong> mehr o<strong>der</strong><br />

weniger direkten Umsetzung abstrakter Prinzipien zu verstehen (ob Kontrollimperativ, tech­<br />

nische Sach- o<strong>der</strong> ökonomische Verwertungslogik, und <strong>der</strong>gleichen).<br />

Ist die Rede <strong>von</strong> <strong>der</strong> "sozialen Erzeugung" nun aber so zu verstehen, daß im Gegensatz zum<br />

Strukturdeterminismus und Objektivismus Beliebigkeit und strategische Willkür als konstitutiv<br />

für die betriebliche Strukturbüdung hingestellt werden? Daß es sich hierbei um eine rein rheto­<br />

rische Frage handelt, liegt auf <strong>der</strong> Hand. Denn <strong>der</strong> Begriff "Habitus" deutet gerade auf das<br />

Fehlen jedwe<strong>der</strong> Voluntarismen hin. Unter Zugrundelegung <strong>der</strong> Bourdieuschen Habitustheorie<br />

ist es mithin möglich, <strong>von</strong> strategischen Praktiken als Konstituenten betrieblicher Strukturen zu<br />

sprechen, ohne das "rationale Individuum" als conditio sine qua non <strong>der</strong> Erklärung ansehen zu<br />

müssen. Im selben Maß kann man das Konzept interessegeleiteter Akteure aufrechterhalten,<br />

ohne den Rekurs auf die Kalküle des "homo oeconomicus" (o<strong>der</strong> des "mo<strong>der</strong>nen, aufgeklärten<br />

Subjekts") überstrapazieren zu müssen. Denn statt theoretischer Vorannahmen, die eine quasi<br />

"ontologische" Grundorientierung <strong>der</strong> Akteure postulieren (wie das Nützlichkeits- und<br />

Vorteilsdenken <strong>der</strong> MikroÖkonomie, in seiner soziologischen Variante im "Rational-Choice"-<br />

Lager vorherrschend), erklärt Bourdieu strategisches und interessegeleitetes Handeln aus ihren<br />

sozialen Erzeugungsbedingungen. Strategien und Interessen sind demnach in Bezug auf den<br />

Habitus, d.h. als habitusgeleitete Strategien und Interessen zu verstehen. Auf den Habitus,<br />

zweifellos ein Schlüsselbegriff bei Bourdieu wie auch im eben Gesagten, ist nun näher ein­<br />

zugehen.<br />

25


3.2. Strukturierte Praxisformen und strategische Praktiken - das Habituskonzept<br />

Der "Habitus" ist ein Konzept, mit dem Bourdieu die praktische Zusammenführung objektiver<br />

Erfor<strong>der</strong>nisse mit subjektiver Wahl, ohne Zwischenschaltung subjektivistischer o<strong>der</strong> objekti­<br />

vistischer Prämissen erklären will. Anhand dieses soziologischen Erkenntnisprinzips, das<br />

Bourdieu aus vielfältigen empirischen Studien entwickelte, rekonstruiert er die für bestimmte<br />

soziale Gruppen (Klassen bzw. Klassenfraktionen) typischen Einstellungen, Deutungen und<br />

Bewertungen ("Dispositionen") gesellschaftlicher Praxis - zuerst vermittelt im Laufe <strong>der</strong> her­<br />

kunftsspezifischen Primärsozialisation, und später durch die Prägearbeiten <strong>der</strong> Erziehungs­<br />

und Bildungsinstitutionen.22 Als Produkt dieser Prägung des Individuums, stellt Bourdieu<br />

jedoch nicht nur habitustypische Dispositionen^ fest, son<strong>der</strong>n auch bestimmte Kenntnisse und<br />

Kompetenzen, auf Basis <strong>der</strong>er wie<strong>der</strong>um eine bestimmte gesellschaftliche Position typischer­<br />

weise erreicht wird.<br />

Eine bestimmte "Habitusform" bezeichnet also das Produkt dieser (vergangenen und aktuellen)<br />

Strukturierungsprozesse, welche die praktische Herstellung <strong>von</strong> Übereinstimmung zwischen<br />

einer bestimmten gesellschaftlichen Stellung und den damit verbundenen Einstellungen im<br />

Laufe des sozialen Lebens bewirken. Habitus produziert m.a.W. Bourdieu zufolge nicht nur den<br />

jeweiligen Standort im sozialen Raum, son<strong>der</strong>n auch die siginifikanten Standpunkte jenes<br />

Akteurs, <strong>der</strong> sie verkörpert.24<br />

Die Habitustheorie geht demnach - noch bevor sie eine empirische Unterscheidung <strong>von</strong> spezi­<br />

fischen (bei Bourdieu: klassen- bzw. Wasserifraktionsspezifischen) Habitusformen vornimmt -<br />

da<strong>von</strong> aus, daß <strong>der</strong> sozialen Praxis allgemein ein "Strukturierungsprinzip" zugrundeliegt, das<br />

sich in jedem sozialen Handeln unweigerlich vollzieht. Auf den Habitus als Prinzip <strong>der</strong> Struk­<br />

turierung, wie auch <strong>der</strong> Erzeugung strukturierter Praxisformen, ist es zurückzuführen, daß<br />

22) Eine eingehende Diskussion <strong>der</strong> Funktion und Funktionsweise <strong>von</strong> Bildungsinstitutionen, mit einer empirischen<br />

Studie für den Fall Frankreich, findet sich in Bourdieu/Passeron (1971).<br />

23) Bei Bourdieu heißt es dazu: "Die Bezeichnung »Disposition« scheint in beson<strong>der</strong>em Maß geeignet, das auszudrücken,<br />

was <strong>der</strong> (als System <strong>von</strong> Dispositionen definierte) Begriff des Habitus umfaßt: Sie bringt zunächst das<br />

Resultat einer organisierenden Aktion zum Ausdruck und führt damit einen solchen Worten wie »Struktur«<br />

verwandten Sinn ein; sie benennt im weiteren eine Seinsweise, einen habituellen Zustand (beson<strong>der</strong>s des Körpers)<br />

und vor allem eine Präsdisposition, eine Tendenz, einen Hans o<strong>der</strong> eine Neigung." (1979,446, Anm. 39;<br />

Hervorhebung i. Orig.)<br />

24) In komprimierten Bourdieuschen Worten: "Die Homogenität <strong>der</strong> an eine Position gebundenen Dispositionen<br />

und <strong>der</strong>en scheinbar ans Wun<strong>der</strong>bare grenzende Angepaßtheit an die in <strong>der</strong> Position angelegten Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

verdanken sich zum einen den Mechanismen, die Individuen auf Positionen hinlenken, für die sie <strong>von</strong> vornherein<br />

zugeschnitten sind - sei es, daß sie sich selber für Posten wie geschaffen fühlen, die für sie wie geschaffen<br />

sincL.sei es, daß sie den aktuellen Stelleninhabem so vorkommen...; zum an<strong>der</strong>en <strong>der</strong> ein Leben lang<br />

währenden Dialektik zwischen Dispositionen und Positionen, Angestrebtem und Erreichtem" [o<strong>der</strong> eben:<br />

zwischen sozialen Stellungen und Einstellungen, Standorten und Standpunkten; Anm. J.H.]".(1988a, 189)<br />

26


Individuen Handlungen und Verhaltensweisen hervorbringen, die "...objektiv »geregelt« und<br />

»regelmäßig« sein können, ohne im geringsten das Resultat einer gehorsamen Erfüllung <strong>von</strong><br />

Regeln zu sein; die objektiv ihrem Zweck angepaßt sein können, ohne das bewußte Anvisieren<br />

<strong>der</strong> Ziele und Zwecke und die explizite Beherrschung <strong>der</strong> zu ihrem Erreichen notwendigen<br />

Operationen vorauszusetzen, und die, dies alles gesetzt, kollektiv abgestimmt sein können, ohne<br />

das Werk <strong>der</strong> planenden Tätigkeit eines »Dirigenten« [bzw. <strong>der</strong> direkten Kontrolle eines Vor­<br />

gesetzten, Anm. J.H.] zu sein. (1979,164 ff. bzw. sinngemäß auch 1988b, 101)25<br />

Um die Position Bourdieus, die in dieser dichten Definition des Habitus zum Ausdruck kommt,<br />

etwas transparenter zu machen, ist es sinnvoll, sie in Relation zu sehen, d.h. sowohl in ihrer<br />

relativen Nähe als auch in ihrer relativen Distanz zu an<strong>der</strong>en Positionen des soziologischen<br />

Feldes.<br />

Für den ersteren Fall läßt sich Anthony Giddens anführen. Denn zwischen Giddens und Bour-<br />

dieu besteht ja u.a. insofern eine weitreichende Übereinstimmung, als sie beide da<strong>von</strong> ausge­<br />

hen, daß strategisches Handeln nicht unbedingt bewußtes Räsonieren voraussetzt, son<strong>der</strong>n ganz<br />

wesentlich auch einem "practical consciousness" (Giddens) bzw. einem "praktischen Sinn"<br />

(Bourdieu) folgt. Wobei Bourdieus Analyse insofern einen Schritt weiter geht, als er das, was<br />

bei Giddens allgemein "tacit Stocks of knowledge" genannt wird, anhand empirischer Analysen<br />

für spezifische gesellschaftliche Gruppen (bzw. Klassen und Klassenfraktionen) weiter auf­<br />

schlüsselt und systematisiert. Die Frage, warum und inwiefern signifikante Unterschiede<br />

zwischen kulturellem Geschmack, schulischen und beruflichen Ambitionen, Deutungen und<br />

Bewertungen sozialen Lebens, etc. in <strong>der</strong> Gesellschaft bestehen, die mit ebenso signifikanten<br />

Unterschieden sozialer Praxisformen korrelieren, läßt sich somit durch Rekurs auf den Habitus<br />

beantworten. Indem <strong>der</strong> Habitus nämlich wie eine "Handlungs-, Wahrnehmungs- und<br />

Denkmatrix" (1979, 169, Hervorhebung J.H.) funktioniert, vermittelt er seinen Träger auch ein<br />

Urteilsvermögen, welches ihnen die Unterscheidung zwischen realistischen und utopischen<br />

Zielen, adäquaten und inadäquaten Aspirationen auf eine soziale Position im sozialen Raum<br />

sowie den darin zulässigen und unzulässigen Praktiken ermöglicht. Allgemein also im<br />

"praktischen Sinn" o<strong>der</strong> "Spiel-Sinn", konkret dann aber im "Sinn für die eigene Stellung im<br />

Raum" (1985, 17, Hervorhebung J.H.), generieren Akteure die für ihren Habitus typischen<br />

Strategien. Strategien aber, die nach Bourdieu we<strong>der</strong> "durch die vorhergehenden Bedingungen<br />

unmittelbar determinierte Reaktionsformen" (1979, 169) sind, noch "dem schöpferisch freien<br />

Willen" (Ebd.) überantwortet werden, son<strong>der</strong>n als habitusgeleitete Strategien verstanden<br />

werden, "die als solche eher unbewußt als bewußt sind." (1988a, 160, Hervhbg. J.H,)<br />

25) Alle folgenden Bourdieu-Zitate werden ab nun nur mehr mit dem Jahr <strong>der</strong> aktuellsten Publikation angeführt.<br />

27


Die Bourdieusche Re-Konstruktionsarbeit verhilft damit zu <strong>der</strong> wesentlichen Einsicht, daß <strong>der</strong><br />

Erwerb eines spezifischen Habitus im Laufe insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> primären Sozialisation, aber auch<br />

während <strong>der</strong> lebenslangen, post-primären Sozialisation durch Schule, <strong>Arbeit</strong> und lebens­<br />

weltliche Sozialräume, die Erzeugung eines Sets strategischer Grundorientierungen bewirkt -<br />

strategische Grundorientierungen, die in und durch soziale Praxis ständig modifiziert werden,<br />

dabei aber nichtsdestoweniger typische Schemata produzieren und reproduzieren, eben<br />

habitustypische Dispositionen, die die Erzeugung unbewußt strategischer Praktiken bewirken.<br />

Für Positionen in relativer Distanz zur Bourdieuschen soll hier stellvertretend Jon Elster stehen.<br />

Die Wahl fällt auf diesen Autor, weil sich zwischen Elster und Bourdieu am theoriestrate­<br />

gischen Punkt u.a. dieser "unbewußten Strategien" eine offene Kontroverse entzündete.26 Auch<br />

eignet sich eine kurze Auseinan<strong>der</strong>setzung dazu, eine präzisere Lokalisierung <strong>der</strong> Bour­<br />

dieuschen Position vornehmen zu können.<br />

Zunächst scheint es interessanterweise so, als würde Elsters erweiterte RC-Theorie Bourdieu<br />

auf weiten Strecken entgegenkommen: auch Elster spricht <strong>von</strong> habituellen Verhaltensweisen,<br />

<strong>von</strong> Rationalitäts- und Intentionalitätsgrenzen. Unter ersteren versteht er aber, im ersten<br />

Gegensatz zu Bourdieu, nur die einmal (bewußt) eingeübten, später eingeschliffenen und<br />

schließlich rein <strong>der</strong> Macht <strong>der</strong> Gewohnheit gehorchenden Handlungen. Und auch in puncto<br />

Rationalitäts- und Intentionalitätsgrenzen, die Elster vor allem anhand <strong>der</strong> "wesentlichen<br />

Nebenprodukte" thematisiert, wird eine weitere Distanz zwischen den Positionen <strong>der</strong> beiden<br />

Kontrahenten deutlich.<br />

Mit dem Begriff "wesentliche Nebenprodukte" bezeichnet Elster jene "Zustände", welche letzt­<br />

lich auch sozialem Verhalten zugrundeliegen, die "absichtlich und mit Einsicht nicht herbeige­<br />

führt werden können" (Elster 1987, 155, Hervhbg. J.H.). So kann man bspw. we<strong>der</strong><br />

"Souveränität" noch "Unsicherheit"27 willentlich an den Tag legen, folglich auch den Inter­<br />

aktionspartnern keinen entsprechenden Eindruck vermitteln - auch wenn man das eine glaub­<br />

haft machen, das an<strong>der</strong>e vermeiden wollte. Da aber "strategisches Handeln" für Elster immer<br />

nur bewußtes, rationales Handeln ist, ist es seiner Auffassung nach nur konsequent, die<br />

wesentlichen Nebenprodukte, d.h. jene Zustände, die nicht bewußt kontrollierbar sind, schlicht<br />

aus dem Bereich strategischen Handelns auszuschließen.<br />

26) Sehr aufschlußreich ist hier <strong>der</strong> Artikel <strong>von</strong> Prabitz (1990), in dem die Elster-Bourdieu-Kontroverse auf Basis<br />

<strong>der</strong> Textstrategien dieser beiden Autoren re-konstruiert wird.<br />

27) Noch prominentere Beispiele für "states which are essentially by-products" sind <strong>der</strong> Versuch einzuschlafen<br />

o<strong>der</strong> spontan zu sein - bei beiden vereitelt allein das bewußte Streben, daß sie glücken, d.h., daß das handlungs-<br />

bzw. verhaltensmotivierende Ziel erreicht wird.<br />

28


Bourdieu hingegen spricht sehr wohl <strong>von</strong> unbewußt strategischen Praktiken. Eine Auffassung,<br />

die ihm nun die Kritik Elsters einträgt, er begehe einen "intellektuellen Fehlschluß bei Neben­<br />

produkten". (Elster 1983, 141) Bourdieu kontert, indem er Elster vorwirft, er sei "in einer<br />

ultrasubjektivistischen Anschauung befangen, die jedes an<strong>der</strong>e Prinzip des Handelns als das<br />

Bewußtsein, die bewußte Absicht zurückweist". (1989, 395 ff.)<br />

Elster zielt mit seiner Kritik primär auf die "Feinen Unterschiede" (1988a), in denen Bourdieu<br />

Unterschiede kultureller Praktiken anhand habitueller Unterschiede erklärt. Analog zu dieser<br />

kultursoziologischen Analyse geht Bourdieu auch in <strong>Arbeit</strong>en vor, die hier noch offenkundiger<br />

relevant sind: so zeigt er (gemeimsam mit Passeron) bspw. in <strong>der</strong> "Illusion <strong>der</strong> Chancengleich­<br />

heit" (Bourdieu/Passeron 1971), wie soziale Herkunft (aber auch soziales Geschlecht) und<br />

entsprechende Schulkarriere in <strong>der</strong> Vergangenheit zukünftige Bildungsstrategien mehr o<strong>der</strong><br />

weniger naheliegend und wahrscheinlich machen - bspw. studieren Kin<strong>der</strong>, <strong>der</strong>en Eltern <strong>der</strong><br />

Oberschicht angehören, deutlich häufiger und absolvieren meist auch die distinktiveren<br />

Studienrichtungen, während sich Jugendliche aus peripheren Regionen und aus Unterschicht-<br />

Elternhäusern nur schwer o<strong>der</strong> gar nicht dazu entschließen können. Daß letztere ihren eigent­<br />

lich unbeabsichtigen Selbstausschluß, und dazu auch noch die Ausschlußmechanismen, die<br />

ihnen <strong>von</strong> Seiten <strong>der</strong> Bildungsinstitutionen entgegentreten, vollständig rationalisieren können,<br />

än<strong>der</strong>t nichts an <strong>der</strong> sozialen Tatsache: hinter dem bewußtem Entschluß bspw. gegen ein<br />

Universitätsstudium und die statusträchtigen Titel, die damit verbunden sind, steht eine unbe­<br />

wußte Reproduktionsstrategie.,28<br />

Und selbst wenn sich die "objektiven" und "subjektiven Chancen" des Bildungszugangs<br />

mittlerweile für weite Teile <strong>der</strong> Gesellschaft verbessert haben, d.h., daß sowohl Studium als<br />

auch berufliche Höherqualifizierung zur Selbstverständlichkeit (und Notwendigkeit) geworden<br />

sind, so läßt sich ebenso wie<strong>der</strong> belegen, daß das Vermögen, das in weitere Bildungsinves­<br />

titionen einzubringen erfor<strong>der</strong>lich bzw. diesen Investitionen för<strong>der</strong>lich ist, ebenso wie<strong>der</strong><br />

systematisch ungleich verteilt ist: praktische Sprachkompetenz, Gewandtheit im Umgang, Ver­<br />

ständnis und Beherrschung des herrschenden Vokabulars, etc.etc. Der Neu-Erwerb dieser<br />

Fähigkeiten erfor<strong>der</strong>t langjährige Bemühungen, letztlich gilt es ja den (gesamten) Habitus zu<br />

28) Zu ähnlichen Schlußfolgerungen für die berufliche Weiterbildung kommt übrigens Noll (1987). Ausgehend<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Frage nach den Mechanismen, die ungleiche Weiterbildungschancen und -aktivitäten bewirken, konstatiert<br />

er eine Verschränkung <strong>von</strong> selbstselektiven Wirkungen (geringe persönliche Weiterbildungsmotivationen)<br />

und institutionellen Selektionsmechanismen, und stellt schließlich die These auf, wonach:<br />

"Weiterbildung, die in <strong>der</strong> Schul- und beruflichen Erstausbildung angelegten und reproduzierten Unterschiede<br />

nicht nur nicht zu kompensieren vermag, son<strong>der</strong>n sogar noch verstärkt." (Ebd. 157) Und weiter noch ist Noll<br />

zufolge da<strong>von</strong> auszugehen, daß sich "die Vor- und Nachteile <strong>der</strong> sozialen Herkunft auf die Weiterbildungsteilnahme<br />

und <strong>der</strong>en Erfolg ähnlich auswirken wie im traditionellen Büdungswesen" (ebd.).<br />

29


verän<strong>der</strong>n, an<strong>der</strong>nfalls immer Brüche29 sichtbar bleiben. Demgegenüber sind sie für die Inhaber<br />

des entsprechenden "sprachlichen Habitus" (1990, 22) längst selbstverständlich geworden,<br />

weshalb sie ohne Überlegung, d.h. mehr unbewußt als bewußt eingesetzt werden können.<br />

Obwohl also einerseits nicht bewußt angestrebt, an<strong>der</strong>erseits, trotz aller Absicht nicht ohne<br />

weiteres aneigenbar, sind soziale Dispositionen und die darauf beruhenden Praktiken (wie die<br />

oben erwähnten Bildungsstrategien) immer schon strategisch. Das heißt, sie sind immer<br />

absichtsvoll und zielgerichtet, obwohl nicht immer das Ergebnis des sorgsamen Abwägens<br />

zwischen Optionen, son<strong>der</strong>n Realisierung habitustypischer Dispositionen. Als solche erfüllen<br />

sie auch nicht-explizit angesteuerte Zwecke, wie die Erhaltung <strong>der</strong> eigenen, ob privilegierten<br />

o<strong>der</strong> deprivierten, sozialen Position.<br />

Zusammenfassend ist also festzuhalten: Ausgehend <strong>von</strong> den via Habitus geregelten Praktiken,<br />

stehen Struktur und Strategie nicht mehr als unverbundene Pole einan<strong>der</strong> gegenüber. Denn die<br />

Einstellungen, Erwartungen und Interessen, auf Grundlage <strong>der</strong>er Strategien entworfen werden,<br />

sind als solche bereits strukturiert. Indem <strong>der</strong> Habitus als Vermittler zwischen Struktur und<br />

Praxis wirkt, organisiert er einzelne strategische Praktiken zu und aus sozialen Praxisformen.<br />

Die Selektivität in <strong>der</strong> Wahl bestimmter strategischer Optionen wird somit nicht <strong>der</strong> Willkür<br />

o<strong>der</strong> dem Kalkül zugeschrieben. Ebensowenig werden äußere constraints als allein maßgeblich<br />

erachtet. Vielmehr geht es um die vermittels Habitus gelingende Erzeugung <strong>von</strong> Überein­<br />

stimmung zwischen individuellen und den in einem bestimmten Kontext geltenden gesell­<br />

schaftlichen Erwartungen. Dies setzt eine Strukturierungsarbeit voraus, die jedes soziale<br />

Individuum bereits geleistet hat, noch bevor es geson<strong>der</strong>t darauf hingewiesen werden muß. Was<br />

für ein bestimmtes Individuum jedoch konkret als denkbar, erstrebenswert o<strong>der</strong> aber als absurd<br />

o<strong>der</strong> unmöglich erscheint - diese Prä-Dispositionen sind dann ganz wesentlich im Bezug auf<br />

eben diesen spezifischen Habitustyp, den es verkörpert, erklärbar. (Vgl. Anm. 51)<br />

Als Schlußfolgerung für die Frage <strong>der</strong> Erklärung betrieblicher Strukturbildung ist festzuhalten,<br />

daß auch die betriebliche Sozialstruktur als ein Beziehungsnetz zwischen Habitusträgern auf­<br />

zufassen ist. Dementsprechend gilt es zu berücksichtigen, daß betriebliche Strukturbildung auf<br />

Prozessen <strong>der</strong> Realisierung nicht nur bewußter, son<strong>der</strong>n vor allem auch unbewußter strate­<br />

gischer Praktiken beruht.<br />

29) "Brüche", d.h. Differenzen zwischen den subjektiven habitusmäßigen Voraussetzungen und den objektiv, <strong>von</strong><br />

den Feldmitglie<strong>der</strong>n als Voraussetzung ihrer Anerkennung gesetzten Erwartungen; o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s gesagt:<br />

zwischen dem Erfüllungsprofil des Aspiranten und dem Anfor<strong>der</strong>ungsproß, das <strong>von</strong> Seiten des sozialen Feldes<br />

<strong>der</strong> (erstrebten) Feldposition gegenüber gilt. Zu den beson<strong>der</strong>en "Risiken" bspw. des sozialen Aufstiegs und<br />

Problemen <strong>der</strong> Glaubwürdigkeit einer nicht habitusadäquaten Position, Vgl. bspw. Bourdieu 1988a, 372 ff.<br />

o<strong>der</strong> 1988b, 251 ff.<br />

30


Um die soziale Bedingtheit betrieblicher Praktiken bzw. die soziale Erzeugung betrieblicher<br />

Strukturen nun aber auch über den "Habitus" hinaus erklären zu können, ist es sinnvoll (in<br />

Übereinstimmung mit Bourdieu), das "soziale Feld" zu einem weiteren analytischen Ausgangs-*<br />

punkt zu machen. Bei den folgenden Ausführungen will <strong>der</strong> enge Konnex zum Habituskonzept<br />

aber stets mitgedacht sein. Denn, so wie Habitus nicht ohne den sozialen Raum bzw. die spezi­<br />

fischen sozialen Fel<strong>der</strong>, in denen er erworben wird, vorstellbar ist, so wenig sind sozialer Raum<br />

und Fel<strong>der</strong> ohne Habitusträger, die sie strukturieren, denkbar.<br />

5.J. Sozialer Raum "Betrieb" und Fel<strong>der</strong><br />

Betriebliche Praktiken o<strong>der</strong> Strategien sind also ferner aus dem sozialen Kontext eines Feldes<br />

zu denken, d.h. aus einer spezifischen Struktur sozialer Beziehungen. Aus <strong>der</strong> Feldperspektive<br />

kann man nun eine Feinanalyse des sozialen Raums "Betrieb" vornehmen. Indem man im<br />

gesamten sozialen Raum "Betrieb" unterschiedliche soziale Fel<strong>der</strong> differenziert, ist es möglich,<br />

auch die lokalen Formen betrieblicher Praxis analytisch zugänglich zu machen. Das ist insofern<br />

wichtig, als ja da<strong>von</strong> auszugehen ist, daß soziale Praxis im Betrieb nicht als homogen ange­<br />

sehen werden kann, son<strong>der</strong>n als differenziert innerhalb <strong>der</strong> lokalen Bezugs- bzw. Beziehungs­<br />

fel<strong>der</strong> praktischen Handelns und Verhaltens.<br />

Das Konzept des "sozialen Feldes" ist aber nicht nur aus Gründen einer <strong>der</strong>artigen<br />

"Feinanalyse" <strong>von</strong> Bedeutung. Für Bourdieu erweist es sich als zentraler Ausgangspunkt <strong>der</strong><br />

Analyse sozialer Praxis überhaupt.^ Denn innerhalb des Feldes erfolgt die soziale Verortung<br />

des einzelnen Individuums auf einer spezifischen Position. Das Individuum wird damit in einen<br />

spezifischen Kontext gestellt, <strong>der</strong> kein zufälliges o<strong>der</strong> unverbindliches Zusammentreffen<br />

"monadischer" Individuen konstituiert, son<strong>der</strong>n immer schon ein spezifisch organisiertes<br />

"System sozialer Beziehungen" darstellt - mit allen Implikationen des Begriffs. Das heißt im<br />

Sinne eines sozialen Systems, das bereits eine aktuell gültige Verteüung <strong>der</strong> Positionen und <strong>der</strong><br />

daran jeweils geknüpften Dispositionen vorgenommen hat. O<strong>der</strong> metaphorischer gesagt,<br />

handelt es sich um ein Spiel-Feld, in dem "naturgemäß" bereits eine bestimmte Definition des<br />

Spiels und <strong>der</strong> Spielregeln, sowie <strong>der</strong> Bedingungen <strong>der</strong> Teilnahme (d.h. <strong>der</strong> Aufnahme- und<br />

Existenzbedingungen), d.h. <strong>der</strong> Kriterien <strong>der</strong> Anerkennung als "Mitspieler" (mit den erfor<strong>der</strong>­<br />

lichen "Eigenschaften" bzw. "Einsätzen"^) wirksam ist.<br />

30) Vgl. zu den folgenden Ausführungen im beson<strong>der</strong>en Bourdieu/Wacquant (1989) und Bourdieu (1983).<br />

31) Wie später noch zu zeigen sein wird, handelt es sich dabei um die "Kapitalien".<br />

31


Die soziale Verortung in einem spezifischen Feld setzt somit voraus, daß das Individuum die<br />

objektiv an die Mitgliedschaft bzw. die Einnahme einer bestimmten Position innerhalb <strong>der</strong><br />

Struktur gebundenen Anfor<strong>der</strong>ungen bereits (weitestgehend) erfüllt: d.h.> daß es vor allem die<br />

entsprechenden Dispositionen für die Position mitbringt. O<strong>der</strong>, um bei <strong>der</strong> Spiel-Metapher zu<br />

bleiben: zu einem "Mitspieler" werden kann nur, wer über die entsprechendn Einsätze verfügt<br />

sowie die Spielregeln beherrscht (bzw. schnell genug erlernt) und das, was auf dem Spiel steht,<br />

akzeptiert.<br />

Bourdieu sieht deshalb das soziale Feld, nicht das Individuum als eigentlichen Gegenstand <strong>der</strong><br />

Soziologie an. Das heißt nicht, daß das "Individuum" eine "Illusion" für ihn wäre (1989, 6). Es<br />

existiert für Bourdieu jedoch, wie oben schon dargelegt, nur im Sinne eines Habitusträgers, wie<br />

dieser vermöge seiner habitustypischen Dispositionen eine Position in einem spezifischen<br />

sozialen Feld erwirbt und in diesem Feld nur existieren und wirksam agieren kann, insofern er<br />

die vom Feld als die für seine Position legitim erachteten Eigenschaften, Fähigkeiten und<br />

Kenntoisse auf legitime Weise einbringt.32<br />

Im Anschluß an diese allgemeinen Überlegungen zum Feldkonzept gilt es nun zur Kon­<br />

kretisierung und zur besseren Anschaulichkeit auf verschiedene, mögliche Feldtypen ein­<br />

zugehen.<br />

Wurden oben soziale Fel<strong>der</strong> als "Systeme sozialer Beziehungen" definiert, so kann man ihre<br />

Differenzierung anhand <strong>der</strong> Art ihrer Strukturierung, d.h. <strong>der</strong> Organisadon sozialer Beziehun­<br />

gen vornehmen. Als Beispiele möglicher Strukturierungsformen seien folgende Feldtypen, wie<br />

sie speziell für die Frage betrieblicher Strukturbildung relevant sein sollten, vorgeschlagen:<br />

vertikal, horizontal und lateral strukturierte Fel<strong>der</strong>.33<br />

Als vertikal strukturierte Fel<strong>der</strong> könnte man bspw. die abteilungsmäßig organisierten betrieb­<br />

lichen Funktionsfel<strong>der</strong> bezeichnen, da diese meist Akteure ungleicher sozialer Stellungen um­<br />

fassen. 34<br />

Horizontal strukturierte Fel<strong>der</strong> würden demgegenüber ähnlich positionierte Be-<br />

32) Bei Bourdieu heißt es dementsprechend: "...individuals...exist as agents - and not as biological individuáis,<br />

actors, or subjects - who are socially constituted as active and acting in the field un<strong>der</strong> considération by the<br />

fact that they possess the necessary properties to be effective, to produce effects, in this field." (1989,6)<br />

33) Es handelt sich dabei sozusagen um Idealtypen. Empirische YtAàgestalten wird man sinnvollerweise erst aus<br />

einer Fallanalyse rekonstruieren können - und demgemäß auch stärker differenzieren bzw. feiner strukturieren<br />

müssen.<br />

34) Im Produktionsbereich eines österreichischen Papiererzeugers wurde anläßlich einer Fallstudie zum Thema<br />

"Betriebsübernahmen" (Flecker/Hoßauer/Krerm/Pastner 1991) bspw. folgendes vertikal-strukturierte Teilfeld<br />

erkennbar: im funktionellen Umfeld einer Produktionsanlage stehen (1.) eine Person, die die elektronische<br />

Steuerung <strong>der</strong> Anlage bedient, (2.) ein Maschinenführer, (3.) dessen 1. Gehilfe, (4.) <strong>der</strong> 2. Gehilfe, etc. in einer<br />

hierarchischen Beziehung zueinan<strong>der</strong>, was sich auch in ihren Qualifikationen ausdrückt: <strong>von</strong> Verfahrenstech-<br />

32


schäftigtengruppen und Managementebenen umfassen, wie etwa die Gruppe <strong>der</strong> <strong>Abteilung</strong>s­<br />

leiter innerhalb des middle-managements, die ein Feld mit vergleichbaren Positionen bildet,<br />

genauso wie die Gruppe <strong>der</strong> Facharbeiter gegenüber jener <strong>der</strong> Angelernten, die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Stammbelegschaft gegenüber <strong>der</strong> Randbelegschaft. Nicht-institutionalisierte soziale Netzwerke<br />

und informelle Gruppen könnte man schließlich als /ateraZ-strukrurierte Fel<strong>der</strong> konzipieren,<br />

insofern sie aus Beziehungen quer zu den (horizontalen und vertikalen) Reihen hervorgehen.<br />

In jedem Fall muß man da<strong>von</strong> ausgehen, daß sich in <strong>der</strong> Praxis die verschiedenen sozialen<br />

Fel<strong>der</strong> im Betrieb überschneiden und überlagern. Denn ein spezifischer Akteur kann ja in ver­<br />

schiedene Teilfel<strong>der</strong> involviert sein. Dementsprechend kann man unterschiedliche Positionen<br />

einnehmen, je nach den Beziehungen, in die man gerade eingebunden ist.35 Genauso wird man<br />

unterschiedliche strategische Möglichkeiten entwickeln können, je nach Feld, in dem man<br />

agiert. 36<br />

Im weiteren kommt es aber natürlich ebenso darauf an, welche relative Position man in einem<br />

Feld einnimmt, d.h. welche Stellung man im Bezug auf die an<strong>der</strong>en Feldmitglie<strong>der</strong> innehat und,<br />

dies vor allem, welchen Status man <strong>von</strong> diesen zuerkannt bekommt. Die Frage, ob es um die<br />

formale o<strong>der</strong> informelle Position geht, spielt bei Bourdieu an sich weniger eine Rolle. Denn in<br />

jedem Fall geht es um die Rekonstruktion <strong>der</strong> Struktur(en) aus jenen Positionen, wie sie <strong>von</strong><br />

den Akteuren an ihrem spezifischen sozialen Ort anerkannt, d.h. als legitim erachtet werden.<br />

Die Formalität ist nun bekanntermaßen zwar <strong>der</strong> Statuszuschreibung för<strong>der</strong>lich, kann sie jedoch<br />

nicht gewährleisten o<strong>der</strong> ausreichend absichern. Entsprechend genügt es nicht die formale<br />

Sozialstruktur zu rekonstruieren. Wesentlich ist vielmehr die praktisch wirksame und solcher­<br />

maßen legitimierte Ordnung <strong>der</strong> Sozialbeziehungen.<br />

Zusammenfassend ist nochmals die Bedeutung des Feldkonzepts innerhalb <strong>der</strong> Bourdieuschen<br />

Sozialtheorie zu betonen. Wie oben dargestellt läßt sich das "soziale Feld" als ein spezifisches<br />

nik-Akademiker, über HTL-Absolvent bis zu Facharbeiter und angelernten Hilfskräften (Diese Beobachtungen<br />

waren für die spezifische Thematik <strong>der</strong> genannten Studie jedoch nicht eigentlich relevant und wurden aus<br />

diesem Grund dort auch nicht weiter thematisiert).<br />

35) Man kann jedoch nicht zugleich in mehrere, verschiedenen Fel<strong>der</strong> konstituierende Beziehungen eingebunden<br />

sein, also nicht zwei solcherart unterschiedene Positionen gleichzeitig einnehmen. Zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt handelt man immer aus <strong>der</strong> jeweils aktuellen Positionen, innerhalb <strong>der</strong> dann aktualisierten<br />

(Beziehungs)Struktur. (Vgl. dazu etwa 1985,10).<br />

36) So bspw. ein <strong>Abteilung</strong>sleiter: mit seinen gleichgestellten Kollegen (an<strong>der</strong>e <strong>Abteilung</strong>sleiter auf selber Ebene)<br />

wird sich typischerweise eine deutlich an<strong>der</strong>e Form <strong>von</strong> Beziehung entwickeln als mit den Beschäftigten <strong>der</strong><br />

<strong>Abteilung</strong>, die ihm unterstellt sind. Genauso verschieden wird sich die Beziehung zu einem Kollegen - prinzipiell<br />

gleich welchen sozialen Ranges - gestalten, mit dem er informellen, freundschaftlichen Kontakt hat.<br />

Vgl. zu den Konstruktionsgrundlagen des sozialen Raums, <strong>der</strong> Fel<strong>der</strong> und relativen Stellungen, ausführlicher:<br />

Bourdieu 1983, 9 ff.<br />

33


Gefüge <strong>von</strong> Beziehungen zwischen Habitusträgern bezeichnen, <strong>der</strong>en strategische Horizonte,<br />

über ihre habitustypischen Dispositionen hinaus, im weiteren aufgrund ihrer relativen Posi­<br />

tionen innerhalb einer spezifischen Feldstruktur bestimmt sind. Diese sozialen Positionen<br />

könnte man als Knotenpunkte <strong>von</strong> Beziehungsstrukturen bezeichnen. Beziehungsstrukturen,<br />

die, wie oben exemplarisch dargestellt, vertikale, horizontale o<strong>der</strong>/und lateraler Fel<strong>der</strong> im<br />

sozialen Raum "Betrieb" konstituieren.<br />

3.4. Soziale Fel<strong>der</strong> als Kräftefel<strong>der</strong><br />

Bourdieu zufolge sind soziale Fel<strong>der</strong> im weiteren als Kräftefel<strong>der</strong> zu verstehen, womit zwei<br />

prinzipielle Charakteristika sozialer Beziehungen, so wie Bourdieu sie sieht, zum Ausdruck<br />

kommen. Zum einen spricht er vom "sozialen Kräftefeld", weil er da<strong>von</strong> ausgeht, daß dem<br />

Sozialen ein struktureller Konflikt eigen ist. Ein Konflikt, <strong>der</strong> sich nicht nur zwischen den<br />

Akteuren abspielt, die einan<strong>der</strong> als Kontrahenten identifizieren, son<strong>der</strong>n je<strong>der</strong> sozialen Be­<br />

ziehung innewohnt. Zum zweiten wird damit das ebenso fundamentale Prinzip <strong>der</strong> sozialen<br />

Konkurrenz angesprochen. Entgegen dem ersten Anschein erweisen sich beide Prinzipien<br />

jedoch nicht als destruktive Kräfte. Vielmehr sind sie konstruktive und integrative Momente<br />

des Sozialen, dessen Ordnung sozusagen im "Spiel dieser Kräfte" erzeugt und etabliert wird.<br />

Dies läßt sich mit einigen schnellen Überlegungen zeigen.<br />

Eine (soziale) Konkurrenz basiert immer auch auf gegenseitiger Orientierung. So müssen in <strong>der</strong><br />

Formulierung <strong>der</strong> eigenen Strategien die Strategien des Gegenübers schon mitgedacht sein. 37<br />

Außerdem kann es Konkurrenz ja nur um gemeinsam Erstrebtes geben. Soziale Konkurrenz<br />

setzt also voraus, daß gemeinsame Vorstellungen^ über die Inhalte und Formen <strong>der</strong> Aus­<br />

einan<strong>der</strong>setzung bereits bestehen.<br />

37) Was Bourdieu über die Bedingung <strong>von</strong> Kommunikation innerhalb einer bestimmten Diskursfonnation sagt, ist<br />

auch für an<strong>der</strong>e Formen des Austauscht relevant: "...die anticipated conditions of reception are part of the conditions<br />

of production." (1977,649)<br />

38) Daß sich solche gemeinsamen Vorstellungen (man könnte auch sagen: korrespondierende Interpretationen <strong>der</strong><br />

adäquaten Handlungs- und Verhaltensstrategien) etablieren können, ist zunächst wie<strong>der</strong> auf den Habitus zurückzuführen.<br />

Er stellt eine erste (und zwar grundlegende), wie gesagt häufiger unbewußte als bewußte Übereinstimmung<br />

her, zwischen <strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> herrschenden Spielregeln und <strong>der</strong> als legitim erachteten Spielzüge,<br />

sowie <strong>der</strong> angemessenen Bewertung <strong>der</strong> Einsätze (sowohl <strong>der</strong> eigenen als auch die <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en). Die<br />

Durchsetzung feldspezifischer Orthodoxien über Form und Inhalt sozialer Interaktionen ist im weiteren auf die<br />

beson<strong>der</strong>e "symbolische Ordnung" des sozialen Raums bzw. eines spezifischen Feldes zurückzuführen, aus <strong>der</strong><br />

bspw. eine herrschende Sicht <strong>der</strong> Dinge innerhalb einer bestimmten Beschäftigten- und Managementgruppe<br />

gegenüber einer an<strong>der</strong>en entsteht.<br />

34


Genauso ist "Konflikt", so wie Bourdieu diesen Begriff verwendet, kein destruktives Prinzip.<br />

Hier muß man eher <strong>von</strong> einem praktischen Konsens im Dissens sprechen, da wie<strong>der</strong>um da<strong>von</strong><br />

auszugehen ist, daß jede Konfliktstrategie, auch jene die intentional verfolgt wird, Bezug auf<br />

den jeweiligen "Gegner" nimmt: Selbst in Extremsituationen (den ohnedies seltenen Gelegen­<br />

heiten <strong>der</strong> offenen Austragung <strong>von</strong> Interessenkonflikten anläßlich bspw. <strong>von</strong> Lohnrunden, per­<br />

sönlichen Karrierekämpfen, etc) verständigen sich die Konfliktpartner. Sie kennen die ange­<br />

messene Form <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung sowie <strong>der</strong> damit verbundenen Spielregeln; sie begegnen<br />

einan<strong>der</strong> nicht ahnungs- und erwartungslos, son<strong>der</strong>n bauen auf gemeinsamen Erfahrungen<br />

bspw. darüber, welche For<strong>der</strong>ungen angemessen und durchsetzbar o<strong>der</strong> aber überhöht und als<br />

Verhandlungsspielraum nutzbar sind; sie stellen eine Gesprächsbasis her; sie signalisieren<br />

einan<strong>der</strong>, welche Taktiken und Gesprächsstrategien eingeschlagen werden können, etc. - eine<br />

Summe aufeinan<strong>der</strong>bezogener Aktionen und Reaktionen, welche schon in <strong>der</strong> Kenntnisnahme<br />

<strong>der</strong> Strategien des Gegenübers, in <strong>der</strong> positiven o<strong>der</strong> negativen Beantwortung <strong>der</strong> wahrge­<br />

nommenen Impulse, einen verbindenden bzw. integrativen Faktor darstellen - in welcher<br />

Intention die Impulse auch immer gesetzt sein mochten.<br />

Aus dem "Konfliktprinzip" sollten aber auch nicht unbedingt schon Aussagen über subjektive<br />

Wahrnehmungen abgeleitet werden. Der Begriff bezeichnet nämlich weniger den bewußt<br />

wahrgenommenen Konflikt des empirischen Akteurs (dessen spezifische Situations­<br />

interpretation). Er ist vielmehr Produkt einer theoretisch-analytischen Re-Konstruktionsarbeit.<br />

Ein Prinzip also, das sozusagen auf Basis <strong>der</strong> empirisch-konkreten Situationsinterpretationen<br />

erst entwickelt wird, dann aber ein, <strong>von</strong> konkreten Aussagen abstrahierendes Phänomen in<br />

sozialen Beziehungen bezeichnet.39 Das gilt übrigens auch für das Konkurrenzprinzip. Bour­<br />

dieu re-konstruiert in diesem Sinne die beiden Prinzipien "Konkurrenz" und "Konflikt", und<br />

geht da<strong>von</strong> aus, daß sie grundlegende Momente sozialer Phänomene bezeichnen - auch <strong>der</strong><br />

freundschaftlichen, kollegialen Beziehungen, die nach Auskunft <strong>der</strong> Involvierten ausschließlich<br />

als harmonisch zu bezeichnen wären.<br />

Auf Basis dieser beiden Prinzipien wird jedenfalls eine dynamische Konzeption sozialer Struk­<br />

turbildung geschaffen. Darus kann man auch für die spezielle Thematik betrieblicher Sozial­<br />

organisationen ableiten, daß sie aus dem konflikthältigen Zusammenspiel strategischer Prak­<br />

tiken betrieblicher Akteure hervorgehen. Betriebliche Strukturbildung ist somit ein aus­<br />

einan<strong>der</strong>setzungsreicher Prozeß des Organisierens sozialer Beziehungen. Eine Momentauf­<br />

nahme dieses dynamischen Spiels <strong>der</strong> Feld-Kräfte zeigte den Stand <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungen.<br />

39) Zu den erkenntnistheoretischen Fundamenten dieser Form <strong>der</strong> wissenschaftlichen Re-Konstruktionsarbeit<br />

siehe Bachelard (1987) bzw. zur Bourdieuschen Variante: s. Anm. 42.<br />

35


Wenn eine bestehende Sozialstruktur aber als Produkt historischer Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

bezeichnet wird, und Strukturbildung in <strong>der</strong> Form laufen<strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungen gedacht<br />

wird, erhebt sich sogleich die Frage nach ihrem (theoretisch-allgemeinen) Gegenstand; In<br />

erster Linie geht es um die als legitim erachtete Verteilung <strong>der</strong> unterschiedlich-gewichteten<br />

Positionen im Feld, um die Positionenstruktur - was für den Einzelnen heißt, daß es um seinen<br />

Status innerhalb des Feldes geht. Im weiteren geht es auch um das mit seiner Position und<br />

verbundene strategische Potential, um die Anerkennung <strong>der</strong> Ressourcen also (bzw. Kapitalien,<br />

wie später noch zu zeigen ist), und somit auch um seine strategischen Möglichkeiten und<br />

Grenzen. Schließlich steht auch die legitime Verteilung <strong>der</strong> Gewinne eines Feldes auf dem<br />

Spiel, d.h. für den Einzelnen: die mit seiner relativen Position verbundenen relativen<br />

Gratifikationen^, die wie<strong>der</strong>um als strategische Ressourcen eingesetzt werden können.<br />

Daß die Akteure ungleiche Chancen <strong>der</strong> Einflußnahme auf die Strukturbildung haben, wird<br />

beson<strong>der</strong>s in vertikalen Fel<strong>der</strong>n, d.h. in offensichtlich asymmetrischen Beziehungen deutlich.**<br />

Denn hier schafft die (relative) Privilegierung <strong>der</strong> "herrschenden Fraktionen" mittels sowohl<br />

eines höheren Volumens an Ressourcen (bzw. Kapitalien) als auch mittels jener Ressourcen, die<br />

im spezifischen Feld als relevant angesehen werden, strategische Vorteile. Wobei die herr­<br />

schenden Fraktionen in <strong>der</strong> autorisierten Realisierung dieses strategischen Vorteils gleichzeitig<br />

auch noch dazu beitragen (wenn auch indirekt, d.h. nicht immer im Bewußtsein dessen), die<br />

gegebene Verteilung <strong>der</strong> Positionen bzw. Ressourcen o<strong>der</strong> Kapitalien, also die gegebene<br />

Macht- und Herrschaftsstruktur aufrechtzuerhalten.<br />

Um diese hierarchischen Beziehungen zwischen den Positionen und <strong>der</strong> darin implizierten,<br />

ungleichen Verteilung <strong>der</strong> strategischen Ressourcen genauer analysieren zu können, sind nun<br />

das "Konzept des sozialen Tauschs" und das "Kapitalienkonzept" einzuführen - unter dem<br />

gemeinsamen Titel <strong>der</strong> "Ökonomie <strong>der</strong> Sozialwelt".<br />

Die vorangegangenen Ausführungen zuvor noch zusammenfassend, sind soziale Beziehungen<br />

als Produkt historischer Auseinan<strong>der</strong>setzungen, d.h. als strukturierte Kräfteverhältnisse zu ver­<br />

stehen. Die herrschenden Verhältnisse einzelner Fel<strong>der</strong> (Positionen und Ressourcen- bzw.<br />

Kapitalienverteilung) repräsentieren den Stand <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>stzung. Mit<br />

"Auseinan<strong>der</strong>setzung" wird hier aber nicht unbedingt schon <strong>der</strong> institutionalisierte Konflikt, die<br />

40) Relative Gratifikationen sind ihrem Wert nach immer in Bezug auf an<strong>der</strong>e Gratifikationen zu bemessen -<br />

genau wie Wert und Bedeutung <strong>der</strong> relativen Positionen.<br />

41) Aber natürlich nicht nur in vertikalen, son<strong>der</strong>n auch in horizontalen Fel<strong>der</strong>n, die ja in <strong>der</strong> Praxis meist selbst<br />

wie<strong>der</strong> nie so symmetrisch sind, wie oben, <strong>der</strong> Vereinfachung halber so definiert. Vielmehr ist da<strong>von</strong> auszugehen,<br />

daß <strong>der</strong> soziale Raum generell, im speziellen natürlich auch eine betriebliche Sozialorganisation, grundlegend<br />

<strong>von</strong> assymmetrischen Beziehungen strukturiert ist - aber eben je nach Feld mehr o<strong>der</strong> weniger.<br />

36


offene Konfrontation, gemeint. Vielmehr geht es um die Konzeption <strong>der</strong> inhärenten Dynamik<br />

sozialer Beziehungen, des Prozeßcharakters in <strong>der</strong> Bildung <strong>der</strong> Struktur eines sozialen Raumes<br />

o<strong>der</strong> Feldes. Knorr-Cetina (1981) veranschaulicht diese Vorstellung mit einer treffenden<br />

Metapher und beschreibt Bourdieus Konzeption <strong>von</strong> H<br />

...(macro)structures as a set of positions<br />

held in place by the interplay of various forces that work for or against it, like the stability of a<br />

physical body which may be explained by motions rather than by its internal endurance or<br />

external persistence" (Dies., 304).<br />

3.5. Zur »Ökonomie <strong>der</strong> Sozialwelt«<br />

Wenn im folgenden die Grundzüge <strong>der</strong> Bourdieuschen "Ökonomie <strong>der</strong> Sozialwelt" entwickelt<br />

werden sollen, dann ist zuallererst eine Subversion des Begriffs "Ökonomie" vorzunehmen, wie<br />

Goux (1976) richtig bemerkt. Denn entgegen dem üblichen wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Sprachgebrauch will hierunter nicht nur eine "Theorie <strong>der</strong> eigentlich ökonomischen Hand­<br />

lungen" (1979, 345) verstanden sein, son<strong>der</strong>n eine "allgemeine Theorie <strong>der</strong> Ökonomie <strong>der</strong><br />

Handlungen" (ebd.). Das bedeutet im weiteren, daß <strong>der</strong> "Warentausch lediglich als spezieller<br />

Fall unter mehreren möglichen Formen <strong>von</strong> sozialem Austausch" (1983, 184) gelten muß -<br />

Formen, die im übrigen für die betriebliche Sozialwelt mindestens ebenso relevant sind.<br />

Geht man mit Bourdieu also da<strong>von</strong> aus, daß Beziehungen in sozialen Fel<strong>der</strong>n als Tauschbe­<br />

ziehungen, Praxisformen als Formen sozialen Tauschs und schließlich Feldstrukturen als<br />

organisierte Tauschrelationen zu verstehen sind, so heißt dies, daß <strong>der</strong> soziale Raum "Betrieb"<br />

und dessen Fel<strong>der</strong> nicht nur Ort des Tauschs <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong>sleistung in Lohn bzw. Gehalt sind.<br />

Indem <strong>der</strong> Betrieb' soziale Kontakte am <strong>Arbeit</strong>splatz knüpfen läßt, Einsätze in Form <strong>von</strong><br />

Kenntnissen und Kompetenzen abverlangt; indem er berufliche und soziale Positionen schafft,<br />

aus denen man im spezifischen Feld, darüberhinaus aber auch in an<strong>der</strong>en Fel<strong>der</strong>n (bspw. im<br />

familiären o<strong>der</strong> Freundes-Kreis) Anerkennung beziehen kann; indem er schließlich, wie<br />

neuerdings wie<strong>der</strong> häufiger thematisiert, Identifikationspotentiale bietet, ist er offensichtlich ein<br />

Ort an dem in den verschiedensten Formen eine Vielzahl an Tauschobjekten, gehandelt werden.<br />

Ein adäquates Verständnis <strong>von</strong> <strong>der</strong> "Ökonomie <strong>der</strong> Sozialwelt" setzt im weiteren voraus, daß<br />

ein gängiges Mißverständnis aufgeklärt wird: Der Begriff "Ökonomie", so wie Bourdieu ihn<br />

konzipiert, impliziert keinerlei utilitaristische Annahmen. Denn es ist da<strong>von</strong> auszugehen, daß<br />

die Tauschsrrategien weniger dem bewußten Nutzenkalkül des Individuums, als vielmehr<br />

seinen habituellen Dispositionen geschuldet sind. Darüberhinaus, und das soll auch hier noch<br />

einmal betont werden, geht es auch nicht um ein Marktangebot, aus dem das optimierende<br />

37


Individuum, seiner idiosynkratischen Präferenzordnung gemäß auswählt. Ziel und Motiv des<br />

Tauschs sind vielmehr in den Imperativen des sozialen Kräftefeldes zu suchen.<br />

Sozialer Tausch basiert also auf Imperativen, die dem Individuum nicht grundsätzlich äußerlich<br />

sind, son<strong>der</strong>n die es intemalisiert - genauso wie es eine Habitusform erwirbt - und in <strong>der</strong><br />

sozialen Praxis reproduziert. Dabei gilt es allerdings zu berücksichtigen, daß sie in <strong>der</strong> Praxis<br />

nicht so offen zu Tage treten, wie es in dieser Darstellung erscheinen mag. Zumindest erschei­<br />

nen sie nicht in dieser nüchternen, son<strong>der</strong>n in einer die objektiven Kräfteverhältnisse ver­<br />

schleiernden Form. Der soziale Raum ist ja zuallererst auch ein Raum <strong>der</strong> "symbolischen<br />

Formen". Die sozialisationsspezifische Vermittlung dieser symbolischen Formen macht zwar<br />

das soziale Individuum zu einem bedeutungstragenden und deutungsfähigen Wesen. Die<br />

Gesetze <strong>der</strong> Sozialwelt und die Objektiven Kräfteverhältnisse in ihrer letzten Konsequenz zu<br />

durchschauen - d.h. in <strong>der</strong> Bedeutung, die sie aus Bourdieus gesellschaftskritischer Perspektive<br />

annehmen -, setzt jedoch theoretische Rekonstruktionsleistungen voraus, die in <strong>der</strong> alltäglichen<br />

sozialen Praxis gerade nicht vorausgesetzt werden können. 42<br />

Gewissermaßen "erschwerend"<br />

tritt hinzu, daß spezifische Kräfteverhältnisse <strong>von</strong> spezifischen Legitimationsprinzipen gestützt<br />

werden. Wobei die darin begründete "Macht zu symbolischer Gewalt" 43<br />

ebenso ungleich ver­<br />

teilt ist, wie die wirksamen Ressourcen im sozialen Tausch, (s.u.)<br />

Diese grundsätzlichen Überlegungen muß man also im folgenden im Auge behalten, wenn die<br />

Ökonomie <strong>der</strong> Sozialwelt anhand des Kapitalien- und Tauschkonzeptes dargestellt wird.<br />

Für den Einstieg in diese Thematik, sei daran erinnert, daß soziale Praxisformen als Formen<br />

sozialen Tauschs und soziale Strukturen allgemein als historisch gewachsene Organisationen<br />

<strong>von</strong> Tauschbeziehungen bezeichnet wurden. Die Objekte des Tauschs werden nun nicht mehr<br />

unter dem allgemeinen Titel strategischer Ressourcen behandelt, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Bourdieuschen<br />

Terminologie als Kapitalien.<br />

42) Nach Auffassung Bourdieus bedarf die Rekonstruktion objektiver Kräfte- und Sinnverhältnisse einer<br />

"praxeologischen" Erkenntnisweise, welche "unterstellt, daß das Objekt <strong>der</strong> Wissenschaft gegen die Evidenz<br />

des Alltagswissens mittels eines Konstruktionsverfahrens erorbert sein will" (1979,149)<br />

43) Vgl. dazu das erste Axiom in den "Grundlagen einer Theorie <strong>der</strong> symbolischen Gewalt" (1973): "Jede Macht<br />

zu symbolischer Gewalt, d.h. jede Macht, <strong>der</strong> es gelingt, Bedeutungen durchzusetzen und sie als legitim<br />

durchzusetzen, indem sie die Kräfteverhältnisse verschleiert, die ihrer Kraft zugrunde liegt, fügt diesen<br />

Kräfteverhältnissen ihre eigene, d.h. eigentlich symbolische Kraft hinzu." (12)<br />

38


3.6. Kapital und <strong>Arbeit</strong><br />

Für die vier verschiedenen Formen <strong>von</strong> Kapital, die Bourdieu unterscheidet - ökonomisches,<br />

kulturelles, soziales und symbolisches Kapital, lassen sich sehr leicht bekannte Beispiele aus<br />

dem industriesoziologischen Kontext heranziehen: Eigentums- und Verfügungsrechte, fach­<br />

liche und außerfachliche Qualifikationen, soziale Kontakte und Gruppenzugehörigkeit, sowie<br />

Autorität und Status - allesamt entscheidende strategische Ressourcen, <strong>der</strong>en Verteilung<br />

zugleich Aufschluß über die Struktur <strong>der</strong> betrieblichen Machtverhältnisse gibt. Denn, und hier<br />

kann man erneut mit Bourdieu sprechen: Ressourcen dieser Art erlauben nicht nur die<br />

Beschreibung einzelner Positionen, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong>en Unterscheidung. Ein wichtiges Krite­<br />

rium, wenn man hierarchische Strukturen zu analysieren beabsichtigt, die sich, so gesehen, auf<br />

Basis <strong>der</strong> Differenzierung ungleich-gewichteter Ressourcen (und Positionen) formieren. In<br />

diesem Sinne fungieren die genannten Ressourcen also als Unterscheidungsparameter, die nun<br />

- indem sie stärkere <strong>von</strong> schwächeren Positionen differenzieren, d.h. höhere und niedrigere<br />

Positionen in einer betrieblichen Hierarchie bezeichnen - gleichzeitig die Vertei­<br />

lungsverhältnisse eines Feldes strukturieren. Sie fungieren also weiters auch als Verteilungs­<br />

parameter. (1985)<br />

Wie kommt es aber zu einer bestimmten Struktur <strong>der</strong> Ressourcenverteilung? Wie läßt sich diese<br />

<strong>von</strong> an<strong>der</strong>en (Feld)Strukturen unterscheiden? Und schließlich: Wie wird <strong>der</strong> Tauschwert <strong>der</strong><br />

Ressourcen bestimmt? O<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Worten: Wie ist zu erklären ist, daß in unterschied­<br />

lichen Fel<strong>der</strong>n unterschiedliche Kriterien <strong>der</strong> Zuerkennung <strong>von</strong> verschiedenen Formen <strong>der</strong><br />

Macht wirksam sind? Es stellen sich somit verschiedene Fragen nach <strong>der</strong> Genese sozialer<br />

Kräfteverhältnisse und damit verbundener Sozialer Ungleichheiten, die sich mit Bourdieu<br />

folgen<strong>der</strong>maßen aufschlüsseln lassen: Wie entstehen -Strukturen <strong>der</strong> Verfügungsmacht über<br />

Ressourcen, wobei Verfügungsmacht in Form <strong>der</strong> Kontrolle über die eigenen, akteursspezi­<br />

fischen Ressourcen, im weiteren aber auch in Form <strong>von</strong> Kontrolle über Einsatz und Ver­<br />

wertungsbedingungen <strong>der</strong> Ressourcen an<strong>der</strong>er Positionsinhaber zu verstehen ist? Auf welcher<br />

Basis werden die gewöhnlich damit korrespondierenden Formen <strong>von</strong> Macht wirksam, wie Ver­<br />

teilungsmacht, Durchsetzungsvermögen, und Entscheidungsbefugnis!<br />

Anhand des Kapitalien- und Tauschkonzeptes lassen sich diese Frage einer Beantwortung<br />

näher bringen. Zunächst zur Frage <strong>der</strong> Erzeugung eines bestimmten Ressourcenvolumens, auf<br />

Basis <strong>der</strong> Definition des Begriffs "Kapital".<br />

Kapital, das ist die - und hier wird bewußt auf die klassisch ökonomische Tradition Bezug<br />

genommen - im Laufe einer sozialen Biographie "akkumulierte <strong>Arbeit</strong>" (1983, 183) eines<br />

39


sozialen Individuums. Eine Form <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong>, die Produkt <strong>der</strong> "Investitionen sozialer Energie"<br />

(ebd.) ist und mit dem Ziel ihrer bestmöglichen Verwertung erbracht wird. Laufende Akku­<br />

mulation und bestmögliche Verwertung ist wie<strong>der</strong>um als sozialer Imperativ, d.h. als notwen­<br />

diges bzw. aufgenötigtes Ziel zu verstehen. Denn das Individuum ist unweigerlich Mitglied<br />

einer Sozialwelt, <strong>der</strong>en spezifische "Ökonomie" laufende Investitionen abverlangen, an<strong>der</strong>nfalls<br />

die Abwertung <strong>der</strong> erreichten Position, mit einem Wort: Statusverlust droht.44 Die Beispiele,<br />

anhand <strong>der</strong>er sich dies veranschaulichen läßt, leiten zugleich zur Definition <strong>der</strong> Kapitalsorten<br />

über: Laufende Investitionen for<strong>der</strong>t bspw. die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen - sie<br />

müssen, wie man sagt, "gepflegt werden", so die Kontakte nicht verloren o<strong>der</strong> an an<strong>der</strong>e abge­<br />

geben werden wollen. Ein weiteres Beispiel sind die Investitionen in Weiterbildung, die getätigt<br />

werden müssen, wenn einmal erworbene Qualifikationen we<strong>der</strong> ausreichen, um den sich<br />

laufend verän<strong>der</strong>nden (beruflichen) Anfor<strong>der</strong>ungen entsprechen zu können, noch um die damit<br />

erreichte Position (nicht nur den Expertenstatus) halten zu können.<br />

Mit diesen Beispielen sind zwei Kapitalsorten angesprochen (soziales und kulturelles Kapital),<br />

die nun, samt den zwei weiteren (ökonomisches und symbolisches Kapital), im Sinne des<br />

allgemeinen Kapitalbegriffs näher definiert werden müssen: Soziales Kapital besteht in sozialen<br />

Verpflichtungen genauso wie in "Beziehungen", in sozialen Kontakten, in <strong>der</strong> Zugehörigkeit zu<br />

einer Gruppe, in <strong>der</strong> Zugehörigkeit zu einem sozialen Netzwerk - es basiert also auf Be­<br />

ziehungsarbeit. Der Akkumulation "kulturellen Kapitals" geht <strong>Arbeit</strong> an sich selbst o<strong>der</strong><br />

Bildungsarbeit voraus. Es bezeichnet die fachlichen und außerfachlichen Kompetenzen und<br />

Fähigkeiten, welche in Form <strong>von</strong> Bildungs-, Berufs- o<strong>der</strong> Positionstitel institutionell abge­<br />

sichert werden können. Ökonomisches Kapital bezeichnet die finanziellen Verhältnisse (auch<br />

das Eigentumsrecht an materiellen Gütern) und wird im Rahmen <strong>der</strong> Erwerbs-<strong>Arbeit</strong> akkumu­<br />

liert.<br />

Symbolisches Kapital schließlich, verweist auf das Maß <strong>der</strong> Legitimation aller übrigen Kapital­<br />

sorten. Symbolisches Kapital signalisiert ihre strategische Stärke. In Verbindung mit ökono­<br />

mischem, kulturellem und sozialem Kapital bringt es Ausmaß und Weise ihrer Geltung, Aner­<br />

kennung und Bedeutung zum Ausdruck: bspw. in Gestalt eines prestigeträchtigen materiellen<br />

Eigentums, einer legitimen Fähigkeit, einer Beziehung zu Personen o<strong>der</strong> Gruppen (Cliquen), an<br />

<strong>der</strong>en Ruf man als Mitglied mitpartizipiert. Der Erwerb dieser Kapitalsorte ist also offensicht­<br />

lich mit dem Erwerb <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Kapitalien verbunden. Die <strong>Arbeit</strong>, die dafür geleistet wird, ist<br />

aber vergleichsweise prekärer, erfor<strong>der</strong>t sie doch eine "geschickte" Investition <strong>der</strong> sozialen<br />

Energien (worin investiert man wann, wie, wieviel?).<br />

44) Dies wird <strong>von</strong> Bourdieu mit dem "Distinktionskonzept" theoretisch begründet. Ausgiebig wird es in den<br />

"Feinen Unterschieden" (1988a) behandelt.<br />

40


Wichtig für unser Thema ist, daß die betrieblichen Akteure zunächst alle <strong>der</strong>artigen Investi­<br />

tionen bereits im Vorfeld des Betriebes tätigen, unter ihren jeweiligen habitusmäßigen Voraus­<br />

setzungen sowie unter den jeweiligen Bedingungen <strong>der</strong> Bildungsinstitutionen, des beruflichen<br />

Feldes, <strong>der</strong> allgemeinen sozio-kulturellen und (beschäftigungs- und bildungs-)politischen<br />

Verhältnisse (die etwa auch altersmäßige und/o<strong>der</strong> geschlechtsspezifisch ungleiche<br />

"Erwerbsbedingungen" bestimmen). Diese Investitionen müssen aber weiterhin, im Laufe <strong>der</strong><br />

<strong>Arbeit</strong>s- und Berufslaufbahn, geleistet werden - dann unter den spezifischen Akkumulations-<br />

und Verwertungsbedingungen des betrieblichen Sozialraums bzw. seiner Fel<strong>der</strong>.<br />

Zur Frage, wie es zu einer bestimmten Struktur sozialer Positionen kommt, ist nun, auf Basis<br />

des Kapitalienkonzepts so viel zu sagen: Als Kriterien für die Bestimmung des sozialen Status<br />

in einem Feld gelten allgemein erstens die Qualität bzw. die Zusammensetzung und zweitens<br />

die Quantität bzw. das Volumen jener Kapitalien, die in einem fraglichen Feld als relevant<br />

angesehen werden. Wobei sich <strong>der</strong>en Relevanz am Kriterium <strong>der</strong> Bedeutung, die ihnen <strong>von</strong> den<br />

Feldmitglie<strong>der</strong>n zuerkannt werden, bemißt (d.h. am Ausmaß des "symbolischen Kapitals).<br />

Relevantes Kapital ist also m.a.W. dadurch charakterisiert, daß es seinem Inhaber "Stärke o<strong>der</strong><br />

Macht" (1985) im Feld verleiht. Formiert sich nun ein soziales Feld, so treten einan<strong>der</strong> Inhaber<br />

<strong>von</strong> Kapitalien gegenüber, die ihre Positionen gemäß <strong>der</strong> Bewertungen durch die an<strong>der</strong>en ein­<br />

nehmen. Natürlich ist das Kränespiel, das sich dabei entwickelt keineswegs ohne Regel und<br />

ohne vorstrukturierte Vorstellung über das, was als Einsatz akzeptiert werden kann, denn in<br />

jedem Fall bauen alle Spielteilnehmer auf früheren Erfahrungen aus bereits entsprechend<br />

strukturierten Fel<strong>der</strong>n.<br />

Soziale Strukturen bilden sich demnach, wie ja weiter oben schon einmal erwähnt, in einem<br />

Prozeß <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung um die Legitimation <strong>der</strong> spezifischen Kapitalsorten und um die<br />

Anerkennung ihres Kapital-Volumens durch die Inhaber <strong>der</strong> Referenzpositionen. Die Struktur<br />

eines sozialen Feldes stellt den Stand <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungen dar, <strong>der</strong> sich anhand des<br />

feldspezifischen Gesamtvolumens an den relevanten Kapitalien ersehen läßt. Anhand dieses<br />

Kriteriums - Gesamtmenge und Typen an Kapitalien - läßt sich auch eine analytische Unter­<br />

scheidung und Klassifikation <strong>von</strong> Fel<strong>der</strong>n vornehmen.<br />

Zusammenfassend (und weiterführend) läßt sich an diesem Punkt festhalten, daß soziale Fel<strong>der</strong><br />

ganz allgemein unterscheidbar sind anhand <strong>der</strong> unterschiedlichen Volumina und Zu­<br />

sammensetzungen <strong>der</strong> Kapitalien, aufgrund <strong>der</strong>er im jeweiligen Feld spezifische Akku-<br />

mulations- und Verwertungsbedinungen gelten. Diese strukturell vermittelten Bedingungen<br />

41


signalisieren die jeweiligen Macht- und Herrschaftsverhältnisse eines Feides.45 Die Kapitalien<br />

sind demnach Faktoren <strong>der</strong> Hierarchisierung sozialer Beziehungen. Mit den drei Kapitalsorten,<br />

ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital, sind aber nicht schon <strong>von</strong> vornherein die<br />

Machtfaktoren selbst, son<strong>der</strong>n nur potentielle Quellen <strong>der</strong> Macht benannt, die erst in <strong>der</strong> Ver­<br />

bindung mit symbolischem Kapital - Maß <strong>der</strong> Legitimität aller übrigen - als solche wirksam<br />

werden. Wenn auch diese vier Grundtypen <strong>von</strong> Kapitalien gebildet wurden, so scheint es<br />

prinzipiell nicht sinnvoll eine a priori zusammengestellte Liste universal gültiger Machtres­<br />

sourcen aufzustellen. Denn, wie Clegg richtigerweise bemerkt: "almost any phenomenon can be<br />

a resource in the appropriate context. The trick resides in constructing the context in which<br />

those resources one seeks to employ acquire a privileged Status." (Clegg 1989,98).<br />

Genau dieser Gedanke scheint auch Bourdieus Kapitalienkonzept zugrundezuliegen. Weshalb<br />

er <strong>von</strong> <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> objektiven Kräfteverhältnisse des Feldes ausgeht, um <strong>von</strong> hier aus, die<br />

"wirksamen"46 Kapitalien zu rekonstruieren. Und <strong>von</strong> hier, aus vom sozialen Gesamtzusam­<br />

menhang, wird auch die Position eines Akteurs analytisch, und Bourdieu zufolge auch<br />

praktisch, bestimmt: analog zur Klassifikation <strong>der</strong> Fel<strong>der</strong>, anhand <strong>der</strong> Quantität und Qualität<br />

<strong>der</strong> Kapitalien <strong>der</strong> Positionsinhaber, wie sie in einer feldspezifischen Tauschorganisation<br />

bewertet werden und gültig sind.47<br />

Damit kommen wir abschließend zum Konzept des sozialen Tauschs, das nun in kurzen Zügen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e im Hinblick auf Fragen <strong>der</strong> Analyse sozialer Ungleichheiten und des strukturellen<br />

Wandels, dargestellt werden soll.<br />

45) Bourdieu zufolge verfügt jedes Feld, gemäß seiner Struktur "wirksamer" Ressourcen (s. nachstehende Anm.)<br />

"über seine eigene interne Logik und Hierarchie". (Vgl. 1985,11)<br />

46) Unter den "wirksamen" Kapitalien sind jene "Arten <strong>von</strong> Kapital" zu verstehen, die zugleich als "Formen <strong>von</strong><br />

Macht" fungieren. (1983, 184) Die "tendenzielle Dominanz" unter den potentiellen Machtformen schreibt<br />

Bourdieu dem "ökonomischen Kapital" zu. (1985,11)<br />

47) Dazu ein Beipiel: Eine bestimmte fachliche Qualifikation verhilft zu Anerkennung nur insoweit die damit verbundenen<br />

Kenntnisse geschätzt werden. Beruflicher Status wird zunächst im Kreis <strong>der</strong> Vorgesetzten und<br />

Kollegen zuerkannt - also im Kreise jener, die die jeweiligen Kenntnisse als relevant ansehen. M.a.W.: Ein<br />

bestimmtes berufliches Know-How wird also in jenem Spielkreis bewertet, wo es tatsächlich auch als Einsatz<br />

dient. Die Anerkennung am <strong>Arbeit</strong>splatz kann aber als ein asset fungieren, das man auch in an<strong>der</strong>e Spiele einbringen<br />

kann. Das Ergebnis, ganz allgemein bspw. "beruflicher Erfolg", verhilft über diesen Weg dann meist<br />

auch in privaten Kreisen zu Anerkennung. Differenziert man die Bewertungskontexte nun näher, so ist festzustellen,<br />

daß ein spezifischer fachlicher Status innerhalb eines Feldes ähnlich Qualifizierter wie<strong>der</strong>um umso<br />

höher sein wird, je mehr Know-How und Kompetenz dem fraglichen Akteur im Vergleich zu den an<strong>der</strong>en<br />

Feldteilnehmem zugestanden wird.<br />

42


3.7. Sozialer Tausch und Strukturbildung<br />

In<strong>der</strong>n man die oben genannten Kapitalien in ihrer Funktion als Tauschobjekte betrachtet,<br />

lassen sich Sozialstrukturen in Form <strong>von</strong> Tauschorganisationen konzeptualisieren. Daraus<br />

ergeben sich mehrere Anschlußstellen zwischen Tauschkonzept und Strukturbildungskonzept,<br />

wie es bis hierher erörtert wurde. Mit sechs konzentrierten Argumentationsschritten, möchte ich<br />

nun einige wichtige Zusammenhänge noch einmal rekapitulieren.<br />

a) Der betriebliche Sozialraum (bzw. seine Fel<strong>der</strong>) konstituiert, gemäß <strong>der</strong> Ökonomie <strong>der</strong><br />

Sozialwelt, Organisationen sozialen Tauschs. Diese Tauschorganisationen sind Sedimente<br />

historischer Tauschprozesse, Produkte historischer Tauschstrategien. Die solchermaßen<br />

manifestierten Organisationen stellen die Ausgangspunkte für zukünftige Tauschstrategien dar<br />

und geben den Stand <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungen um die Verteilung und Bewertung <strong>der</strong> Tausch­<br />

objekte, <strong>der</strong> Kapitalien seiner Mitglie<strong>der</strong>, wie<strong>der</strong>.<br />

b) Die Akkumulation und Verwertung dieser Kapitalien beruht demnach auf sozialen Tausch­<br />

prozessen. Ein betriebliches Feld ist Ort mehrdimensionaler Tausch •'Ketten. Leistung und<br />

Gegenleistung können hier prinzipiell in jeglicher Form erbracht werden (nicht nur über die<br />

ökonomisch-finanzielle Schiene). Als Tauschobjekte fungieren bspw.: kulturelles Kapital in<br />

seiner Realisierung als Wissen und Kompetenz; soziales Kapital als Kontakte am <strong>Arbeit</strong>splatz;<br />

symbolisches Kapital als Status des <strong>Arbeit</strong>splatzes, <strong>der</strong> Berufs- bzw. Tätigkeitsbezeichnung;<br />

c) Die strukturellen Verhältnisse des Feldes verweisen auf die Tauschbedingungen. Mehr o<strong>der</strong><br />

weniger asymmetrische Tauschbeziehungen verweisen auf die herrschenden Verhältnisse, die<br />

Macht- und Kräfteverhältnisse. Sie organisieren und regeln den Austausch zwischen un­<br />

gleichen Kapitaleinsätzen und ungleichen Gratifikationen. Sie kodieren sozusagen die Ver­<br />

teilung verschiedener Tausch-Positionen mit <strong>der</strong> Verteilung verschiedener Tauschpotentiale<br />

bzw. verschiedener strategischer Chancen und Risiken.<br />

d) Soziale Tauschprozesse erfolgen mit dem inhärenten Ziel <strong>der</strong> sozialen Anerkennung, d.h. mit<br />

dem Ziel des Erwerbs eines, <strong>von</strong> den Referenzpositionen akzeptierten Status im Feld. (Diese<br />

Referenzpositionen sind insofern übrigens zugleich die unmittelbaren Konkurrenten im Feld).<br />

Das Ziel "Anerkennung" besteht damit indirekt im Streben nach Akzeptanz des positionsspezi­<br />

fischen Kapitals. Aus diesem Grund kann man sagen: Soziale Tauschprozesse erfolgen mit dem<br />

inhärenten Ziel sozialen Mehrwert zu produzieren. Wie erwähnt handelt es sich dabei um ein<br />

notwendiges bzw. aufgenötigtes Ziel in einer sozialen Konkurrenz um positions- bzw. status­<br />

gemäße Kapitalverwertung (siehe dazu auch Punkt "f").<br />

43


e) Die Anerkennung <strong>der</strong> herrschenden Positionen und damit die Legitimierung <strong>der</strong> bestehenden<br />

Ungleichheiten sind keine Sache <strong>der</strong> freien Wahl. Da Herrschaft über symbolisches Kapital<br />

erworben wird, welches wie<strong>der</strong>um einen vergleichsweise privilegierten Zugang zu symbo­<br />

lischer Gewalt, o<strong>der</strong> kurz: zu Definitionsmacht verschafft, setzt eine wirksame Infragestellung<br />

<strong>der</strong> herrschenden Kräfteverhältnisse die Infragestellung <strong>der</strong> "herrschenden Sicht <strong>der</strong> Dinge"<br />

voraus (bspw. die vorherrschende Bewertung <strong>der</strong> Kapitalien und die damit verbundenen<br />

Tauschrelationen). Daß eine <strong>der</strong>artige Infragestellung nicht allein durch rationale Argumente<br />

erfolgen kann, liegt auf <strong>der</strong> Hand (im Namen welcher Rationalität könnte man auch gegen eine<br />

etablierte Sichtweise wirksam antreten?). Entgegen einer <strong>der</strong>art idealistischen Vorstellung<br />

müßte man mit Bourdieu das maßgebliche Potential für die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> herrschenden<br />

Verhältnisse eher in <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> alltäglichen (Tausch)-Praktiken suchen, die im<br />

einzelnen machtlos, dennoch Fundament <strong>der</strong> breiten Auseinan<strong>der</strong>setzungen um die Verteilung<br />

und Bewertung <strong>der</strong> strategischen Einsätze im sozialen Tausch sind.<br />

f) Soweit diese Auseinan<strong>der</strong>setzungen nicht in <strong>der</strong> Ökonomie <strong>der</strong> Sozialwelt begründet, und<br />

hier aus <strong>der</strong> Prämisse abgeleitet werden kann, daß Macht- und Herrschaftspositionen prinzi­<br />

piell knapp und damit umkämpft sind, kann man dem noch eine an<strong>der</strong>e Darstellung hinzufügen:<br />

Macht und Herrschaft, bspw. in Form <strong>von</strong> Einfluß- und Durchsetzungsvermögen, werden<br />

immer schon als Qualität einer sozialen Beziehung, d.h. relational gedacht. Die topologische<br />

Sichtweise eines Feldes48 würde in diesem Sinne <strong>von</strong> Beziehungen als Kräftelinien sprechen,<br />

die sich zu einem Kräfte- o<strong>der</strong> Machtzentrum konzentrieren. Von diesem Zentrum aus<br />

betrachtet, das durch eine (bzw. mehrere) herrschende Positionen gebildet wird, läßt sich <strong>der</strong><br />

Status aller übrigen Positionen anhand ihrer mehr o<strong>der</strong> weniger großen Distanz zu diesem<br />

Kräftepol verorten. Das Ausmaß <strong>der</strong> sozialen Distanz zu den dominanten Positionen zu ver­<br />

ringern, liegt im objektiven Interesse <strong>der</strong> beherrschten Positionen, gelingt aber nur durch Auf­<br />

gabe des Terrains (bzw. <strong>von</strong> Teilen dessen) <strong>von</strong> Seiten <strong>der</strong> herrschenden Positionen. Soziale<br />

Konkurrenz rührt also aus einem objektiven Konflikt <strong>der</strong> Interessen in einem sozialen Feld, <strong>der</strong><br />

in ständigen Auseinan<strong>der</strong>setzungen um Aufwertung und Abwertung <strong>der</strong> (Tausch)-Positionen<br />

innerhalb des Feldes (die eine ist nur auf Kosten <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en zu erreichen) resultiert. Über die<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen im Feld sind jedoch nicht die mindestens ebenso umkämpften Grenzen<br />

des Feldes zu vergessen: dort geht es um die Selektion <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>, d.h. um drohenden<br />

Ausschluß bzw. die Chance <strong>der</strong> Akzeptanz als Mitspieler. 49<br />

48) Siehe dazu bspw. Bourdieu 1985 o<strong>der</strong> BourdieulWacquant 1989.<br />

49) Speziell dieses Thema hat Boltanski (1990) in seiner <strong>Arbeit</strong> zur Entstehung und Etablierung <strong>der</strong> sozialen<br />

Gruppe <strong>der</strong> "Cadres" ausführlich beleuchtet. Es liegt damit außerdem eine sehr detaillierte empirische Analyse<br />

in einem Themenbereich vor, <strong>der</strong> an viele <strong>der</strong> hier erörterten Fragen anschließt und damit nichtzuletzt die<br />

Relevanz <strong>der</strong> Bourdieuschen Sozialtheorie für die Industriesoziologie unterstreicht<br />

44


Innerhalb dieser sozialen Konkurrenz können die Akteure durchaus strategische Allianzen<br />

schließen o<strong>der</strong> sich miteinan<strong>der</strong> solidarisieren. Es ist aber da<strong>von</strong> auszugehen, daß <strong>der</strong>artige<br />

Bündnisse dann Zustandekommen, wenn sich die Beteiligten vor allen Dingen auch eigene<br />

Vorteile versprechen. O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s, im Sinne Bourdieus auch treffen<strong>der</strong> formuliert: kollektiv<br />

verfolgte Strategien kommen dann zustande, wenn es für die Akteure, unter den Bedingungen<br />

<strong>der</strong> (logischen) Zwänge ihrer eigenenen Position disponiert, opportun scheint, gegen die Macht<br />

<strong>der</strong> herrschenden Fraktionen gemeinsam aufzutreten.<br />

Eine <strong>der</strong>artige Fokussierung <strong>der</strong> Kräfte ist nun auch als die wirksamste Strategie <strong>der</strong> Infrage­<br />

stellung herrschen<strong>der</strong> Verhältnisse einzuschätzen. Für die deprivierten Positionen in einem<br />

Macht- und Herrschaftsverhältnis, für die "beherrschten Fraktionen", ist dies meist auch die<br />

einzig mögliche Gegenstrategie. Als Mitglie<strong>der</strong> einer "sozialen Formation" im Betrieb, eines<br />

betrieblichen "Systems <strong>von</strong> Sinn- und Kräfteverhältnissen" (1973), sind sie ja in einen vor­<br />

strukturierten Raum gestellt, in eine bestehende Tauschorganisation. Innerhalb dieser Tausch­<br />

beziehungen können die Positionen <strong>der</strong> Teünehmer höchst ungleich verteilt sein - entsprechend<br />

auch die Gewichtung <strong>der</strong> strategischen Potentiale und Erfolgs- bzw. Gewinnaussichten.<br />

Das Konzept des sozialen Tauschs soll nun gerade ermöglichen, diese Ungleichheiten<br />

herauszuarbeiten. Ungleichheiten, die aufgrund unterschiedlicher sozialer Herkunft, <strong>Arbeit</strong>s­<br />

marktpositionen und Kapitalausstattung, unterschiedlich legitimierter Tauscheinsätze und<br />

ungleicher strategischer Ausgangspositionen bestehen. Das Konzept des sozialen Tauschs<br />

(eingebettet in den größeren theoretischen Zusammenhang, <strong>der</strong> die Ökonomie <strong>der</strong> Sozialwelt zu<br />

rekonstruieren sucht) impliziert also keinesfalls liberalistische Vorstellungen. Es erlaubt viel­<br />

mehr, die Reproduktionseffekte herrschen<strong>der</strong> struktureller Verhältnisse aufzuklären. Es bietet<br />

an<strong>der</strong>erseits aber auch ein konzeptionelles Instrumentarium zur Erklärung struktureller Ver­<br />

än<strong>der</strong>ungen - welchen Ausmaßes diese strukturellen Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Praxis auch sein<br />

mögen.<br />

Dabei bleibt die Verbindung zwischen Mikro- und Makroebene, zwischen den Strategien<br />

einzelner Akteure und den objektiven sozialen Strukturen immer aufrecht - ob im Habitus­<br />

konzept, in <strong>der</strong> Konzeption des sozialen Tauschs, o<strong>der</strong> schließlich im Feldkonzept. Denn, was<br />

sich für den einzelnen als Kampf um seine Position in einem Kräftefeld mit den legitimen<br />

Mitteln dieses Feldes darstellt, ist für das ganze Feld ein sozialer "Kampf, <strong>der</strong> um die Wahrung<br />

bzw. Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> jeweils herrschenden Kräfteverhältnisse" (1988a, 55) geführt wird. Aus<br />

dem Zusammenspiel <strong>der</strong> Mikrokonkurrenzen (den Konkurrenzen <strong>der</strong> Akteure auf Mikroebene)<br />

entsteht auf <strong>der</strong> Makroebene die Sozialordnung des Betriebs.<br />

45


Diese Ordnung ist zwar sozial erzeugt, aber nicht ohne weiteres bewußt manipulierbar und<br />

hinterfragbar - und das nicht allein aufgrund <strong>der</strong> ungleich verteilten Einfluß- und Durch­<br />

setzungschancen in Machtbeziehungen (o<strong>der</strong> <strong>der</strong> habituell begründeten unterschiedlichen<br />

Dispositionen und "Vermögen"). Hinzu kommt noch das Phänomen, daß Aufnahme und<br />

Verbleib in einem sozialen Feld - die ersten Zeichen <strong>der</strong> sozialen Akzeptanz durch die<br />

maßgeblichen Feldmitglie<strong>der</strong> - mehr o<strong>der</strong> weniger bewußte Akkulturationsleistungen<br />

abverlangen und laufende Integrationsbemühungen nach sich ziehen. Dies schon allein auf­<br />

grund des sozialen Drucks, <strong>der</strong> durch die herrschende Praxis <strong>der</strong> Feldmitglie<strong>der</strong> vermittelt<br />

wird (die Ordnung <strong>der</strong> Dinge, die sich in ihren Handlungs- und Verhaltensregeln bzw.<br />

Tauschorganisationen und -kulturen ausdrückt). Darüberhinaus aber auch im eigenen<br />

Streben nach sozialer Akzeptanz eignet man sich unweigerlich die jeweüs feldspezifische<br />

herrschende Sicht an und vermin<strong>der</strong>t dabei etwaige kognitive Dissonanzen, die allerdings<br />

umso weniger wahrscheinlich auftreten, je mehr einen die habitusmäßigen Prädispositionen<br />

<strong>von</strong> vornherein für eine Position im Feld qualifizieren ("wie dafür geschaffen" machen, s.<br />

Anm. 24).<br />

Damit scheint bei Bourdieu - gegenüber Giddens, und noch deutlicher gegenüber<br />

Crozier/Friedberg - <strong>der</strong> Gestaltungsfreiraum <strong>der</strong> Akteure, im Sinne <strong>der</strong> Entscheidungs­<br />

möglichkeit "of doing otherwise" als einem sowohl "<strong>der</strong> Sinn für die eigene Stellung im<br />

sozialen Raum", als auch die habitusmäßige Disposition gebietet deutlich eingeschränkt.<br />

Diese "Einschränkung" ist in zweifacher Weise wirksam: einerseits objektiv - durch das<br />

"Ensemble objektiver Kräfteverhältnisse, die allen in das Feld Eintretenden gegenüber sich<br />

als Zwang auferlegen und we<strong>der</strong> auf die individuellen Intentionen <strong>der</strong> Einzelakteure noch<br />

auf <strong>der</strong>en direkte Interaktionen zurückführbar sind" (1985, 10 Hervhbg. i. Qrig.) -, und<br />

an<strong>der</strong>erseits subjektiv, eben aufgrund <strong>der</strong> habituellen Prä-Dispositionen.<br />

Dabei soll aber keinesfalls eine mechanistische Reproduktionslogik unterstellt werden. Denn<br />

nach wie vor gilt, daß selbst einmal etablierte Sozialordnungen legitimierungspflichtig sind,<br />

und zwar in und durch die Praxis sämtlicher Teilnehmer. 50<br />

50) So zwingt bspw. das "Ende <strong>der</strong> Eigentumsrealität" {Wagner 1978,111 ff.) betriebliche Führungskräfte zu einem<br />

an<strong>der</strong>en Stil und zu neuen "Investitionen", wollen sie ihre Position behaupten. Der Ausbau <strong>der</strong> Managementetagen<br />

und die Erweiterung <strong>der</strong> Fachstäbe haben zwar neue Machpositionen geschaffen. Diese mußten<br />

jedoch erkämpft werden auf an<strong>der</strong>en Legitimationsgrundlagen als jenen <strong>der</strong> früheren "Finnenpatriarchen" -<br />

,<br />

um die Loyalität <strong>der</strong> Mitarbeiter zu gewährleisten (v.a. jener mit günstigen <strong>Arbeit</strong>smarktpositionen) ist eine<br />

integrationsfähige "corporate cultüre" gefragt, soziale Führungskompetenz, Bieten <strong>von</strong> Weiterbildungs- und<br />

Aufstiegschancen; die Legitimation <strong>der</strong> eigenen Führungsposition wird darüberhinaus nicht mehr "quasinatürlich"<br />

(über Nachkommenschaft des Eigentümers) gewährleistet, son<strong>der</strong>n vielmehr über die "Qualität"<br />

<strong>der</strong> vergangenen Bildungs- und Berufslaufbahn, die Erfolge <strong>der</strong> aktuellen Managerpraxis, die "Beziehungen"<br />

in Wirtschaft und Politik, etc.<br />

46


Die "objektiven Kräfteverhältnisse" bilden also kein geschlossenes System. Auch die Inhalte<br />

und Formen sozialen Tauschs werden im Prinzip ständigen Verän<strong>der</strong>ungen unterzogen.<br />

Dennoch ist die Struktur einer ganzen Tauschorganisation, v.a. <strong>der</strong> in ihr manifestierten asym­<br />

metrischen Beziehungen wohl nur sehr langsam verän<strong>der</strong>bar, und ein Wandel dieser Struktur<br />

nur begrenzt steuerbar. Jegliche "Gestaltungsarbeit" trifft ja immer auf die "Eigendynamik"<br />

äußerst dichter, mehrdimensional strukturierter sozialer Räume bzw. Fel<strong>der</strong>. Nichtzuletzt für<br />

die Frage <strong>der</strong> Einschätzung <strong>der</strong> Möglichkeiten und Grenzen sozialen Wandels gilt es also diese<br />

komplexen Zusammenhänge aus materiellen Strukturen, funktionellen Zusammenhängen,<br />

sozialen Beziehungen und Deutungsmustern ("symbolischen Formen") im Rahmen <strong>der</strong> Analyse<br />

betrieblicher Strukturierungsprozesse zu rekonstruieren.<br />

Welche konkreten Ansatzpunkte für eine solche Rekonstruktionsarbeit die Bourdieusche<br />

"Theorie <strong>der</strong> Praxis" bietet, soll nun abschließend noch einmal kurz zusammengefaßt werden.<br />

4. Resümee und Zusammenfassung<br />

Die betriebliche Sozialwelt läßt sich mit Bourdieu darstellen als ein Raum aus sozialen Fel<strong>der</strong>n,<br />

in denen die Produktions- und Verwertungsbedingungen nicht nur <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong> an materiellen<br />

Wirtschaftsgütern o<strong>der</strong> Leistungen reguliert sind, son<strong>der</strong>n auch die Produktions- und Verwer­<br />

tungsbedingungen <strong>der</strong> strategischen Ressourcen bzw. Kapitalien <strong>der</strong> Akteure.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e für Fragen <strong>der</strong> Strukturbildung erweist es sich als fruchtbar, den Betrieb nicht nur<br />

als Ort des Warentauschs darzustellen, son<strong>der</strong>n auch als einen Ort sozialen Tauschs.<br />

Um die Organisationsprinzipien <strong>der</strong> betrieblichen Sozialwelt auf diese Weise erklären zu<br />

können, ist es dann zuallererst notwendig, nicht mehr <strong>von</strong> <strong>der</strong> häufig präjudizierten einfachen,<br />

geschlossenen Tausch-Kette auszugehen. Denn getauscht wird nicht nur kulturelles Kapital <strong>der</strong><br />

Beschäftigten in ihr ökonomisches Kapital und das <strong>der</strong> Unternehmer (o<strong>der</strong>: <strong>Arbeit</strong>s-<br />

"Vermögen" gegen Lohn/Gehalt). Auch wird nicht Leistung, allein um <strong>der</strong> monetären Gegen­<br />

leistung willen erbracht.<br />

Ökonomisches Kapital ist zwar die in letzter Instanz entscheidenste Kapitalform. Denn ökono­<br />

misches Kapital ist in <strong>der</strong> Regel Schlüsselfaktor <strong>der</strong> Macht, Einkommensstatus <strong>der</strong> Hauptindi­<br />

kator <strong>der</strong> Bewertung <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong>sleistung. Mitunter sind finanzielle Gründe auch primäre<br />

Karrieremotivationen. Dennoch ist die soziale Dimension im Betrieb keinesfalls auf die mone­<br />

täre und materielle Dimension zu reduzieren. Betriebliche Sozialorganisationen stellen viel-<br />

47


mehr ein mehrdimensionales Beziehungsgeßge dar. Sowohl mit dem "Kapitalienkonzept" als<br />

auch mit dem Konzept des "sozialen Tauschs" läßt sich die noch etwas ungenaue Vorstellung<br />

einer solchermaßen komplexen Sozialstruktur konkreter fassen. Sie kann nunmehr als eine<br />

dynamische (weil "soziale Konkurrenz" und "Konflikt" implizierend), in und durch soziale<br />

Praxis produzierte und reproduzierte Tauschorganisation konzeptualisiert werden, in <strong>der</strong> sowohl<br />

ökonomische als auch soziale, kulturelle und symbolische Kapitalien als Einsätze dienen.<br />

Die Frage <strong>der</strong> strategischen Ausrichtung <strong>der</strong> "Tauschpartner" wird dabei nicht <strong>der</strong> Willkür,<br />

ökonomistischen Präferenzmodellen o<strong>der</strong> externen Zwängen überlassen, son<strong>der</strong>n genuin<br />

soziologisch begründet: mit dem Konzept des "Habitus", dem Produkt <strong>der</strong> sozialen Prägung,<br />

die zunächst im Rahmen <strong>der</strong> Herkunftsfel<strong>der</strong> (die Primärsozialisation im, für die jeweilige<br />

Familie spezifischen Milieufeld; die postprimären Sozialisationswege im sozialen Raum <strong>der</strong><br />

Schulen, Lehranstalten, Universitäten, etc.), weiters innerhalb spezifischer Berufs- und<br />

<strong>Arbeit</strong>sfel<strong>der</strong> vollzogen wird.51<br />

Als aufschlußreich erweist sich meines Erachtens nach auch die Konzeption sozialer Ungleich­<br />

heiten in Form asymmetrischer Tauschbeziehungen. Denn mithilfe dieses Konzeptes ist es<br />

möglich, strukturelle Ungleichheiten in <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong>swelt aufzuzeigen, die sich durch ungleich<br />

legitimierte Kapitalausstattungen und ungleiche Akkumulations- und Verwertungschancen<br />

manifestieren - und das ganz allgemein, also ungeachtet betriebs- und teilfeldspezifischer<br />

Beson<strong>der</strong>heiten; aber auch im beson<strong>der</strong>en, will man die Kapitalverteilung (und damit die Herr­<br />

schaftsverhältnisse eines konkreten Feldes) untersuchen und darin die relative Positionierung<br />

<strong>der</strong> Akteure rekonstruieren.<br />

Weiters sollte sich die Feldperspektive für die Analyse lokaler <strong>Arbeit</strong>sstrukturen als fruchtbar<br />

erweisen. Eine <strong>der</strong>artige Feinanalyse <strong>der</strong> betrieblichen Sozialwelt würde zunächst die unter­<br />

schiedlichen Kräfteverhältnisse und die damit zusammenhängenden unterschiedlichen Tausch­<br />

organisationen einzelner Mikroräume (auch spezieller <strong>Arbeit</strong>s- und Projektgruppen), und im<br />

51) Aus naheliegenden Gründen steht erst an diesem Punkt eine wichtige Erläuterung zum Habituskonzept: Je<br />

nach Habitus bzw. nach Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse/Klassenfraktion, die eine ideal typisch<br />

differenzierte Habitusformen hervorbringt, bilden sich charakteristische Strategien heraus: Bewahrung des einmal<br />

erworbenen Status ist kennzeichnend für die "absteigenden Fraktionen" <strong>der</strong> "beherrschten Klasse"<br />

("absteigendes Kleinbürgertum"); demgegenüber ist Statusgewinn oberstes Ziel <strong>der</strong> "aufsteigenden Fraktionen"<br />

("aufsteigendes Kleinbürgertum"). Beide Fraktionen sind gleichermaßen in Kräftespiele involviert. Auch die<br />

absteigenden Fraküonen entkommen <strong>der</strong> sozialen Konkurrenz nicht Obwohl an<strong>der</strong>e Interessen verfolgend (es<br />

geht in erster Linie um Vermeidung <strong>von</strong> Deklassifikation, nicht um Aufstieg) und an<strong>der</strong>e Einsätze aufwendend,<br />

sind sie ebenso wie die aufsteigenden Fraktionen zu laufenden Investitionen verpflichtet, wenn auch mit<br />

an<strong>der</strong>en Risiken als die "Aufsteiger" konfrontiert. Die zugrundeliegende "Distinktionslogik" und die Analyse<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Strategien, Interessen, Einsätze und Risiken sind, wie erwähnt ausführlich in den "Feinen<br />

Unterschieden" dargestellt (1988a)<br />

48


weiteren dann die Beziehungen <strong>der</strong> Fel<strong>der</strong> zueinan<strong>der</strong> transparent machen. Die vergleichende<br />

Analyse <strong>der</strong> Tauschorganisationen betrieblicher Fel<strong>der</strong> würde somit die unterschiedlichen<br />

Niveaus betrieblicher Strukturbildung identifizieren lassen, und <strong>von</strong> daher wie<strong>der</strong>um eine<br />

bessere Einsicht in die konkreten Möglichkeiten und Grenzen betrieblichen Strukturwandels<br />

vermitteln.<br />

Dem ist allerdings hinzuzufügen, daß <strong>von</strong> Strukturwandel erst dann zu sprechen ist, wenn sich<br />

die Konstellation <strong>der</strong> Positionen verschiebt. Das heißt, es ist ein Wandel <strong>der</strong> Konkur-<br />

renzbeziehugen o<strong>der</strong> Kräftelinien zwischen den Positionsinhabern vorausgesetzt, <strong>der</strong> <strong>von</strong> einer<br />

Umverteilung <strong>der</strong> Menge und <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> strategischen Ressourcen des Feldes begleitet ist,<br />

und damit auch eine Umverteilung <strong>der</strong> Gratifikationen in diesem Feld herbeiführt. An<strong>der</strong>nfalls<br />

wird weniger <strong>von</strong> einer Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Herrschaftsverhältnisse die Rede sein, als vielmehr<br />

<strong>von</strong> Phänomenen verän<strong>der</strong>ter Herrschaftsmodi, d.h. <strong>von</strong> strukturell-homologen Machtverhält­<br />

nissen und Konkurrenzbeziehungen, die lediglich mit an<strong>der</strong>en Mitteln, also auf <strong>der</strong> Basis<br />

an<strong>der</strong>er, jedoch ebenso wie<strong>der</strong> ungleich gewichteter Ressourcen und ungleich verteilter Grati­<br />

fikationen reproduziert werden.<br />

Die Bourdieusche "Theorie <strong>der</strong> Praxis" bietet also mehrere Ansatzpunkte, auch für die analyti­<br />

sche Fassung betrieblicher (Mikro)Räume. Gerade für die heutigen Perspektiven in <strong>der</strong><br />

Industriesoziologie aber scheint Bourdieu relevant zu sein, da er es ermöglicht, die Aufmerk­<br />

samkeit ganz entschieden auf den sozialen Aspekt <strong>der</strong> Produktion und Reproduktion betrieb­<br />

licher Strukturen zu lenken.<br />

In dieser Hinsicht sind, wie oben gezeigt, auch Giddens und Crozier/Friedberg sehr relevant für<br />

die Industriesoziologie. Für Bourdieu spricht jedoch im Vergleich zu ihnen die theoretische<br />

Kohärenz seiner Konzeptionen und die Konsequenz seiner Argumentation - vor allem die For­<br />

mulierung <strong>der</strong> Zusammenhänge innerhalb eines "dichten" theoretischen Netzwerkes betreffend.<br />

So werden die Möglichkeiten und Grenzen <strong>der</strong> strategischen Realisierung <strong>von</strong> Res­<br />

sourcenpotentialen in asymmetrischen Tauschbeziehungen genauso nachvollziehbar, wie die<br />

Begriffe (Spiel)Feld, (Spiel)Einsatz, (Spiel)Regeln und verschiedene Arten <strong>von</strong> Ressourcen<br />

(ökonomisches, soziales, kulturelles und symbolisches) sowohl in ihrer Bedeutung als auch in<br />

ihrer Funktion im sozialen Akkumulations- und Verwertungszusammenhang, bei Bourdieu<br />

wohl deutlich mehr an Kontur gewinnen.<br />

Und noch ein weiteres spricht dafür, Bourdieu für industriesoziologische Problemstellungen zu<br />

rezipieren. Es sind verschiedene seiner Konzepte, die nicht nur im einzelnen weiterführen,<br />

son<strong>der</strong>n vor allem, wie sie in einen kohärenten Theorienkomplex integriert sind. Ein Theorien-<br />

49


komplex, <strong>der</strong> sowohl das grundlegende methodologische Problem <strong>der</strong> Integration <strong>von</strong> Struktur<br />

und Handlung zu bewältigen vermag, wie auch für darauf aufbauende konkrete Fragestellungen<br />

die erwähnten konzeptionellen Ansatzpunkte liefert. Unter allen konkret anstehenden Fragen<br />

<strong>der</strong> Industriesoziologie scheint jedoch am wichtigsten die radikal soziologische Perspektive, die<br />

die "Theorie <strong>der</strong> Praxis" einnehmen läßt - dies auch für die Analyse <strong>der</strong> sozialen Praxis im<br />

Betrieb.<br />

Bourdieu eröffnet damit erweiterte Perspektiven gerade für eine Industriesoziologie, die sich<br />

vermehrt <strong>der</strong> sozialen Dimension im Betrieb, o<strong>der</strong> besser: <strong>der</strong> sozialen Dimension des Betriebes<br />

zuwendet - was Konzepte wie "Sozialordnung" (KotthoffIReindl 1990) o<strong>der</strong> die bereits<br />

genannte "Sozialverfassung" (Hildebrandt/Seltz 1990), um nur diese beiden zu nennen, wohl<br />

deutlich signalisieren.<br />

Schließlich läßt sich aus <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Bourdieu eine theoretisch fundierte kri­<br />

tische Sichtweise <strong>der</strong> Produktions- und Reproduktionsprozesse betrieblicher Sozialstrukturen<br />

gewinnen. Wenn auch um den Preis des Verzichts auf klare Handlungsanweisungen und soziale<br />

Utopien, sollte damit (zumindest) ein differenzierteres Verständnis sozialer Praxis im Betrieb<br />

möglich werden.<br />

Der vorliegende Text ist jedenfalls <strong>von</strong> dem Interesse an einem <strong>der</strong>artigen Verständnis<br />

"motiviert", und folgt <strong>der</strong> Überzeugung, daß <strong>der</strong> Betrieb in seiner vollen soziologischen Bedeu­<br />

tung zu sehen ist. Er versteht sich dementsprechend als Versuch, einerseits zur Entwicklung<br />

<strong>von</strong> Erklärungskonzepten beizutragen, die geeignet sind, den komplexen Phänomenbereich<br />

"sozialer Raum 'Betrieb'" mit genuin soziologischen Mitteln zu analysieren; an<strong>der</strong>erseits dazu<br />

beizutragen, einer fundierten kritischen Herangehensweise an Fragen <strong>der</strong> Strukturbildung im<br />

betrieblichen Sozialraum (ihrer Bedingungen, Voraussetzungen und Möglichkeiten) ent­<br />

gegenzuarbeiten.<br />

50


LITERATUR<br />

Aichholzer, G./Schienstock, G./Fleckerl, J., 1989: Ungewißheit und Politik in betrieblichen<br />

Rationalisierungsprozessen. In: Aichholzer, G./Schienstock, G. (Hrsg.), <strong>Arbeit</strong>s­<br />

beziehungen im technischen Wandel. Neue Konfliktlinien und Konsensstrukturen.<br />

Berlin.<br />

Althusser, L., 1977: Ideologie und ideologische Staatsapparate. Hamburg/Berlin.<br />

Bachelard, G, 1987: Die Bildung des wissenschaftlichen Geistes. Beitrag zu einer Psycho­<br />

analyse <strong>der</strong> objektiven Erkenntnis. Frankfurt a. Main (Orig. 1938).<br />

Bechtie, G., 1989: Betriebliche Rationalisierungsstrategien als Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>von</strong> Verhand­<br />

lungssystemen im Kontext industrieller Beziehungen. Skizze eines theoretischen<br />

Programms, in: Aichholzer, G./Schienstock, G. (Hrsg.), 1989: <strong>Arbeit</strong>sbeziehungen<br />

im technischen Wandel. Neue Konfliktlinien und Konsensstrukturen. Berlin.<br />

Burawoy, MJ Wright, E.O., 1990: Coercion and Consent in Contested Exchange. In: Politics<br />

and Society 2: pp. 251 - 266.<br />

Bourdieu, P., 1979: Entwurf einer Theorie <strong>der</strong> Praxis, Frankfurt a. Main (Orig. 1972).<br />

Bourdieu, P., 1983: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In:<br />

Kreckel, R. (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten. Soziale Welt - Son<strong>der</strong>band.<br />

Göttingen: S. 183 - 198.<br />

Bourdieu, P. 1985; Sozialer Raum und "Klassen". Lecon sur la lecon. 2 Vorlesungen. Frankfurt<br />

a. Main.<br />

Bourdieu, P. 1987: Sozialer Sinn. Kritik <strong>der</strong> theoretischen Vernunft. Frankfurt a. Main (Orig.<br />

1980).<br />

Bourdieu, P., 1988a: Die feinen Unterschiede. Kritik <strong>der</strong> gesellschaftlichen Urteilskraft.<br />

Frankfurt a. Main (Orig. 1979).<br />

Bourdieu, P, 1988b: Homo Academicus. Frankfurt a. Main (Orig. 1984).<br />

51


Bourdieu, P. 1989: Antworten auf einige Einwände. In: E<strong>der</strong>, K. (Hrsg.), Klassenlage, Lebens­<br />

stil und kulturelle Praxis. Theoretische und empirische Beiträge zur Auseinan<strong>der</strong>­<br />

setzung mit Pierre Bourdieus Klassentheorie. Frankfurt a. Main.<br />

Bourdieu, P., 1990; Was heißt Sprechen. Die Ökonomie des sprachlichen Tausches. Wien<br />

(Orig. 1977).<br />

Bourdieu, P./Passeron, J.-G, 1971: Die Illusion <strong>der</strong> Chancengleichheit. Stuttgart.<br />

Bourdieu, P./Passeron, J. -C. 1973: Grundlagen einer Theorie <strong>der</strong> symbolischen Gewalt.<br />

Frankfurt a. Main.<br />

Bourdieu, P.fWacquant, L.J.D., 1989: For a Socio-Analysis of Intellectuals: On Homo<br />

Academicus. An Interview with Pierre Bourdieu. In: Berkeley Journal of Socio­<br />

logy. Vol. XXXIV: pp. 1 - 29.<br />

Bowles, SJGintis, H. 1990: Contested Exchange: New Microfoundations for the Political<br />

Economy of Capitalism. Manuskript. Massachusetts.<br />

Bracyk, H.-J./Knesebeck J.v.d./Schmidt, G., 1982: Nach einer Renaissance. Zur gegenwärtigen<br />

Situation <strong>von</strong> Industriesoziologie in <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland. In: Braczyk,<br />

H.-J-./Knesebeck, J.H.v.d./Schmidt, G. (Hrsg.): Materialien zur Industriesozio­<br />

logie. Son<strong>der</strong>heft 24 <strong>der</strong> KZfSS: S. 16 - 56.<br />

Braverman, H., 1974: Labor and Monopoly Capital. The Degradation of Work in the Twentieth<br />

Century. London/New York.<br />

Bude, H. 1988: Auflösung des Sozialen? Die Verflüssigung des soziologischen "Gegenstandes"<br />

im Fortgang <strong>der</strong> soziologischen Theorie. In: Soziale Welt, Heft 39, Jg. 1: S. 4 - 17.<br />

Burawoy, M. 1979: Manufacturing Consent. Changes in the Labor Process un<strong>der</strong> Monopoly<br />

Capitalism. Chicago.<br />

Clegg, St.R., 1989: Radical Revisions: Power, Discipline and Organizations. In: Organization<br />

Studies: pp. 97-115.<br />

52


Crozier, M./Friedberg, E., 1979: Macht und Organisation. Die Zwänge kollektiven<br />

Handelns. Königstein b. Traunstein.<br />

E<strong>der</strong>, K. (Hrsg.), 1990: Klassenlage, Lebensstil und kulturelle Praxis. Frankfurt a. Main.<br />

Edwards, R., 1979: Contested Terrain. London.<br />

Elster, J., 1983: Sour Grapes. Cambridge Mass.<br />

Elster, J. 1987: Subversion <strong>der</strong> Rationalität. Frankfurt/New York.<br />

Flecker, J./Hofbauer, J./Krenn, M.lPastner, U., 1991: Betriebsübernahmen, Beschäftigung und<br />

<strong>Arbeit</strong>sbeziehungen. Forschungsbericht des Institut für Höhere Studien. Wien.<br />

Flecker, J./Volst, A., 1988: Kontrolle <strong>der</strong> Kontrolle. Formen und Folgen <strong>der</strong> Steuerung<br />

betrieblicher Rationalisierungsmaßnahmen, ÖZS 13. Jg. 2: S. 83 - 92.<br />

Fox, A., 1974: Beyond Contract. Work, Power and Trust Relations. London.<br />

Friedman, A., 1977: Industry and Labour. London<br />

Giddens, A., 1979: Central Problems in Social Theory. Action, Structure and Contradiction in<br />

Social Analysis. London et al: pp. 29 - 45.<br />

Giddens, A., 1982: Power, the Dialectic of Control and Class Structuration. In: Giddens,<br />

A./MacKenzie, G. (eds.), Social Class and the Division of Labour. Cambridge.<br />

Giddens, A., 1984: The Constitution of Society. Berkley.<br />

Goux, J. -J. 1975: Freud, Marx, Ökonomie und Symbolik. Frankfurt/Berlin/Wien<br />

Hildebrandt, E./Seltz, R. (Hrsg.), 1987: Managementstrategien und Kontrolle. Eine Ein­<br />

führung in die Labour Process Debate. Berlin.<br />

Hildebrandt, E./Seltz, R., 1989: Wandel betrieblicher Sozialverfassung durch systemische<br />

Kontrolle? Die Einführung computergestützter Produktionsplanungs- und -<br />

steurungssysteme im bundesdeutschen Maschinenbau. Berlin.<br />

53


Honneth, A., 1984: Die zerrissene Welt <strong>der</strong> symbolischen Formen. Zum kultursoziologischen<br />

Werk Pierre Bourdieus. In: KZfSS, Jg. 36: S. 186 - 207.<br />

Horning, KH. 1985: Technik und Symbol. Ein Beitrag zur Soziologie alltäglichen<br />

Technikumgangs. In: Soziale Welt, Jg. 34, S. 186 - 207.<br />

Joerges, B. 1988: Technik im Alltag. Frankfurt a. Main.<br />

Kern, H./Schumann, M., 1984: Das Ende <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong>steilung? Rationalisierung in <strong>der</strong><br />

industriellen Produktion: Bestandsaufnahme, Trendbestimmung. München.<br />

Knorr-Cetina, K, 1981: Vorwort zu "Men and machines". In: Knorr-Cetina, K./Cicourel,<br />

A.V. (eds.), Advances in Social Theory and Methodology. Toward an Integra­<br />

tion of Micro- and Macro-Sociologies. Boston; pp. 304.<br />

Kotthoff, H./Reindl, J. 1990: Die soziale Welt kleiner Betriebe. Wirtschaften, <strong>Arbeit</strong>en und<br />

Leben im mittelständischen Industriebetrieb. Göttingen.<br />

Kreckel, R. (Hrsg.), 1983: Soziale Ungleichheiten. Soziale Welt-Son<strong>der</strong>band. Göttingen.<br />

Lappe, L., 1986: Technologie, Qualifikation und Kontrolle: Die Labour-Process Debatte aus<br />

<strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> deutschen Industriesoziologie. In: Soziale Welt, Heft 3: S. 310 - 330.<br />

Lawrence, RR./Lorsch, J.W., 1967: Organisation and Environment: Managing Differentiation<br />

and Integration. Boston.<br />

Littler, CR., 1987: Theorie des Managements und Kontrolle. In: Hildebrandt, E./Seltz, R.,<br />

(Hrsg.): Managementstrategien und Kontrolle. Eine Einführung in die Labour<br />

Process Debate. Berlin: S. 27 - 76.<br />

Livesay, J., 1989: Structuration Theory and the Unacknowledged Conditions of Action. In:<br />

Theory, Culture & Society, Vol. 6: pp. 263 - 92.<br />

54


Lutz, B., 1987: Das Ende des Technikdeterminismus und die Folgen - soziologische Technik­<br />

forschung vor neuen Aufgaben und Problemen. In: Lutz, B. (Hrsg.): Technik und<br />

sozialer Wandel, Verhandlungen des 23. Deutschen Soziologentages in Hamburg.<br />

Frankfurt und New York.<br />

MM, U. 1986: Organisation als Sozialsystem. Ein Kommentar. In: Seltz, R./MÜ1,<br />

U./Hildebrandt, E. (Hrsg.), Organisation als soziales System. Kontrolle und<br />

Kommunikationstechnologie in <strong>Arbeit</strong>sorganisationen. Berlin: S. 199 - 218.<br />

Müller, H.P., 1986: Kultur, Geschmack und Distinktion. Grundzüge <strong>der</strong> Kultursoziologie Pierre<br />

Bourdieus. In: KZfSS, Jg. 27: S. 162 - 189.<br />

Noll, H.-H., 1987: Weiterbildung, Beschäftigungsstruktur und Statusdistribution. In: Soziale<br />

Welt Son<strong>der</strong>band 5: S. 141 - 170.<br />

Ogburn, W.F., 1950: Social Change with Respect to Cultural and Original Nature. New York.<br />

Ortmann, G., 1988: Handlung, System, Mikropolitik, in: Küpper, W./Ortmann, G.; Mikro-<br />

politik. Rationalität, Macht und Spiele in Organisationen, Opladen.<br />

Prabitz, G. 1990: Humanwissenschaft mit o<strong>der</strong> ohne Subjekt? o<strong>der</strong> Zur Kritik <strong>der</strong> Intentiona-<br />

lität. In: Conceptus. Zeitschrift für Philosophie: S. 65 - 80.<br />

Sahlins, M. 1981: Kultur und praktische Vernunft. Suhrkamp.<br />

Schienstock, G./Flecker, J./Rainer, G, 1987: Kontrolle, Konsens und Ideologie. Ein Beitrag<br />

zur Diskussion über einen Paradigmawechsel in <strong>der</strong> Industriesoziologie, in:<br />

Malsch, T., Seltz, R. (Hrsg.), Die neuen Produktionskonzepte auf dem Prüf­<br />

stand. Beiträge zur Entwicklung <strong>der</strong> Industriearbeit. Berlin: S. 233 - 322.<br />

Schimank, U., 1986: Technik, Subjektivität und Kontrolle in formalen Organisationen - eine<br />

Theorieperspektive. In: Seltz, R./MÜ1, U./Hildebrandt, E. (Hrsg.), Organisation<br />

als soziales System. Kontrolle und Kommunikationstechnologie in <strong>Arbeit</strong>s­<br />

organisationen. Berlin: S. 71 - 92.<br />

55


Schimank, U., 1987: Evolution, Selbstreferenz und Steuerung komplexer Systeme. In: Glagow,<br />

M./Willke, H. (Hrsg.), Dezentrale Gesellschaftssteuerung: Probleme <strong>der</strong> Integra­<br />

tion polyzentrischer Gesellschaften. Pfaffenweiler.<br />

Schmidt, G. 1989: Die »Neuen Technologien« - Herausfor<strong>der</strong>ungen für ein verän<strong>der</strong>tes<br />

Technikverständnis. In: Weingart, P. (Hrsg.), Technik als sozialer Prozeß. Frank­<br />

furt a. Main: S. 231 - 255.<br />

Scott, W.R. 1986: Grundlagen <strong>der</strong> Organisationstheorie. Frankfurt/New York.<br />

Silverman, D. 1987: The Theory of Organisations. Al<strong>der</strong>shot. (Orig. 1970)<br />

Therborn, G. 1988: The Ideology of Power and the Power of Ideology. London.<br />

Thompson, R., 1987: Die »Labour Process«-Debatte in Großbritannien und den USA. In:<br />

Hildebrandt, E./Seltz, R., (Hrsg.): Managementstrategien und Kontrolle. Eine<br />

Einführung in die Labour Process Debate. Berlin: S. 13 - 26.<br />

Traxler, F. 1989: Strategie und Emergenz. Rationalisierung, <strong>Arbeit</strong>sbeziehungen und das<br />

Problem <strong>von</strong> Handlung und Struktur. In: Aichholzer, G./Schienstock, G. (Hrsg.):<br />

<strong>Arbeit</strong>sbeziehungen im technischen Wandel. Neue Konfliküinien und Konsens­<br />

strukturen. Berlin: S. 19 -• 42.<br />

Wagner, U., 1978: Autorität und Motivation im Industriebetrieb unter den Bedingungen des<br />

institutionellen Wandels. Berlin.<br />

Weingart, P. (Hrsg.), 1989: Technik als sozialer Prozeß. Frankfurt/Main.<br />

Wiesenthal, H., 1987: Rational Choice. Ein Überblick über Grundlinien, Theoriefel<strong>der</strong> und<br />

neuere Themenakquisition eines sozialwissenschaftlichen Paradigmas. In: ZfS, Jg.<br />

16, Heft 6: S. 434 - 449.<br />

Woodward, J., 1958: Management and Technology. London.<br />

56


1988<br />

Veröffentlichungsreihe <strong>der</strong> <strong>Abteilung</strong> <strong>Regulierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

des Forschungsschwerpunkts Technik-<strong>Arbeit</strong>-Umwelt<br />

des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung<br />

FS II 88-201 Kurt Hübner, Birgit Mahnkopf: Ecole de la<br />

Regulation. Eine kommentierte Literaturstudie,<br />

114 S.<br />

FS II 88-202 Klaus Jocobs, Martin Rein: The Future of Early<br />

Retirement, 28 S.<br />

FS II 88-203 Notburga Ott, Gert Wagner: Mindestsicherung und<br />

Altersvorsorge - Auch eine Frage an die<br />

<strong>Arbeit</strong>spolitik, 25 S.<br />

1989<br />

FS II 89-201 Helmut Demes: Beför<strong>der</strong>ung und Entlohnung in einem<br />

japanischen Automobi1unternehmen - Eine Fallstudie,<br />

54 S.<br />

FS II 89-202 Ulrich Jürgens, Werner Reuttef: Verringerung <strong>der</strong><br />

Fertigungstiefe in <strong>der</strong> deutschen Automobilindustrie:<br />

Zielsetzungen und Interessenlagen, 35 S.<br />

FS II 89-203 Joachim Rosenow: <strong>Regulierung</strong>en betrieblicher<br />

Altersstrukturen, 58 S.<br />

FS II 89-204 Maria Oppen: Zukunft <strong>der</strong> Büroarbeit - Frauenarbeit<br />

mit Zukunft? 68 S.<br />

FS II 89-205 Frie<strong>der</strong> Naschold, Gert Wagner: unter Mitarbeit <strong>von</strong><br />

Joachim Rosenow, "Betriebe und Staat im<br />

altersstrukturellen Wandel" - eine Projektskizze,<br />

93 S.<br />

1990<br />

FS II 90-201 Takeshi Kimura, Ikuro Takagi, Masato Oka and Maki<br />

Omori: The Companies, the State and the Changing<br />

Age-Structure in Japan: A Profile Report, 42 S.<br />

1991<br />

FS II 91-201 Gerd Schienstock: Struktur, Strategie o<strong>der</strong> sozialer<br />

Prozeß? Anmerkungen zu einer Theorie des Managements,<br />

48 S.<br />

FS II 91-202 Ulrich Jürgens: The Changing Contours of Work in the<br />

Car Industry, 74 S.<br />

FS II 91-203 Eckart Hildebrandt: Umweltaktives Management und<br />

Industrielle Beziehungen im Industriebetrieb - eine<br />

Fallstudie, 101 S.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!