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Vom Duft der großen weiten Welt Vom Duft der großen ... - rheinkiesel

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höhere Klasse) ging es auch auf<br />

deutschen Lateinschulen. Der Beurteilung<br />

von Klassenarbeiten lag<br />

ein „Kanon“ zugrunde: eine<br />

Stufenleiter von fünf Zensuren.<br />

Wer so schlecht war, daß sich seine<br />

Leistung noch außerhalb dieses<br />

Notenkanons befand, bekam als<br />

Zensur das eben erwähnte „sub<br />

omni canon = unter allem Kanon“<br />

und mußte sich <strong>der</strong> elterlichen<br />

Gardinenpredigt stellen, sich also<br />

zurechtweisen lassen.<br />

Mit <strong>der</strong> Gardinenpredigt hat es<br />

Folgendes auf sich: Dicke Vorhänge<br />

umgaben die Betten in<br />

Burgen o<strong>der</strong> Adelshäusern. Nachts<br />

zog man sie zu, um die Wärme im<br />

Bett zu bewahren, beziehungsweise<br />

unliebsame Fluggäste wie<br />

Fliegen o<strong>der</strong> Mücken fernzuhalten.<br />

Hatte <strong>der</strong> Ehemann sich den<br />

Zorn <strong>der</strong> Gattin zugezogen, indem<br />

er etwa stark angetrunken das<br />

eheliche Schlafgemach betrat, bekam<br />

er hier – fernab von den neugierigen<br />

Ohren des Personals –<br />

seine Gardinenpredigt.<br />

Mittelalterlicher<br />

Tadel<br />

Wurde es dem Gescholtenen zu<br />

bunt, mag dem ein o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Grobian ein unwirsches „Ach,<br />

Weib, halt die Klappe!“ entwichen<br />

sein. In seiner heutigen unhöflichen<br />

Bedeutung steht <strong>der</strong><br />

Ausspruch „Halt die Klappe!“ in<br />

krassem Gegensatz zu seinem<br />

frommen Ursprung. In mittelalterlichen<br />

Kirchen bestand das<br />

Chorgestühl aus Klappsitzen. Es<br />

galt, diese möglichst geräuschlos<br />

herunterzuklappen, um die Ruhe<br />

<strong>der</strong> Andacht nicht zu stören. Wer<br />

die Klappe beim Aufstehen mit<br />

lautem Gepolter fallen ließ, wurde<br />

streng gerügt: Der arme Sün<strong>der</strong><br />

wurde mit den Worten: „Halt die<br />

Klappe!“ getadelt.<br />

Wer den Klerus solchermaßen verstimmte<br />

und durch seine Ungeschicklichkeit<br />

kränkte, war ganz<br />

schön „ins Fettnäpfchen getreten“.<br />

Ein solcher Fettnapf stand im Erzgebirge<br />

zwischen Tür und Ofen<br />

alter Bauernhäuser. Kehrten Hausbewohner<br />

mit nassen Stiefeln<br />

heim, fettete man das Le<strong>der</strong> umgehend<br />

ein, um das Schuhwerk zu<br />

pflegen und zu schützen. Wer den<br />

Napf aus Ungeschicklichkeit umkippte,<br />

verursachte zum einen<br />

häßliche Fettflecken auf <strong>der</strong> Diele,<br />

zum an<strong>der</strong>en eine verstimmte<br />

Hausfrau.<br />

Naja, hoffentlich fiel bei dem Tollpatsch<br />

irgendwann <strong>der</strong> Groschen,<br />

„Endlich ist <strong>der</strong> Groschen bei ihm<br />

gefallen!“ bedeutet soviel wie:<br />

„Endlich hat er es kapiert/verstanden!“<br />

Früher gab es allerlei<br />

Verkaufs- o<strong>der</strong> Musikautomaten.<br />

Wer eine Münze hineinwarf, setz-<br />

te die Maschine in Gang. Der<br />

Mechanismus startete also erst,<br />

wenn <strong>der</strong> Groschen gefallen war.<br />

Genauso ist es eben manchmal<br />

auch bei uns: Oft muß <strong>der</strong><br />

Groschen erst fallen, ehe unser<br />

Denkmechanismus in Gang gerät<br />

und auch <strong>der</strong> Langsam-Denker<br />

den Nagel auf den Kopf trifft, also<br />

genau das Richtige sagt.<br />

Bei diesem Nagel handelt es sich<br />

Auflösung des Rätsels aus dem Juni-Heft<br />

1 Zwischen Leber und Milz paßt immer<br />

noch ein Pils.<br />

2 Vier Augen sehen mehr als zwei.<br />

3 Zum einen Ohr rein, zum an<strong>der</strong>en Ohr<br />

wie<strong>der</strong> heraus.<br />

4 Liebe geht durch den Magen.<br />

5 Lieber arm dran als Arm ab.<br />

übrigens nicht um denjenigen, <strong>der</strong><br />

gemeinhin in die Wand geschlagen<br />

wird. Gemeint ist vielmehr<br />

<strong>der</strong> Mittelpunkt <strong>der</strong> Zielscheibe<br />

bei den Schützen. Wer den Nagel<br />

(also die Mitte <strong>der</strong> Scheibe) traf,<br />

hatte ins Schwarze getroffen und<br />

die höchstmögliche Punktzahl<br />

erreicht.<br />

Bleiben wir noch einen Augenblick<br />

beim Thema Schießen, das<br />

nicht nur in Schützenvereinen<br />

eine große Rolle spielt, son<strong>der</strong>n<br />

auch beim Militär. Seit 1861 gab<br />

es beim deutschen Militär die<br />

Vorschrift, den Bestandsnachweis<br />

<strong>der</strong> vollen Kriegsstärke festzuhalten.<br />

Das hierzu verwendete Formular<br />

(früher: Schema) hieß<br />

„Schema Frontrapport“ (also<br />

Sprichwörter<br />

Schema Frontbericht) und wurde<br />

im Soldatenjargon verkürzt zu<br />

„Schema F“. Heute würde es vielleicht<br />

heißen: Formular über den<br />

Bestandsnachweis für die Feststellung<br />

unserer vollen Kriegsstärke,<br />

kurz: Schema FüBfuK.<br />

Auch schön, o<strong>der</strong>? Wer etwas nach<br />

Schema F macht, geht routinemäßig<br />

vor und läuft damit Gefahr,<br />

das Beson<strong>der</strong>e des Einzelfalles zu<br />

übersehen.<br />

Merkwürdige<br />

Badesitten<br />

Doch schon so manche Kleinigkeit,<br />

die man übersieht, muß man<br />

später „ausbaden“. Es ist noch gar<br />

nicht allzu lange her, daß zum Beispiel<br />

Familienmitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> die<br />

Bewohner eines Hofes nacheinan<strong>der</strong><br />

dasselbe Badewasser benutzten.<br />

Der letzte in <strong>der</strong> Reihe hatte<br />

dabei Pech, denn er hatte nicht<br />

nur das kälteste, schmutzigste und<br />

Wasser in geringster Menge.<br />

Obendrein mußte er auch noch<br />

das Wasser ausgießen und den<br />

Zuber säubern, er mußte „ausbaden“.<br />

Doch es gibt noch eine<br />

an<strong>der</strong>e, deutlich romantischere<br />

Herleitung des Begriffs aus dem<br />

Mittelalter: Bei <strong>der</strong> Nachfeier<br />

einer Hochzeit war es Sitte, die<br />

junge Braut zum Bade zu begleiten.<br />

Dies war auserwählten Gästen<br />

vorbehalten und galt für die junge<br />

Frau als ehrenvolle Auszeichnung.<br />

Im Gegenzug spendierte sie den<br />

„Bademeistern“ einen kostspieligen<br />

Schluß-Schmaus, das sogenannte<br />

„Ausbad“. •<br />

Bettina Schmitt<br />

Juli 2009 13

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