1. Herbert Uerlings (Trier): Stigma Zigeuner. Formen der ... - Reviste

Stigma Zigeuner
Prozess, bei dem Semantiken und Praktiken ineinander grei-
fen. Die wichtigste Form der Exklusionssemantik ist die Stigmatisierung,
und gerade an ihr wird besonders offensichtlich,
dass – was heute common sense in den Kulturwissenschaften
ist – auch Semantiken sich als Praktiken verstehen lassen, ohne
das man deswegen den Unterschied zwischen semantischen
und nicht-semantischen Praktiken verwischen müsste: Auch
Semantiken sind Praktiken, durch die soziale Tatsachen geschaffen
werden. Diesen Zusammenhang zwischen den Bezeichnungspraktiken
und Prozessen der Inklusion / Exklusion
zeigt gerade die älteste Form der Stigmatisierung besonders
deutlich, das Brandzeichen, mit dem entlaufene Sklaven (und
später auch ‚Zigeuner‘) markiert wurden. Stigmatisierungen
sind, so ließe sich weiter präzisieren, solche Zeichenpraktiken,
durch die eine vollständige soziale Anerkennung verweigert
wird. Dies ist die zentrale Funktion der Stigmatisierung. Durch
die Stigmatisierung wird die Gruppe der Stigmatisierten erst
gebildet. Es ‚gibt’ also nicht zunächst Träger einer diskreditierenden
Eigenschaft, eines Stigmas, sondern es ist die Mehrheitsgesellschaft,
die solche Eigenschaften und deren Träger
bezeichnet. Mit anderen Worten: ‚Zigeuner‘ gibt es nicht, zum
‚Zigeuner‘ wird man gemacht. Diese – zugegeben pointierte –
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