1. Herbert Uerlings (Trier): Stigma Zigeuner. Formen der ... - Reviste

112 Herbert Uerlings
Dennoch hat sich der biologische Rassismus gründlich und
hoffentlich auf Dauer diskreditiert und spielt in der Öffentlichkeit
keine nennenswerte Rolle mehr. Von einem Ende
rassistischer Stigmatisierung kann deshalb jedoch nicht gesprochen
werden. Ihre derzeit dominante Form ist der ‚kulturalistische
Rassismus’, nicht nur im Blick auf die ‚Zigeuner‘,
sondern auch und vor allem in der Auseinandersetzung mit
dem Islam, bei der dann religiöse Stigmatisierungen hinzukommen.
Was die ‚Zigeuner‘ betrifft, so steht aber, anders als
im 19. Jahrhundert, nicht mehr die mangelnde Sesshaftigkeit
als diskreditierte Eigenschaft im Mittelpunkt, sondern die Kriminalität.
In dieser Form wirkt der Nationalsozialismus bis
heute fort. Mit dem Argument, es habe sich bis 1943 um eine
kriminalpräventive, nicht um eine rassistisch motivierte Verfolgung
gehandelt, hatte der Bundesgerichtshof den Sinti und
Roma die Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus lange
verweigert, bis er dieses Urteil 1963 revidierte. In vielen
anderen Bereichen zeigt sich dagegen, im Falle der ‚Zigeuner‘
wie anderer Gruppen, dass die biologistische Stigmatisierung
nicht einfach verschwindet, sondern oft lediglich durch die
kulturalistische ersetzt wird. Das kulturalistische Stigma vom
‚kriminellen Zigeuner’ ist heute, vor allem im Bereich von