1. Herbert Uerlings (Trier): Stigma Zigeuner. Formen der ... - Reviste
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102 <strong>Herbert</strong> <strong>Uerlings</strong><br />
III. Soziographische <strong>Stigma</strong>tisierungen<br />
Den Kern des soziographischen <strong>Zigeuner</strong>begriffs bildet das<br />
gewerbsmäßige Umherziehen im Familienverband, eine Eigenschaft,<br />
die sich zusammensetzt aus Heimatlosigkeit (fehlen<strong>der</strong><br />
Gemeindezugehörigkeit), Unverheiratetsein (nach den Maßstäben<br />
von Kirche und Staat) und dem Wan<strong>der</strong>leben. Dieser <strong>Zigeuner</strong>begriff<br />
und seine Zuspitzung zum <strong>Stigma</strong> sind vor allem<br />
ein Produkt staatlicher Instanzen. Sie haben sich im wesentlichen<br />
im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t als ‚polizeilicher Ordnungsbegriff’<br />
durchgesetzt und lassen sich aus staatlichen Entwicklungen<br />
und Interessen erklären (vgl. Lucassen). (1) Ausschlaggebend<br />
für den polizeilichen Ordnungsbegriff ‚<strong>Zigeuner</strong>‘ war die<br />
Armutspolitik, d.h. die Umstellung von <strong>der</strong> kirchlich-religiösen<br />
Armenfürsorge auf die staatliche Armutspolitik. Sie ging<br />
seit dem Ende des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts einher mit <strong>der</strong> Einschränkung<br />
<strong>der</strong> Armenfürsorge auf ortsansässige Arme, später<br />
auf die Angehörigen einer Nation bzw. die Staatsbürger. Die<br />
Orientierung am Gemeindeprinzip machte die Sesshaftigkeit<br />
zum zentralen Thema, denn die Behörden hatten ein elementares<br />
Interesse daran, die Mobilität <strong>der</strong> Unterschichten einzuschränken:<br />
Ohne die Durchsetzung <strong>der</strong> Sesshaftigkeit war eine