1. Herbert Uerlings (Trier): Stigma Zigeuner. Formen der ... - Reviste
1. Herbert Uerlings (Trier): Stigma Zigeuner. Formen der ... - Reviste
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98 <strong>Herbert</strong> <strong>Uerlings</strong><br />
an die antijüdische Ritualmordlegende (vgl. Wippermann, 1997,<br />
S. 62).<br />
Religiöser Antiziganismus findet sich, in charakteristisch<br />
wechseln<strong>der</strong> Gestalt, auch in späteren Zeiten. Wenn Sebastian<br />
Münster in seiner "Cosmographey" (1550) nicht nur die Bußgeschichten<br />
als Lügen ("Fabeln") abtut, son<strong>der</strong>n rundum<br />
erklärt, die ‚<strong>Zigeuner</strong>‘ hätten "kein Religion", so gelten diese<br />
nicht mehr als Heiden im mittelalterlichen Sinne, also Menschen,<br />
die je<strong>der</strong>zeit zum Christentum bekehrt werden können.<br />
Das Fehlen <strong>der</strong> Religion meint jetzt vielmehr das Fehlen jeglicher<br />
Moralität und sittlicher Bildung zugunsten einer Lebensweise,<br />
die mit <strong>der</strong> <strong>der</strong> ‚wilden’ Goten, Hunnen und Wandalen<br />
und sogar mit <strong>der</strong> von Hunden verglichen wird. ‚<strong>Zigeuner</strong>‘<br />
wird hier zum <strong>Stigma</strong> eines (in <strong>der</strong> Regel fahrenden) Volkes,<br />
dem es an menschlicher Substanz mangelt. – Eine an<strong>der</strong>e<br />
Form nimmt <strong>der</strong> Vorwurf mangelhafter Religiosität innerhalb<br />
<strong>der</strong> Kirche an: Auf dem Konzil von Trient (1545-1563) geraten<br />
die ‚<strong>Zigeuner</strong>‘ unter Häresie-Verdacht und werden seitdem<br />
das <strong>Stigma</strong>, keine echten Christen zu sein o<strong>der</strong> gar unter dem<br />
Deckmantel konfessioneller Zugehörigkeit abergläubischen Überzeugungen<br />
anzuhängen, nicht mehr los. Die Tradition dieser<br />
theologischen bzw. kirchlichen <strong>Stigma</strong>tisierung ist noch