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Elif Esen 2º Ciclo de Estudos em Estudos Alemães Träume ...

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<strong>Elif</strong> <strong>Esen</strong><br />

<strong>2º</strong> <strong>Ciclo</strong> <strong>de</strong> <strong>Estudos</strong> <strong>em</strong> <strong>Estudos</strong> Al<strong>em</strong>ães<br />

<strong>Träume</strong> weiblicher Figuren in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Literatur <strong>de</strong>s Mittelalters<br />

Orientador: Prof. Dr. John Greenfield<br />

Classificação:<br />

<strong>Ciclo</strong> <strong>de</strong> estudos: 2°<br />

Dissertação<br />

2012<br />

Versão <strong>de</strong>finitiva


Vorwort<br />

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, um <strong>de</strong>njenigen Personen zu danken, die<br />

zum Gelingen meiner Arbeit ganz wesentlich – direkt o<strong>de</strong>r indirekt – beigetragen haben.<br />

Mein erster Dank geht an GLITEMA; ohne GLITEMA hätte ich diese Arbeit nicht<br />

geschrieben. Der größte Dank gilt Prof. Dr. John Greenfield für seine Geduld, seine<br />

Unterstützung und seine wertvollen Hinweise, mit <strong>de</strong>ren Hilfe ich im Rahmen meines<br />

Studiums meine Arbeit zu ein<strong>em</strong> erfolgreichen Abschluss bringen konnte. Meinen<br />

Studienkollegen danke für ihre immerwähren<strong>de</strong> Hilfsbereitschaft. Mein beson<strong>de</strong>rer Dank<br />

gilt meinen Eltern für ihre unermüdliche Motivation.<br />

I


Abstract<br />

Mo<strong>de</strong>rn psychology teaches us that dreams play an important role in human thoughts and<br />

behaviours, and that they are an indispensable part of our psyche. However, interest in the<br />

meaning of dreams is not a mo<strong>de</strong>rn concept and can be traced back to ancient cultures. As<br />

literature and the written word <strong>de</strong>veloped, oneiromancy was inclu<strong>de</strong>d along with other<br />

philosophical writings. The Middle Ages were influenced by the ancient traditions regarding<br />

dreams and continued to explore their possible meanings and uses. Dreams appearing in<br />

medieval literature were often used as tools of pr<strong>em</strong>onition, allowing the author to<br />

strengthen parts of his narration.<br />

In this thesis, the dreams of two significant women figures’ in medieval literature,<br />

those of Kri<strong>em</strong>hild and Herzeloy<strong>de</strong>, have been addressed. Kri<strong>em</strong>hild had two dreams that<br />

foresaw her husband’s <strong>de</strong>ath: one in which an eagle and a hawk appear, and in the other a<br />

boar. Herzeloy<strong>de</strong>, who played a significant and <strong>de</strong>terminative role in ‘Parzival’, had a dream<br />

about dragons, which foretold of the <strong>de</strong>ath of her husband as well as the birth of her son and<br />

her own <strong>de</strong>ath. In this thesis, the significance of dreams are discussed as well as the role of<br />

animals in these dreams as reflections of the inci<strong>de</strong>nts and characters. In this way, two<br />

questions: “How did these animal-dreams affect the characters’ lives and the story?” and<br />

“What kind of functions did these dreams have?” are explained.<br />

II


Vorwort...........................................................................................................................I<br />

Abstract..........................................................................................................................II<br />

Inhaltsverzeichnis...........................................................................................................III<br />

0. Einleitung................................................................................................................... 1<br />

1. Zum Traum in <strong>de</strong>r Antike...........................................................................................5<br />

1.1. <strong>Träume</strong> und ihre Funktionen in <strong>de</strong>r antiken Literatur..........................................6<br />

1.1.1. Penelopes Gänsetraum......................................................................................8<br />

1.1.2. Klytaimnestras Drachentraum...........................................................................9<br />

1.2. Allg<strong>em</strong>eines zum Traum und zur Traum<strong>de</strong>utung im Mittelalter........................10<br />

1.2.1. Traum in <strong>de</strong>r mittelalterlichen Literatur..........................................................13<br />

2. Tiere in <strong>de</strong>n weiblichen <strong>Träume</strong>n im Mittelalter......................................................19<br />

2.1. Kri<strong>em</strong>hilds <strong>Träume</strong> im Nibelungenlied..............................................................22<br />

2.1.1. Kri<strong>em</strong>hilds Falkentraum..................................................................................23<br />

2.1.1.1. Falke im Mittelalter......................................................................................26<br />

2.1.1.2. Zur symbolischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Falken im Nibelungenlied......................32<br />

2.1.1.3. Adler im Mittelalter......................................................................................35<br />

2.1.1.4. Zur symbolischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Adlers im Nibelungenlied......................37<br />

2.1.2. Kri<strong>em</strong>hilds Ebertraum.....................................................................................43<br />

2.1.2.1. Eber im Mittelalter.......................................................................................45<br />

2.1.2.2. Zur symbolischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Ebers im Nibelungenlied........................46<br />

2.1.3. Funktionen <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> in <strong>de</strong>r Handlung........................................................48<br />

2.2. Herzeloy<strong>de</strong>s Traum im Parzival........................................................................50<br />

2.2.1. Herzeloy<strong>de</strong>s Drachentraum.............................................................................51<br />

2.2.1.1. Drache im Mittelalter...................................................................................56<br />

2.2.1.2. Zur symbolischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Drachen im Parzival..............................57<br />

2.2.2. Funktionen <strong>de</strong>s Traums in Parzivals Leben und in <strong>de</strong>r Handlung..................59<br />

3. Schlussb<strong>em</strong>erkung...................................................................................................62<br />

4. Literaturverzeichnis..................................................................................................66<br />

5. Anhang.....................................................................................................................74<br />

III


0. Einleitung<br />

<strong>Träume</strong> spielen im Denken und Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r Menschen eine wichtige Rolle. Nach LATACZ<br />

ist „das <strong>Träume</strong>n [...] ein universales Phänomen [...] unabhängig von <strong>de</strong>r historischen Zeit,<br />

vom historischen Ort, von <strong>de</strong>r Rasse; es ist für <strong>de</strong>n Menschen lebensnotwendig, und es ist<br />

wegen <strong>de</strong>r so täuschend echten Realitätsillusion, die es zu erzeugen vermag, zutiefst<br />

beunruhigend“ (1984, 10).<br />

<strong>Träume</strong> haben eine beson<strong>de</strong>re Magie. Sie sind die Sekun<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen man<br />

passiv ist. Man tut nichts, aber gleichzeitig macht man alles. Man sieht und hört und man<br />

kann alles sein und haben, was man in <strong>de</strong>r Wirklichkeit nicht ist o<strong>de</strong>r nicht hat. Während wir<br />

im Wachzustand eine g<strong>em</strong>einsame Welt mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Menschen haben, besitzen wir aber<br />

in <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n eine ganz an<strong>de</strong>re, eine eigenartige Welt, die nur zu uns gehört. Diese Welt<br />

nennt Heraklitos ídios kósmos, nämlich die Welt <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong>. Er sagt dazu in seinen<br />

Fragmente: „Die Wachen haben eine einzige und g<strong>em</strong>einsame Welt. Im Schlafe wen<strong>de</strong>t sich<br />

je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r eigenen zu“ (NEEßE: 1982, 103).<br />

Die Menschen sind immer in allen Epochen und Kulturen von diesen täglichen<br />

und nächtlichen Eindrücken <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> fasziniert und gleichzeitig beunruhigt gewesen.<br />

<strong>Träume</strong> sind allg<strong>em</strong>eine menschliche Erfahrung. Wie WEBER b<strong>em</strong>erken hat, träumte je<strong>de</strong>r<br />

vom Kaiser bis zum Sklaven, Männer und Frauen, und es wur<strong>de</strong> eher als b<strong>em</strong>erkenswert<br />

angesehen, wenn j<strong>em</strong>and nicht träumte (2003, 21). <strong>Träume</strong> versuchte man immer in<br />

verschie<strong>de</strong>ner Art und Weise zu <strong>de</strong>uten. Es wur<strong>de</strong> nach ihren Sinn und Nutzen gefragt.<br />

Deswegen stellt die Literatur aller Zeiten schon von Anfang an öfters <strong>Träume</strong>, <strong>de</strong>ren<br />

Deutungsversuche und Erklärungen dar.<br />

In <strong>de</strong>r Literatur <strong>de</strong>s Mittelalters spielen <strong>Träume</strong> eine ganz beson<strong>de</strong>re Rolle. Das<br />

Ziel <strong>de</strong>r Arbeit ist es herauszuarbeiten, welche Rollen und Funktionen die Tier-<strong>Träume</strong> in<br />

<strong>de</strong>r mittelalterlichen Literatur haben. Es gibt viele verschie<strong>de</strong>ne <strong>Träume</strong> in <strong>de</strong>r<br />

mittelalterlichen Literatur, aber es ist nicht möglich im Rahmen <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Masterarbeit alle <strong>Träume</strong> zu untersuchen. Beson<strong>de</strong>rs erscheint es mir interessant, die Tiere<br />

in <strong>de</strong>n weiblichen <strong>Träume</strong>n zu untersuchen. In zwei kanonischen Werken, <strong>de</strong>m<br />

Nibelungenlied und Parzival, wer<strong>de</strong>n die Tier-<strong>Träume</strong> von zwei wichtigen Figuren geträumt.<br />

Das Anliegen meiner Arbeit ist es, diese <strong>Träume</strong> zu untersuchen. Dabei möchte ich mich auf<br />

die wichtige Studie SPECKENBACHs beziehen, die sich mit <strong>de</strong>r Traum<strong>de</strong>utung in <strong>de</strong>r Literatur<br />

<strong>de</strong>s Mittelalters beschäftigt. Er unterschie<strong>de</strong>t nämlich fünf Funktionen <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> in <strong>de</strong>r<br />

1


mittelalterlichen Literatur: 1. For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Handlung, 2. Schaffung von Stimmung durch<br />

die Bildsprache <strong>de</strong>s jeweiligen Traumes, 3. epische Voraus<strong>de</strong>utung, 4. Verknüpfung<br />

auseinan<strong>de</strong>rliegen<strong>de</strong>r Handlungsepiso<strong>de</strong>n, 5. Schaffung einer Transparenz mit Hilfe <strong>de</strong>r<br />

allegorischen Denkweise (1976, 180). Im Rahmen <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>r Arbeit wird auch<br />

nachzuforschen sein, inwiefern in <strong>de</strong>n zu analysieren<strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n Kri<strong>em</strong>hilds und<br />

Herzeloy<strong>de</strong>s diese fünf Funktionen SPECKENBACHS nachzuweisen sind.<br />

Ein Analyse <strong>de</strong>r zwei Werke Das Nibelungenlied und Parzival zeigt, inwiefern<br />

die verschie<strong>de</strong>nen Tier-<strong>Träume</strong>n von Kri<strong>em</strong>hild und Herzeloy<strong>de</strong> zentrale El<strong>em</strong>ente zum<br />

Verständnis <strong>de</strong>r jeweiligen Handlungen sind.<br />

Im Nibelungenlied wer<strong>de</strong>n zwei Tier-<strong>Träume</strong> von Kri<strong>em</strong>hild erwähnt, die die<br />

Schicksalhaftigkeit <strong>de</strong>r Geschichte näher beleuchten und in gewisser Weise auch einen Blick<br />

auf Kri<strong>em</strong>hilds Emotionalität gestatten. Dies sind zum einen <strong>de</strong>r Falkentraum in <strong>de</strong>r ersten<br />

Aventiure zu Beginn <strong>de</strong>s Nibelungenlie<strong>de</strong>s und zum an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>r Ebertraum, in Aventiure<br />

16. Bei<strong>de</strong> <strong>Träume</strong> weisen auf <strong>de</strong>n Tod Siegfrieds hin und können als Vorboten von<br />

Kri<strong>em</strong>hilds Leid betrachtet wer<strong>de</strong>n. Im zweiten Buch von Parzival wird Herzeloy<strong>de</strong>s<br />

Drachentraum erwähnt. Dieser Traum kann auch als Vorbote von Herzeloy<strong>de</strong>s Lei<strong>de</strong>n<br />

betrachtet wer<strong>de</strong>n und die Schicksalhaftigkeit kann ins Auge fallen, weil er die Geburt<br />

Parzivals, nämlich eines großen Königs, symbolisiert und im weiteren Verlauf <strong>de</strong>s Textes<br />

spürbaren Einfluss hat. Aber dieser Traum spielt auch eine große Rolle in <strong>de</strong>r Mutter-Kind<br />

Beziehung.<br />

In <strong>de</strong>r Forschung sind die Tier-<strong>Träume</strong> Kri<strong>em</strong>hilds und <strong>de</strong>r Tier-Traum<br />

Herzeloy<strong>de</strong>s ein wichtiger Gegenstand <strong>de</strong>r Untersuchungen. Sie wer<strong>de</strong>n als als „m<strong>em</strong>orable<br />

dreams“ betrachtet (vgl. Hatto: 1968, 16). „Each of these dreams is vivid, immediate [...]<br />

and each is an `Angsttraum´“ (Hatto: 1968, 16).<br />

Wegen <strong>de</strong>r Deutung <strong>de</strong>s Falken als künftigen Geliebten sieht die Forschung <strong>de</strong>n<br />

Falkentraum auch als ein Wunschtraum an (vgl. EHRISMANN: 1987, 111). EHRISMANN<br />

behauptet, dass dieser Traum <strong>de</strong>n sicheren Mord Siegfrieds prophezeit und trotz<strong>de</strong>m glaubt<br />

die fromme Ute an Gott. Deswegen betrachtet er diese Haltung als die Differenz zwischen<br />

(magisch<strong>em</strong>) Wissen und aktueller Hoffnung (vgl. 1987, 110) und „sie zeigt, dass die<br />

Akteure ihr Tun nicht von <strong>de</strong>r Magie, <strong>de</strong>ren Äußerungen immer die (unabwendbare)<br />

Zukunft voraussagen, bestimmen lassen“ (1987, 110). Wegen seiner die Zukunft<br />

voraussagen<strong>de</strong>n Funktion betrachtet GREENFIELD <strong>de</strong>n Falkentraum als ein prophetischen<br />

2


Traum (vgl. 2001, 108). Außer<strong>de</strong>m behauptet GREENFIELD, dass <strong>de</strong>r Falkentraum seit<br />

Beginn <strong>de</strong>r Dichtung die Verbindung zwischen dieser höfischen Dame und <strong>de</strong>m Tod bil<strong>de</strong>t<br />

(vgl. 2001, 108). Laut <strong>de</strong>r Forschungsliteratur sind die <strong>Träume</strong> Kri<strong>em</strong>hilds ein Teil <strong>de</strong>r<br />

sinngeben<strong>de</strong>n Voraus<strong>de</strong>utungen <strong>de</strong>s Nibelungenlieds (vgl. SCHULZE: 2008, 120).<br />

Die Forschung betrachtet <strong>de</strong>n Ebertraum Kri<strong>em</strong>hilds als eine Verdopplung <strong>de</strong>r<br />

Deutung <strong>de</strong>s Falkentraums (vgl. EHRISMANN: 1987, 150). Er han<strong>de</strong>lt sich auch um eine<br />

Prophezeiung <strong>de</strong>s Tods Siegfrieds, <strong>de</strong>swegen gilt dieser Ebertraum als ein Warntraum (vgl.<br />

MIEDEMA: 2011, 91). MIEDEMA versucht <strong>de</strong>n Ebertraum zu interpretieren, in<strong>de</strong>m sie betont,<br />

dass es nicht sicher ist, ob dieser Traum von Kri<strong>em</strong>hild erfun<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r nicht. Aber<br />

trotz<strong>de</strong>m bewertet sie <strong>de</strong>n Ebertraum als einen prophetischen Traum (vgl. 2011, 92).<br />

In <strong>de</strong>r Forschung gilt <strong>de</strong>r Drachentraum Herzeloy<strong>de</strong>s als Höhepunkt<br />

mittelalterlichen Sinnbildsprache (vgl. ROßKOPF: 1972, 139) wird dieser Traum wegen <strong>de</strong>r<br />

verschie<strong>de</strong>nen Traumbil<strong>de</strong>r in drei inhaltliche Teile geglie<strong>de</strong>rt (SPECKENBACH: 2001, S. 71).<br />

Die symbolischen Be<strong>de</strong>utungen dieser Traumbil<strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n eine Einheit. Diese Bil<strong>de</strong>r<br />

betrachtet HARTMANN als ein prophetischer Traum (2000, 290). Beim Drachentraum han<strong>de</strong>lt<br />

sich um einen Angsttraum aber gleichzeitig ist er ein Wunschtraum (vgl. BACHORSKI: 2007,<br />

S. 38). Wolfram spielt mit <strong>de</strong>m Drachentraum Herzeloy<strong>de</strong>s auf antiken Drachenträume, die<br />

dort die Geburt großer Hel<strong>de</strong>n ankündigen, o<strong>de</strong>r auf die apokalyptische Passagen <strong>de</strong>s Neuen<br />

Testaments an (DALLAPIAZZA: 2009, 37).<br />

Nach dies<strong>em</strong> kurzen Forschungsbericht möchte ich jetzt die Glie<strong>de</strong>rung meiner<br />

Arbeit vorstellen. Die Arbeit ist in zwei Teile geglie<strong>de</strong>rt. Der erste Teil <strong>de</strong>r Arbeit besteht<br />

aus ein<strong>em</strong> Überblick über Traum und Traum<strong>de</strong>utung in <strong>de</strong>r Antike und im Mittelalter Es soll<br />

herausgearbeitet wer<strong>de</strong>n, was man in jener Zeit über <strong>Träume</strong> dachte und wie man sie in <strong>de</strong>r<br />

antiken Literatur darstellte. Ferner soll erklärt wer<strong>de</strong>n, auf welche Weise <strong>de</strong>r Traum das<br />

gesellschaftliche Leben und die Literatur <strong>de</strong>r Antike und <strong>de</strong>s Mittelalters prägte. Dazu<br />

wer<strong>de</strong>n einige Beispiele von <strong>Träume</strong>n aus <strong>de</strong>r antiken Literatur analysiert, um Funktionen<br />

<strong>de</strong>s Traums in <strong>de</strong>r Antike und in <strong>de</strong>r antiken Literatur für die Figuren und für die Handlung<br />

zu zeigen. Ferner soll im ersten Teil auch auf <strong>de</strong>n Traum und die Traum<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s<br />

Mittelalters näher eingegangen wer<strong>de</strong>n, um ein besseres Verständnis <strong>de</strong>s Hauptteils <strong>de</strong>r<br />

Arbeit zu ermöglichen. In dies<strong>em</strong> Zusammenhang wer<strong>de</strong>n auch Traum<strong>de</strong>utungen im<br />

Mittelalter näher erläutert und ausführlich dargestellt, was die <strong>Träume</strong> aussagten sowie für<br />

die mittelalterlichen Menschen be<strong>de</strong>uteten und wie die <strong>Träume</strong> ge<strong>de</strong>utet wur<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m<br />

3


soll auch <strong>de</strong>r Traum und seine Funktionen in <strong>de</strong>r mittelalterlichen Literatur erörtert wer<strong>de</strong>n.<br />

Es ist hier allg<strong>em</strong>ein festzuhalten, dass die meisten mittelalterlichen Autoren mehr o<strong>de</strong>r<br />

weniger direkt auf <strong>de</strong>n Gedanken griechischer und römischer Philosophen aufbauten (vgl.<br />

WITTMER-BUTSCH: 1990, 90). Gezeigt wer<strong>de</strong>n sollen damit die Rolle und die Wichtigkeit<br />

<strong>de</strong>s Traums und seiner Deutung im Mittelalter sowie in <strong>de</strong>r Antike. Am Beispiel eines<br />

männlichen Tier-Traums im Rolandslied, wer<strong>de</strong> ich auch die Unterschie<strong>de</strong>, Rolle und<br />

Funktionen <strong>de</strong>r männlichen und weiblichen Tier-<strong>Träume</strong>n zeigen.<br />

Den Hauptteil dieser Arbeit soll eine Vorstellung und eine Analyse <strong>de</strong>r Tier-<br />

<strong>Träume</strong> <strong>de</strong>r zwei Werke Das Nibelungenlied und Parzival bil<strong>de</strong>n: Die <strong>Träume</strong> Kri<strong>em</strong>hilds<br />

im Nibelungenlied und <strong>de</strong>r Traum Herzeloy<strong>de</strong>s in Parzival. Obwohl es sich um Werke<br />

han<strong>de</strong>lt, die unterschiedlichen Traditionen und Gattungen angehören (das Nibelungenlied als<br />

ein germanisches Hel<strong>de</strong>nepos; Parzival als ein höfische Arturs- und Gralroman), wie es sich<br />

zeigen wird, spielen die Gattungsunterschie<strong>de</strong> für die Traum<strong>de</strong>utung kaum eine Rolle; wie<br />

GEITH treffend b<strong>em</strong>erkt: „G<strong>em</strong>einsam ist diesen <strong>Träume</strong>, dass sie allegorisch sind, d.h. dass<br />

han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Personen in <strong>de</strong>r Gestalt von Tieren auftreten und dass sich das Traumgeschehen<br />

als Aktion zwischen Tieren o<strong>de</strong>r Tieren und Menschen abspielt“ (1989, 227). Die bei<strong>de</strong>n<br />

Figuren <strong>de</strong>r zwei unterschiedlichen Werken gehen mit ihren <strong>Träume</strong>n völlig verschie<strong>de</strong>n<br />

um. Ihre Reaktionen auf die <strong>Träume</strong> sind grundverschie<strong>de</strong>n. Dazu ist es notwendig, die<br />

Symbolik <strong>de</strong>r Tiere, von <strong>de</strong>nen die bei<strong>de</strong>n Hauptfiguren geträumt haben, zu erklären. Diese<br />

Tiere spielen entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rollen in <strong>de</strong>n Handlungen bei<strong>de</strong>r Werke. Je<strong>de</strong>s Tier hat eine<br />

an<strong>de</strong>re symbolische Be<strong>de</strong>utung und <strong>de</strong>swegen sind sie wie Schlüssel, mit <strong>de</strong>nen die Figuren<br />

je<strong>de</strong> Tür <strong>de</strong>s Geschehens öffnen können. Geht man auf die Symbolik dieser Tiere näher ein,<br />

erkennt man ihre Be<strong>de</strong>utung für die Figuren und für die Handlung. Es soll herausgearbeitet<br />

wer<strong>de</strong>n, was diese <strong>Träume</strong> und Tiere symbolisieren, welche Rolle sie spielen, welche<br />

Funktionen sie haben und schließlich, wie sie Einfluss auf <strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>r Handlung<br />

nehmen.<br />

Ziel dieser Arbeit soll es auch sein, die Traumsymbole als Schlüssel zu verstehen,<br />

die es ermöglichen, die Hauptpersonen und das Geschehen zu charakterisieren und zu<br />

interpretieren.<br />

4


1. Zum Traum in <strong>de</strong>r Antike<br />

Der Traum war immer ein lebendiger Bestandteil <strong>de</strong>s Lebens. Schon die Beispiele <strong>de</strong>r Bibel<br />

sind wie ein Beweiß dafür, dass auch die Menschen <strong>de</strong>r Frühzeit die <strong>Träume</strong> Ernst<br />

genommen haben. In allen Weltreligionen, in vielen überlieferten Mythen und Sagen, in <strong>de</strong>n<br />

großen Epen <strong>de</strong>r Weltliteratur gibt es immer wie<strong>de</strong>r <strong>Träume</strong>. Der Traum beeinflusste sowohl<br />

das Leben als auch die Philosophie. Er kommt auch in Medizin, Mantik, Magie und in <strong>de</strong>r<br />

Dichtung zum Ausdruck. Die wichtigsten Ereignisse wur<strong>de</strong>n immer mit <strong>de</strong>m Traum<br />

verknüpft. Über diesen Zusammenhang wur<strong>de</strong> Vieles geschrieben und geglaubt und es<br />

wur<strong>de</strong>n immer wie<strong>de</strong>r neue Theorien über das <strong>Träume</strong>n hervorgebracht.<br />

Der Traum wur<strong>de</strong> als eine nächtliche Verbindung zum Jenseits gesehen. Neben<br />

<strong>de</strong>r Verbindung ins Jenseits, enthalten die <strong>Träume</strong> die Nachrichten von <strong>de</strong>n Toten. Nach<br />

THOMAS geht das <strong>de</strong>utsches Wort Traum über das althoch<strong>de</strong>utsche troum und das<br />

altnordische drugr auf das alte Sanskrit – Wort druch zurück, das Totenerscheinung<br />

be<strong>de</strong>utet (1989, 10).<br />

Der Traum gilt als das älteste Orakel <strong>de</strong>r Menschheit. Er ist ein lebendiger<br />

Bestandteil <strong>de</strong>s Alltagslebens. In <strong>de</strong>r Antike gab es verschie<strong>de</strong>ne Ansichten über <strong>de</strong>n Traum<br />

und seine Entstehung. Der Traum galt als eine menschliche Eigenschaft. Deswegen war es<br />

nicht normal, wenn ein Mensch nicht träumte. Nicht nur einfache Leute, von Sklaven über<br />

<strong>de</strong>n Handwerker bis zum Bauern, befragten die Menschen ihre <strong>Träume</strong> hinsichtlich ihrer<br />

persönlichen Zukunft und ließen sich durch Traumerlebnisse <strong>em</strong>otional stark beeinflussen<br />

(vgl. HERMES: 2000, 21).<br />

Wie erwähnt wur<strong>de</strong>, war <strong>de</strong>r Glaube an die Vorhersagekraft von <strong>Träume</strong>n in <strong>de</strong>r<br />

Antike bei allen sozialen Schichten weit verbreitet. Aber während die reichen und mächtigen<br />

Leute <strong>de</strong>r Antike meistens ihre Haus-Traum-Deuter hatten, brauchten die Leute aus <strong>de</strong>m<br />

mittleren und einfachen Bürgertum bis zu <strong>de</strong>n Sklaven, die lesen konnten, ein Traumbuch.<br />

Zweifellos wur<strong>de</strong>n damals viele Traumbücher geschrieben, aber das erste und ganz erhaltene<br />

Traumbuch mit ein<strong>em</strong> theoretischen Teil, ge<strong>de</strong>uteten Traumsymbolen und<br />

Beispiel<strong>de</strong>utungen, unter <strong>de</strong>n zahlreichen Büchern über <strong>Träume</strong> und ihre Deutung aus <strong>de</strong>r<br />

antiken Zeit, wur<strong>de</strong> von Art<strong>em</strong>idor von Daldis geschrieben (vgl. HERMES: 2000, 67). Das<br />

lexikonartige Werk besteht aus fünf Büchern mit 1400 Traummotiven und <strong>de</strong>ren 3000<br />

Be<strong>de</strong>utungen (vgl. GIEBEL: 2006, 226). Dieses Traumbuch, das in Europa zur Grundlage <strong>de</strong>s<br />

5


Deutungssyst<strong>em</strong>s wur<strong>de</strong>, wird heute immer noch von Historikern als sozial- und<br />

alltagsgeschichtliche Quelle genutzt (vgl. HERMES: 2000, 67).<br />

Die Traum<strong>de</strong>utung war eine anerkannte Weissagungstechnik (vgl. HERMES:<br />

2000, 13). Die <strong>Träume</strong> durften auch in <strong>de</strong>r Antike nicht von je<strong>de</strong>r Person analysiert und<br />

ausgelegt wer<strong>de</strong>n. „Der Traum<strong>de</strong>uter musste vor all<strong>em</strong> ein gelehrter Mann sein“ (THOMAS:<br />

1989, 28). Viele Menschen, von Königen bis hin zu <strong>de</strong>n Sklaven, haben diese professionelle<br />

Hilfe gern in Anspruch genommen.<br />

Die antiken Menschen haben die <strong>Träume</strong> als Vorboten <strong>de</strong>r Zukunft angesehen.<br />

Die <strong>Träume</strong> hatten durch Wortspiele und Ähnlichkeiten eine von Gott gesandte,<br />

zukunftverkün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Funktion und galten als ein Mittel göttlicher Offenbarung. Deswegen<br />

hatten sie prophetische Kraft, sie prognostizierten. Sie konnten durch ihre Bil<strong>de</strong>r und<br />

Zeichnen verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Nach Aristoteles ist <strong>de</strong>r Traum eine notwendige Erscheinung<br />

<strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>s menschlichen Geistes. Aber es gab auch konträre Meinungen wie<br />

beispielsweise die Ansicht Ciceros, <strong>de</strong>r meinte, dass <strong>Träume</strong>n keinen Glauben geschenkt<br />

wer<strong>de</strong>n dürfte und <strong>Träume</strong> keine Botschaften <strong>de</strong>r Götter seien (vgl. HAMMERSCHMIDT-<br />

HUMMEL: 1992, 21).<br />

So war <strong>de</strong>r Traum <strong>de</strong>m antiken Menschen vertraut und wur<strong>de</strong> von ihm als<br />

Erkenntnismittel geschätzt. Der Traum begegnete ihm in literarischen Zeugnissen,<br />

philosophischen Theorien und religiösen Kulten immer wie<strong>de</strong>r. Im folgen<strong>de</strong>n Teil meiner<br />

Arbeit sollen <strong>Träume</strong> und ihre Funktionen in <strong>de</strong>r Literatur <strong>de</strong>r Antike erläutert wer<strong>de</strong>n.<br />

1.1. <strong>Träume</strong> und ihre Funktionen in <strong>de</strong>r antiken Literatur<br />

Die <strong>Träume</strong> sind seit Jahrhun<strong>de</strong>rten ein lebendiger Teil <strong>de</strong>r Literatur aller Zeiten. Die antike<br />

Literatur ist auch keine Ausnahme. Der Glaube an die Macht <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> in <strong>de</strong>r antiken Welt<br />

prägte auch die Literatur.<br />

LATACZ hat die Traumerwähnungen, Traumerzählungen und Traumerörterungen<br />

innerhalb <strong>de</strong>r griechisch-römischen Literatur in drei Haupttypen geglie<strong>de</strong>rt, die er nach <strong>de</strong>m<br />

Kriterium „Erwähnungszweck“ differenziert: Praktische Zwecke, theoretische Zwecke und<br />

künstlerische Zwecke (1984, 14).<br />

Unter „praktische Zwecke“ versteht er zunächst die Oneirokritik, die<br />

6


Traumauslegung. Sie dient im wesentlichen <strong>de</strong>r Zukunftsvorhersage. Die<br />

Wun<strong>de</strong>rheilungsberichtsliteratur gibt LATACZ als Beispiel. In ein<strong>em</strong> T<strong>em</strong>pel wird ein Patient<br />

durch rituelle Handlungen in <strong>de</strong>n Schlaf gebracht. Während <strong>de</strong>s Schlafens erscheint <strong>de</strong>m<br />

Patient ein Heilgott in sein<strong>em</strong> Traum und macht ihn gesund (vgl. 1984, 15). Die Kranken,<br />

die geheilt wur<strong>de</strong>n, verpflichtet waren, ihre <strong>Träume</strong> auf Heilungstafeln aufzuschreiben o<strong>de</strong>r<br />

aufschreiben zu lassen (WAGNER-SIMON :1984, 69).<br />

Für die theoretischen (wissenschaftlichen) Zwecken von <strong>Träume</strong>n fin<strong>de</strong>t sich vor<br />

all<strong>em</strong> philosophisches Belegmaterial bei <strong>de</strong>n philosophischen Schriftstellern. Man kann hier<br />

die Vorsokratiker, Sophisten, Sokrates, Platon und Aristoteles erwähnen. Sie haben zum Teil<br />

umfangreiche Arbeiten zum Th<strong>em</strong>a Traum hinterlassen, die im Wesentlichen schon alle<br />

Aspekte berühren (vgl. LATACZ: 1984, 19, 20).<br />

Die letzte Form <strong>de</strong>r Traumverwertung laut LATACZ dient künstlerischen<br />

Zwecken. Er sagt, dass die große Dichtung ein Schöpfen aus <strong>de</strong>r Tiefe <strong>de</strong>s Unbewussten sei<br />

(1984, 21). In <strong>de</strong>r Dichtung <strong>de</strong>r Antike sieht man viele Traumbehandlungen als poetische<br />

Gestaltungsmittel. LATACZ betont, dass Technik und Funktionen <strong>de</strong>r Traumfingierung im<br />

Sprachkunstwerk in <strong>de</strong>r griechisch-römischen Antike im Wesentlichen in Homers Werken<br />

zu fin<strong>de</strong>n seien (vgl. 1984, 22). In „Der Odyssee“ träumt dreimal Penelope und einmal<br />

Nausikaa. Es kann hier damit ein Charakteristikum <strong>de</strong>r antiken literarischen<br />

Traumfingierung gesehen wer<strong>de</strong>n: Es ist von LATACZ als die Be<strong>de</strong>utsamkeit bezeichnet<br />

wor<strong>de</strong>n, weil die Dichter immer be<strong>de</strong>utsame Handlungsfiguren an be<strong>de</strong>utsamen<br />

Handlungspunkten haben träumen lassen (1984, 22) und die <strong>Träume</strong> führten die Handlung<br />

weiter. LATACZs Meinung nach bringt <strong>de</strong>r Traum <strong>de</strong>n Schlafen<strong>de</strong>n zum Han<strong>de</strong>ln: Der<br />

<strong>Träume</strong>n<strong>de</strong> erwacht mit <strong>de</strong>m kurz zuvor im Traum Erlebten. Er schickt sich sofort an, <strong>de</strong>n<br />

Auftrag, <strong>de</strong>r ihm im Traum gegeben wur<strong>de</strong>, auszuführen. Mit <strong>de</strong>r Erscheinung im Traum<br />

gewinnt er eine unmittelbare Gewissheit. Der Dichter benutzt <strong>Träume</strong> also als eine Art <strong>de</strong>r<br />

Gewissheitsvermittlung an <strong>de</strong>n Schlafen<strong>de</strong>n und schafft sich damit ein unfehlbar wirksames<br />

Mittel <strong>de</strong>r Handlungssteuerung (vgl. 1984, 25).<br />

In <strong>de</strong>m folgen<strong>de</strong>n Teil sollen die Merkmale <strong>de</strong>r antiken Literatur anhand zwei<br />

antiker Tier-<strong>Träume</strong>n ver<strong>de</strong>utlicht wer<strong>de</strong>n. Es soll auch geklärt wer<strong>de</strong>n, wie sich die<br />

Be<strong>de</strong>utsamkeit <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> Penelopes und Klytaimnestras in <strong>de</strong>n Handlungen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Träume</strong>n<strong>de</strong>n wi<strong>de</strong>rspiegelt und wie die Tiere in ihren <strong>Träume</strong>n sowie <strong>de</strong>ren symbolische<br />

7


Be<strong>de</strong>utung für die Figuren und für die Handlung wichtig sind.<br />

1.1.1. Penelopes Gänsetraum<br />

Penelope ist die Gattin <strong>de</strong>s Odysseus. Sie ist die lieben<strong>de</strong> Gattin, die ihr<strong>em</strong> Mann zwanzig<br />

Jahre lang die Treue bewahrt und auf seine Heimkehr wartet. Nach <strong>de</strong>m trojanischen Krieg<br />

kehrt Odysseus eines Tages zurück nach Ithaka. Er verklei<strong>de</strong>t als ein Bettler, weil er die<br />

Freier besiegen will. Penelope sieht diesen Bettler und erkennt ihn nicht. Aber trotz<strong>de</strong>m<br />

erzählt sie <strong>de</strong>m Bettler von ihr<strong>em</strong> merkwürdigen Traum, <strong>de</strong>n sie kurz zuvor geträumt hat:<br />

Zwanzig Gänse fressen <strong>de</strong>n Weizen im Hause. Dann kommt ein großer Adler<br />

bringe alle Gänse um. Tot liegen sie in <strong>de</strong>n Hallen, während <strong>de</strong>r Adler sich wie<strong>de</strong>r zum<br />

göttlichen Äther erhebt. Dann komme <strong>de</strong>r Adler wie<strong>de</strong>r und spreche mit menschlicher<br />

Stimme. Er gebiete ihr Einhalt und sage, dass dies kein Traum son<strong>de</strong>rn eine Wirklichkeit,<br />

sei, die er erfüllen wer<strong>de</strong>. Und <strong>de</strong>r Adler beginnt <strong>de</strong>n Traum im Traum zu <strong>de</strong>uten. Er sagt,<br />

dass jene Gänse die Freier 1 seien und ihr Gatte <strong>de</strong>r Adler im Traum gewesen sei und<br />

wie<strong>de</strong>rgekommen sei. Da erschien er ihr plötzlich als Odysseus. Dann fügt er hinzu, dass er<br />

<strong>de</strong>n Freiern ein schmähliches En<strong>de</strong> breiten wer<strong>de</strong>. Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Adler gesprochen hat, sei<br />

sie aufgewacht. Daraufhin <strong>de</strong>utet <strong>de</strong>r Gast <strong>de</strong>n Traum Penelopes: Odysseus selber habe die<br />

Rätsel <strong>de</strong>s Traumes in ihr<strong>em</strong> Traum aufgelöst. Der Traum wer<strong>de</strong> daher in Erfüllung gehen<br />

und Odysseus wer<strong>de</strong> sich an <strong>de</strong>n Freiern rächen. Am nächsten Tag geht Penelopes Traum<br />

aber in Erfüllung.<br />

Der Traum Penelopes zeigt auch Überlegungen zu Herkunft und<br />

Glaubwürdigkeit <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong>. Auf verschie<strong>de</strong>ne Weise stellt ihr Tier-Traum die Sehnsucht<br />

nach Liebe und Brutalität dar. Der Adler ist ein Symbol für ihren Mann Odysseus. Er ist ein<br />

großer und starker Vogel. Deswegen kann behauptet wer<strong>de</strong>n, dass Odysseus diese Rolle in<br />

dies<strong>em</strong> Traum wegen seiner Stärke und Größe hat, weil er mit seiner Herrlichkeit die<br />

Geschichte weiterführt und das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Freier symbolisiert. Die symbolische Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>de</strong>s Adlers in <strong>de</strong>r Antike ist weitreichend: „Er ist Orakeltier und weissagend bei <strong>de</strong>n Völkern<br />

<strong>de</strong>s Altertums“ (HOFFMANN-KRAYER: 1987, 178). HÜNERMÖRDER erklärt, dass er als<br />

einziger göttlicher und mantischer Vogel gleichzeitig Siegverkün<strong>de</strong>r, Bote und Helfer <strong>de</strong>s<br />

Zeus ist (vgl. 1996, 116). Nach HERMES steht <strong>de</strong>r Adler, beson<strong>de</strong>rs wenn er auf ein<strong>em</strong><br />

1 Sie wollen, dass Odysseus im Krieg stirbt und nach sein<strong>em</strong> Tod um die vermeintliche Witwe werben, weil sie<br />

auf diese Weise die Herrschaft über Ithaka erlangen wollen.<br />

8


Felsen o<strong>de</strong>r in schwin<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>r Höhe ist, für das Böse für die Leute, die wegen ihm in Angst<br />

leben. (vgl. 2000, 70). Er steht als Greifvogel für die Macht und <strong>de</strong>n Gegnern symbolisiert er<br />

das Ver<strong>de</strong>rben, so wird das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Freier schon mit seiner Symbolik klar macht. Durch<br />

dieses Symbol wird gezeigt, dass es am En<strong>de</strong> keinen Ausweg für die Freier, die symbolisch<br />

durch die Gänse dargestellt wer<strong>de</strong>n, gibt, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r siegverkün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Greifvogel im Traum<br />

tötet die Gänse.<br />

HÜNERMÖRDER b<strong>em</strong>erkt, dass die Gänse fast wie beliebige Vögel in <strong>de</strong>r<br />

Traum<strong>de</strong>utung verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n. Er fügt hinzu, dass Gänse wegen ihrer Gefräßigkeit aber<br />

auch beachtlichen Scha<strong>de</strong>n anrichteten (vgl. 1998, 779, 780). Während Penelope über <strong>de</strong>n<br />

Verlust ihres Mannes traurig ist, freuen sich die Freier darüber. Darüber hinaus<br />

versinnbildlicht das Symbol <strong>de</strong>r Gänse auch die Freier, da auch sie Scha<strong>de</strong>n verursachen<br />

wollen.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n Teil soll <strong>de</strong>r Drachentraum von Klytaimnestra ausge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n,<br />

um die Tiersymbolik in ihr<strong>em</strong> Drachentraum aufzuzeigen.<br />

1.1.2. Klytaimnestras Drachentraum<br />

Klytaimnestra ist die Gattin von Agam<strong>em</strong>non. Er wird bei seiner siegreichen Heimkehr von<br />

Klytaimnestra und von ihr<strong>em</strong> Geliebten Aigisthos getötet, <strong>de</strong>r die Herschafft bekommen<br />

möchte. Nach ihrer Tat schickt Klytaimnestra ihren Sohn, <strong>de</strong>n Erben Orestes, weit entfernt<br />

zu Pflegeeltern. Aber später kommt er zurück, rächt seinen Vater und tötet seine Mutter<br />

sowie ihren Geliebten. Bevor Klytaimnestra dieses grausame En<strong>de</strong> erlebt, hat sie nach ihrer<br />

Bluttat ein<strong>em</strong> Alptraum. Deswegen bekommt sie Angst und schickt Sühnegaben zu<br />

Agam<strong>em</strong>nons Grab. Als <strong>de</strong>r Sohn Orestes zurückkommt, trifft er sich an <strong>de</strong>m Grab seines<br />

Vaters mit <strong>de</strong>r Dienerin seiner Mutter und fragt, warum seine Mutter, die Mör<strong>de</strong>rin, sie mit<br />

<strong>de</strong>n Grabspen<strong>de</strong>n geschickt habe. Da erzählt die Dienerin, warum sie am Grab seines Vaters<br />

sei. Sie sagt, dass seine Mutter von ein<strong>em</strong> Traum aufgeschreckt wur<strong>de</strong>. Deswegen habe sich<br />

auch entschlossen sie mit diesen Spen<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>m Grabe zu schicken. Daraufhin fragt <strong>de</strong>r<br />

Sohn nach <strong>de</strong>m Traum seiner Mutter. Sei sagt, Klytaimnestra schien, dass sie einen Drachen<br />

geboren und ihn wie ein Kind in Win<strong>de</strong>ln gelegt habe. Der Sohn fragt, welche Nahrung <strong>de</strong>r<br />

Neugeborene wollte. Da erzählte die Dienerin die Traumgeschichte von seiner Mutter<br />

9


weiter. Im Traum biete Klytaimnestra selber <strong>de</strong>m Drachen ihre Brüste; <strong>de</strong>r Drache verletze<br />

ihre Brüste und er säuge das geronne Blut. Sie habe geschrien und sei aus <strong>de</strong>m Schlaf<br />

erwacht. Dann habe sie die Spen<strong>de</strong> sofort zum Grab aus sen<strong>de</strong>t. Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Sohn <strong>de</strong>n<br />

Traum seiner Mutter gehört hat, schwört er gleich dort einen Eid und sagt, dass er diesen<br />

Traum seiner Mutter selber in Erfüllung gehen lassen wird. Daraufhin <strong>de</strong>utet er <strong>de</strong>n Traum<br />

selber: Wenn so ein Tier von <strong>de</strong>r gleichen Mutter geboren und in Win<strong>de</strong>ln eingehüllt wird<br />

wie er, mit <strong>de</strong>m Maul die Brust umschließt, die auch ihn genährt hat und Klumpen ihres<br />

Blutes in ihre Milch mischt, müsse sie fürwahr gewaltsam sterben. Sie erschreckt und sie<br />

zittert vor <strong>de</strong>m Angst. Er fügt hinzu, dass er selber dieser Drache sein müsse, wenn die<br />

bei<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r gleichen Mutter geboren wur<strong>de</strong>n und dass er sie töten wer<strong>de</strong>. Am En<strong>de</strong> geht<br />

<strong>de</strong>r Drachentraum von Klytaimnestra in Erfüllung; ihr Sohn Orestes tötet Klytaimnestra<br />

(Vgl. SCHNEPEL: 2001, 71). GIEBEL betrachtet diesen Traum als einen Orakeltraum, weil<br />

Orestes, <strong>de</strong>r Rächer, gekommen ist und am Grabe erscheint (vgl. 2006, 35).<br />

In dies<strong>em</strong> Traum symbolisiert <strong>de</strong>r Drache Klytaimnestras Sohn Orestes. Die<br />

Traumhandlung wie das ambivalente Drachensinnbild belasten Orestes <strong>de</strong>utlich. Zunächst<br />

erfährt Orestes <strong>de</strong>n Drachentraum seiner Mutter und <strong>de</strong>utet ihn dann selbst.<br />

Der Drache ist ein ambivalentes Symbol. Er bezeichnet in <strong>de</strong>r antiken Literatur<br />

und in <strong>de</strong>r Bibel zum einen ein Fabelwesen <strong>de</strong>r Mythologie, das möglicherweise auf Saurier<br />

<strong>de</strong>r Vorzeit zurückgeht. In dies<strong>em</strong> Traum ist <strong>de</strong>r Drache klug und sündhaft; durch seine<br />

Intelligenz fin<strong>de</strong>t Orestes heraus, warum Klytaimnestra diese Spen<strong>de</strong> zum Grabe <strong>de</strong>s Vaters<br />

gebracht hat. Aber seine Tat ist auch sündhaft, weil er seine Mutter tötet und so Blutrache<br />

nimmt.<br />

Im folgen Teil sollen die verbreiteten Gedanken über <strong>de</strong>n Traum und seine<br />

Deutung im Mittelalter in ein<strong>em</strong> Überblick herausgearbeitet wer<strong>de</strong>n<br />

1.2. Allg<strong>em</strong>eines zum Traum und zur Traum<strong>de</strong>utung im Mittelalter<br />

Das Wort Traum stammt vom mittel- und althoch<strong>de</strong>utschen Wort troum ab (alsächsish<br />

drom, altfriesisch dram, mittelanglisch dream, altnordisch draumr), was übersetzt etwa<br />

„Trugbild“ be<strong>de</strong>utet (und geht wahrscheinlich auf das germanische Wort drau(g)ma bzw.<br />

die indogermanische Wurzel dhreugh= Trügen zurück) (Vgl. KEMPER: 1977, 11). Traum<br />

10


heißt im Mittelalter auch Somnium und noch häufiger Somnia; ein Plural, <strong>de</strong>r gestattet, die<br />

Verschie<strong>de</strong>nartigkeit <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> und ihrer Ursprünge herauszustellen. Somnia be<strong>de</strong>utet<br />

„Gegenstand <strong>de</strong>s Denkens“. Man kann Somnia daher als eine ganz bestimmte Kategorie von<br />

<strong>Träume</strong>n betrachten (vgl. SCHMITT: 1989, 10).<br />

<strong>Träume</strong> spielten im Mittelalter eine wichtige Rolle und wur<strong>de</strong>n Teil <strong>de</strong>r<br />

damaligen Wissensstruktur. Es gab verschie<strong>de</strong>ne Traumbewertungen. Es wur<strong>de</strong> zwischen<br />

drei Arten von <strong>Träume</strong>n unterschie<strong>de</strong>n: die <strong>Träume</strong>, die von Gott stammen, die <strong>Träume</strong>, die<br />

von <strong>de</strong>n Dämonen in <strong>de</strong>r Absicht gesandt wer<strong>de</strong>n, die Menschen zu täuschen und die<br />

<strong>Träume</strong>, die von <strong>de</strong>r menschlichen Seele zum Probl<strong>em</strong> erhoben wer<strong>de</strong>n. Die letzteren<br />

<strong>Träume</strong> sind die gewöhnlichen <strong>Träume</strong>, die keinerlei Beachtung verdienen (vgl. HALL:<br />

1982, 34-35). HAMMERSCHIMIDT-HUMMEL behauptet, dass die mittelalterlichen<br />

Traumwissenschaften auf Überlieferungen <strong>de</strong>r Antike beruhen. Um das Jahr 400 entwickelte<br />

Macrobius in ein<strong>em</strong> Kommentar von Ciceros „Somnium Scipionis“ eine Theorie, auf die<br />

fast alle weiteren Traumtheorien <strong>de</strong>s Mittelalters aufbauten. Er teilte die <strong>Träume</strong> in fünf<br />

Grundtypen ein: 1. Enigmatischer Traum(griech. Oneiros, lat. Somnium), 2. Prophetische<br />

Vision(griech. Horama, lat. Visio), 3. Orakeltraum (griech. Chr<strong>em</strong>atismos, lat. Oraculum),<br />

4. Albtraum (griech. Enypnion, lat. Insomnmium), 5. Erscheinungstraum (griech.<br />

Phantasma, lat. Visio) (Vgl. 1992, 22).<br />

Nach HAMMERSCHIMIDT-HUMMEL wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r enigmatische Traum, die<br />

prophetische Vision und <strong>de</strong>r Orakeltraum in ihrer Wertigkeit höher als <strong>de</strong>r Alptraum und <strong>de</strong>r<br />

Erscheinungstraum eingestuft, weil sie das für einen Traum notwendige Kriterium <strong>de</strong>r<br />

Zukunftsverkündung erfüllen (1992, 22). In dies<strong>em</strong> Kontext gilt Somnium als rätselhafter,<br />

verschlüsselter Traum, visio als ein Traumbild, welches dann tatsächlich so eintritt und<br />

oraculum als die durch eine Traumgestalt mündlich überbrachte göttliche<br />

Willensbekundung. In solchen Orakelträumen können Gott, Engel o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Wesen auch<br />

in menschlicher Gestalt erscheinen (vgl. WITTMER-BUTSCH: 1990, 136). „Ihre<br />

Glaubwürdigkeit kann wie bei <strong>de</strong>n Eltern durch die Natur bedingt sein, beim Herrn o<strong>de</strong>r<br />

Vorgesetzten durch die Stellung, beim Geistlichen durch die Sitten, beim Wür<strong>de</strong>nträger<br />

durch das Glück, bei Gott, Engel sowie ein<strong>em</strong> durch Weihen geheiligten Menschen jedoch<br />

durch die Religion“ (WITTMER-BUTSCH: 1990, 136). Nach WITTMER-BUTSCH hat die visio<br />

Kategorie von <strong>Träume</strong>n bei <strong>de</strong>n mittelalterlichen Autoren neben <strong>de</strong>n Hauptpersonen noch<br />

die Beimischung weiterer Figuren gekannt, was das Verständnis manchmal erschweren<br />

11


konnte (vgl. 1990, 135, 136). Diese konnten sowohl von Gott, als auch vom Teufel<br />

geschickt sein. Der Albtraum und <strong>de</strong>r Erscheinungstraum haben keine wahrsagerische Kraft.<br />

Der Albtraum gehört zu <strong>de</strong>n be<strong>de</strong>utungslosen <strong>Träume</strong>n, die das Tagesgeschehen <strong>de</strong>m<br />

<strong>Träume</strong>r vorgibt. Er gilt als durch Ängste und Wünsche ausgelöster Traum. WITTMER-<br />

BUTSCH behauptet, dass bei insomnium (Albtraum) körperliche Lei<strong>de</strong>nschaften o<strong>de</strong>r ein<br />

Aufruhr <strong>de</strong>r Gefühle eine wichtige Rolle spielen; wenn man Emotionen wie Liebe o<strong>de</strong>r Leid<br />

erfährt, erlebe man solche <strong>Träume</strong> (vgl. 1990, 135). Der Erscheinungstraum wird als wirrer<br />

Traum betrachtet. Dieser Traum ist von <strong>de</strong>r Realität völlig abgetrennt. Er entsteht zwischen<br />

Wachen und Schlafen, wenn man sich von ein<strong>em</strong> unbekannten Wesen höchst unangenehm<br />

bedrängt und zusammengedrückt fühlt (vgl. WITTMER-BUTSCH: 1990, 135).<br />

HAMMERSCHMIDT-HUMMEL fügt hinzu, dass die mangeln<strong>de</strong> prophetische Signifikanz dieser<br />

<strong>Träume</strong> sie <strong>de</strong>r Notwendigkeit einer Interpretation enthebt (vgl. 1992, 22).<br />

Auch die Traum<strong>de</strong>utung spielte eine große Rolle. Im Mittelalter konnte man aber<br />

für die Deutung von als be<strong>de</strong>utungsvoll angesehenen nächtlichen Erlebnissen auf bereits im<br />

Altertum entstan<strong>de</strong>ne I<strong>de</strong>en und Anleitungen zurückgreifen. Von Art<strong>em</strong>idors Werk 2 sind die<br />

Träumbücher im Mittelalter direkt o<strong>de</strong>r indirekt abgeleitet wor<strong>de</strong>n. Dies gilt auch für das<br />

wichtigste und berühmteste Traumbuch Somniale Danielis. 3 Bei <strong>de</strong>r Somniale Danielis<br />

han<strong>de</strong>lt es sich um ein alphabetisch geordnetes Verzeichnis von Traummotiven mit ihren<br />

traditionellen Deutungen, was <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Zukunftprognose dienen sollte. Laut dies<strong>em</strong><br />

Traumbuch muss ebenfalls auch die Deutung <strong>de</strong>r persönlichen Lebensumstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

<strong>Träume</strong>rs berücksichtigt wer<strong>de</strong>n (WITTMER-BUTSCH: 1990, 175). Aber WITMER-BUTSCH<br />

fügt hinzu, dass die diejenigen, welche die Vorlagen entziffern, abschreiben und vorlesen<br />

konnten, aus kirchlichen Kreisen stammen, da die Schriftlichkeit während <strong>de</strong>s<br />

Hochmittelalters praktisch auf <strong>de</strong>n Klerus 4 beschränkt war (1990, 177).<br />

2 Siehe oben S. 5.<br />

3 Sie wird <strong>de</strong>m Propheten Daniel zugesprochen. Dies ist zwar in keiner Weise gerechtfertigt, erklärt sich aber<br />

aus <strong>de</strong>n biblischen Bericht, <strong>de</strong>r Daniel als gottbegna<strong>de</strong>ten Traum<strong>de</strong>uter darstellt. Siehe dazu: Anhang I und II<br />

(SPECKENBACH: 1990, 123). Siehe Anhang I, II.<br />

4 Der Klerus war die Gesamtheit <strong>de</strong>r Angehörigen <strong>de</strong>s geistlichen Stan<strong>de</strong>s. Die Gesellschaft war ständisch<br />

organisiert. Es gab Repräsentanten, die eine hohe Machtfülle aufwiesen und solche, die weniger einflussreich<br />

waren. Die Macht <strong>de</strong>s Klerus im Mittelalter war insgesamt ausgesprochen groß. Sie ist allerdings immer auch<br />

im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m A<strong>de</strong>l zu sehen. Die Verflechtungen zwischen Klerus und A<strong>de</strong>l waren <strong>de</strong>rgestalt,<br />

dass sie sich gegenseitig stabilisierten, was vorteilhaft für die Machterhaltung bei<strong>de</strong>r war. So hatte das Wort<br />

<strong>de</strong>r Geistlichen Gewicht in allen Fragen <strong>de</strong>r Staatsführung und die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s hohen Klerus übten häufig<br />

beraten<strong>de</strong> Funktionen in A<strong>de</strong>lskreisen aus. Siehe dazu: http://www.leben-im-mittelalter.net/gesellschaft-immittelalter/die-staen<strong>de</strong>ordnung/<strong>de</strong>r-klerus.htm.<br />

12


1.2.1. Traum in <strong>de</strong>r mittelalterlichen Literatur<br />

Die mittelalterliche Literatur ist reich an Traumberichten. D<strong>em</strong> Traum wird auch in <strong>de</strong>r<br />

mittelalterlichen Literatur eine große Be<strong>de</strong>utung beig<strong>em</strong>essen. Der Traum sieht die Zukunft<br />

voraus, weist von vorneherein, und sei es in verschleierter Form, auf die Begebenheiten <strong>de</strong>s<br />

Berichtes hin (vgl. DEREMBLE-MANNES: 1989, 51). Er ist meist die Ausgangstellung. Er<br />

för<strong>de</strong>rt die Handlung. Für das mittelalterliche Publikum <strong>de</strong>utet <strong>de</strong>r Traum die gesamte<br />

Handlung voraus. Unter <strong>de</strong>n verbreiteten Zeugnissen für die hohe Achtung <strong>de</strong>s Traums in<br />

<strong>de</strong>r mittelalterlichen Literatur kann man viele relevante Beispiele nennen. In Bezug auf mein<br />

Th<strong>em</strong>a habe ich bis jetzt nur Tiere in weiblichen <strong>Träume</strong>n analysiert. Aber um ein besseres<br />

Verständnis für die Tier-<strong>Träume</strong> in <strong>de</strong>r mittelalterlichen Literatur zu entwickeln, die<br />

Vielfältigkeit <strong>de</strong>r Funktionen <strong>de</strong>r Tiere in männlichen und weiblichen Tier-<strong>Träume</strong>n<br />

aufzuzeigen und zu <strong>de</strong>n weiblichen Tier-<strong>Träume</strong>n Kri<strong>em</strong>hilds und Herzeloy<strong>de</strong>s im Hauptteil<br />

<strong>de</strong>r Arbeit überzuleiten, könnte man auch einen Blick auf die Tier-<strong>Träume</strong> Karls im<br />

Rolandslied 5 werfen.<br />

Die berühmtesten Beispiele von Tierträumen kommen in <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n Karls in<br />

Das Rolandslied <strong>de</strong>s Pfaffen Konrad vor. „Engel überbringen ihm die Befehle <strong>de</strong>s Himmels,<br />

<strong>Träume</strong> verkün<strong>de</strong>n ihm die Zukunft, Wun<strong>de</strong>rgeschehen auf sein Gebet: er ist <strong>de</strong>r<br />

Stellvertreter Gottes auf Er<strong>de</strong>n, Bürge und Symbol für Frankreichs Größe“ (WINKLER: 1919,<br />

7). In dies<strong>em</strong> Werk gibt es drei <strong>Träume</strong> und sie wer<strong>de</strong>n von Kaiser Karl geträumt. Nur im<br />

zweiten und dritten Traum kommen die verschie<strong>de</strong>nen Tiere vor. Dadurch lassen diese Tier-<br />

<strong>Träume</strong> uns in die Zukunft zu schauen. Wie es in <strong>de</strong>n weiblichen Tier-<strong>Träume</strong>n passiert ist,<br />

sieht auch Karl durch die symbolischen Be<strong>de</strong>utungen dieser Tier-<strong>Träume</strong> das zukünftige<br />

Geschehen.<br />

Gleich nach<strong>de</strong>m er seinen ersten Traum 6 geträumt hat, gibt Gott ihm nach sein<strong>em</strong><br />

5<br />

Das Rolandslied <strong>de</strong>s Pfaffen Kondrad zitiere ich nach <strong>de</strong>r Ausgabe von Dieter Kartschoke: Das Rolandslied<br />

<strong>de</strong>s Pfaffen Kondrad. Reclam, 2007.<br />

6<br />

Um <strong>de</strong>n Übergang vom ersten Traum zu verstehen und die Funktionen <strong>de</strong>s zweiten und dritten Traums<br />

<strong>de</strong>utlich zu machen, ist es besser auch einen kurzen Blick auf <strong>de</strong>n ersten Traum <strong>de</strong>s Kaisers zu werfen. Im<br />

ersten Traum träumt Karl, dass er Porta Caesaris sei und einen Speer in seiner Hand halte, <strong>de</strong>n Genelun ihm<br />

entreißen will. Aber <strong>de</strong>r Schaft zerbricht und so bleibt ein Teil <strong>de</strong>s Speers in <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>s Kaisers. Genelun<br />

wirft <strong>de</strong>n zerbrochenen Teil in seiner Hand in die Luft und die Stücke lösen sich in <strong>de</strong>r Luft auf (RL, 3030-<br />

3047).<br />

Dieser Traum ereignet sich, nach<strong>de</strong>m Genelun vorschlägt, dass Roland als Statthalter nach Spanien gehen<br />

solle. Karl kann dies<strong>em</strong> Vorschlag Geneluns nichts abgewinnen (RL, S.211, 2965-2984) und betet zu Gott, um<br />

13


Gebet einen an<strong>de</strong>ren Traum, in <strong>de</strong>m er von ein<strong>em</strong> Bär träumt:<br />

in dûchte, wie er ze Ache waere<br />

unt ain bere vor im laege<br />

mit zwain keten gebun<strong>de</strong>n.<br />

sâ ze <strong>de</strong>n stu<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r bere in vaste ane sach,<br />

die keten er bê<strong>de</strong> zebrach.<br />

an lief in <strong>de</strong>r bere.<br />

<strong>de</strong>r kaiser en macht sich sîn nicht erhaln.<br />

er geweltigôt im <strong>de</strong>n arm.<br />

daz flaisc er ime allez abe brach,<br />

daz bain er gar nacket sach.<br />

Von <strong>de</strong>n sachen<br />

Der kaiser begon<strong>de</strong> aber wachen. (RL: 3068-3081)<br />

Er träumt, dass er in Aachen wäre und ein Bär in zwei Ketten vor ihm läge. Aber<br />

<strong>de</strong>r Bär zerreißt diese bei<strong>de</strong>n Ketten und zerfleischt Karls rechten Arm. Dadurch erwacht er.<br />

Um die Prophezeiung <strong>de</strong>s Bärs zu entschlüsseln, muss man sich zuerst die symbolische<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Bärs anschauen. Der Bär symbolisiert Gefahr: Wenn man träumt, dass <strong>de</strong>r<br />

Bär einen angreift, wird man mit seinen Fein<strong>de</strong>n streiten (vgl. FISCHER: 1989, 10). Nach<br />

TUCZAY sind angreifen<strong>de</strong> wil<strong>de</strong> Tiere im Allg<strong>em</strong>einen als Topos für Nie<strong>de</strong>rlage, Verrat o<strong>de</strong>r<br />

Gefahr zu verstehen. Die rechte Hand, <strong>de</strong>r rechte Arm, <strong>de</strong>utet auf einen nahen Verwandten<br />

hin: Vater bzw. Sohn o<strong>de</strong>r Freund. 7 In dies<strong>em</strong> Kontext machen diese Erklärungen die<br />

Deutung <strong>de</strong>s Traums klarer. Die allegorische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Bärs entschlüsselt <strong>de</strong>n Traum<br />

für das Publikum: Durch <strong>de</strong>n Bären wur<strong>de</strong> Genelun, <strong>de</strong>r als <strong>de</strong>r König <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n<br />

bezeichnet wird, symbolisiert, <strong>de</strong>r durch seinen Verrat Karls rechten Arm (RL: 2974), d.h.<br />

Roland beschädigt. Auch im ersten Traum sehen wir Genelun, aber an<strong>de</strong>rs als in <strong>de</strong>m<br />

zweiten Traum Er tritt im ersten Traum noch in Menschengestalt auf.<br />

Nach<strong>de</strong>m er Rache für Rolands Tod geschworen hat (RL: 6994), kommt es zu<br />

einer Schlacht gegen die Hei<strong>de</strong>n. Als die Nacht hereinbricht, betet Karl nochmals und<br />

während er schläft träumt er:<br />

er resach in <strong>de</strong>m troume<br />

wun<strong>de</strong>rlîche gotes tougen.<br />

einen Rat zu bekommen. Da gibt Gott ihm diesen Traum. Man kann sagen, dass <strong>de</strong>r Traum eine Warnung ist<br />

und durch ihn Rolands Nie<strong>de</strong>rlage und Tod prophezeit wer<strong>de</strong>n. Die in die Luft fliegen<strong>de</strong>n Stücke kann man als<br />

Himmel interpretieren. Der Verlust <strong>de</strong>s Speers be<strong>de</strong>utet für Genelun, dass er seinen Erfolg verlieren wird. Karl<br />

hält noch ein Stück in seiner Hand, d.h. dieses Stück repräsentiert seine andauern<strong>de</strong> Herrschaft.<br />

7 Christa Agnes TUCZAY: Schlaf-Traum-Vision, S. 46. Zitiert nach<br />

https://skriptenforum.net/w/images/2/2f/Schlaf_Traum_Vision_(1).pdf, Stand 12.05. 2012.<br />

14


in dûcht, daz <strong>de</strong>r himel stuont ûf getân,<br />

unt fiur dar ûz scolte varen,<br />

allen vier en<strong>de</strong> in die werlt sich scolte tailen.<br />

daz liut begun<strong>de</strong> wuofen unt wainen.<br />

dar nâch kômen donerslege unt winte,<br />

si zezarten in die schilte.<br />

nâch diu kômen lewen unt beren,<br />

daz si sich nicht entrûten erweren.<br />

daz gewâfen si in aber zarten.<br />

dar nâch kômen lêbarten,<br />

die muoten si vil lange.<br />

dar nâch kômen slangen<br />

hart egeslîchen.<br />

dar nach kômen grîfen,<br />

die muoten si vil sêre.<br />

in dûcht, er scolte wi<strong>de</strong>r kêre.<br />

ain starker lewe kom dô dar.<br />

er straich vaste durch die scar.<br />

<strong>de</strong>m kaiser wollte er gerne scha<strong>de</strong>n.<br />

ûf huob er <strong>de</strong>n arm,<br />

er sluoc im ain slac,<br />

daz er tôt vor sînen füezen gelac.<br />

dar nâch kômen fraislîche beren.<br />

si begun<strong>de</strong>n mennisclîchen re<strong>de</strong>n.<br />

<strong>de</strong>n kaiser si vor<strong>de</strong>rôten,<br />

er gaebe in wi<strong>de</strong>re ir tôten,<br />

si scolten si ir jungen wi<strong>de</strong>r bringen.<br />

In dûcht, er waere ze Karlingen.<br />

ûf <strong>de</strong>n hof kom ain tier gevaren,<br />

michel unt fraissam.<br />

sine machtenz im alle nicht erweren,<br />

an <strong>de</strong>n kaiser begun<strong>de</strong> ez geren.<br />

<strong>de</strong>r kaiser entsaz daz.<br />

ain rü<strong>de</strong> fuor ab <strong>de</strong>m palas,<br />

<strong>de</strong>r was strac unt êrlich.<br />

daz tier warf er unter sich,<br />

ze tô<strong>de</strong> er ez erbaiz.<br />

<strong>de</strong>r heilige engel, gotwaiz,<br />

<strong>de</strong>n kaiser wol bewarte,<br />

daz im nicht nesca<strong>de</strong>te<br />

newe<strong>de</strong>r gote noch goukelaere.<br />

die troume wâren seltsaene. (RL: 7084-7127)<br />

Wie auch von <strong>de</strong>m Dichter in <strong>de</strong>r letzten Zeile <strong>de</strong>s Traums betont wur<strong>de</strong>, ist<br />

dieser Traum Karls ein seltsamer Traum. 8 Es wird zuerst wunterlîche gotes tougen<br />

beschrieben, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Dichter sagt, dass es Feuer regnet und die Menschen schreien und<br />

weinen. Dann kommen Donner und Stürme, die die Schil<strong>de</strong>r wegreißen. Danach kommen<br />

verschie<strong>de</strong>ne Tiere: Löwen und Bären, die die Rüstungen herunterreißen. Nach <strong>de</strong>n Löwen<br />

und Bären kommen Leopar<strong>de</strong>n, Schlangen und Greifen. Dann kommt ein mächtiger Löwe,<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Kaiser Scha<strong>de</strong>n zufügen will, und läuft durch das Heer. Aber durch einen Hieb tötet<br />

8 Siehe Anhang III.<br />

15


Karl ihn. Danach kommen Bären, die mit menschlichen Stimmen sprechen. Die Bären<br />

sagen, dass er ihre Toten und ihre Kin<strong>de</strong>r zurückgeben müsse. Dann scheint es ihm, er wäre<br />

in Frankreich. Ein wil<strong>de</strong>s Tier kommt an seinen Hof und ni<strong>em</strong>and kann ihn davor<br />

beschützen. Dieses Tier bedroht <strong>de</strong>n Kaiser und er fürchtet sich davor. Plötzlich läuft ein<br />

starker und prächtig aussehen<strong>de</strong>r Hund durch <strong>de</strong>n Palast. Er besiegt das Untier und tötet es.<br />

Ein Engel rettet <strong>de</strong>n Kaiser (RL: 7084-7127). Der zweite und dritte Traum haben <strong>de</strong>n<br />

Tiertraum vom Bären als g<strong>em</strong>einsame Eigenschaft. Die symbolische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Bärs im<br />

zweiten Traum gilt auch für <strong>de</strong>n dritten Traum; <strong>de</strong>r Bär ist ein Symbol <strong>de</strong>r Gefahr. Aber <strong>de</strong>r<br />

dritten Traum steht unter <strong>de</strong>r Gefahr <strong>de</strong>s bevorstehen<strong>de</strong>n Kampfes gegen die Hei<strong>de</strong>n. Auch<br />

<strong>de</strong>r Löwe hat eine symbolische Be<strong>de</strong>utung. Der Löwe kann als König aller Vierfüßler<br />

betrachtet wer<strong>de</strong>n: Er ist ein Symbol für die Macht (vgl. TELESKO: 2001, 90). Der Löwe hat<br />

darüber hinaus auch noch an<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utungen. Wenn die Figuren träumen, dass ein Löwe<br />

sie angreift, dann müssen sie sich vor <strong>de</strong>r Treulosigkeit seines Fein<strong>de</strong>s hüten (vgl. FISCHER:<br />

1989, 57). Der Löwe wur<strong>de</strong> also auch als Streit mit einer gewaltigen Person ge<strong>de</strong>utet (vgl.<br />

PALMER, SPECKENBACH: 1990, 273). In dies<strong>em</strong> Sinne passt diese Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Löwen zu<br />

<strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>s Königs <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n, Paligan. Nach <strong>de</strong>m Löwen erscheinen Leopar<strong>de</strong>n und<br />

Schlangen. Die Schlangen symbolisieren die Fein<strong>de</strong>. Der Kampf mit <strong>de</strong>n Schlangen im<br />

Traum be<strong>de</strong>utet ein Kampf mit <strong>de</strong>n Fein<strong>de</strong>n. Wenn eine Schlange j<strong>em</strong>an<strong>de</strong>n angreift, dann<br />

wird sie ihren Feind überwältigen (vgl. FISCHER: 1989, 70). Die Greifen stehen für Scha<strong>de</strong>n,<br />

Zorn und Traurigkeit und stehen so für die böse Verleumdung (vgl. FISCHER: 1989, 81).<br />

Diese allegorischen Be<strong>de</strong>utungen <strong>de</strong>r Tiere in Karls Traum, lassen uns die Personen<br />

erkennen, die hinter diesen Allegorien stehen. Die Schlangen können im Zusammenhang mit<br />

ihrer symbolischen Be<strong>de</strong>utung als die Hei<strong>de</strong>n und König Paligan angesehen wer<strong>de</strong>n. Auch<br />

<strong>de</strong>r Greif könnte in dies<strong>em</strong> Traum sinnbildlich für die Hei<strong>de</strong>n und gleichzeitig für ihren<br />

Angriff stehen. Jetzt komme ich zum angreifen<strong>de</strong>n Tier in sein<strong>em</strong> Traum. „Wer von Angriff<br />

<strong>de</strong>r Tiere träumt, <strong>de</strong>r wird von seinen Fein<strong>de</strong>n überwältigt o<strong>de</strong>r gequält wer<strong>de</strong>n. Das Laufen<br />

<strong>de</strong>r Tiere kündigt Unruhe an, die Stimmen <strong>de</strong>r Tiere Angst o<strong>de</strong>r großen Ärger“ (FISCHER:<br />

1989, 77). Der Hund steht für das Symbol <strong>de</strong>r Treue, Glaubentreu, verschie<strong>de</strong>ner Tugen<strong>de</strong>n,<br />

Laster, Sinne und <strong>de</strong>r Herrschaft. Diese sinnbildliche Deutung <strong>de</strong>s Hun<strong>de</strong>s gilt für <strong>de</strong>n<br />

Traum Kaisers. Der Kampf zwischen <strong>de</strong>m wil<strong>de</strong>n Tier, das <strong>de</strong>n Kaiser angreift, und <strong>de</strong>m<br />

prächtig aussehen<strong>de</strong>n Hund, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Kaiser verteidigt, sagt die Betrügerei <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n und<br />

<strong>de</strong>n späteren Gerichtskampf zwischen Binabel, <strong>de</strong>r Bedrohung, und Tirrich, <strong>de</strong>m treuen<br />

16


Freund voraus. Der Hund, <strong>de</strong>r das wil<strong>de</strong> Tier tötet, prophezeit also Tirrichs Sieg über<br />

Binabel. Unter <strong>de</strong>m Eindruck dieser Erklärungen kann man sagen, dass sich die männlichen<br />

Tier-<strong>Träume</strong> von <strong>de</strong>n bisher erwähnten weiblichen Tier-<strong>Träume</strong>n unterschei<strong>de</strong>n. Es könnte<br />

gesagt wer<strong>de</strong>n, dass sich die männlichen Tier-<strong>Träume</strong> um Macht und Politik drehen, die<br />

weiblichen Tier-<strong>Träume</strong> dagegen <strong>em</strong>otionell sind und als Th<strong>em</strong>a die Liebe behan<strong>de</strong>ln.<br />

Diese Tier-<strong>Träume</strong> <strong>de</strong>s Kaisers kann man auch in Hinblick auf die schon oben<br />

erwähnten drei Arten von <strong>Träume</strong>n 9 analysieren. Es wur<strong>de</strong> vom Dichter <strong>de</strong>s Rolandslieds<br />

vielmals klar g<strong>em</strong>acht, dass <strong>de</strong>r fromme Kaiser Karl vor <strong>de</strong>m Schlaf zu Gott betet und nach<br />

<strong>de</strong>r Hilfe Gottes fragt. Deswegen könnte man behaupten, dass diese <strong>Träume</strong> daher<br />

prophetische Funktionen haben. Je<strong>de</strong>s Mal schläft er nach sein<strong>em</strong> Gebet ein und Gott gibt<br />

ihm die <strong>Träume</strong>. Das wur<strong>de</strong> auch von <strong>de</strong>m Dichter betont. 10 In dies<strong>em</strong> Kontext können<br />

seine <strong>Träume</strong> als von Gott stammen<strong>de</strong> <strong>Träume</strong> betrachtet wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m könnten die<br />

drei <strong>Träume</strong> Karls mit Hilfe <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>lls <strong>de</strong>r Funktion von <strong>Träume</strong>n in <strong>de</strong>r Literatur 11<br />

analysiert wer<strong>de</strong>n:<br />

Erstens för<strong>de</strong>rn diese Tier-<strong>Träume</strong> Karls die Handlung und sie führen die<br />

Geschichte weiter, in<strong>de</strong>m sie die wichtigsten Ereignisse im Voraus zeigen. Außer<strong>de</strong>m<br />

strukturiert <strong>de</strong>r Dichter durch die sinnbildlichen Darstellungen <strong>de</strong>r Tier-<strong>Träume</strong> die<br />

Geschichte. Nach <strong>de</strong>m ersten Traum wacht er zum Beispiel auf und <strong>de</strong>r Traum lässt ihn die<br />

Gefahr sehen. Seine Wahrnehmung för<strong>de</strong>rt mit ein<strong>em</strong> Gebet zu Gott. Gleich nach <strong>de</strong>m<br />

Gebet kommt <strong>de</strong>r zweite Traum. Bis <strong>de</strong>r dritte Traum von ihm geträumt wird passiert dann<br />

das, was die ersten bei<strong>de</strong>n <strong>Träume</strong> verkündigt hatten. Der dritte Traum zeigt bereits das<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geschichte.<br />

Auch die zweite Funktion nach SPECKENBACH, die Schaffung von Stimmung<br />

durch die Bildsprache <strong>de</strong>s Traums, ist hier festzustellen. Der Dichter gestaltet die Geschichte<br />

um die Tier-<strong>Träume</strong> Karls, weil die Bildsprache dieser Tier-<strong>Träume</strong> <strong>de</strong>m Leser Hinweise<br />

geben kann und in dies<strong>em</strong> Sinne lassen die <strong>Träume</strong> <strong>de</strong>n Leser auch in die Zukunft <strong>de</strong>r<br />

Figuren schauen.<br />

Die dritte Funktion, die epische Voraus<strong>de</strong>utung, spielt ebenfalls eine große<br />

Rolle. Alle seine <strong>Träume</strong> haben prophetische Kräfte und durch diese Funktion geben die<br />

9<br />

1. Die <strong>Träume</strong>, die vom Gott stammen, 2. Von <strong>de</strong>n Dämonen gesen<strong>de</strong>te <strong>Träume</strong>, 3. Die gewöhnlichen<br />

<strong>Träume</strong>. Siehe Oben S. 11.<br />

10<br />

In <strong>de</strong>m Traum 3017-3029, in <strong>de</strong>m zweiten Traum 3066-3067, in <strong>de</strong>m dritten Traum 7075-7083.<br />

11 SPECKENBACH. Siehe oben: S. 2.<br />

17


<strong>Träume</strong> die Handlung vor. So verweisen z.B. die ersten zwei <strong>Träume</strong> auf <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>s<br />

Rolands.<br />

Als vierte Funktion kommen wir nun zu <strong>de</strong>n verknüpfen<strong>de</strong>n Merkmalen <strong>de</strong>r Tier-<br />

<strong>Träume</strong>. Die <strong>Träume</strong> Karls verknüpfen immer die verschie<strong>de</strong>nen Teile <strong>de</strong>s Werkes. Schon<br />

im ersten Traum wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verrat <strong>de</strong>s Geneluns ankündigt. Nach dies<strong>em</strong> Traum ist es das<br />

Geschehen, das sich hinter <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n herbewegt.<br />

Als die letzte Funktion <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> wird die Schaffung einer Transparenz mit<br />

Hilfe <strong>de</strong>r allegorischen Denkweise angesehen. In dies<strong>em</strong> Zusammenhang schafft <strong>de</strong>r Dichter<br />

durch seine allegorischen Ausdrucksweisen eine gewisse Transparenz, in<strong>de</strong>m er die Tiere als<br />

Symbol für je<strong>de</strong> Figur konstruiert. Wenn das Publikum versucht, die allegorischen<br />

Be<strong>de</strong>utungen <strong>de</strong>r Tiere zu erkennen, dann sieht es die Figuren, die hinter <strong>de</strong>n Symbolen<br />

stehen und kann dadurch auch mit Leichtigkeit in die Zukunft <strong>de</strong>r Geschichte schauen.<br />

18


2. Tiere in <strong>de</strong>n weiblichen <strong>Träume</strong>n im Mittelalter<br />

In vielen Werken und Erzählungen <strong>de</strong>s Mittelalters sind Tier-<strong>Träume</strong> zu fin<strong>de</strong>n. Sie haben<br />

vorhersagen<strong>de</strong> Funktionen. Derjenige kann <strong>de</strong>n Traum entschlüsseln, <strong>de</strong>r die<br />

Verweisstruktur zwischen Tier und Mensch erkennt und die Hintergründigkeit <strong>de</strong>s im<br />

Traum Dargestellten richtig <strong>de</strong>uten kann (vgl. BECK: 1965, 135). Wie WITTMER-BUTSCH<br />

b<strong>em</strong>erkt, war <strong>de</strong>r Glaube, <strong>de</strong>r auch heute noch verbreitet ist, nämlich dass ein Tier im<br />

Traum eine bestimmte charakterliche Eigenheit <strong>de</strong>s Schläfers selbst o<strong>de</strong>r auch eines<br />

an<strong>de</strong>ren Menschen verkörpern kann, auch im Mittelalter von Be<strong>de</strong>utung und die Neigung,<br />

menschliche Eigenschaften zu projizieren, war in dieser Zeit sogar noch stärker verbreitet<br />

(vgl. 1990, 333). BENEZÉ sagt, dass die Tier-<strong>Träume</strong> ihre einfache Erklärung in <strong>de</strong>m<br />

Glauben <strong>de</strong>r Germanen fin<strong>de</strong>n, da sie glaubten, dass sich gewisse Personen in Tiere<br />

verwan<strong>de</strong>ln könnten (vgl. 1896, 41). Die Tier-<strong>Träume</strong> sind nichts An<strong>de</strong>res als Abbil<strong>de</strong>r von<br />

[...] Freun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong>n, die nachher Tiergestalt annahmen. Diese wur<strong>de</strong> angenommen,<br />

weil man sich dadurch die tierischen Kräfte und Fähigkeiten, die in <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Lage<br />

gera<strong>de</strong> nützlich erschienen, aneignete (Vgl. BENEZÉ: 1896, 41). In dies<strong>em</strong> Kontext könnte<br />

man behaupten, dass die <strong>Träume</strong> wirkliche Verhältnisse vorführten und mit Hilfe <strong>de</strong>r<br />

symbolischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Tiere die Realität abgebil<strong>de</strong>t wird.<br />

In <strong>de</strong>n bisher behan<strong>de</strong>lten weiblichen Traumerzählungen sind Tiere aufgetreten,<br />

die eine b<strong>em</strong>erkenswerte Rolle spielen. Sie bil<strong>de</strong>ten ein zuverlässiges Instrument, um <strong>de</strong>n<br />

Verlauf <strong>de</strong>r weiteren Geschichte vorauszu<strong>de</strong>uten. Der Traum ist ein Mittel, um Zukünftiges<br />

zu zeigen. Er kann aber auch als Warnung vor diesen Zukunftsmöglichkeiten eingesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>n Tieren haben die <strong>Träume</strong> eine zusätzliche, symbolische Funktion. So<br />

wer<strong>de</strong>n die Menschen mit <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n o<strong>de</strong>r Traumsymbolen zu bestimmten Handlungen<br />

angeregt o<strong>de</strong>r von ihnen abgebracht. Die Tiere haben verschie<strong>de</strong>ne Be<strong>de</strong>utungen und sind<br />

die überragen<strong>de</strong>n Träger <strong>de</strong>r Handlung.<br />

Die Tiere kommen nicht nur in <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n Kri<strong>em</strong>hilds und Herzeloy<strong>de</strong>s vor.<br />

Auch bei <strong>de</strong>n Traumerzählungen <strong>de</strong>r Heiligen spielen Tier-<strong>Träume</strong> eine wichtige Rolle.<br />

Diese <strong>Träume</strong> können als göttliche Bestätigung ihres Han<strong>de</strong>lns verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n (vgl.<br />

WITTMER-BUTSCH: 1990, 234). Neben <strong>de</strong>n weiblichen Tier-<strong>Träume</strong>n von Kri<strong>em</strong>hild und<br />

Herzeloy<strong>de</strong> könnte man die <strong>Träume</strong> <strong>de</strong>r Mutter von Bernard von Clairvaux und <strong>de</strong>r Mutter<br />

von Heiligen Dominikus als Beispiel anführen, weil auch diese bei<strong>de</strong>n Mütter von Tieren<br />

19


träumten. In dies<strong>em</strong> Kontext könnte daher behauptet wer<strong>de</strong>n, dass das Tier auch in Literatur<br />

<strong>de</strong>s Mittelalters eine be<strong>de</strong>utsame Rolle gespielt hat. Tiere sind in mittelalterlicher Literatur<br />

allgegenwärtig. Tiere erscheinen stets anthropomorphisiert, sie repräsentieren bestimmte<br />

Menschentypen. Die Tierwelt dient als Spiegel <strong>de</strong>r menschlichen Gesellschaft (vgl.<br />

OBERMEIER: 2009, 18). Für die Deutung <strong>de</strong>r Werke sind die Tiere unverzichtbar und sie<br />

tragen zentrale Be<strong>de</strong>utungen. Die Funktion <strong>de</strong>s Tiers in Literatur ist verschie<strong>de</strong>nartig. Das<br />

Tier kann als Vorbild und Warnung, als Maske und Metapher, als Erinnerungs- und<br />

Deutungsinstrument fungieren (vgl. OBERMEIER: 2009, 23). Folglich könnte man behaupten,<br />

dass diese Tier- und Traum-Mischung eine spannen<strong>de</strong> Verbindung bil<strong>de</strong>n.<br />

Als Aleth, die Mutter <strong>de</strong>s heiligen Bernhards, schwanger ist, träumt sie, dass sie<br />

einen weißen Hund mit rötlicher Färbung auf <strong>de</strong>m Rücken gebärt, <strong>de</strong>r sehr laut bellt. Auch<br />

die Mutter von Dominikus träumt, als sie schwanger ist. 12 Im Traum gebärt auch sie einen<br />

kleinen Hund, <strong>de</strong>r eine leuchten<strong>de</strong> Fackel im Maul trägt. Was in diesen <strong>Träume</strong>n<br />

charakteristisch ist, dass die bei<strong>de</strong>n Frauen schwanger sind. In dies<strong>em</strong> Fall könnte man daher<br />

behaupten, dass die Tier-<strong>Träume</strong> dieser Mütter das Schicksal und die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />

enthüllen. Die bei<strong>de</strong>n Traumfälle <strong>de</strong>r Mütter <strong>de</strong>r Heiligen sind gleich. Sie träumen, während<br />

<strong>de</strong>r Schwangerschaft. Maria-Louise VON FRANZ behauptet, in alter Zeit wur<strong>de</strong> geglaubt, dass<br />

alles, was die Mutter beeindruckt, einen Einfluss auf die Seele <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s habe. Sie fügt<br />

hinzu, dass man diese <strong>Träume</strong> daher von zwei Seiten sehen kann: als vorausschauen<strong>de</strong><br />

Darstellung <strong>de</strong>s Schicksals <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r als Enthüllung eines Probl<strong>em</strong>s <strong>de</strong>r Seele <strong>de</strong>r<br />

Mutter selbst (1985, 127). Um das Schicksal dieser Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>uten zu können, muss man<br />

kurz die symbolische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Tiere besprechen, von <strong>de</strong>nen die Mütter geträumt<br />

haben. Der Hund repräsentiert das älteste Haustier, das mehr als an<strong>de</strong>re Tiere an <strong>de</strong>m<br />

Menschen hängt und mit großer Scheue betrachtet wird. Wegen seines Spürsinns, seiner<br />

feinen Witterung und Empfindlichkeit hält man ihn für fähig, mancherlei Zukünftiges im<br />

Voraus zu zeigen (vgl. GÜNTERT: 1987, 470). Außer<strong>de</strong>m wird <strong>de</strong>r Hund als fröhlich o<strong>de</strong>r<br />

gnädig beschrieben (PALMER, SPECKENBACH: 1990, 270). Es wird auch immer seine<br />

Tapferkeit und Schnelligkeit erwähnt. Er ist also als ein Symbol <strong>de</strong>r Treue, Glaubentreu,<br />

verschie<strong>de</strong>ner Tugen<strong>de</strong>n, Laster, Sinne und Herrschaft weitverbreitet (vgl. JASZAI: 1986,<br />

214).<br />

12 Siehe Anhang IV, V.<br />

Die Hun<strong>de</strong> in diesen <strong>Träume</strong>n verkündigen die Geburt <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Heiligen durch<br />

20


die <strong>Träume</strong> <strong>de</strong>r Mütter. Bernhard und Dominikus hatten ein g<strong>em</strong>einsames Schicksal. Maria-<br />

Louse VON FRANZ behauptet, dass je<strong>de</strong>r Impuls, ihr eigenes Leben zu leben, kontrolliert<br />

wird; sie sind wirklich die Hun<strong>de</strong> Christi [...] (vgl. 1985, 131). 13 In dies<strong>em</strong> Sinne wahren sie<br />

Treue zu ihr<strong>em</strong> Herrn und es macht die symbolische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Hun<strong>de</strong>s klarer. Die<br />

bei<strong>de</strong>n Männer hatten verschie<strong>de</strong>ne Tugen<strong>de</strong>n, die Heilige haben sollten, wie zum Beispiel<br />

Glaubenstreue, Tapferkeit, Sinne, Herrschaft usw. Grundlage <strong>de</strong>r symbolischen Be<strong>de</strong>utung<br />

sind also realistische Eigenschaften <strong>de</strong>s Hun<strong>de</strong>s und diese Aspekte passen auch zu <strong>de</strong>n<br />

Heiligen: Sie haben nie auszubrechen versucht, sie lebten innerhalb ihres Rahmens, sie<br />

nahmen das Opfer ihres persönlichen Lebens auf sich aber sie projizierten Dunkelheit auf<br />

ihre Fein<strong>de</strong> (Maria-Louse VON FRANZ: 1985, 136).<br />

Wie gesehen, kündigen die Tier-<strong>Träume</strong> die Zukunft, o<strong>de</strong>r mit an<strong>de</strong>ren Worten<br />

das Schicksal <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn, an. Wenn man die Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> mit ihrer<br />

symbolischen Be<strong>de</strong>utung zusammenbringt, ist es einfacher zu sehen, was Gott, Autor o<strong>de</strong>r<br />

Dichter damit sagen und vermitteln wollen.<br />

Nach ein<strong>em</strong> Einblick in beispielhafte Verwendungen von Tier-<strong>Träume</strong>n in <strong>de</strong>r<br />

antiken und mittelalterlichen Literatur, will ich mich im folgen<strong>de</strong>n Teil genauer mit <strong>de</strong>n<br />

Tier-<strong>Träume</strong>n Kri<strong>em</strong>hilds und Herzeloy<strong>de</strong>s auseinan<strong>de</strong>rsetzen und die Rolle, die Funktionen<br />

und die Entschlüsselung <strong>de</strong>r Traumsymbole ihrer Tier-<strong>Träume</strong> aufzeigen. Durch die<br />

gründliche Analyse <strong>de</strong>r symbolischen Be<strong>de</strong>utungen <strong>de</strong>r Tiere und ihren Funktionen in <strong>de</strong>n<br />

bei<strong>de</strong>n Werken wird beabsichtigt zu ein<strong>em</strong> bessern Verständnis <strong>de</strong>r Gesamtwerke<br />

beizutragen, in<strong>de</strong>m Voraus<strong>de</strong>utungen und indirekte Charakterisierungen sichtbar g<strong>em</strong>acht<br />

und vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r Tiermetaphern analysiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Auf diese Weise möchte ich zuerst die Tiere in <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n von Kri<strong>em</strong>hild in<br />

<strong>de</strong>n Blick nehmen. Neben ihrer Be<strong>de</strong>utung in <strong>de</strong>n Kri<strong>em</strong>hilds <strong>Träume</strong>n sollen auch ihre<br />

symbolischen Be<strong>de</strong>utungen in <strong>de</strong>r mittelalterlichen Gesellschaft geklärt und dadurch ihre<br />

Funktionen in <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n aufgezeigt wer<strong>de</strong>n.<br />

13 In <strong>de</strong>r Fußnote erklärt sie, dass die Dominikaner sich selbst „Domini canes“, d.h. Hun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herrn, nannten.<br />

Siehe dazu: Maria-Louse VON FRANZ: 1985, 131.<br />

21


2.1. Kri<strong>em</strong>hilds <strong>Träume</strong> im Nibelungenlied<br />

Tier-<strong>Träume</strong> spielen im Nibelungenlied 14 als Voraus<strong>de</strong>utungen eine große Rolle. Sie<br />

verweisen auf <strong>de</strong>n Tod Siegfrieds und verkün<strong>de</strong>n außer<strong>de</strong>m, wann und wie es geschehen<br />

wird o<strong>de</strong>r wie viele Täter es geben wird. „Das Nibelungenlied kennzeichnet eine<br />

interessante Mischung aus höfischen und archaischen El<strong>em</strong>enten, welche sich in <strong>de</strong>n<br />

<strong>Träume</strong>n wi<strong>de</strong>rspiegeln und das Spannungsfeld <strong>de</strong>s Epos bil<strong>de</strong>n.“ 15<br />

Im Nibelungenlied wer<strong>de</strong>n fünf <strong>Träume</strong> erwähnt, aber man könnte in Bezug auf<br />

die symbolische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong>n behaupten, dass Kri<strong>em</strong>hilds Tier-<strong>Träume</strong> als<br />

Voraus<strong>de</strong>utungen wichtigere Rolle spielen, da sie das dramatische En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geschichte<br />

mehrmals vorausgesagt haben. „Kri<strong>em</strong>hild ́s dream function most obviously in the medieval<br />

convention of the dream as prediction auf future events“ (FRAKES: 1984, 174).<br />

Vier <strong>Träume</strong> <strong>de</strong>s Nibelungenlie<strong>de</strong>s wer<strong>de</strong>n von Kri<strong>em</strong>hild geträumt, aber nur in<br />

zwei <strong>Träume</strong>n Kri<strong>em</strong>hilds 16 kommen Tiere vor. Diese Tiere spielen eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle.<br />

Sie schaffen eine entsprechen<strong>de</strong> Erzählstruktur und eine th<strong>em</strong>atische Verbindung zu <strong>de</strong>m<br />

14<br />

Das Nibelungenlied zitiere ich nach <strong>de</strong>r Ausgabe von Karl Bartsch und H<strong>em</strong>ut <strong>de</strong> Boor: Das Nibelungenlied,<br />

2002, Reclam.<br />

15<br />

Alfred ten KATEN: <strong>Träume</strong> Kri<strong>em</strong>hilds. Analyse und Vergleich. Zitiert nach: http://www.nibelungenliedgesellschaft.<strong>de</strong>/03_beitrag/katen/ten-katen.html.<br />

Stand 20. 05.2012.<br />

16<br />

Der dritte Traum Kri<strong>em</strong>hilds ist <strong>de</strong>r Bergtraum in <strong>de</strong>r 16. Aventiure.<br />

Der vierte Traum ist Teil <strong>de</strong>r 23. Aventiure, in <strong>de</strong>r sie von ihr<strong>em</strong> Bru<strong>de</strong>r Giselher träumt. Sie träumt, dass sie<br />

mit ihr<strong>em</strong> Bru<strong>de</strong>r Hand in Hand gehe und ihn immer wie<strong>de</strong>r küsse. Während <strong>de</strong>r Bergtraum wie die ersten<br />

zwei <strong>Träume</strong> <strong>de</strong>n Tod ihres Mannes Siegfried verkündigt, kann man <strong>de</strong>n letzten Traum als Sehnsucht nach<br />

Giselher und nach ihrer Familie interpretieren.<br />

Der fünfte Traum <strong>de</strong>s Nibelungenlie<strong>de</strong>s wird jedoch von Kri<strong>em</strong>hilds Mutter Ute geträumt. In <strong>de</strong>r Nacht,<br />

nach<strong>de</strong>m Kri<strong>em</strong>hild ir friun<strong>de</strong> (NL: 1399, 3) zu ein<strong>em</strong> Fest in das Land <strong>de</strong>r Hunnen eingela<strong>de</strong>n hat (NL: 1509),<br />

träumt sie von Vögeln. In ihr<strong>em</strong> Traum sind alle Vögel im Lan<strong>de</strong> Tod. In dies<strong>em</strong> Sinne kann dieser<br />

Vogeltraum als eine Ankündigung <strong>de</strong>s düsteren En<strong>de</strong>s interpretiert wer<strong>de</strong>n. Die Vögel im Traum symbolisieren<br />

die Hel<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Burgun<strong>de</strong>n, die am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Nibelungenlie<strong>de</strong>s von Kri<strong>em</strong>hild getötet wer<strong>de</strong>n müssen. Es lohnt<br />

sich darüber hinaus einen Blick auf Be<strong>de</strong>utung von Vögeln in <strong>de</strong>n Traumbüchern werfen.<br />

Der Vogel hatte verschie<strong>de</strong>ne Be<strong>de</strong>utungen. Während Vögel das Erlangen eines Gewinns o<strong>de</strong>r das<br />

„Umherfliegenlassen von Güte“ be<strong>de</strong>uten konnten, sind Vögel im negativen Sinne dagegen auch Symbol für<br />

Scha<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Betrug. Mit diesen Erklärungen ist es schon von Anfang <strong>de</strong>s Traums an klar und <strong>de</strong>utlich, dass<br />

die Reise zu <strong>de</strong>n Burgun<strong>de</strong>n zum Untergang führen wird. Ausführliche Information zu dies<strong>em</strong> Th<strong>em</strong>a fin<strong>de</strong>n<br />

sich in <strong>de</strong>m Buch: PALMER, SPECKENBACH: 1990, 282.<br />

Fischer <strong>de</strong>utet die Vögel auf gleiche Weise. Er sagt, dass die Vögel die böse Verleumdung <strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong>,<br />

Scha<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Traurigkeit verkün<strong>de</strong>n. Wenn man im Traum selbst ein Vogel ist, so wird man seinen Untergang<br />

erleben. Er schließt die Deutung <strong>de</strong>r Vögel mit <strong>de</strong>r Feststellung ab, dass Vögel meistens Scha<strong>de</strong>n ankündigen.<br />

Siehe dazu: FISCHER: 1989, 81.<br />

Wenn man sich diese Deutungen <strong>de</strong>r Vögel ansieht, sieht Ute im Traum das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Nibelungenlie<strong>de</strong>s. Um<br />

ihren Traum zu <strong>de</strong>uten, erscheint Ute wie<strong>de</strong>r - wie in Kri<strong>em</strong>hilds Falkentraum - als Deuter. Durch <strong>de</strong>n Traum<br />

spürt Ute die Gefahr, als sie zum Fest <strong>de</strong>r Burgun<strong>de</strong>n gehen wollen. Deswegen warnt sie die Hel<strong>de</strong>n, aber dies<br />

Mal spielt keine Ignoranz gegenüber <strong>de</strong>r Warnung <strong>de</strong>s Traums eine wichtige Rolle, alle sehen die Gefahr für<br />

Kri<strong>em</strong>hild. Dagegen spielt aber Ansehen hier eine große Rolle. So reiten sie trotz <strong>de</strong>r Warnung in Etzels Land.<br />

Auf diese Weise führt <strong>de</strong>r Traum die Handlung jedoch weiter.<br />

22


Inhalt <strong>de</strong>s Nibelungenlie<strong>de</strong>s. Deswegen gibt es verschie<strong>de</strong>ne g<strong>em</strong>einsame El<strong>em</strong>ente in<br />

diesen zwei Tier-<strong>Träume</strong>n sowie Warnungen und Voraus<strong>de</strong>utungen usw.<br />

„Inhalt und Bildlichkeit <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> scheinen kaum motiviert durch Tagesreste,<br />

also durch das wache Erleben <strong>de</strong>r Figuren. Genau so wenig sind sie auf das<br />

spezifische Bewusstsein <strong>de</strong>r Figuren bezogen, son<strong>de</strong>rn haben ihre Funktion allein<br />

in einer direkten Vorschau auf die Zukunft„ (BACHORSKI 2007, 19).<br />

Zunächst hat Kri<strong>em</strong>hild einen Falkentraum in <strong>de</strong>r ersten Aventiure <strong>de</strong>s<br />

Nibelungenlie<strong>de</strong>s. Der zweite Traum ist ein Ebertraum und befin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r 16.<br />

Aventiure. Diese bei<strong>de</strong>n Tier-<strong>Träume</strong> sagen ihre Zukunft und die Geschichte voraus und sie<br />

verkündigen <strong>de</strong>n Tod ihres Mannes Siegfried.<br />

Außer<strong>de</strong>m haben diese <strong>Träume</strong> Kri<strong>em</strong>hilds eine weitere G<strong>em</strong>einsamkeit: In <strong>de</strong>n<br />

<strong>Träume</strong>n treten die todbringen<strong>de</strong>n Begriffe in Zweierzahl auf (Vgl. HOFFMANN: 1987, 55).<br />

Im ersten Traum kommen neben <strong>de</strong>m Falken auch zwei Adler vor. Im zweiten Traum träumt<br />

sie von zwei Ebern. In dies<strong>em</strong> Sinne prophezeit die Zahl, dass es zwei Mör<strong>de</strong>r geben wird.<br />

So verkündigen diese bei<strong>de</strong>n Allegorien die gleiche Tat.<br />

Alle diese allegorischen Be<strong>de</strong>utungen von Adler, Falke und Eber wer<strong>de</strong>n in<br />

Betracht gezogen und mit <strong>de</strong>m Verlauf <strong>de</strong>r Geschichte in Beziehung gesetzt. Durch die<br />

Funktionen dieser allegorischen Aus<strong>de</strong>utungen kann man gute Erklärungskraft für die<br />

Charaktereigenschaften <strong>de</strong>r Einzelfiguren im Nibelungenlied ableiten (vgl. HAAG: 2003,<br />

180), weil je<strong>de</strong>s Tier eine bestimmte Figur symbolisiert, die <strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>s<br />

Nibelungenlie<strong>de</strong>s bestimmt.<br />

Im Folgen<strong>de</strong>n sollen die Tiere in <strong>de</strong>m Blick gebracht wer<strong>de</strong>n und es wird<br />

untersucht, welche Rolle und Funktionen die vorkommen<strong>de</strong>n Tiere in <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n<br />

Kri<strong>em</strong>hilds haben. Dazu muss beantwortet wer<strong>de</strong>n, wie die <strong>Träume</strong> die Geschichte<br />

entschlüsseln. Erst wird <strong>de</strong>r Falkentraum Kri<strong>em</strong>hilds, seine Rolle im Nibelungenlied und in<br />

Kri<strong>em</strong>hilds Leben näher gebracht wer<strong>de</strong>n.<br />

2.1.1. Kri<strong>em</strong>hilds Falkentraum<br />

Der Falkentraum spielt eine beson<strong>de</strong>re Rolle im Nibelungenlied. Dieser Traum verdüstert<br />

die Geschichte. Es wird in dies<strong>em</strong> Tier-Traum ankündigt, dass ein E<strong>de</strong>lmann kommen wird<br />

23


und Siegfrieds Auftritt in dies<strong>em</strong> Traum geschieht nur auf indirekte Weise . Ferner ist <strong>de</strong>r<br />

Traum in Anbetracht <strong>de</strong>r Haltung Kri<strong>em</strong>hilds b<strong>em</strong>erkenswert. Kri<strong>em</strong>hild, é<strong>de</strong>l magedîn<br />

(NL: 2,1), die in eine adlig-höfisch geregelte Welt integriert ist, verhält sich in ihr<strong>em</strong><br />

Falkentraum an<strong>de</strong>rs als in ihr<strong>em</strong> Leben. Während sie als ein vil é<strong>de</strong>l magedín (NL: 2,1) in<br />

ihrer höfischen Welt eine passive Rolle hat, sieht man sie aber in ihr<strong>em</strong> Falkentraum als ein<br />

aktives Mädchen. Sie tut hier, was sie in ihr<strong>em</strong> höfischen Leben nicht tun darf: sie zähmt<br />

einen Falken für sich selbst.<br />

Außer<strong>de</strong>m begegnet sie in <strong>de</strong>r ersten Aventiure zum ersten Mal ihrer düsteren<br />

Zukunft und „dieser Traum verstört Kri<strong>em</strong>hild in stark<strong>em</strong> Maße –angegeben wird sogar, es<br />

hätte ihr nichts Schlimmeres geschehen können“ (MIEDEMA: 2011, 55). Deswegen kann man<br />

sagen, dass <strong>de</strong>r Falkentraum die Handlung <strong>de</strong>r Geschichte ankündigt.<br />

"Mit <strong>de</strong>r Erzählung von Kri<strong>em</strong>hilds Falkentraum beginnt <strong>de</strong>r Handlungsbericht<br />

<strong>de</strong>s Epos" (HOFFMANN: 1987, 50):<br />

„In disen hôhen êren tróumte Kri<strong>em</strong>híldé,<br />

wie si züge einen valken, starc, scóen´und wíldé,<br />

<strong>de</strong>n ich zwêne arn erkrummen. Daz si daz muoste sehen,<br />

ir enkún<strong>de</strong> in dirre werl<strong>de</strong> lei<strong>de</strong>r nímmér gescehen.“ (NL: 13)<br />

Sie träumte eines Nachts von ihrer zukünftigen Liebe und ihr<strong>em</strong> Leid, dass sie<br />

einen schönen und wil<strong>de</strong>n Falken zähmte, <strong>de</strong>n zwei Adler zerfleischten. 17 Diesen Traum<br />

erzählte sie ihrer Mutter Ute, diese <strong>de</strong>utet <strong>de</strong>n Traum ihrer Tochter so: <strong>de</strong>r Falke sei ein<br />

schöner, edler Mann; sie solle ihn wohl behüten, sonst verliere sie ihn bald (NL: 14).<br />

Kri<strong>em</strong>hild entgegnete, wenn dieses Schicksal ihr<strong>em</strong> zukünftigen Mann beschie<strong>de</strong>n sei, wolle<br />

sie ni<strong>em</strong>als heiraten (NL: 15). Die Mutter sagt darauf, nur durch eines Ritters Liebe könne<br />

Kri<strong>em</strong>hild ihre Schönheit mit Glück und Freu<strong>de</strong> krönen. Aber sie will auf <strong>de</strong>n Gedanken an<br />

die Liebe verzichten, um statt<strong>de</strong>ssen kein Leid zu erfahren und vom Unglück verschont zu<br />

bleiben, da es sich schon oft gezeigt hätte, „wie líebé mit lei<strong>de</strong> ze jungest lônen kan“ (NL:<br />

17,3). So beschließt die Prinzessin, das Leid zu überlisten.<br />

Kri<strong>em</strong>hild, eine <strong>de</strong>r handlungsbestimmen<strong>de</strong>n Figuren, die für das Schicksal aller<br />

Burgun<strong>de</strong>n verantwortlich sein wird, äußert ihre Gefühle erst durch ihren Traum. Mit <strong>de</strong>r<br />

Erzählung <strong>de</strong>s Falkentraums gegenüber ihrer Mutter versteht man, dass sie in ein<strong>em</strong> mínne<br />

fähigen Alter ist. Dieser Traum zeigt ihre Sehnsucht nach <strong>de</strong>r mínne. „Das Mädchen <strong>de</strong>nkt<br />

17 Siehe Anhang VI.<br />

24


an seine Schönheit, die unter <strong>de</strong>r Liebe lei<strong>de</strong>n könnte, sie wehrt sich gegen die Liebe, die ihr<br />

Wesen zu zerstören droht, und sie zitiert naseweis eine Weisheit, die sich im Laufe <strong>de</strong>r<br />

Erzählung zur Wahrheit entwickeln wird(...) (vgl. EHRISMANN: 1987, 110). Nach<br />

EHRISMANN lebt Kri<strong>em</strong>hild zwischen Mädchen und Frau und aber ihre Reaktionen sind<br />

mädchenartig. Aber durch eine Mannes mínne könnte sie eine schöne Frau wer<strong>de</strong>n (vgl.<br />

1987, 111). Sie will nach <strong>de</strong>r Deutung Utes auf die mínne verzichten. "Nicht vor <strong>de</strong>r minne<br />

an sich fürchtet sich Kri<strong>em</strong>hild, wohl aber vor <strong>de</strong>m Verlust <strong>de</strong>r Liebe und <strong>de</strong>ssen Folgen"<br />

(HOFFMANN: 1987, 51). Durch diesen Traum wird ihre Zukunft vorausgespiegelt und die<br />

notwendigen Charaktere mit Hilfe <strong>de</strong>r symbolischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Tiere skizziert: Die<br />

Könige, die schöne Prinzessin, die mächtige Vasallen (vgl. EHRISMANN: 1987, 109). Obwohl<br />

von Siegfried noch nicht gesprochen wird, ist er aber im Falken schon existent. Der<br />

Falkentraum verwirklicht sich aber bald und Siegfried kommt nach Burgun<strong>de</strong>n. Im weiteren<br />

Verlauf <strong>de</strong>s ersten Teils <strong>de</strong>s Epos wird er dann von zwei Verwandten Kri<strong>em</strong>hilds (ihr<strong>em</strong><br />

Bru<strong>de</strong>r und König Gunther, sowie sein<strong>em</strong> Vasall Hagen) hinterlistig getötet.<br />

EHRISMANN behauptet, dass <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n von alters her prophetische Kräfte<br />

zugesprochen wur<strong>de</strong>n. Die Dichter bewahrten die Weissagungen <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n vor, sie<br />

nutzten sie als poetische Mittel <strong>de</strong>r Voraus<strong>de</strong>utung, sie konnten aber auch die Zukunft <strong>de</strong>r<br />

Geschichte mit Schau<strong>de</strong>r überziehen und die Unwissenheit <strong>de</strong>r Akteure vor <strong>de</strong>r Geschichte<br />

bloßstellen. Nach seiner Meinung setzten die <strong>Träume</strong> <strong>de</strong>n Hörer ins Bild und überließen die<br />

Akteure ihr<strong>em</strong> Schicksal (vgl. 1987, 109). Auch im Falkentraum von Kri<strong>em</strong>hild erkennt man<br />

diese prophetischen Kräfte, die mit <strong>de</strong>n Tieren übermittelt wer<strong>de</strong>n. Im Zentrum <strong>de</strong>s<br />

Trauminhalts steht <strong>de</strong>r Falke. Es wird hier prophezeit, ohne jedoch konkrete Hinweise auf<br />

<strong>de</strong>ssen I<strong>de</strong>ntität zu geben, dass Siegfried als Falke durch Gunther und Hagen als Adler <strong>de</strong>m<br />

Tod begegnen wird. So könnte gesagt wer<strong>de</strong>n, dass dieser Falkentraum uns die spätere<br />

Brutalität zeigt. Der Tiertraum hat also die Funktion, von vornherein klarzulegen, dass<br />

Macht, Rache und Brutalität im Nibelungenlied nicht umgangen o<strong>de</strong>r verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n<br />

können.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n Teil soll die Be<strong>de</strong>utsamkeit <strong>de</strong>s Falken im Mittelalter näher<br />

beleuchtet wer<strong>de</strong>n. Dazu wer<strong>de</strong>n die an dieses Tieranknüpfen<strong>de</strong>n symbolischen Merkmalen<br />

aufgezeigt.<br />

25


2.1.1.1. Der Falke im Mittelalter<br />

Seit Jahrhun<strong>de</strong>rten zeichnet sich <strong>de</strong>r Falke durch seine elegante und auffallen<strong>de</strong> Flugweise<br />

und durch seine Größe und Kraft gegenüber an<strong>de</strong>ren Vögeln aus. Sein prächtiger und freier<br />

Flug löste schon seit alters bei <strong>de</strong>n Menschen Bewun<strong>de</strong>rung aus. Der starke und<br />

merkwürdige Falkenschnabel mit <strong>de</strong>m Falkenzahn und seine eigentümlichen Augen<br />

verleihen ihm ein kriegerisches und gefährliches Aussehen. So könnte man behaupten, dass<br />

er im Mittelalter wegen seiner charakteristischen körperlichen Merkmale eine königliche<br />

Stellung gegenüber <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Vögel eingenommen hat und sich mit ihm Vorstellungen<br />

von Stolz, A<strong>de</strong>l und Schönheit, Mut, Kraft und Freiheitsliebe verban<strong>de</strong>n.<br />

Der Falke ist ein be<strong>de</strong>utungsvoller Teil <strong>de</strong>s mittelalterlichen a<strong>de</strong>ligen Lebens. Er<br />

repräsentierte die Freiheit, die Schnelligkeit und die Kraft. Deswegen war <strong>de</strong>r Falke<br />

beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Vogel <strong>de</strong>r Kämpfer. Er war auch ein beliebtes Jagdtier:<br />

„Keine Jagd im Mittelalter übte beim A<strong>de</strong>l so eine Faszination aus wie die Jagd<br />

mit <strong>de</strong>m abgetragenen Greifvogel. Selbst die e<strong>de</strong>lsten Damen übten mit <strong>de</strong>n<br />

herrlichen Tieren die Jagd aus. Die Beizjagd o<strong>de</strong>r Beize leitet sich vom Beißen ab.<br />

Denn <strong>de</strong>r Falke tötet seine Beute blitzartig durch Genickbiss.“ 18<br />

Die Falknerei spielte im Mittelalter 19 eine große Rolle. Die Falkenjagd gilt<br />

immer noch als Vollendung <strong>de</strong>r Jagdkunst. Man braucht zuerst einen gezähmten Vogel als<br />

Jäger. Aber eine Nachzucht mit in Gefangenschaft leben<strong>de</strong>n Tieren im Mittelalter war nicht<br />

erfolgreich, <strong>de</strong>swegen musste man <strong>de</strong>n Jagdvogel, <strong>de</strong>n man zähmen wollte, zunächst<br />

einfangen. Die jungen Falken wur<strong>de</strong>n von ein<strong>em</strong> Falkner gefangen und in langer Arbeit<br />

gezähmt. Insbeson<strong>de</strong>re wur<strong>de</strong>n die jungen Falken gefangen, weil sie sich leichter dressieren<br />

18<br />

Vgl. Maximilian HUTTENLOHER: Die Beizjagd. Zitiert nach: http://www.mittelalter-abc.<strong>de</strong>/jagd-mittelalterii.html.<br />

Stand 16.05.2012.<br />

19<br />

In <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s 13. Jahrhun<strong>de</strong>rts hatten die machtpolitischen und gesellschaftlichen Än<strong>de</strong>rungen<br />

tiefgreifen<strong>de</strong> Auswirkungen auf die Falknerei und ihre Stellung innerhalb <strong>de</strong>r Gesellschaft:<br />

1. Die hohe Falknerei wur<strong>de</strong> vom Lan<strong>de</strong>sfürsten übernommen und weitergepflegt.<br />

2. Der hohe und <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>re A<strong>de</strong>l traten in engere Beziehung zum aufsteigen<strong>de</strong>n Bürgertum. Infolge dieser<br />

engeren Beziehung ist die Falknerei, ein Gegenstand ritterlicher Kultur und Lebensgestaltung, auch vom<br />

Stadta<strong>de</strong>l übernommen wor<strong>de</strong>n und die Falknerei wur<strong>de</strong> neben <strong>de</strong>m Rittertum auch von <strong>de</strong>r bürgerlichen<br />

Oberschicht und <strong>de</strong>n kulturtragen<strong>de</strong>n Kräfte weitergepflegt.<br />

3. Im 14. Jahrhun<strong>de</strong>rt bil<strong>de</strong>te sich eine geschlossene Falknersprache heraus und ihre Fachbegriffe bestimmten<br />

auch die Gedichte dieser Epoche.<br />

4. In <strong>de</strong>r Falknereifachliteratur sieht man <strong>de</strong>n Umbruch und das Doppelgesicht <strong>de</strong>r Spätzeit und dies<br />

beeinflusste die Falkenlehre.<br />

Ausführliche Informationen siehe: REISER: 1963, 42, 43.<br />

.<br />

26


ließen als ältere Falken. Danach lehrte man sie, Vögel zu jagen und herzubringen. Die<br />

größeren Burgen hatten eine Falknerei, wo Falken und an<strong>de</strong>re Raubvögel gezüchtet und<br />

ausgebil<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n. Diese Arbeit erledigte oft ein Falkner, <strong>de</strong>r für seine Arbeit sehr viel<br />

Geduld und Ausdauer brauchte. Während <strong>de</strong>r Beizjagd hielt <strong>de</strong>r Ritter <strong>de</strong>n Falken auf ein<strong>em</strong><br />

dicken Le<strong>de</strong>rhandschuh, damit ihn <strong>de</strong>r Falke nicht verletzen konnte. Der Falke wur<strong>de</strong> an<br />

ein<strong>em</strong> Bein angebun<strong>de</strong>n, damit er nicht davonflog und auf <strong>de</strong>m Kopf hatte er eine Kapuze,<br />

damit er nichts sehen konnte und sich ruhig verhielt. Sobald ein Beutetier in Sichtweite kam,<br />

zog man <strong>de</strong>m Falken die Kapuze ab und band ihn los. 20<br />

Der Besitz eines Falken ist insgesamt mit ein<strong>em</strong> größeren Aufwand verbun<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>swegen könnte man sagen, dass er im Mittelalter nur auf <strong>de</strong>n A<strong>de</strong>l begrenzt war (vgl.<br />

REISER: 1963, 21). Ein Beizfalke stellte einen beson<strong>de</strong>rs wertvollen Besitz dar (vgl. REISER:<br />

1963, 29). Während <strong>de</strong>r Beizjagd gibt es immer die Gefahr, <strong>de</strong>n Falken zu verlieren, <strong>de</strong>nn<br />

die Möglichkeit besteht, dass die wil<strong>de</strong> Natur <strong>de</strong>s Falken sich gegen die Zähmung durchsetzt<br />

und dieser nicht mehr auf die Hand <strong>de</strong>s Besitzers zurückkommt.<br />

Reiser meint, die Falknerei war im <strong>de</strong>utschen Mittelalter interessant und wichtig,<br />

weil zu vermuten ist, dass bei <strong>de</strong>n Völkern, die die Falkenzucht betrieben, diese auch in <strong>de</strong>r<br />

Dichtung, im Symbol- und Motivschatz einen Nie<strong>de</strong>rschlag fin<strong>de</strong>t (REISER: 1963, 35). Sie<br />

war also im wahrsten Sinne <strong>de</strong>s Wortes eine a<strong>de</strong>lige Kunst, die vom Falkner eine sowohl<br />

seelische als auch geistige wie auch körperliche Vollkommenheit verlangt und so zu ein<strong>em</strong><br />

Erziehungsmittel ersten Ranges wird (REISER: 1963, 42).<br />

Die außergewöhnlichen Merkmalen <strong>de</strong>s Falken und <strong>de</strong>r Falknerei ließen die<br />

symbolischen Be<strong>de</strong>utungen entstehen. „Deutsche Falkenmotive, die sich nur aus <strong>de</strong>r<br />

höfischen Falknerei verstehen lassen, müssen <strong>de</strong>mnach ausgesprochen aristokratischen<br />

Ursprungs sein“ (REISER: 1963, 50). Nach Reiser ist eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n realen<br />

Grundlagen <strong>de</strong>r Motive, nämlich mit <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>s Falken selbst und <strong>de</strong>r Kunst <strong>de</strong>r<br />

Falknerei, ihren Grundtatsachen und ihren Terminologien, unerlässlich für das Verständnis<br />

aller Falkenmotive (vgl. REISER: 1963, 15).<br />

Wegen seiner Schönheit und Einsamkeit, seiner Kraft und <strong>de</strong>m sonnennahen Flug<br />

wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Falke zum Sinnbild <strong>de</strong>s Übermenschlichen, Gottes o<strong>de</strong>r zum Gotte selbst. Neben<br />

dieser religiösen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Falken als Gottwesen, spielt er auch als mythisches Sinnbild<br />

20 Die Jagd im Mittelalter. Zitiert nach: http://www.lehnswesen.<strong>de</strong>/page/html_alltag.html#alltag8. Stand<br />

16.05.2012.<br />

27


eine Rolle. D<strong>em</strong> Gedanken, <strong>de</strong>n Falken als göttlich zu betrachten, liegt <strong>de</strong>r Gedanke, <strong>de</strong>n<br />

Falken als Hel<strong>de</strong>n zu betrachten, nicht fern, weil <strong>de</strong>r religiöse Mythos und Hel<strong>de</strong>nsagen aus<br />

<strong>de</strong>m gleichen Bo<strong>de</strong>n erwachsen (vgl. REISER: 1963, 48). Seine Kraft, Kampfeslust, sein Mut<br />

und Stolz bringen ihn <strong>de</strong>m Hel<strong>de</strong>ntum nahe. Deswegen wur<strong>de</strong> er in <strong>de</strong>r mittelalterlichen Zeit<br />

ein Sinnbild für Hel<strong>de</strong>n. Neben dies<strong>em</strong> Symbol <strong>de</strong>s Falken als Hel<strong>de</strong>n steht <strong>de</strong>r Falke als<br />

Symbol auch für <strong>de</strong>n Geliebten, bzw. für die mínne.<br />

Außer<strong>de</strong>m steht <strong>de</strong>r Falke für A<strong>de</strong>l und Herrschaft in <strong>de</strong>r höfischen Kultur.<br />

Das Symbol <strong>de</strong>s Falken wur<strong>de</strong> auch mit <strong>de</strong>m mutigen und <strong>de</strong>shalb<br />

bewun<strong>de</strong>rnswerten Mann verbun<strong>de</strong>n. Nach REISER: „Vom Motiv <strong>de</strong>s Falken als Hel<strong>de</strong>n ist<br />

kein großer Schritt zum Motiv <strong>de</strong>s Falken als Symbol für <strong>de</strong>n Geliebten. Das Motiv<br />

überträgt sich vom kühnen und <strong>de</strong>shalb bewun<strong>de</strong>rten Mann auf <strong>de</strong>n bewun<strong>de</strong>rten und<br />

geliebten Sohn, Jüngling o<strong>de</strong>r Gatten“ (1963, 49). Und sie fügt hinzu, dass <strong>de</strong>r Falke damit<br />

in <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r erotischen Dichtung gerät.<br />

Außer<strong>de</strong>m stand <strong>de</strong>r Falke wegen sein<strong>em</strong> freien Flug für die Freiheit bzw. als<br />

Zeichnen für <strong>de</strong>n hochstreben<strong>de</strong>n Willen, <strong>de</strong>m höchsten Streben nach Ruhm o<strong>de</strong>r für ein<br />

scharfes Liebesbegehren. „In dies<strong>em</strong> Sinne fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Falke im <strong>de</strong>utschen Minnesang<br />

innerhalb <strong>de</strong>s Probl<strong>em</strong>kreises um <strong>de</strong>n „hohen muot“ Verwendung“ (REISER: 1963, 50). Der<br />

hohe muot meint das erhöhte ritterliche Lebensgefühl und ist Inbegriff <strong>de</strong>r hohen,<br />

beherrschten Glücklichkeit (REISER: 1963, 98). REISER äußert, dass alle diese Symbole<br />

primär aus <strong>de</strong>r Beobachtung <strong>de</strong>s in freier Natur leben<strong>de</strong>n, wil<strong>de</strong>n Vogels erwachsen (vgl.<br />

1963, 50).<br />

Seine freie Natur setzt sich manchmal gegen die Zähmung durch und <strong>de</strong>r Falke<br />

entfliegt. In dies<strong>em</strong> Kontext symbolisiert <strong>de</strong>r entflogene Falke <strong>de</strong>n untreu gewor<strong>de</strong>nen<br />

Geliebten (vgl. REISER: 1963, 151). Diese männliche Untreue bil<strong>de</strong>t das zentrale Motiv für<br />

die weibliche Liebessorge in <strong>de</strong>r Liebeslyrik.<br />

Alle diese Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Falken sind eigentlich auf <strong>de</strong>n wil<strong>de</strong>n Falken bezogen und<br />

ursprünglich noch nicht an bestimmte gesellschaftliche Schichten gebun<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>rs steht es<br />

um die Bil<strong>de</strong>r, die aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r Falknerei stammen (vgl. 1963, 50).<br />

„Das Falkensymbol ist nun überaus geeignet, diese gehaltliche Wandlung<br />

mitzumachen und das neue Persönlichkeitdi<strong>de</strong>al in sich aufzunehmen. Unter <strong>de</strong>m<br />

Einfluss <strong>de</strong>r rittlerlichen Falknerei [...] vollzieht sich die Umgestaltung vom<br />

heldischen Falkensymbol zum Bil<strong>de</strong> <strong>de</strong>s gezüchteten edlen Jagdfalken, <strong>de</strong>s<br />

Jagdfalken als Symbol <strong>de</strong>s vollkommen erzogenen, mit allen höfischen Tugen<strong>de</strong>n<br />

vertrauten Ritters, <strong>de</strong>s Fürsten“ (REISER: 1963, 51).<br />

28


Der gezähmte Falke spielte auch eine wichtige Rolle. „Die intensive<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung <strong>de</strong>s Menschen mit Natur und Psyche <strong>de</strong>s Vogels, die bei <strong>de</strong>r<br />

Falkenzüchtung vor all<strong>em</strong> in ihrer höfischen Ausprägung Voraussetzung ist, führt zu einer<br />

engen Einbeziehung <strong>de</strong>s Falken in die menschliche Gedankenwelt“ (REISER: 1963, 50). In<br />

dies<strong>em</strong> Sinne wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r gezähmte Falke zum Träger <strong>de</strong>r Symbol<strong>de</strong>utungen, die über <strong>de</strong>n<br />

Aussagegehalt <strong>de</strong>r vorhöfischen Symbolik hinausführen. Nach Reiser wird das Bild <strong>de</strong>s<br />

geschmückten, sorgfältig abgerichteten Jagdfalken auf innermenschliche Beziehungen<br />

übertragen, was be<strong>de</strong>utet, dass das Symbol <strong>de</strong>s wil<strong>de</strong>n Falken als <strong>de</strong>s hel<strong>de</strong>nhaften Geliebten<br />

durch das höfische Symbol <strong>de</strong>s gezähmten Falken als <strong>de</strong>s vollkommenen Ritters, <strong>de</strong>r sich<br />

einer ausgezeichneten Erziehung und Zucht unterworfen hat, ersetzt wird. Die Dame, die<br />

ihn zähmte und schmückte, hat ihm diese Erziehung und Zucht gegeben (vgl. REISER: 1963,<br />

52).<br />

Ein an<strong>de</strong>res symbolisches Merkmal <strong>de</strong>s gezähmten Falken knüpft an die<br />

Beziehungsebene an: Um einen Falken zu zähmen und zu gewinnen, braucht man viele Zeit<br />

und Kunstfertigkeit. Das gilt auch für die Menschen. Um mit ein<strong>em</strong> Menschen eine engere<br />

Beziehung zu haben, bedarf es auch Zeit und noch dazu innerer und äußerer Anstrengung. In<br />

dies<strong>em</strong> Kontext benutzte man so das Symbol <strong>de</strong>r Zähmung <strong>de</strong>s Falken auch, wenn man „die<br />

intensive Liebeswerbung und das Sichbeschäftigen mit <strong>de</strong>m Partner“ ausdrücken wollte<br />

(REISER: 1963, 52).<br />

Neben <strong>de</strong>n oben beschriebenen symbolischen Merkmalen <strong>de</strong>s Falken erwächst<br />

auch eine aus <strong>de</strong>n Schwierigkeiten <strong>de</strong>r Falkenzähmung und aus <strong>de</strong>r Abhängigkeit und<br />

relativen Machtlosigkeit <strong>de</strong>s Falkners gegenüber <strong>de</strong>m Vogel abgeleitete Symbolik. Die aus<br />

<strong>de</strong>m Jagdleben so naheliegen<strong>de</strong> Erfahrung, <strong>de</strong>s sich Lossagens und Entfliegen <strong>de</strong>s<br />

wertvollen Falken, überträgt sich auf die Liebesbeziehung, wo Unwägbarkeiten und <strong>de</strong>r<br />

Zufall ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Damit wur<strong>de</strong> ein sehr eingeprägsames Symbol<br />

gefun<strong>de</strong>n, die Untreue <strong>de</strong>s Geliebten allegorisch ausdrücken und auslegen zu können (vgl.<br />

REISER: 1963, 52).<br />

Nach diesen Erklärungen kann man ein entsprechen<strong>de</strong>s, berühmtes Beispiel vom<br />

KÜRENBERGER anführen, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r gezähmte und entflogene Falke als Symbol für<br />

Minneritter fungiert, wobei die Dame im Mittelalter die Rolle <strong>de</strong>r Falknerin spielt:<br />

29


Ich zoch mir einen valken<br />

mere danne ein jar.<br />

do ich in gezamete<br />

als ich in wolte han<br />

und ich im sin gevi<strong>de</strong>re<br />

mit gol<strong>de</strong> wol bewant,<br />

er huop sich uf vil hohe<br />

und floug in an<strong>de</strong>riu lant.<br />

Sit sach ich <strong>de</strong>n valken<br />

schone fliegen:<br />

er fuorte an sin<strong>em</strong> fuoze<br />

sidine ri<strong>em</strong>en,<br />

und was im sin gevi<strong>de</strong>re<br />

alrot guldin.<br />

got sen<strong>de</strong> si zesamene<br />

die gerne geliep wellen sin. (MF, 8, 33)<br />

Die erste Strophe <strong>de</strong>s Falkenlie<strong>de</strong>s berichtet zuerst von <strong>de</strong>r Zähmung eines<br />

Falken. Eine Dame zähmt ihren Falken und es hat länger als ein Jahr gedauert, um diesen<br />

Falken für sich zu gewinnen. Sie schmückt ihn mit Gold und sieht <strong>de</strong>n Falken als ihren<br />

Besitz an. Aber als sie ihn am En<strong>de</strong> fliegen lässt, erhebt sich <strong>de</strong>r Falke vil hohe und entfliegt<br />

ins fr<strong>em</strong><strong>de</strong> Land.<br />

In <strong>de</strong>r zweiten Strophe kommt <strong>de</strong>r Falke nicht zurück. Sie preist hier die in <strong>de</strong>r<br />

ersten Strophe aufgezählten Vorzüge <strong>de</strong>s Falken; dadurch gibt sie <strong>de</strong>m Ritter ihre<br />

Zustimmung zu seiner Werbung.<br />

In dies<strong>em</strong> Falkenlied übernimmt KÜRENBERGER das Motiv <strong>de</strong>s Falken und <strong>de</strong>r<br />

höfischen Falknerei <strong>de</strong>s Mittelalters. Die bei<strong>de</strong>n Strophen stellen einen Bezug zwischen<br />

Jagdleben und Minnegeschehen her. Die reizvollsten Beizschil<strong>de</strong>rungen und die genauesten<br />

Kenntnisse <strong>de</strong>r Falkenkunst wer<strong>de</strong>n dargeboten und allegorisch auf die menschliche Sphäre<br />

übertragen (vgl. REISER: 1963, 165). Zunächst sticht die Zähmung <strong>de</strong>s Falken ins Auge.<br />

Geduld und Ausdauer wer<strong>de</strong>n benötigt, um <strong>de</strong>n Falken zu zähmen. In dies<strong>em</strong><br />

Zusammenhang tritt das Bild von <strong>de</strong>r Falkenzähmung in dies<strong>em</strong> Lied als Gleichnis für das<br />

Liebeswerben auf. So steht <strong>de</strong>r Falke als ein Sinnbild für <strong>de</strong>n geliebten Partner im<br />

Liebesverhältnis (vgl. KASTEN: 2006, 212). Wenn das Falkensymbol berücksichtigt wird, ist<br />

zu sehen, dass <strong>de</strong>r edle und sorgfältig gezähmte Falke in dies<strong>em</strong> Lied durch <strong>de</strong>n Ritter<br />

ersetzt wer<strong>de</strong>n kann. Aber „unter <strong>de</strong>m gezähmten, mit kostbaren Zuchtattributen versehenen<br />

höfischen Beizfalken ist nicht mehr <strong>de</strong>r junge geliebte Held, son<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r in allen ritterlichen<br />

Tugen<strong>de</strong>n vollkommene geliebte Ritter zu sehen“ (REISER: 1963, 147). Folglich kommt in<br />

<strong>de</strong>m Lied die ritterliche höfische Liebesausbildung <strong>de</strong>s Mannes zum Ausdruck. Reiser<br />

30


erklärt, dass das Motiv <strong>de</strong>s gezähmten Falken mit Goldschmuck ein aristokratisches Motiv<br />

ist, das aus <strong>de</strong>r Beizjagd <strong>de</strong>r Höfe erwachsen war (REISER: 1963, 147). Nach ihrer Meinung<br />

wird dieser mit Gold geschmückt, um seinen Flug und seine Schnelligkeit zu behin<strong>de</strong>rn<br />

(vgl. 1963, 140). Auch SCHWEIKLE erklärt dieses Schmuckmotiv als eine Behin<strong>de</strong>rung und<br />

fügt hinzu, dass <strong>de</strong>r Schmuck als Hinweis verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n solle, dass die Dame mit ihrer<br />

Herrichtung <strong>de</strong>s Falken etwas Sozialwidriges versucht habe – <strong>de</strong>n Mann in <strong>de</strong>r K<strong>em</strong>enate<br />

festzuhalten (1993, 370). Außer<strong>de</strong>m zeige <strong>de</strong>r Schmuck aus Gold die Besitzrechte <strong>de</strong>r Frau<br />

am Falken an (REISER: 1963, 178). Sie stellt fest, dass es sich um ein literarisches Motiv<br />

han<strong>de</strong>lt, aber gleichzeitig ist im Bereich <strong>de</strong>r Falknerei <strong>de</strong>s Mittelalters zu sehen, dass es<br />

Jagdschmuck gibt, wie zum Beispiel Goldschellen, Wappenmedaillen o<strong>de</strong>r Ringe als<br />

Wie<strong>de</strong>rfindungs- und Erkennungszeichnung (1963, 141). Sie fügt dazu:<br />

„An seinen Fängen wer<strong>de</strong>n metallne o<strong>de</strong>r goldne Glöckchen, die „schnellen“ (mhd.)<br />

angebracht, <strong>de</strong>ren Geläute <strong>de</strong>n Falkner auf je<strong>de</strong> Bewegung <strong>de</strong>s Tieres uns seinen<br />

Aufenthaltsort während <strong>de</strong>r Jagt aufmerksam macht“ (REISER: 1963, 25).<br />

Es folgt das Fluchtmotiv <strong>de</strong>s Falken. Der Falke hebt sich vil hohe. Von <strong>de</strong>r<br />

sozialen Perspektive her ist vil hohe einerseits ein Kennzeichnen für die Erlesenheit <strong>de</strong>s<br />

Falken, nämlich seiner edlen Herkunft. Aber an<strong>de</strong>rseits ist die Veranlagung zum hohen Flug<br />

für <strong>de</strong>n Falkner gefährlich (REISER: 1963, 141). REISER behauptet somit, dass ein<br />

entflogener Falke im täglichen Leben einen schmerzhaften Verlust für <strong>de</strong>n Falkner be<strong>de</strong>utet,<br />

aber es wird auf diese Weise in <strong>de</strong>r Literatur die Untreue <strong>de</strong>s Geliebten und eine allg<strong>em</strong>eine<br />

menschliche Erfahrung dargestellt, die zur sehnsüchtigen Klage <strong>de</strong>r Verlassenen führt (vgl.<br />

1963, 52). In <strong>de</strong>m oben zitierten Falkenlied tritt dieses Risiko ein und die wil<strong>de</strong> und freie<br />

Natur <strong>de</strong>s Falken setzt sich gegen die Zucht durch. In dies<strong>em</strong> Sinne ist <strong>de</strong>r entflogene Falke<br />

in <strong>de</strong>m Falkenlied ein Symbol für <strong>de</strong>n untreuen Geliebten, <strong>de</strong>r sich aus <strong>de</strong>m Liebesverhältnis<br />

zurückzog und am En<strong>de</strong> zur Klage <strong>de</strong>r Dame führt.<br />

Im weiteren Verlauf <strong>de</strong>r Arbeit soll die Symbolik <strong>de</strong>s Falken im Bezug auf<br />

Kri<strong>em</strong>hilds Falkentraum untersucht wer<strong>de</strong>n.<br />

31


2.1.1.2. Zur symbolischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Falken im Nibelungenlied<br />

Die Falkensymbolik war ein wesentlicher Bestandteil <strong>de</strong>r mittelalterlichen Tiersymbolik und<br />

spielt in <strong>de</strong>r mittelalterlichen Literatur eine große Rolle. Seit Beginn <strong>de</strong>r germanistischen<br />

Forschung haben die in <strong>de</strong>r älteren <strong>de</strong>utschen Literatur zahllosen Falkenmotive Interesse<br />

erregt (vgl. REISER: 1963, 14). „Das Motiv Falkenzähmung scheint erst im Laufe <strong>de</strong>s 12.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rts im westeuropäischen und <strong>de</strong>utschen Bereich ent<strong>de</strong>ckt wor<strong>de</strong>n zu sein“<br />

(REISER: 1963, 55). Nach Reiser tritt <strong>de</strong>r Falke in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschsprachigen Epik immer in<br />

Verknüpfung mit ein<strong>em</strong> Traumerlebnis auf (vgl. 1963, 119). Das berühmteste Beispiel<br />

<strong>de</strong>utscher Falkensymbolik im Traum ist zweifellos Kri<strong>em</strong>hilds Falkentraum. Es ist in dies<strong>em</strong><br />

Traum offensichtlich, dass <strong>de</strong>r Falke Siegfried symbolisiert. Obwohl Ute als die<br />

Traum<strong>de</strong>uterin und auch <strong>de</strong>r Dichter keine Namen nennen und nur von ein<strong>em</strong> anonymen<br />

küenen recken (NL: 18, 4) sprechen, wird sowohl von ihr als auch vom Dichter klar<br />

g<strong>em</strong>acht, dass <strong>de</strong>r Falke, von <strong>de</strong>m Kri<strong>em</strong>hild träumt, für Kri<strong>em</strong>hilds späteren Eh<strong>em</strong>ann<br />

steht. Aber wir erfahren auch, dass es sich um einen edlen Mann, also um einen Ritter o<strong>de</strong>r<br />

zumin<strong>de</strong>st einen E<strong>de</strong>lmann han<strong>de</strong>lt und dass er gefähr<strong>de</strong>t ist und Kri<strong>em</strong>hild ihn bald<br />

verlieren wird, wenn Gott ihn nicht beschützt:<br />

„<strong>de</strong>r valke, <strong>de</strong>n du ziuhest, daz ist ein e<strong>de</strong>l man.<br />

in welle got behüeten, du muost in sciere vloren hân.“ (NL: 14, 3-4)<br />

Da nun <strong>de</strong>utlich ist, dass mit <strong>de</strong>m Falken Siegfried symbolisiert wird, soll<br />

erläutert wer<strong>de</strong>n, welche Eigenschaften unter <strong>de</strong>r mittelalterlichen Falkensymbolik <strong>de</strong>m<br />

Hel<strong>de</strong>n, nämlich Siegfried, zugeschrieben wer<strong>de</strong>n.<br />

Zuerst tritt das Motiv <strong>de</strong>r Zähmung <strong>de</strong>s Falken im Traum auf. Kri<strong>em</strong>hild<br />

erscheint als Falknerin. Sie zähmt einen Falken für sich selbst und sieht ihn als ihren Besitz<br />

an. Von einer <strong>de</strong>taillierten Zähmung wie im Falkenlied KÜRENBERGERs, wird in Kri<strong>em</strong>hilds<br />

Traum nicht gesprochen, aber Kri<strong>em</strong>hilds Trauer über <strong>de</strong>n Verlust <strong>de</strong>s Falken spiegelt<br />

wahrscheinlich schon ihre Ausdauer und Geduld für die Zähmung ihres Falken wi<strong>de</strong>r.<br />

Durch die Falknerei vollzieht <strong>de</strong>r Dichter also die Anknüpfung an die spätere<br />

Liebesbeziehung von Kri<strong>em</strong>hild und Siegfried, weil <strong>de</strong>r intensive Prozess <strong>de</strong>r Falknerei im<br />

Mittelalter als Symbol für die enge Beziehung zwischen Menschen und speziell für die<br />

Liebeswerbung steht. In dies<strong>em</strong> Kontext hat <strong>de</strong>r Falke im Traum Kri<strong>em</strong>hilds auch in ein<strong>em</strong><br />

32


erotischen Bezug, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Falke im Traum verkörpert <strong>de</strong>n Geliebten und späteren<br />

Eh<strong>em</strong>ann Kri<strong>em</strong>hilds. Ferner wird im Motiv <strong>de</strong>s Falken auch eine Akzentverschiebung, eine<br />

Wandlung <strong>de</strong>s Motivs <strong>de</strong>utlich, nämlich die Umwandlung <strong>de</strong>s alten Motivs in das Ritterlich-<br />

Höfische Motiv. Das mythische Hel<strong>de</strong>nmotiv, mit <strong>de</strong>m die Traumsymbolik traditionell<br />

verbun<strong>de</strong>n ist, wird in <strong>de</strong>n höfischen Rahmen einbezogen. Der Falke wird in <strong>de</strong>m Traum als<br />

„starc, schoen und wil<strong>de</strong>“ bezeichnet und er wird von <strong>de</strong>r Geliebten, von Kri<strong>em</strong>hild,<br />

gezähmt. In dies<strong>em</strong> Sinne ist <strong>de</strong>r Falke hier nicht mehr nur <strong>de</strong>r hel<strong>de</strong>nhafte Mann, son<strong>de</strong>rn<br />

symbolisiert vor all<strong>em</strong> <strong>de</strong>n rehte guoten ritter und einen e<strong>de</strong>l man (REISER: 1963, 120).<br />

Diese Verwandlung <strong>de</strong>s Falken geschieht nicht durch Gewalttätigkeit o<strong>de</strong>r Macht, son<strong>de</strong>rn -<br />

wie in <strong>de</strong>r Wirklichkeit <strong>de</strong>r Falknerei - durch körperliche und <strong>em</strong>otionale Anziehungskraft,<br />

nämlich die Liebe, die Kri<strong>em</strong>hild für ihn besitzt. Nach Reiser wur<strong>de</strong>n einzelne<br />

Schönheitsmerkmale <strong>de</strong>s Falken (starc, schoen und wil<strong>de</strong>) auch auf <strong>de</strong>n geliebten Menschen<br />

übertragen (vgl. REISER: 1963, 49).<br />

Die Flugmerkmale <strong>de</strong>s Falken, die für seine Freiheit und das höchste Streben<br />

nach Ruhm stehen, wer<strong>de</strong>n auch im Nibelungenlied gebraucht. Bis zu sein<strong>em</strong> Tod ist<br />

Siegfried frei wie ein Falke. Zum Beispiel konnte ihn ni<strong>em</strong>and davon abhalten, dass er<br />

Gunter bei <strong>de</strong>r Brautwerbung um Brünhild hilft o<strong>de</strong>r auch als Kri<strong>em</strong>hild versucht ihn wegen<br />

ihr<strong>em</strong> Traum zu warnen und ihm seinen Plan auszure<strong>de</strong>n, als er mit seinen Mör<strong>de</strong>rn auf die<br />

Jagd gehen will, ist er nicht aufzuhalten. Der Grund dafür ist, dass er sich als ein überlegener<br />

Jäger erweisen will. Deswegen kann sie ihn nicht überzeugen und Siegfried, <strong>de</strong>r Falke mit<br />

seiner freien Natur, fliegt, wohin er will.<br />

Außer<strong>de</strong>m treffen auch die königlichen und kämpferischen Eigenschaften <strong>de</strong>s<br />

Falken auf Siegfried zu. Als die Könige Liu<strong>de</strong>gast und Liu<strong>de</strong>ger das Land <strong>de</strong>r Burgun<strong>de</strong>n<br />

grundlos angreifen und zurückgeschlagen wer<strong>de</strong>n müssen, tritt Siegfried zum ersten Mal an<br />

Gunters und damit an die Stelle <strong>de</strong>s Königs. Der burgundische König gibt ihm <strong>de</strong>n<br />

Oberbefehl über alle Truppen, d.h. auch über seine Brü<strong>de</strong>r Gernot und Giselher, über Hagen,<br />

Ortwin, Dankwart, Sinhold, Hunold, Volker und ihre Leute (vgl. SCHULZE: 2008, S. 152).<br />

Außer<strong>de</strong>m kämpft er mit <strong>de</strong>n Drachen und siegt mit <strong>de</strong>n tapferen Nibelungen und nimmt <strong>de</strong>n<br />

Hort ein. Er wird <strong>de</strong>r König <strong>de</strong>s Nibelungenlands. Er kämpft im Krieg gegen die Dänen und<br />

Sachsen (4. Aventiure). Auch seine Stärke und seine Schnelligkeit wer<strong>de</strong>n betont: „durch<br />

sînes lîbes sterke er reit in menegiu lant “ (NL: 21, 3)<br />

Er ist schnell wie ein Falke. Für seine Schnelligkeit kann <strong>de</strong>r Wettlauf mit<br />

33


Gunther und Hagen in <strong>de</strong>r 16. Aventiure als Beispiel angeführt wer<strong>de</strong>n. Obwohl Siegfried in<br />

voller Ausrüstung mit Speer, Schild, seiner ganzen Jagdkleidung, Schwert und Köcher läuft,<br />

während Gunther und Hagen nur in weißen H<strong>em</strong><strong>de</strong>n laufen, kommt Siegfried als erster zum<br />

Ziel. „dô sach man bî <strong>de</strong>m brunnen <strong>de</strong>n küenen Sîfri<strong>de</strong>n ê“ (NL: 976, 4)<br />

Der Dichter übernimmt das Verlustmotiv <strong>de</strong>r Falknerei 21 <strong>de</strong>s Mittelalters und<br />

benutzt dieses Motiv im Nibelungenlied. Der Falke Siegfried wird ermor<strong>de</strong>t und diese<br />

Ermordung führt zur Klage Kri<strong>em</strong>hilds. In dies<strong>em</strong> Kontext könnte hier behauptet wer<strong>de</strong>n,<br />

dass eine Verbindung zwischen <strong>de</strong>m Nibelungenlied und <strong>de</strong>m Falkenlied besteht. 22 „In<br />

bei<strong>de</strong>n Texten bezeichnet <strong>de</strong>r Falke <strong>de</strong>n Geliebten, <strong>de</strong>n die Frau zunächst an sich bin<strong>de</strong>t und<br />

<strong>de</strong>n sie dann verliert“ (SCHULZE: 2008, 101). Aber die Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verlusterfahrung <strong>de</strong>r<br />

bei<strong>de</strong>n Frauen sind unterschiedlich. Wie im Falkentraum Kri<strong>em</strong>hilds zu sehen war, befreit<br />

<strong>de</strong>r Falke sich in ihr<strong>em</strong> Traum nicht selbst. „Im Nibelungenlied wird die Trennung durch<br />

Gewalt von an<strong>de</strong>rer Seite bewirkt, zwei Adler zerfleischen <strong>de</strong>n Falken“ (SCHULZE: 2008,<br />

102). Im Falkenlied befreit <strong>de</strong>r Falke sich jedoch selbst.<br />

Es soll jetzt die Verwendung <strong>de</strong>s Falkenmotivs im Traum und seine Deutungsweise<br />

auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Traumbücher <strong>de</strong>s Mittelalters geklärt wer<strong>de</strong>n. Nach REISER war die<br />

Falkensymbolik, die auch schon in <strong>de</strong>n spätantiken Traumbüchern zu fin<strong>de</strong>n ist, ein<br />

wesentlicher Bestandteil <strong>de</strong>s mittelalterlichen Wissens und <strong>de</strong>r mittelalterlichen<br />

Tiersymbolik (1963, 59). Aber die Deutung <strong>de</strong>s Falken in <strong>de</strong>r Antike war nicht gleich wie<br />

im Mittelalter: „Der Falke steht als ein Traumsymbol für ein königliches, schönes Weib, was<br />

wohl daher rührt, dass im Altgriechischen „Falke“ F<strong>em</strong>ininum ist“ (REISER: 1963, 53, 54).<br />

„Der Falke be<strong>de</strong>utet eine königliche und reiche Frau, die auf ihre Schönheit stolz ist,<br />

Klugheit und feine Umgangsformen besitzt“ (HERMES: 2000, 78). Aber diese weibliche<br />

Deutung <strong>de</strong>s Falken wur<strong>de</strong> im Mittelgriechischen unter <strong>de</strong>m lateinischen Einfluss zum<br />

Maskulinum umgewan<strong>de</strong>lt. Analog dazu wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Falke zum Symbol für <strong>de</strong>n König, <strong>de</strong>n<br />

berühmten Mann (REISER: 1963, 54). Nach Reiser gab die Traumsymbolik <strong>de</strong>r Spätantike<br />

viele lebenskräftige Anregungen an das Mittelalter weiter (1963, 54). Das im 7. / 8.<br />

21 Siehe Oben S. 27.<br />

22 „Im Blick auf die Herkunft <strong>de</strong>r Nibelungenstrophe ergeben sich <strong>de</strong>utliche Indizien für <strong>de</strong>n Weg vom<br />

KÜRENBERGER zum Nibelungenlied-Dichter. Zwar könnten bei<strong>de</strong> die Falkenmetaphorik unabhängig<br />

voneinan<strong>de</strong>r aufgenommen haben, doch die verschie<strong>de</strong>nartigen Übereinstimmungen signalisieren einen<br />

Zusammenhang <strong>de</strong>r Texte. Der Epiker hat das vorgefun<strong>de</strong>ne Motiv in sein<strong>em</strong> Kontex Funktionalisiert, er hat<br />

das Bild von Aufziehen <strong>de</strong>s Falken in <strong>de</strong>m Traum verlegt und die Deutung <strong>de</strong>s Traums - und d.h. <strong>de</strong>r<br />

Metaphorik - durch Kri<strong>em</strong>hilds Mutter hinzugefügt: <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r valke, <strong>de</strong>n du ziuhest, daz ist ein e<strong>de</strong>l man“<br />

(SCHULZE: 2008, 102).<br />

34


Jahrhun<strong>de</strong>rt von Achmet aus Kreta geschriebene Traumbuch wur<strong>de</strong> 1176 ins Lateinische<br />

übersetzt und diese Übersetzung wur<strong>de</strong> im westeuropäischen Mittelalter sehr bekannt. Diese<br />

Traumsammlung ist auch für die alle Tier-<strong>Träume</strong> <strong>de</strong>r mittelalterlichen Dichtung wichtig.<br />

2.1.1.3. Der Adler im Mittelalter<br />

Der Adler ist ein starkes Raubtier, das fast überall auf <strong>de</strong>r Welt vorkommt. Sein kräftiger<br />

Schnabel, seine Fänge mit <strong>de</strong>n scharfen Krallen und seine Flugkunst machen ihn zu ein<strong>em</strong><br />

gefährlichen Raubtier, das nur einen Feind kennt: uns, die Menschen. Zu seiner<br />

charakteristischen Merkmalen gehört auch seine Tagaktivität, sein majestätisches Flugbild,<br />

sein gutes Sehvermögen, sein nach unten gebogener, grimmiger Hakenschnabel, seine<br />

kräftige Beine und krallenbewehrten, tödlichen Fänge. 23 Mit Hilfe seines scharfen Auges hat<br />

er immer einen guten Überblick, wenn er seine Kreise in luftiger Höhe zieht.<br />

Seit Jahrhun<strong>de</strong>rten ist <strong>de</strong>r Adler ein wichtiges Tier für die Menschen. Überall<br />

gehörten Adler zu <strong>de</strong>n heiligen Tieren, vom früheren Altertum bis ins christliche Mittelalter<br />

(GATTIKER: 1989, 459). Bei <strong>de</strong>n Kelten war <strong>de</strong>r Adler das älteste Tier, das über sämtliches<br />

Wissen über Vergangenheit und Zukunft verfügen sollte. Er flog <strong>de</strong>n Sonnengöttern voran<br />

und <strong>de</strong>swegen präsentierte er meist <strong>de</strong>n Zenit. 24 Griechen, Römern und Persern gilt er als<br />

höchster Gott, König <strong>de</strong>r Lüfte und König <strong>de</strong>r Vögel (KORN: 1986, 154). Er war auch <strong>de</strong>r<br />

Weissagevogel und er wur<strong>de</strong> von Zeus als Bote und Vorzeichnen geschickt (LURKER: 1983,<br />

145). Diese Weissag<strong>em</strong>erkmale <strong>de</strong>s Adlers sind auch in Penelopes Traum zu sehen, in <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>r Adler die Rückkehr Odysseus verkün<strong>de</strong>t. Der Adler baut seine Nester hoch in <strong>de</strong>n<br />

unzugänglichsten Teilen von Gebirgen, d.h. dort, wo schon immer auch <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>r Götter<br />

geglaubt wur<strong>de</strong>. In dies<strong>em</strong> Sinne könnte behauptet wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Adler immer ein<br />

Symbol <strong>de</strong>s Göttlichen gewesen ist und gleichzeitig von vielen Kulturen bewun<strong>de</strong>rnd auch<br />

<strong>de</strong>r „König <strong>de</strong>r Lüfte“ genannt wird. 25<br />

„Mit seiner enormen Flügelspannweite und <strong>de</strong>r Fähigkeit, sich mit<br />

bewun<strong>de</strong>rnswerter Kraft und Ausdauer in die höchste auszuschin<strong>de</strong>n und dabei mit<br />

scharf<strong>em</strong> Blick alles unter sich zu erfassen, bot sich <strong>de</strong>r Adler als ang<strong>em</strong>essener<br />

23 vgl. Adler. Zitiert nach: http://u01151612502.user.hosting-agency.<strong>de</strong>/malexwiki/in<strong>de</strong>x.php/Adler. Stand 24.<br />

05. 2012.<br />

25 vgl. Der Adler. Zitiert nach: http://www.topasmuenchen.<strong>de</strong>/KrafttierAdlerArchivseiteKrafttiereToPASMunchen.htm.<br />

Stand 25. 05. 2012.<br />

35


Begleiter für <strong>de</strong>n Herrn <strong>de</strong>s Himmels an, für die Allmacht <strong>de</strong>s Göttlichen Geistes<br />

(ZERLINE: 2003, 27).<br />

„Da er aber ein Raubtier ist (und somit auch manchmal weiße Tauben schlägt), gilt er<br />

an<strong>de</strong>rerseits als böser Geist auch als Sinnbild <strong>de</strong>s Teufels.“ 26<br />

Er ist also Inbegriff aller Schönheit und allen grausamen Schreckens (vgl.<br />

ZERLINE: 2003, 26). „Er trug also im Schnabel die Waffen <strong>de</strong>r Blitz- Donnergötter, die für<br />

Feuer und Furchtbarkeit sorgten“ (ZERLINE: 2003, 27). Es wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Germanen<br />

geglaubt, dass <strong>de</strong>r Adler auf <strong>de</strong>m obersten Zweig <strong>de</strong>s germanischen Weltenbaumes sitze und<br />

Midgard 27 schütze.<br />

Auch in <strong>de</strong>n heiligen Schriften kommt <strong>de</strong>r Adler vor. Als <strong>de</strong>r größte, e<strong>de</strong>lste und<br />

kühnste aller Raubvögel spielt in diesen Schriften eine große Rolle. Seine Schnelligkeit und<br />

Geschicklichkeit dient meistens zum Vergleich (vgl. GATTIKER: 1989, 464). Er ist auf <strong>de</strong>r<br />

einen Seite ein Symbol <strong>de</strong>r Auferstehung und <strong>de</strong>r Himmelfahrt Christi, aber gleichzeitig ist<br />

er ein Sinnbild für <strong>de</strong>n Teufel (TELESCO: 2001, 74).<br />

Der Adler steht für <strong>de</strong>n spirituellen Weg <strong>de</strong>r Erleuchtung. Er kündigt eine neue<br />

Entwicklungsstufe an, er symbolisiert also die Entfaltung <strong>de</strong>r spirituellen Potenzen. Dieser<br />

königliche und prächtige Vogel zeigt uns die Weisheit <strong>de</strong>r Schöpfung; er steht für Macht,<br />

Gerechtigkeit, Herrlichkeit, Größe, Wür<strong>de</strong>, Licht, Bewusstsein, Freiheit und Kraft.<br />

Deswegen fin<strong>de</strong>t er sich seit Jahrhun<strong>de</strong>rten auf vielen Wappen von Herrscherhäusern,<br />

Institutionen und Staaten (vgl. BAUMGARTEN: 2009, 146).<br />

D<strong>em</strong> Adler, <strong>de</strong>r oft in enger Verbindung mit <strong>de</strong>m Falken steht, kommt in Lyrik<br />

<strong>de</strong>s Mittelalters eine beson<strong>de</strong>re Rolle zu. Nach Reiser wird <strong>de</strong>r Adler in einen<br />

Sinnzusammenhang mit <strong>de</strong>m Falken gebracht: sie sind Partner, Gegenspieler und Kontrast-<br />

„Figuren“. Aber sein Flugbild und ihre Jagdtechnik halten keinen Vergleich mit <strong>de</strong>n Falken<br />

aus (REISER: 1963, 30). Adler sind Kurzstreckenjäger, sie fliegen nicht so hoch. Zu ihren<br />

Jag<strong>de</strong>igenschaften gehören die Jagd in Wäl<strong>de</strong>rn und Gestrüpp, <strong>de</strong>r bo<strong>de</strong>nnahe, kurze<br />

Jagdstoß und <strong>de</strong>r unermüdliche Verfolgungsflug. Deswegen könnte man sagen, dass <strong>de</strong>r<br />

Adler ein Vogel von kurz<strong>em</strong> At<strong>em</strong> ist (REISER: 1963, 17). Der Adler hat eine die Kraft <strong>de</strong>s<br />

Falken übertreffen<strong>de</strong> Kraft. Aber trotz<strong>de</strong>m stellt Reiser fest, dass die germanischen Völker<br />

seit <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>r Beizjagd beson<strong>de</strong>rs mit <strong>de</strong>n Falken Jagd g<strong>em</strong>acht haben. Der Grund<br />

26 Adler: Zitiert nach: http://hogwartsonline.<strong>de</strong>/adler.html#religionen. Stand 23. 05. 2012.<br />

27 Midgard ist die Mittel-, d.h. die Menschenwelt in <strong>de</strong>r germanischen Mythologie. Zitiert nach:<br />

http://www.welt<strong>de</strong>rgoetter.<strong>de</strong>/nordische-goetter/begriffserklaerungen.html. Stand 23. 05. 2012.<br />

36


dafür war die Zähmung, weil die Zähmung <strong>de</strong>s Adlers nicht so einfach wie die <strong>de</strong>s Falken<br />

war (vgl. REISER: 1963, 33). In <strong>de</strong>r Legen<strong>de</strong>n erscheint <strong>de</strong>r Adler oft als ein Symbol <strong>de</strong>s<br />

göttlichen Schutzes (GATTIKER: 1989, 463).<br />

Die symbolische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Adlers tritt auch in <strong>de</strong>n literarischen <strong>Träume</strong>n<br />

auf. Der Adler ist ein altes Freiheitssymbol: „Er symbolisiert die Fähigkeit o<strong>de</strong>r das<br />

Verlangen danach, sich stolz und wür<strong>de</strong>voll über die Enge <strong>de</strong>s Alltags zu erheben und<br />

mutige Pläne zu verwirklichen“. 28 Wenn von ein<strong>em</strong> Adler geträumt wird, sollen die<br />

Menschen sich vor ihrer eigenen Gier und/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer Menschen hüten. Der fliegen<strong>de</strong><br />

Adler be<strong>de</strong>utet gleichzeitig die große Ehre. Er hat aber nicht nur gute Be<strong>de</strong>utungen in <strong>de</strong>n<br />

<strong>Träume</strong>n. Er ist so auch ein Symbol für heimliche Nachstellung und Feindschaft (PALMER,<br />

SPECKENBACH: 1990, 262). Wenn viele Adler zusammen fliegen, kündigt dies die<br />

Kollaboration vieler Fein<strong>de</strong> an (vgl. FISCHER: 1989, 8).<br />

symbolisieren.<br />

Im Folgen<strong>de</strong>n soll gezeigt wer<strong>de</strong>n, was die Adler im Nibelungenlied<br />

2.1.1.4. Zur symbolischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Adlers im Nibelungenlied<br />

Die Adler spielen eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle im Falkentraum Kri<strong>em</strong>hilds. In dies<strong>em</strong> Traum<br />

kommen zwei Adler vor, die Kri<strong>em</strong>hilds Falken töten. Diese zwei Adler repräsentieren<br />

Gunther und Hagen, die Siegfried ermor<strong>de</strong>n. Aber diese Allegorie befin<strong>de</strong>t sich nicht in <strong>de</strong>r<br />

Deutung Utes. Nach<strong>de</strong>m Ute <strong>de</strong>n Falkentraum ge<strong>de</strong>utet hat, spricht sie nur von ein<strong>em</strong> e<strong>de</strong>l<br />

man (NL: 14,3) und sie macht klar, dass Kri<strong>em</strong>hild ihn bald verlieren soll, wenn Gott diesen<br />

e<strong>de</strong>l man nicht schützt. Obwohl es in <strong>de</strong>m Traum neben <strong>de</strong>m Falken auch zwei Adler gibt,<br />

kommen die symbolischen Be<strong>de</strong>utungen <strong>de</strong>r Adler jedoch nicht zur Sprache und erwähnt<br />

auch Ute diese zwei Adler nicht. Sie sagt nicht, von w<strong>em</strong> <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Falken<br />

symbolisierte e<strong>de</strong>l man ermor<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n wird o<strong>de</strong>r was diese zwei Adler im Gegensatz zu<br />

<strong>de</strong>m Falken symbolisieren. Daraufhin will Kri<strong>em</strong>hild auf die Liebe verzichten und ohne<br />

j<strong>em</strong>an<strong>de</strong>n kennenzulernen leben. Aber ihre Worte wi<strong>de</strong>rspricht <strong>de</strong>r Dichter am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

ersten Aventiure und bestätigt die Deutung Utes, in<strong>de</strong>m er von <strong>de</strong>r Zukunft <strong>de</strong>r Geschichte<br />

spricht und sagt, dass Kri<strong>em</strong>hild später die Frau dieses küenen reckens (NL: 18, 4) wur<strong>de</strong><br />

28 Der Adler als Traumsymbol. Zitiert nach: http://hogwartsonline.<strong>de</strong>/adler.html#traumsymbol. Stand 23. 05.<br />

2012.<br />

37


und er dieser Falke in <strong>de</strong>m Traum war, <strong>de</strong>n die Mutter ge<strong>de</strong>utet hatte. Der Dichter macht<br />

sogar am En<strong>de</strong> die Aussage, dass sie diese Ermordung rächen wird, in<strong>de</strong>m sie ihre naechsten<br />

mâgen (NL: 19, 3) erschlägt. Mit dieser Erklärung macht er klar, ohne Name zu geben, wen<br />

die Adlers repräsentieren durch sîn eines sterben starb vil maneger muoter kint (NL: 19,<br />

4).<br />

Die symbolische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Adlers fängt erst mit <strong>de</strong>r Einladung Gunters zum<br />

Fest in <strong>de</strong>r 12. Aventiure an sich zu zeigen und zu verwirklichen. Aber diese Allegorie<br />

verstärkt sich mit <strong>de</strong>m Streit <strong>de</strong>r Königinnen in <strong>de</strong>r 14. Aventiuere wie die küneginne<br />

einan<strong>de</strong>r schulten.<br />

Die 12. Aventiure beginnt mit Brunhilds Gedanken über Kri<strong>em</strong>hild und<br />

Siegfried. Sie fragt sich selbst, warum Kri<strong>em</strong>hild als eine Frau eines Lehnsmannes von<br />

Gunter so stolz ist und warum Siegried als ein Lehnsmann Gunters ihm seit Lang<strong>em</strong> keine<br />

Dienste geleistet hat. Mit diesen Gedanken entschei<strong>de</strong>t sie sich Gunter zu bitten, Kri<strong>em</strong>hild<br />

und Siegfried zu ein<strong>em</strong> Fest in Burgun<strong>de</strong>n einzula<strong>de</strong>n. Eines Tages spricht Brünhild mit<br />

Gunter, aber sie führt dieses Gespräch auf eine listige Weise. Sie sagt ihre Gedanken nicht<br />

direkt, son<strong>de</strong>rn fragt, ob es möglich wäre, Kri<strong>em</strong>hild noch mal zu sehen. Aber ihm scheint<br />

<strong>de</strong>r Gedanke Brünhilds unmöglich, weil Kri<strong>em</strong>hild und Siegfried zu weit entfernt von ihr<strong>em</strong><br />

Land wohnen. Darauf sagt sie, dass Siegfried ein Lehnsmann ist und er <strong>de</strong>swegen soll<br />

machen, was sein König Gunter will. Obwohl Gunter ihn nicht als einen Lehnsmann<br />

betrachtet, überre<strong>de</strong>t Brünhild ihren Mann, in<strong>de</strong>m sie in ihr<strong>em</strong> Gespräch Kri<strong>em</strong>hild preist.<br />

Dann schickt Gunter seine Boten zu Siegfried, um ihn und seine Frau Kri<strong>em</strong>hild einzula<strong>de</strong>n.<br />

Als die Boten im Nibelungenland ankommen, überbringen sie die Botschaft Gunters.<br />

Siegfried und Kri<strong>em</strong>hild freuen sich, dass sie ihre lieben vriun<strong>de</strong> (NL: 748,4) wie<strong>de</strong>r sehen<br />

können.<br />

Brünhild verfolgt in <strong>de</strong>r 12. Aventiure mit ihr<strong>em</strong> Einladungswunsch eine<br />

Strategie. Sie will zeigen, wie stark o<strong>de</strong>r stärker sie ist als Frau eines Königs, während<br />

Kri<strong>em</strong>hild nach Brunhilds Meinung nur die Frau eines einfachen Dienstmannes unter <strong>de</strong>n<br />

Burgun<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>r für Gunter Dienste schaffen soll. In dies<strong>em</strong> Fall vergisst sie aber, dass<br />

Siegfried auch ein König ist und sie betrachtet ihn mit Hochmut und „Herrschaftsgewalt“<br />

(EHRISMANN: 1987, 137). Diese Gedanken Brünhilds helfen Hagen auch seine innere<br />

Absichten zu zeigen, in<strong>de</strong>m er plötzlich von Siegfrieds Hort spricht:<br />

38


„er mac“, sprach dô Hagane, „von im sampfte geben.<br />

er ´n kun<strong>de</strong>z niht verswen<strong>de</strong>n, unt solt er immer leben.<br />

hort <strong>de</strong>r Nibelunge beslozzen hât sîn hant.<br />

hey sold er komen immer in <strong>de</strong>r Burgon<strong>de</strong>n lant!“ (NL: 774, 1,4)<br />

Im Nibelungenlied ist dieser Hort ein Symbol für die Macht, nämlich die grenzlose Macht<br />

(vgl. EHRISMANN: 1987, 139). Von <strong>de</strong>r Existenz <strong>de</strong>s Hortes Siegfrieds wird zum ersten Mal in<br />

<strong>de</strong>r 3. Aventiure von Hagen berichtet (NL: 88). Als Hagen nach Siegfrieds Kommen nach<br />

Worms von ihm und seinen Wun<strong>de</strong>rtaten erzählt, nimmt <strong>de</strong>r Hort <strong>de</strong>n meisten Raum ein<br />

(SCHULZE: 2008, 225), auch um Siegfrieds riesige Macht zu betonen. Damit zeigt <strong>de</strong>r Dichter<br />

Hagens Interesse an <strong>de</strong>m Hort, nämlich an <strong>de</strong>r Macht.<br />

In <strong>de</strong>r 12. Aventiure <strong>de</strong>s Nibelungenlie<strong>de</strong>s ruft <strong>de</strong>r Dichter die Eigenschaften <strong>de</strong>s<br />

Hortes als Symbol <strong>de</strong>r Macht und <strong>de</strong>r Herrschaft noch mal in Erinnerung. Hagen kommt zum<br />

ersten Mal in dieser Aventiure in Verbindung mit <strong>de</strong>m Hort vor. Damit zeigt <strong>de</strong>r Dichter auch<br />

Hagens Intention in Bezug auf Siegfried. Diese Gedanken, die Hagen zuvor nie erwähnt hatte,<br />

spielen im Laufe dieser Aventiure eine große Rolle. Auch SCHULZE macht darauf<br />

Aufmerksam. Nach ihrer Meinung beschützt die Macht und Herrschaft Siegfried nicht vor<br />

sein<strong>em</strong> Tod, son<strong>de</strong>rn ziehen Macht und Herrschaft vielmehr Neid und Feindschaft auf sich.<br />

Sie fügt hinzu, dass dieser Hort beson<strong>de</strong>res Objekt von Hagens Machtstreben ist (vgl. 2008,<br />

226). Hagen interessiert sich für <strong>de</strong>n Hort. Wegen seiner Machtgier wüscht er sich <strong>de</strong>n Hort<br />

und er bringt seine Wünsche selber zum Ausdruck (NL: 774, 4). Mit <strong>de</strong>m Ausdruck Hagens<br />

gibt es also auch hier einen Ausblick auf das weitere Geschehen. Nach EHRISMANN bereitet<br />

<strong>de</strong>r Epiker ungefähr von hier an <strong>de</strong>n späteren Hortraub vor; doch noch klingt alles nur, als ob<br />

es einfach so dahergesagt wäre (1987, 139). In dies<strong>em</strong> Zusammenhang könnte gesagt wer<strong>de</strong>n,<br />

dass Hagen für Siegfried wegen <strong>de</strong>m großen Hort eine Gefahr sieht und seine Absicht<br />

an<strong>de</strong>utet. Alle diese Gedanken Hagens spielen beim Ermordungsplan Siegrieds eine große<br />

Rolle. In dieser Aventiure sehen wir, dass Hagens Rolle aktiver als die Rolle Gunters ist. Aber<br />

Gunter tritt in <strong>de</strong>r 14. Aventiure in einer aktiveren Rolle auf, auf die die Symbolik <strong>de</strong>s Falken<br />

zutrifft.<br />

In <strong>de</strong>r 13. Aveniure wer<strong>de</strong>n die Gedanken Brünhilds über Siegfried offensichtlich.<br />

Sie sieht Siegfried und seine Pracht und <strong>de</strong>swegen <strong>de</strong>nkt sie hier immer noch: daz eigenhol<strong>de</strong><br />

nicht rîcher kun<strong>de</strong> wesen (NL: 803, 3). Aber sie wartet die richtige Zeit ab. Das geschieht in<br />

<strong>de</strong>r 14. Aventiuere (vgl. EHRISMANN: 1987, 50) und sie streiten. Dieser Streit <strong>de</strong>r zwei<br />

höfischen Damen bil<strong>de</strong>t das Kernstück <strong>de</strong>s Ermordungsplans Siegfrieds.<br />

39


Als die bei<strong>de</strong>n Frauen <strong>de</strong>n Ritterspielen zuschauen, rühmt Kri<strong>em</strong>hild ihren Mann:<br />

„ich hân einen man, daz elliu disio rîche ze sînen han<strong>de</strong>n sol<strong>de</strong>n stân.“ (NL: 815, 3-4) Aber<br />

Brünhild wi<strong>de</strong>rspricht ihr. Schließlich sagt sie, dass Siegfried nur ein Dienstmann Gunters sei.<br />

Kri<strong>em</strong>hild entgegnet voller Zorn, dass sie beweisen will, dass ihr Mann von edler<strong>em</strong> Blut ist<br />

als ihr Bru<strong>de</strong>r Gunter und dass sie die Frau eines Freien ist, in<strong>de</strong>m sie selbst noch vor <strong>de</strong>r Frau<br />

<strong>de</strong>s Königs ins Münster gehe. Der Streit verstärkt sich schließlich vor <strong>de</strong>m Wormser Dom, als<br />

es darum geht, wer von <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Königinnen als ranghöhere Herrscherin zuerst <strong>de</strong>n Dom<br />

betreten wird. Dabei schleu<strong>de</strong>rt Kri<strong>em</strong>hild Brünhild entgegen, dass Siegfried ihr die<br />

Jungfräulichkeit genommen hat und Brunhild somit die Geliebte eines Lehnsmanns ist.<br />

Darauf weint Brünhild und Kri<strong>em</strong>hild betritt vor <strong>de</strong>r Königin das Münster. Da entsteht grôser<br />

haz (NL: 843, 3), <strong>de</strong>r zur Ermordung führt. Der Dichter macht mit seiner Aussage auch klar:<br />

<strong>de</strong>s muose sît engelten manic hélt küen´ un<strong>de</strong> guot (NL: 844, 4). Nach <strong>de</strong>m Gottesdienst<br />

verlangt Brünhild von Kri<strong>em</strong>hild Beweise für ihre Behauptung und Kri<strong>em</strong>hild zeigt ihr <strong>de</strong>n<br />

Ring und <strong>de</strong>n Gürtel, <strong>de</strong>n Siegfried Brünhild in <strong>de</strong>r Hochzeits-Nacht abgenommen und später<br />

Kri<strong>em</strong>hild geschenkt hatte. Hasserfüllt und weinend erzählt Brünhild Gunter alles, was<br />

Kri<strong>em</strong>hild behauptet hat. Er lässt Siegfried rufen. Nach<strong>de</strong>m er von <strong>de</strong>m Streit <strong>de</strong>r Königinnen<br />

gehört hat, ist er bereit zu beweisen, dass er ni<strong>em</strong>als die Ehre Brünhilds antastet hat. Er<br />

schwört dies und Gunter vertraut auf seine Unschuld. Aber für Brünhild war das nicht genug.<br />

Als Brunhild trauert, tritt Hagen zu seiner Herrin. Wie in <strong>de</strong>r 12. Aventiure kommt Hagen<br />

auch in <strong>de</strong>r 14. Aventiure bis zu dieser Stelle nicht vor. Er erscheint plötzlich, wenn es um<br />

Siegfried geht. Damit fängt er hier an seine eigentliche, entschlüsseln<strong>de</strong> Rolle zu spielen.<br />

Brunhild erzählt ihm alles und er verspricht seiner Königin sofort Rache für die durch<br />

Kri<strong>em</strong>hild erfahrene Beleidigung und Erniedrigung. Er besteht darauf, dass Siegfried getötet<br />

wer<strong>de</strong>n müsse, sonst er wol<strong>de</strong> nimmer dar umbe vroelîch gestân (NL: 864, 4). Mit dieser<br />

Ausre<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Beleidigung Brunhilds macht sich Hagen also die Ermordung Siegfrieds zu<br />

Eigen. In <strong>de</strong>r Realität stören ihn Siegrieds Macht und Herrschaft schon seit Lang<strong>em</strong>,<br />

weswegen dieser Streit <strong>de</strong>r Königinnen für ihn vor all<strong>em</strong> eine Möglichkeit ist, die Situation zu<br />

seinen eigenen Zwecken zu nutzen. So führen die Beleidigung Brünhilds durch Kri<strong>em</strong>hild und<br />

<strong>de</strong>r Streit schließlich zum Plan <strong>de</strong>r Ermordung Siegfrieds, <strong>de</strong>r insbeson<strong>de</strong>re von Hagen<br />

vorangetrieben wird, <strong>de</strong>r schon nach <strong>de</strong>m Hort Siegfrieds schielt. Diesen Plan begrün<strong>de</strong>t<br />

Hagen <strong>de</strong>mnach auf politische Weise, um auch Gunter zu überre<strong>de</strong>n. „Im Gespräch mir <strong>de</strong>n<br />

Königsbrü<strong>de</strong>rn gaukelt Hagen Gunter die unendliche Macht vor, die ihm durch Siegfrieds Tod<br />

40


zufallen könnte (EHRISMANN: 1987, 148):<br />

(...)ob Sífrid niht enlebte, sô wur<strong>de</strong> im un<strong>de</strong>rtân<br />

vil <strong>de</strong>r künege lan<strong>de</strong>. Der helt <strong>de</strong>s trûrén began. (NL: 870, 3, 4)<br />

Hagen erzählt von sein<strong>em</strong> geheimen Plan. Nach einig<strong>em</strong> Wi<strong>de</strong>rstreben stimmt auch Gunter<br />

am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 14. Aventiure Hagens Plan zu. Der Dichter macht also noch mal das düstere<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geschichte klar, das mit <strong>de</strong>r Ermordung Siegfried eintritt:<br />

Der künig gevolgete übele Hagenen, sín<strong>em</strong> man.<br />

Die starken untriuwe begon<strong>de</strong>n tragen an,<br />

ê i<strong>em</strong>en daz erfun<strong>de</strong>, die ritter ûz erkorn.<br />

Von zweier vrouwen bâgen wart vil manic helt verlorn. (NL: 867,1-4)<br />

Infolge <strong>de</strong>s Streits <strong>de</strong>r Königinnen wird Siegried mit <strong>de</strong>r Hinterlist Hagens in <strong>de</strong>r<br />

16. Aventiure getötet. Hier fallen heimliche Nachstellungen 29 <strong>de</strong>s Adlers ins Auge. Mit List<br />

erfährt Hagen Siegfrieds verwundbare Stelle und infolge<strong>de</strong>ssen tötet er Siegfried durch diese<br />

Stelle. Der Dichter verkörpert <strong>de</strong>n Falkentraum und Kri<strong>em</strong>hilds Falke, Siegfried, wird von<br />

zwei Adlern, Hagen und Gunter, getötet. Kri<strong>em</strong>hild, die Falknerin, verliert ihren Falken<br />

Siegfried und dieser verursacht ihr Leid.<br />

Jetzt komme ich zu <strong>de</strong>r Symbolik <strong>de</strong>s Adlers. Welche Eigenschaften <strong>de</strong>s Adlers<br />

lassen <strong>de</strong>n Leser Gunther und Hagen als Adler betrachten? Die Beziehung zwischen <strong>de</strong>m<br />

Falken und <strong>de</strong>m Adler fällt in dies<strong>em</strong> Traum ins Auge. Laut REISER stehen sie in enger<br />

Verbindung, obwohl es auch Unterschie<strong>de</strong> gibt (1963, 30). Im Nibelungenlied sind die drei<br />

Figuren, die durch <strong>de</strong>n Falken und die Adler versinnbildlicht wer<strong>de</strong>n, immer zusammen.<br />

Obwohl Siegfried nicht zum Burgun<strong>de</strong>nland gehört, sieht er die Burgun<strong>de</strong>n als seine<br />

Verwandten an und kämpft für sie. Aber am En<strong>de</strong> kann diese Verbindung die heimliche<br />

Nachstellung und Feindschaft <strong>de</strong>s Adlers (vgl. FISCHER, 1989, 8) nicht verhin<strong>de</strong>rn. Hagen<br />

führt heimlich seinen listigen Plan gegen Siegfried aus und b<strong>em</strong>üht sich auch unter <strong>de</strong>n<br />

burgundischen Königen Feindschaft gegen Siegfried zu schaffen.<br />

Der Komplex von Macht und Herrschaft gehören auch zu <strong>de</strong>n wichtigen mit <strong>de</strong>m<br />

Adler assoziierten Eigenschaften. Im Nibelungenlied wer<strong>de</strong>n die bei<strong>de</strong>n Figuren von Gunter<br />

und Hagen um <strong>de</strong>n Komplex von Macht und Herrschaft konstruiert. Die Macht- und<br />

29 Siehe Oben. S. 45.<br />

41


Herrschaftsgier Hagens wird schon in <strong>de</strong>r 3. Aventiure gezeigt, in <strong>de</strong>r er <strong>de</strong>n Hort wegen<br />

seiner Erheblichkeit wüscht o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r 14. Aventiuere, in <strong>de</strong>r er <strong>de</strong>n Ermordungsplan<br />

schmie<strong>de</strong>t. Gunter, <strong>de</strong>r am Anfang <strong>de</strong>r Planung <strong>de</strong>r Tat abgeneigt ist, akzeptiert schließlich<br />

aufgrund seiner Habgier <strong>de</strong>n Plan Hagens, nach<strong>de</strong>m er von <strong>de</strong>r möglichen Erlangung <strong>de</strong>r<br />

Län<strong>de</strong>r Siegfrieds nach <strong>de</strong>ssen Tod gehört hat.<br />

Nach BAUMGARTEN kann <strong>de</strong>r Adler seine sehr kühnen, tollkühnen Gedanken in<br />

die Tat umsetzen (Vgl. 2009, 146). Das trifft auch auf Hagen zu, weil er seinen Plan mit<br />

Erfolg ausführt.<br />

Der Adler symbolisiert gleichzeitig die Todsün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hochmuts 30 : Gunther und<br />

Hagen stellen ihr Eigeninteressen vor alle höfischen Tugen<strong>de</strong>n, als sie <strong>de</strong>n Ermordungsplan<br />

für Siegfried schmie<strong>de</strong>n. Auch weil die Ermordung eines so großen Hel<strong>de</strong>n eine große<br />

Macht und Begeisterung be<strong>de</strong>utet, verlieren sie sich in ihr<strong>em</strong> Hochmut.<br />

Außer<strong>de</strong>m sind die körperlichen Eigenschaften <strong>de</strong>s Adlers bei Hagen zu sehen:<br />

Der helt was wol gewahsen, dáz ist álwâr,<br />

grôz was er zen brusten, g<strong>em</strong>ischet was sîn hâr<br />

mit einer grîsen varwe. diu béin wâren im lanc<br />

und eislîch sîn gesihene. we hete hêrlîchen ganc. (NL: 1734)<br />

Durch diese Beschreibung <strong>de</strong>s Körpers Hagens, nämlich seine Beine, seine Haare, sein<br />

furchterregen<strong>de</strong>r Blick usw. schafft <strong>de</strong>r Dichter in <strong>de</strong>r Vorstellung <strong>de</strong>s Lesers ein Adlerbild,<br />

weil diese körperlichen Merkmale Hagens es uns ermöglichen uns auch <strong>de</strong>n Körper eines<br />

Adlers vorzustellen: ein Adler hat kräftige Beine, scharfe Augen, graue Haare, breite Flügel<br />

usw.<br />

In <strong>de</strong>n Zusammenhang sind vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r symbolischen<br />

Be<strong>de</strong>utungen <strong>de</strong>r Tieren zu sehen, dass <strong>de</strong>r Dichter das Symbol <strong>de</strong>s Adlers wie Falken nicht<br />

wahllos ausgesucht hat. Zusammenfassend kann gesagt wer<strong>de</strong>n, dass Hagen und Gunter<br />

durch die Gleichsetzung mit <strong>de</strong>m Adler Macht, Herrschaft, Gier, Feindschaft und<br />

Königlichkeit zugeschrieben wer<strong>de</strong>n.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n Teil wird <strong>de</strong>r zweite Tier-Traum Kri<strong>em</strong>hilds und seine Rolle im<br />

Nibelungenlied geklärt wer<strong>de</strong>n.<br />

30 vgl. Peter DIEM: Der Adler: http://peter-di<strong>em</strong>.at/Buchtexte/Adler.htm. Stand 24. 05. 2012.<br />

42


2.1.2. Kri<strong>em</strong>hilds Ebertraum<br />

Kri<strong>em</strong>hild hat nach ihr<strong>em</strong> ersten Tier-Traum einen an<strong>de</strong>ren Tier-Traum, in <strong>de</strong>m dieses Mal<br />

aber zwei wil<strong>de</strong> Eber an Stelle <strong>de</strong>r zwei Adler als Aggressoren auftreten. Wie <strong>de</strong>r<br />

Falkentraum spielt auch <strong>de</strong>r Ebertraum eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle im Nibelungenlied. Auch<br />

dieser Traum hat eine Warnungsfunktion und seine prophetische Kraft verweist noch mal<br />

auf <strong>de</strong>n Tod Siegfrieds. Der Ebertraum ist in <strong>de</strong>r 16. Aventiure zu fin<strong>de</strong>n, kurz bevor<br />

Siegfried auf die Jagd geht. Kri<strong>em</strong>hild b<strong>em</strong>erkt die Gefahr, weil sie sich an ein Gespräch mit<br />

Hagen erinnert, in <strong>de</strong>m sie ihm Siegfrieds verwundbare Stelle verraten hat. Deswegen hat sie<br />

Angst und sie will, dass er nicht auf die Jagd geht. Aber Kri<strong>em</strong>hild kann ihm von ihrer<br />

Unterredung mit Hagen nicht erzählen. Sie berichtet ihm von ihr<strong>em</strong> Traum, in <strong>de</strong>m Siegfried<br />

auf <strong>de</strong>r Jagd von zwei Wildschweinen getötet wird, um ihn zu warnen:<br />

Sie sprach zuo <strong>de</strong>m recken: „lât iuwer jagen sîn.<br />

mir troumte hînte lei<strong>de</strong>, wie iuch zwei wildiu swîn<br />

jageten über hei<strong>de</strong>, dâ wur<strong>de</strong>n bluomen rôt.<br />

daz ich sô sêre weine, <strong>de</strong>s gêt mir waerlîche nôt. (NL: 921)<br />

Aber ihre Warnungen sind für ihn nicht genug, weil er auf <strong>de</strong>m Wormser Hof keine Gefahr<br />

sieht und er sich wegen sein<strong>em</strong> Eid nach <strong>de</strong>m Streit <strong>de</strong>r Königinnen mit Gunter verbun<strong>de</strong>n<br />

fühlt.<br />

Folglich kann sie Siegfried nicht aufhalten und sie gehen auf die Jagd, wo es<br />

verschie<strong>de</strong>ne Tiere gibt. Nach SCHULZE zeigt die Vielfältigkeit <strong>de</strong>r Tiere, dass <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r<br />

über die ganze Tierwelt Herr wer<strong>de</strong>n kann und <strong>de</strong>ssen Stärke ni<strong>em</strong>and übertrifft, doch <strong>de</strong>m<br />

betrügerischen Komplott hilflos erliegt (2008, 219). Auf <strong>de</strong>r Jagd fin<strong>de</strong>t einen Wettlauf statt.<br />

Nach dies<strong>em</strong> Wettlauf während <strong>de</strong>s vorgetäuschten Jagdausflugs wird Siegfried an einer<br />

Quelle, über die er sich zum Trinken beugt, von Hagen mit ein<strong>em</strong> Speer an seiner<br />

verwundbaren Stelle erstochen. Auf diese Weise geht <strong>de</strong>r Falkentraum Kri<strong>em</strong>hilds in<br />

Erfüllung.<br />

In vieler Beziehung <strong>de</strong>utet ihr Traum darauf hin, dass <strong>de</strong>r Mord auf <strong>de</strong>r geplanten<br />

höfischen Jagd durchführten wer<strong>de</strong>n wird. Im Vergleich zum Falkentraum kommt Kri<strong>em</strong>hild<br />

im Ebertraum nicht vor. Die aktive Falkentrainerin ihres ersten Traumes, die im höfischen<br />

Alltag eine passive Rolle zu spielen hat, spielt im Ebertraum, <strong>de</strong>n sie in <strong>de</strong>r aktiven Rolle<br />

43


einer Königin träumt, keine Rolle. 31 Im Ebertraum sieht alles von Außen her als eine<br />

Beobachterin. Aber dieses Mal ist sie aktiv in <strong>de</strong>r erzählten Realität, in<strong>de</strong>m „sie versucht,<br />

nach<strong>de</strong>m sie in ihren <strong>Träume</strong>n als Beobachterin passiv einen Blick in die Zukunft gehabt<br />

hat, aktiv ihren Mann zu überre<strong>de</strong>n, nicht zu <strong>de</strong>r todbringen<strong>de</strong>n Jagd zu gehen.“ 32<br />

Im Zentrum <strong>de</strong>s Traums steht wie<strong>de</strong>r Siegfried, aber er wird nicht als Tier<br />

dargestellt, son<strong>de</strong>rn tritt in einer konkreten Gestalt auf; nämlich als er selbst. Außer<strong>de</strong>m gibt<br />

in dies<strong>em</strong> Traum eine <strong>de</strong>taillierte To<strong>de</strong>sszene während <strong>de</strong>r Jagd, die im Falkentraum nicht<br />

vorkommt. Diese ermöglicht, <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r Ermordung einfach zu verstehen. Zunächst<br />

kommen Eber. Nach<strong>de</strong>m sie von <strong>de</strong>n Ebern geträumt hat, <strong>de</strong>nkt sie an die Jagd, auf <strong>de</strong>r sie<br />

Eber jagen wer<strong>de</strong>n. Alle diese Entsprechungen machen das En<strong>de</strong> Siegfrieds und die böse Tat<br />

<strong>de</strong>utlicher. „Während im ersten Traum nicht gesagt wird, wessen Blut die Blumen färbt,<br />

konkretisiert <strong>de</strong>r zweite, dass speziell Siegfried zu Scha<strong>de</strong>n bekommen wer<strong>de</strong>“ (MIEDEMA:<br />

2011, 92). Diese Klarheit <strong>de</strong>s Traums hilft Kri<strong>em</strong>hild somit sich bewusst zu wer<strong>de</strong>n, dass<br />

Siegfried in Gefahr schwebt. So tritt in dies<strong>em</strong> Traum ni<strong>em</strong>and als Deuter auf, son<strong>de</strong>rn sie<br />

<strong>de</strong>utet ihn mit Hilfe ihrer eigenen Wahrnehmung. Sie selbst <strong>de</strong>utet ihren Traum, daneben<br />

weißt sie aber auch um ihre Schuld. Ihre Wahrnehmung spielt jetzt eine wichtige Rolle. An<br />

dieser Stelle versteht sie auch ihren ersten Traum und bringt alle Teile ihrer bei<strong>de</strong>n <strong>Träume</strong><br />

zusammen. Darüber hinaus versucht sie ihren Mann Siegfried vor <strong>de</strong>m furchtsamen Unheil<br />

zu warnen. Da alle diese Warnungen von ihm ignoriert wer<strong>de</strong>n, muss es am En<strong>de</strong><br />

folgerichtig zu seiner Ermordung kommen.<br />

Die Jagdszene ist auch auf eine weitere Art b<strong>em</strong>erkenswert. Mit List erfährt<br />

Hagen durch Kri<strong>em</strong>hild von Siegfrieds verwundbarer Stelle. Diese Szene zeigt eine Parallele<br />

zur To<strong>de</strong>sszene. In dies<strong>em</strong> Jagdunternehmen wird schon von Anfang an für <strong>de</strong>n Leser<br />

<strong>de</strong>utlich g<strong>em</strong>acht, dass Siegfried selbst das gejagte Tier ist (vgl. SCHULZE: 2008, 219).<br />

„Siegfried stirbt einen unheroischen Tod ohne Möglichkeit zur kämpferischen Gegenwehr<br />

wie ein Tier <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s“ (SCHULZE: 2008, 219):<br />

Dâ <strong>de</strong>r herre Sîfrid ob <strong>de</strong>m brunnen tranc,<br />

er schôz in durch das kriuze, daz von <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>n spranc<br />

daz bluot im von <strong>de</strong>m herzen vaste an Hagenen wât.<br />

31<br />

vgl. Alfred ten KATEN: <strong>Träume</strong> Kri<strong>em</strong>hilds, http://www.nibelungenlied-gesellschaft.<strong>de</strong>/03_beitrag/katen/tenkaten.html#_ftnref44.<br />

Stand 30. 05. 2012.<br />

32<br />

Alfred ten KATEN: <strong>Träume</strong> Kri<strong>em</strong>hilds, http://www.nibelungenlied-gesellschaft.<strong>de</strong>/03_beitrag/katen/ten-<br />

katen.html#_ftnref44. Stand 30. 05. 2012.<br />

44


Sô grôze missewen<strong>de</strong> ein helt nimmer mêr begât. (NL: 981)<br />

Wegen seiner höfischen Haltung verdient Siegfried einen so bitterlichen Tod. Wie im Traum<br />

stirbt er ohne zu kämpfen und sich verteidigen zu können. Nach sein<strong>em</strong> Tod wer<strong>de</strong>n vom<br />

Blut die Blumen rot (NL: 998). Diese Blutszene zeigt Ähnlichkeit mit <strong>de</strong>m Traum. Sie<br />

kommt ähnlich auch im Traum vor, was die wahrsagerische Kraft <strong>de</strong>s Ebertraums<br />

unterstützt.<br />

Kurz gesagt, ist <strong>de</strong>r Ebertraum wie <strong>de</strong>r Falkentraum eng mit <strong>de</strong>r Handlung<br />

verknüpft und auch er hat eine Warnfunktion. So prophezeit er <strong>de</strong>m Kontext <strong>de</strong>r Ermordung<br />

Siegfrieds. Diese Ermordung been<strong>de</strong>t aber nicht nur Siegfrieds Leben, son<strong>de</strong>rn be<strong>de</strong>utet<br />

auch das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r höfischen Welt.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n Teil möchte ich einen Überblick über die mit <strong>de</strong>m Eber<br />

verbun<strong>de</strong>nen Vorstellungen innerhalb <strong>de</strong>r mittelalterlichen Zeit und darüber hinaus geben.<br />

2.1.2.1. Der Eber im Mittelalter<br />

Der Eber war ein beliebtes Jagdtier im Mittelalter. Er ist ein sehr starkes und gefährliches<br />

Tier und es ist unmöglich, ihn zu zähmen (vgl. VON MEGENBERG: 2003, 146). Deswegen<br />

galt die Jagd auf <strong>de</strong>n Eber als ein Beweis von Hel<strong>de</strong>nhaftigkeit und Stärke. Dazu erhöhte<br />

die Jagd <strong>de</strong>s Ebers <strong>de</strong>n Ruhm <strong>de</strong>s Jägers; sie war als Hohe Jagd <strong>de</strong>n Fürsten vorbehalten.<br />

„Mit <strong>de</strong>r alles befruchten<strong>de</strong>n Energie <strong>de</strong>s Ebers verknüpfte sich <strong>de</strong>r Reichtum <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s,<br />

im übertragenen Sinne <strong>de</strong>r unserer Seele“ (ZERLINE: 2003, 65). Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Ebers<br />

im Mittelalter war sehr groß: „Man bewertete einen Wald oft weniger nach Eignung und<br />

Wert zur Holzgewinnung, son<strong>de</strong>rn wie viele Schweine darin Futter fin<strong>de</strong>n konnten.“ 33<br />

Der Eber gilt als Allesfresser (vgl. VON MEGENBERG: 2003, 146). Der Eber, <strong>de</strong>r<br />

ein großes Tier ist, ist auch alle Zeit laut, grimmig und scharf (vgl. VON MEGENBERG: 2003,<br />

146). Wegen seiner Gefräßigkeit ist er auch ein verbreitetes Symbol für Niedrigkeit und<br />

Verrohung. Durch alle diese auffallen<strong>de</strong>n Eigenschaften <strong>de</strong>s Ebers entstan<strong>de</strong>n die<br />

allegorischen Deutungen im Mittelalter und <strong>de</strong>r Eber fand Eingang in Märchen und Sagen.<br />

Wegen seiner Größe und Kraft war <strong>de</strong>r Eber auch ein Symbol und Vorbild für <strong>de</strong>n<br />

33 H.-D. DANNENBERG: Schwein haben- Historisches und Histörchen vom Schwein. Zitiert nach:<br />

http://www.schweinestammtisch.<strong>de</strong>/interessantes/historisches.html. Stand 26. 05. 2012.<br />

45


Kämpfer, die männliche Stärke und Führung (vgl. ZERLINE: 2003, 65). Nach ZERLINE<br />

waren die sichere physische Kraft, sein Mut wie seine Standhaftigkeit und die blin<strong>de</strong> Wut<br />

seines Angriffs bestens geeignet, die Wertvollstellungen <strong>de</strong>r Kriegerkaste zu verkörpern, ja<br />

die heilige Raserei <strong>de</strong>s Kriegsgottes selbst darzustellen (vgl. 2003, 65). Auch im<br />

Christentum trat <strong>de</strong>r Eber auf. Das Christentum brachte <strong>de</strong>n Eber mit <strong>de</strong>n Machenschaften<br />

alter Kulte, <strong>de</strong>n Triebkräften <strong>de</strong>s Teufels sowie <strong>de</strong>r Brutalität, <strong>de</strong>m unbeherrschten Zorn und<br />

<strong>de</strong>r ungezügelte Sinneslust zusammen (vgl. ZERLINE: 2003, 65). Sein Angriff galt im<br />

psychologischen Sinne als ein Zustand geistiger Dürre, in <strong>de</strong>m nichts Fruchtbares mehr<br />

passieren kann (vgl. ZERLINE: 2003, 66).<br />

Der Eber war also ein häufiges Symbol in <strong>Träume</strong>n. Er war auch ein Symbol für<br />

die Warnung vor Nei<strong>de</strong>rn (vgl. BAUMGARTEN: 2009, 216). Der Eber zeigt in dies<strong>em</strong><br />

Zusammenhang einen mächtigen, rücksichtslosen und gewalttätigen Gegner, <strong>de</strong>r eine<br />

brutale Sprache spricht (vgl. HERMES: 2000, 77).<br />

Wie gesehen, steht die Symbolik <strong>de</strong>s Ebers als Anzeichen für die Gefahr und<br />

<strong>de</strong>n Gegner. Im Folgen<strong>de</strong>n sollen diese symbolischen Be<strong>de</strong>utungen <strong>de</strong>s Ebers im Ebertraum<br />

Kri<strong>em</strong>hilds untersucht wer<strong>de</strong>n. Damit wird gezeigt, welche Figuren durch die Eber in<br />

ihr<strong>em</strong> Traum verkörpert wer<strong>de</strong>n.<br />

2.1.2.2. Zur symbolischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Ebers im Nibelungenlied<br />

Als Angreifer treten in dies<strong>em</strong> Traum zwei Ebern auf, die Siegfried und uns die Gefahr<br />

erkennen lassen. Nach WITTMER-BUTSCH begegnet man auffallend häufig <strong>de</strong>m Schwein als<br />

Symbol für negatives Verhalten (1990, 333). Der Dichter <strong>de</strong>s Nibelungenlie<strong>de</strong>s übernimmt<br />

wegen <strong>de</strong>r grausamen Tat diese negative Symbolik <strong>de</strong>s Ebers, obwohl <strong>de</strong>r Eber auch die<br />

Kraft und <strong>de</strong>n Kämpfer be<strong>de</strong>uten kann. Damit macht er <strong>de</strong>m Leser im Nibelungenlied noch<br />

einmal klar, dass an dieser Stelle Gunther und Hagen, diesmal in Form zweier Eber<br />

auftreten.<br />

Die Verwendung <strong>de</strong>r zwei Eber für Gunther und Hagen erklärt auch die Beziehung<br />

Siegfrieds zu seinen Mör<strong>de</strong>rn. Es wur<strong>de</strong> schon gezeigt, dass <strong>de</strong>r Eber als ein Symbol für<br />

Gier, Verrohung und Niedrigkeit gelten. Alle diese symbolischen Be<strong>de</strong>utungen <strong>de</strong>s Ebers<br />

gehen auf seine Gefräßigkeit zurück. In dies<strong>em</strong> Sinne fühlen wir uns an Hagens bösen und<br />

46


gierigen Gedanken über <strong>de</strong>n Hort Siegfrieds erinnert. 34<br />

Eine an<strong>de</strong>re passen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Ebers ist <strong>de</strong>r Eber als rücksichtsloser und<br />

gewalttätiger Gegner. 35 Diese Sinngebung offenbart das an <strong>de</strong>n Traum anknüpfen<strong>de</strong><br />

Geschehen. Kri<strong>em</strong>hild nimmt die Gefahr, die von <strong>de</strong>r Jagd ausgeht wahr, <strong>de</strong>nn sie sieht in<br />

ihr<strong>em</strong> Ebertraum eine Warnung vor <strong>de</strong>r Gefahr, die von irgendwelchen Personen ausgehen<br />

wird. Sie weiß auch, dass diese Personen in sich Gier, Hass und eine sehr starke und tiefe<br />

Abneigung gegen Siegfried tragen. Sie ist sich sogar bewusst ist, dass diese Abneigung<br />

gegen Siegfried von <strong>de</strong>m ihren Streit mit Brunhild herrühren könnte. Siegfried ist sich sehr<br />

sicher, dass es für ihn keine Gefahr gibt. Aber die zwei Eber greifen <strong>de</strong>nnoch an.<br />

Gunter und Hagen wer<strong>de</strong>n durch die Gleichsetzung mit <strong>de</strong>n Ebern außer<strong>de</strong>m auch<br />

die teuflischen Eigenschaften <strong>de</strong>s Ebers zugeschrieben. 36 Hagens Plan führt zu Gewalt und<br />

diese Gewalt verursacht nicht nur <strong>de</strong>n Tod Siegfrieds, son<strong>de</strong>rn dies<strong>em</strong> Tod folgt die Rache<br />

Kri<strong>em</strong>hilds, die die Burgun<strong>de</strong>n zum Untergang führt.<br />

Wenn hier auch noch mal <strong>de</strong>r Falkentraum betrachtet wird, kann man behaupten,<br />

dass <strong>de</strong>r Ebertraum eine Verdopplung <strong>de</strong>s ersten Falkentraums ist, in <strong>de</strong>m die Ermordung<br />

Siegfried zum ersten Mal vorgezeichnet wur<strong>de</strong>. Obwohl die Deutungen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n <strong>Träume</strong><br />

gleichgesetzt wer<strong>de</strong>n, gibt es jedoch hinsichtlich <strong>de</strong>r symbolischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Tiere<br />

Unterschie<strong>de</strong>. Der Dichter wählt in dies<strong>em</strong> zweiten Traum <strong>de</strong>n Eber aus, um durch <strong>de</strong>n<br />

Traum stärker seine negative Bewertung <strong>de</strong>r Tat zu übermitteln. Im Vergleich zum Adler<br />

wertet er mit <strong>de</strong>m Symbol <strong>de</strong>s Ebers die Täter ab von ein<strong>em</strong> königlichen, a<strong>de</strong>ligen Vogel hin<br />

zu ein<strong>em</strong> gefräßigen, gierigen Tier. Er schafft eine Deutungsverdopplung dieser negativen<br />

Bewertung, in<strong>de</strong>m er das Tier auch als Jagdtier in <strong>de</strong>r Geschichte einführt. Auf diese Weise<br />

kommt <strong>de</strong>r Eber zwei Mal im Nibelungenlied vor und kündigt so <strong>de</strong>n grausamen Tod<br />

Siegfrieds an. Daneben <strong>de</strong>tailliert <strong>de</strong>r Dichter <strong>de</strong>n Traum an<strong>de</strong>rs als <strong>de</strong>n Falkentraum und<br />

fügt eine Szene hinzu, in <strong>de</strong>r die Blumen mit Siegfrieds Blut be<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n, das die zwei<br />

Eber verursachen. In <strong>de</strong>m Falkentraum kommt die Ermordungsszene <strong>de</strong>s Falken überhaupt<br />

nicht vor. Kri<strong>em</strong>hild sagt lediglich, dass ihr Falke zerfleischt wur<strong>de</strong>. Aber <strong>de</strong>r Leser<br />

bekommt nicht mit, wie o<strong>de</strong>r wo diese Tat geschah. Durch diese Details gibt <strong>de</strong>r Dichter<br />

weitere Hinweise, da <strong>de</strong>r Ort auch eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle wird, <strong>de</strong>r im Traum beschrieben<br />

wird. Die Jagd ist ein wichtiger Teil <strong>de</strong>r höfischen Welt und mit <strong>de</strong>n Blumen wird dieser<br />

34 vgl. Siehe Oben S. 39.<br />

35 vgl. Siehe Oben S. 46.<br />

36 vgl. Siehe Oben S. 46.<br />

47


Teil <strong>de</strong>r höfischen Welt verschönert. Wenn man in dies<strong>em</strong> Sinne Gunter und Hagen zu<br />

dies<strong>em</strong> Symbol in Bezug setzt ist zu sehen, dass sie durch die Be<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r Blumen mit<br />

Siegfrieds Blut die Schönheit <strong>de</strong>r höfischen Welt schän<strong>de</strong>n.<br />

Im Folgen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong> ich mich mit <strong>de</strong>n Tier-<strong>Träume</strong>n Kri<strong>em</strong>hilds in Bezug auf<br />

Speckenbachs Funktionalisierung von <strong>Träume</strong>n in <strong>de</strong>r Literatur beschäftigen.<br />

2.1.3. Funktionen <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> in <strong>de</strong>r Handlung<br />

Die Tier-<strong>Träume</strong> Kri<strong>em</strong>hilds ermöglichen uns auch die Funktionen von <strong>Träume</strong>n nach<br />

SPECKENBACH (1976, 180) zu unterschei<strong>de</strong>n und zu ver<strong>de</strong>utlichen:<br />

Die erste Funktion von <strong>Träume</strong>n laut SPECKENBACH besteht in <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Handlung. Zusammen mit Haag kann behauptet wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Dichter Kri<strong>em</strong>hild in <strong>de</strong>r<br />

ersten Aventiure hat träumen lassen, um die Handlung <strong>de</strong>s Werkes weiter voran zu treiben.<br />

Als Beispiel kann also <strong>de</strong>r Falkentraum Kri<strong>em</strong>hilds in <strong>de</strong>r ersten Aventiure angeführt<br />

wer<strong>de</strong>n. Dieser Tier-Traum führt zu ein<strong>em</strong> Gespräch Kri<strong>em</strong>hilds mit ihrer Mutter Ute. In<br />

dies<strong>em</strong> Gespräch wur<strong>de</strong>n Siegfried, seine Beschreibung und seine Eigenschaften in die<br />

Handlung eingeführt. Nach Deutung <strong>de</strong>s Traums wird <strong>de</strong>utlicher, dass es in <strong>de</strong>m Falken-<br />

Traum um die Liebe eines Mannes geht. Später kommt die Heirat, wie es im Traum<br />

ankündigt wur<strong>de</strong>. Wie bereits erwähnt, träumt sie ganz am Anfang <strong>de</strong>s Nibelungenlie<strong>de</strong>s,<br />

wenn wir noch nichts über die weitere Geschichte wissen. Wenn man diesen ersten Traum<br />

genau betrachtet und analysiert, b<strong>em</strong>erkt man, die symbolischen Be<strong>de</strong>utungen, die die<br />

weitere Geschichte prophezeien, zu ein<strong>em</strong> Spannungsanstieg führen und damit die Handlung<br />

för<strong>de</strong>rn. Auch in <strong>de</strong>n späteren Tier-<strong>Träume</strong>n Kri<strong>em</strong>hilds ist diese Eigenschaft, die die<br />

Geschichte weiterführen<strong>de</strong> Funktion, genau zu beobachten. In<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n Ebertraum träumt,<br />

verstärkt sich die Vorahnung <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s aufseiten <strong>de</strong>s Lesers und aufseiten Kri<strong>em</strong>hilds.<br />

Dieser Traum führt auch zu ihr<strong>em</strong> Gespräch mit Siegfried, in <strong>de</strong>m sie ihn warnt, bevor er auf<br />

die Jagd geht. Die bei<strong>de</strong>n Tier-<strong>Träume</strong> kündigen mit verschie<strong>de</strong>nen Tieren <strong>de</strong>n Tod<br />

Siegfrieds an. Aber wegen <strong>de</strong>r Ignoranz <strong>de</strong>r Protagonisten geht die Geschichte bis <strong>de</strong>m<br />

Untergang weiter.<br />

Auch die zweite Funktion Schaffung von Stimmung durch die Bildsprache <strong>de</strong>s<br />

jeweiligen Traumes ist in <strong>de</strong>n Tier-<strong>Träume</strong>n Kri<strong>em</strong>hilds zu fin<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>n Stimmungen, die<br />

48


durch die symbolische Be<strong>de</strong>utungen <strong>de</strong>r Tier-<strong>Träume</strong> geschaffen wer<strong>de</strong>n, erreicht <strong>de</strong>r<br />

Dichter im Nibelungenlied sein Ziel. Man kann für das Nibelungenlied sagen, dass diese<br />

Stimmungsvermittlung in allen Tier-<strong>Träume</strong>n von Kri<strong>em</strong>hild beachtlich ist. Die <strong>Träume</strong> und<br />

die Symbole folgen einan<strong>de</strong>r. Obwohl die Tier-<strong>Träume</strong> zwei unterschiedlichen <strong>Träume</strong>n<br />

sind, führt die Stimmung ihrer Bildsprache zu<strong>de</strong>m Eindruck, dass diese <strong>Träume</strong> eins sein<br />

könnten. In dies<strong>em</strong> Sinne macht die Bildsprache bei<strong>de</strong>r Tier-<strong>Träume</strong> auf ein Drama in <strong>de</strong>r<br />

Zukunft <strong>de</strong>r Geschichte aufmerksam und sie zeichnen mit ihren Symbolen <strong>de</strong>utlich <strong>de</strong>n<br />

brutalen Verlauf <strong>de</strong>r Handlung <strong>de</strong>s Nibelungenlie<strong>de</strong>s vor.<br />

Die dritte Funktion SPECKENBACHS, die epische Voraus<strong>de</strong>utung, ist im<br />

Nibelungenlied sehr auffallend, weil die bei<strong>de</strong>n Tier-<strong>Träume</strong> die Handlung voraus<strong>de</strong>uten<br />

und damit auch <strong>de</strong>r Dichter im Nibelungenlied das zukünftige Geschehen vorwegnimmt. Sie<br />

verweisen auf <strong>de</strong>n Mord an Siegfried und auch auf <strong>de</strong>n Untergang <strong>de</strong>r Burgun<strong>de</strong>n. Die Tier-<br />

<strong>Träume</strong> haben wahrsagerische Kraft: Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Liebesgeschichte wird z.B. von Anfang<br />

an durch <strong>de</strong>n Falkentraum vorgegeben.<br />

Auch die vierte Funktion von <strong>Träume</strong>n, nämlich die Verknüpfung<br />

auseinan<strong>de</strong>rliegen<strong>de</strong>r Handlungsepiso<strong>de</strong>n, ist im Nibelungenlied zu sehen. Die Tier-<strong>Träume</strong><br />

bin<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Teile <strong>de</strong>r Handlung <strong>de</strong>s Nibelungenlie<strong>de</strong>s aneinan<strong>de</strong>r. Der Falkentraum<br />

zum Beispiel kann als Verbindung verschie<strong>de</strong>ner Teile <strong>de</strong>r Handlung sowie Liebe, Heirat,<br />

Jagd und Ermordung gesehen wer<strong>de</strong>n. In dies<strong>em</strong> Traum wird die Liebe zwischen Kri<strong>em</strong>hild<br />

und ein<strong>em</strong> edlen Mann zum ersten Mal ankündigt. Dann kommt Siegfried zu <strong>de</strong>n<br />

Burgun<strong>de</strong>n und sie heiraten, wie es durch <strong>de</strong>n Falkentraum prophezeit wur<strong>de</strong>. Außer<strong>de</strong>m<br />

verknüpft <strong>de</strong>r Traum die Szene <strong>de</strong>s Zerfleischens <strong>de</strong>s Falken mit <strong>de</strong>r Ermordung Siegfrieds<br />

auf <strong>de</strong>r Handlungsebene.<br />

Die letzte Funktion <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong>, die Schaffung einer Transparenz mit Hilfe <strong>de</strong>r<br />

allegorischen Denkweise gestaltet <strong>de</strong>r Dichter im Nibelungenlied, in<strong>de</strong>m er durch die<br />

allegorische Ausdrucksweise <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> eine gewisse Transparenz entstehen lässt. Er<br />

benutzt Tiere in <strong>de</strong>n ersten zwei <strong>Träume</strong>n Kri<strong>em</strong>hilds und bringt <strong>de</strong>m Leser damit das<br />

Geschehen und die einzelnen Protagonisten <strong>de</strong>s Nibelungenlie<strong>de</strong>s näher, weil die<br />

symbolischen Be<strong>de</strong>utungen dieser Tiere auf die anwesen<strong>de</strong>n Personen übertragen wer<strong>de</strong>n<br />

können.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n Teil soll die symbolische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Drachen in Herzeloy<strong>de</strong>s<br />

49


Traum in <strong>de</strong>n Blick genommen und untersucht wer<strong>de</strong>n, welche Rolle und Funktionen <strong>de</strong>r<br />

Drache in <strong>de</strong>m Traum Herzeloy<strong>de</strong>s im Parzival hat. Dazu muss beantwortet wer<strong>de</strong>n, wie<br />

dieser Drachentraum durch seine Allegorien die Geschichte und das Leben Parzivals<br />

entschlüsselt.<br />

2.2. Herzeloy<strong>de</strong>s Traum im Parzival<br />

Im Parzival 37 <strong>de</strong>s Wolframs von Eschenbach kommen vier <strong>Träume</strong> vor. 38 Aber Herzeloy<strong>de</strong>s<br />

Drachentraum tritt wegen seiner allegorisch verschlüsselten Funktion hervor.<br />

Herzeloy<strong>de</strong>, die Mutter <strong>de</strong>s Parzival, träumt von ein<strong>em</strong> Drachen, als sie<br />

schwanger war. Dieser Drachentraum spielt eine wichtige und prophetische Rolle im<br />

Parzival. Nach WITTMER-BUTSCH könnte sich die Geburt eines Kin<strong>de</strong>s mit großer Zukunft<br />

im Traum <strong>de</strong>r Mutter ankündigen (vgl. 1990, 320). So ist dieser Traum wegen seiner<br />

Bildlichkeit und Emotionalität <strong>de</strong>r Darstellung beachtlich. Es han<strong>de</strong>lt sich <strong>de</strong>utlich um einen<br />

Angsttraum. Wolfram zeigt durch <strong>de</strong>n Traum, dass die Figur <strong>de</strong>r Herzeloy<strong>de</strong> beson<strong>de</strong>rs ist.<br />

Der Traum spiegelt Herzeloy<strong>de</strong>s Witwenschaft aber gleichzeitig ihr Mutterbild wi<strong>de</strong>r und<br />

verknüpft diese mit einer prophetischen Szene. Während <strong>de</strong>r Traum mit <strong>de</strong>r Symbolik <strong>de</strong>s<br />

Drachen die Geburt eines Herrschers ankündigt, behan<strong>de</strong>lt er also auch <strong>de</strong>n Tod Aber nicht<br />

nur <strong>de</strong>n Tod ihres Mannes, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>n Abschied von Parzival und ihren eigenen Tod.<br />

Nach GREENFIELD beginnt Herzeloy<strong>de</strong>s Klage durch diesen Traum und fängt die Klage über<br />

ihren Witwenstand mit dies<strong>em</strong> Traum an (vgl. 2002, 169). Kurz nach<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n<br />

Drachentraum geträumt hat, erreicht sie die Nachricht <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s von Gahmuret, wie es im<br />

Traum prophezeit wur<strong>de</strong>. Sie fällt gleich in Ohnmacht. Als sie wie<strong>de</strong>r zu sich kommt, ist sie<br />

nicht die gleiche Herzeloy<strong>de</strong>, die vor <strong>de</strong>m Traum und <strong>de</strong>r Ohnmacht dargestellt wur<strong>de</strong>. Nach<br />

GREENFIELD kommt es hier zu einen Rollenwechsel: Sie ist nicht mehr nur die Witwe<br />

Gahmurets, son<strong>de</strong>rn auch eine Mutter. Sie gebärt, wie sie auch in ihr<strong>em</strong> Drachentraum<br />

geboren hat. In dies<strong>em</strong> Sinne nimmt sie gleichzeitig mit <strong>de</strong>r Witwen- auch eine Mutterrolle<br />

ein; sie i<strong>de</strong>ntifiziert ihr Kind mit ihr<strong>em</strong> verstorbenen Mann und ihre Geburt hin<strong>de</strong>rt sie<br />

daran, an <strong>de</strong>n durch <strong>de</strong>n Tod ihres Mannes ausgelösten Schmerzen zu sterben (vgl.<br />

GREENFIELD: 2002, 169). Außer<strong>de</strong>m führt Herzeloy<strong>de</strong>s Witwenstand zur lückenhaften<br />

37 Parzival zitiere ich nach <strong>de</strong>r Ausgabe von Karl Lachmann: Parzival, Walter <strong>de</strong> Gruyter, 2003.<br />

38 Außer Herzeloy<strong>de</strong> träumen Parzival(245,1-19), Lippaut(374,3-6) und Gawan(628,12-4). Vgl. Hartmann:<br />

2000, 291.<br />

50


höfischen Erziehung ihres Sohnes (vgl. GREENFIELD: 2002, 160). Es könnte behauptet<br />

wer<strong>de</strong>n, dass Herzeloy<strong>de</strong> ihren Traum versteht und ihn durch ihre eigene Wahrnehmung<br />

<strong>de</strong>utet, ohne ihn j<strong>em</strong>an<strong>de</strong>m zu erzählen, weil die Geburt ihres Sohnes gleich auf die Geburt<br />

<strong>de</strong>s Drachen in ihr<strong>em</strong> Traum folgt. So entsteht eine augenfällige Um<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r<br />

Witwenrolle durch Herzeloy<strong>de</strong>: „anstatt die Klage einer höfischen Witwe darzustellen, die<br />

über ihre minne zu ihr<strong>em</strong> toten Gatten spricht, ist Herzeloy<strong>de</strong>s Klage, die einer verwitweten<br />

Mutter, sie sich über die Zukunft ihres Sohnes Sorgen macht (GREENFIELD: 2002, 171).“ In<br />

dies<strong>em</strong> Kontext könnte man behaupten, dass dieser Traum eine Übergangsfunktion hat von<br />

<strong>de</strong>r Vorgeschichte, <strong>de</strong>r Handlung Gahmurets im ersten Buch, zur Haupthandlung, nämlich<br />

<strong>de</strong>r Handlung <strong>de</strong>s Parzivals im zweiten Buch.<br />

„Der Traum, auf <strong>de</strong>n später mehrfach Bezug genommen wird (245,6-8; 337,11;<br />

476, 27-30), erzeugt eine Atmosphäre <strong>de</strong>r Bedrohung, spricht verschlüsselt von<br />

Tod, Geburt und Verlust. Zusammen mit <strong>de</strong>n Klagen <strong>de</strong>r Erzählers (103, 18-24)<br />

bereitet er das Publikum auf <strong>de</strong>n Lei<strong>de</strong>nsweg <strong>de</strong>r eben noch als Inbegriff höfischer<br />

Schönheit und I<strong>de</strong>alität gefeierten Königin vor, sen<strong>de</strong>t „boten künftigiu leit<br />

(245,4)“ (HARTMANN: 2000, 292).<br />

Im ersten Buch wird von <strong>de</strong>n Abenteuern Gahmurets, wie er ein berühmter Ritter wird und<br />

wie er in vielen Län<strong>de</strong>rn kämpft, erzählt. Außer<strong>de</strong>m wird von seiner Begegnung mit <strong>de</strong>r<br />

schwarzen Königin Belekane und sein<strong>em</strong> Weggehen berichtet. Ohne Abschied zu nehmen,<br />

verlässt er die Königin Belekane. Im zweiten Buch tritt er in seine neue Ehe, mit<br />

Herzeloy<strong>de</strong>, ein. Nach<strong>de</strong>m er auch von Herzeloy<strong>de</strong> weggeht, erscheint <strong>de</strong>r Drachentraum<br />

und bil<strong>de</strong>t damit einen Übergang zur Handlung Parzivals.<br />

Außer<strong>de</strong>m erregt <strong>de</strong>r Drachentraum durch seine Symbolik Aufmerksamkeit.<br />

Nach HARTMANN machen die Traumbil<strong>de</strong>r und beson<strong>de</strong>rs die Symbolik <strong>de</strong>s Drachen <strong>de</strong>n<br />

Traum herausragend und b<strong>em</strong>erkenswert, weil alle Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Drachentraums Herzeloy<strong>de</strong>s<br />

nicht aus einer Quelle stammen, son<strong>de</strong>rn sowohl aus Bibel und Antike als auch aus<br />

mittelalterlicher Dichtung (vgl. 2000, 291). Wolfram bringt alle diese Quellen zusammen<br />

und er lässt damit die Traumbil<strong>de</strong>r kunstvoll ineinan<strong>de</strong>r fließen.<br />

2.2.1. Herzeloy<strong>de</strong>s Drachentraum<br />

Eines Nachmittags hat Herzeloy<strong>de</strong> einen unglücklichen, schrecklichen Angsttraum, in <strong>de</strong>m<br />

sich eine Gleichsetzung zweier Personen vollzieht: Ihr erscheinen Gahmuret und Parzival,<br />

51


<strong>de</strong>r Geliebte und <strong>de</strong>r Sohn, als i<strong>de</strong>ntisch und nicht voneinan<strong>de</strong>r zu trennen. Sie stehen bei<strong>de</strong><br />

gleichermaßen für <strong>de</strong>n Zielpunkt ihres Traums (vgl. BACHORSKI: 2007, 33). Dieser Traum<br />

ist im zweiten Buch Parzivals zu fin<strong>de</strong>n:<br />

diu frouwe umb einen mitten tac<br />

eins angestlîchen slâfes pflac.<br />

ir kom ein fortlîcher schrîc.<br />

si dûchte wie ein sternen blic<br />

si gein <strong>de</strong>n lüften fuorte,<br />

dâ si mit kreften ruorte<br />

manc fiurîn donerstrâle,<br />

die flugen al z<strong>em</strong>âle<br />

gein ir: dô sungelt un<strong>de</strong> sanc<br />

von gänstern ir zöpfe lanc.<br />

mit krache gap <strong>de</strong>r doner duz:<br />

brinn<strong>de</strong> zäher was sîn guz.<br />

ir lîp si â nâch wi<strong>de</strong>r vant,<br />

dô zuct ein grif ir zeswen hant:<br />

daz wart ir verkêhrt hie mite.<br />

si dûchte wun<strong>de</strong>rlîcher site,<br />

wie si waere eins wurmes amme,<br />

<strong>de</strong>r sît zerfuorte ir wamme,<br />

und daz <strong>de</strong>r gâhes von ir flüge,<br />

sô daz sin nimmer mêr gesach.<br />

daz herze err ûz<strong>em</strong> lîbe brach:<br />

die vorhte muose ir ougen sehen. (PZ: 103, 25-30; 104, 1-17)<br />

Gahmuret ist ein halbes Jahr weg von Herzeloy<strong>de</strong>, als sie diese ihren grausamen<br />

Drachentraum träumt. Deswegen könnte man behaupten, „<strong>de</strong>r Traum wird <strong>de</strong>utlich motiviert<br />

durch ihre Liebe und ihr sehnsüchtiges Warten auf <strong>de</strong>n vermissten Gahmuret (BACHORSKI:<br />

2007, 32). BACHORSKI stellt fest, dass dieser Gefühlzustand <strong>de</strong>n Humus für <strong>de</strong>n Traum<br />

bil<strong>de</strong>t und ihre Wünsche und Sorgen in <strong>de</strong>n Traum transportiert wer<strong>de</strong>n, nämlich ihre<br />

Sehnsucht nach Gahmuret sowie ihre Angst aufgrund seiner Abwesenheit (vgl. 2007, 30).<br />

Nach HARTMANN können die Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Drachentraums Herzeloy<strong>de</strong>s in drei<br />

Teile eingeteilt wer<strong>de</strong>n: 1. Flug durchs Gewitter (103, 28-104-6), 2. Angriff eines Greifen<br />

(104,7), 3. Geburt und Säugung <strong>de</strong>s Drachen (104,9-17): 39<br />

Zuerst ist im Drachentraum zu erfahren, dass Herzeloy<strong>de</strong> wie ein sternen blic<br />

(103, 28) in die Lüfte erhebt. Nach ROßKOPF ist die von Wolfram im Traum mit sternen blic<br />

und si gein <strong>de</strong>n lüften fuorte beschriebene Atmosphäre kein biologischer Lebensraum <strong>de</strong>s<br />

Menschen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tierwelt, son<strong>de</strong>rn meint Wolfram damit einen heilgeschichtlich und<br />

39 Diese Teile entsprechen wegen ihrer allegorischen Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bibel, <strong>de</strong>r antiken und <strong>de</strong>r mittelalterlichen<br />

Dichtung. Siehe dazu oben S. 59. vgl. HARTMANN: 2000, 291.<br />

52


eligiös be<strong>de</strong>utsamen Ort (vgl. 1972, 49). HARTMANN äußert überdies, dass die Be<strong>de</strong>utung<br />

dieses Kompositums mit sternen blic nicht ganz klar ist. Aber er fügt hinzu, dass die<br />

Forschung <strong>de</strong>n Blitz von ein<strong>em</strong> Stern meistens als Meteoriten o<strong>de</strong>r Kometen auffasst (vgl.<br />

2000, 292). Kometen und Sternschnuppen fungieren im Allg<strong>em</strong>einen als Unheilboten Seit<br />

<strong>de</strong>r antiken Zeit waren sie ein Symbol für bevorstehen<strong>de</strong> Katastrophen wie Krieg, Pest,<br />

Hungersnot, <strong>de</strong>n Tod Königs usw. (vgl. HARTMANN: 2000, 294). Für <strong>de</strong>n Dichter wur<strong>de</strong><br />

diese Sternschnuppe zum menschlichen To<strong>de</strong>ssymbol und die Luft galt ihm als <strong>de</strong>r Raum<br />

<strong>de</strong>s Bösen und <strong>de</strong>r ewig Verdammten (vgl. ROßKOPF: 1972, 56). Gleichzeitig sind Blitz,<br />

Donner und Feuer seit alters ein Attribut für die höchsten Götter und Nähe Gottes (vgl.<br />

1972, 56). Aber sie sind im Traum Herzeloy<strong>de</strong>s nicht positiv dargestellt. Alle die<br />

schrecklichen Erscheinungen von Blitzen, Donnerstrahlen und Funken konzentrieren sich<br />

auf Herzeloy<strong>de</strong>, sodass diese infolge<strong>de</strong>ssen in Flammen aufzugehen droht. Genau diese<br />

Symbolik fin<strong>de</strong>t sich auch im Neuen Testament in <strong>de</strong>r Johannes Apokalypse. 40 Nach BRALL-<br />

TUCHEL geht es in dies<strong>em</strong> Traum <strong>de</strong>r Gattin und wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mutter um eine religiös<br />

inspirierte Apokalypse bzw. eine Vision, die auf geläufige Bil<strong>de</strong>r, Symbole und<br />

Vorstellungen aus <strong>de</strong>m Inventar <strong>de</strong>r zeitgenössischen Frömmigkeit herstammt (2004, 76). In<br />

bei<strong>de</strong>n Fällen gibt es eine schwangere Frau zwischen Donnern und Blitzen im Mittelpunkt.<br />

„Die apokalyptische Himmelserscheinung taucht bei Wolfram im Medium eines<br />

Traumes (somnium, visio) auf. Die <strong>Träume</strong>rin, die sich in ein<strong>em</strong> affektiven<br />

Ausnahmezustand befin<strong>de</strong>t, bezieht dieses biblisch bezeugte Himmelszeichen, das<br />

auch in <strong>de</strong>r religiösen Bildüberlieferung einen prominenten Platz einnimmt, auf<br />

sich und ihre krisenhafte Lebenssituation“ (BRALL-TUCHEL: 2004, 75).<br />

In <strong>de</strong>r Johannes Apokalypse gibt es eine Frau, die mit <strong>de</strong>r Sonne beklei<strong>de</strong>t ist.<br />

Der Mond ist unter ihren Füßen und sie hat einen Kranz von zwölf Sternen auf ihr<strong>em</strong> Haupt.<br />

Bei Herzeloy<strong>de</strong> gibt es keinen Mond o<strong>de</strong>r Kranz, aber sie ist mit <strong>de</strong>r Aussicht eines Sternes<br />

umgegeben. In bei<strong>de</strong>n Fällen kommt auch ein Drache vor. In <strong>de</strong>r Johannes Apokalypse<br />

bedroht dieser Drache die Frau und das Kind und er will ihr Kind verschlingen, nach<strong>de</strong>m es<br />

geboren ist. Der Drache sucht das messianische Kind, <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Weltenrichter, um<br />

nach <strong>de</strong>r Geburt <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s dieses zu verschlingen. Aber die Frau flieht vor dies<strong>em</strong><br />

Drachen. Dagegen wur<strong>de</strong> Herzeloy<strong>de</strong> zur Mutter <strong>de</strong>s Drachen und säugt sogar <strong>de</strong>n Drachen.<br />

Nach BRALL-TUCHEL gibt es im Traumtext überdies eine beachtliche Um<strong>de</strong>utung: An<strong>de</strong>rs<br />

40 Siehe Anhang VII.<br />

53


als <strong>de</strong>r Drache <strong>de</strong>r Offenbarung, droht <strong>de</strong>r Drache im Traum Herzeloy<strong>de</strong>s ihr nicht, das Kind<br />

zu verschlingen, son<strong>de</strong>rn er saugt an <strong>de</strong>n Brüsten <strong>de</strong>s Weibes, fliegt für immer fort und reißt<br />

ihr das Herz aus <strong>de</strong>m Leib. In dies<strong>em</strong> Kontext fin<strong>de</strong>t das vom Himmel kommen<strong>de</strong><br />

Schreckensbild <strong>de</strong>s feindlichen Drachen in <strong>de</strong>m von Herzeloy<strong>de</strong> genährten und ihren Leib<br />

zerreißen<strong>de</strong>n wurm seinen irdischen Gegenpol (2004, 83). In <strong>de</strong>r Johannes Apokalypse wird<br />

aus <strong>de</strong>m Volk Gottes durch Maria das Kind, Christus, <strong>de</strong>r Messias geboren, <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m<br />

Propheten Jesaja mit eisern<strong>em</strong> Zepter über alle Völker herrschen und Gerechtigkeit schaffen<br />

wird. Mit <strong>de</strong>r Geburt <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s ist die messianische Endzeit angebrochen, <strong>de</strong>r Drache<br />

stürzt aus <strong>de</strong>r Unendlichkeit in die Geschichte <strong>de</strong>r Menschen und er verfolgt sie auf <strong>de</strong>r<br />

Er<strong>de</strong>. Er ist damit aber auch endlich gewor<strong>de</strong>n, seine Zeit ist begrenzt. „Ich sah <strong>de</strong>n Satan<br />

wie einen Blitz vom Himmel fallen“, sagt Jesus im Lukasevangelium (Lk 10,18). Während<br />

Christus <strong>de</strong>n Tod überwin<strong>de</strong>t, aus <strong>de</strong>m Reich <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s gerettet und nach <strong>de</strong>r Auferstehung<br />

zu Gott gesandt wird, flieht die Frau zusammen mit Gottes Volk in die Wüste, wo Gott ihr<br />

und ihren Nachkommen einen Zufluchtsort geschaffen hat und sie durch Brotvermehrung<br />

nährt. 41 Nach BRALL-TUCHEL nimmt Herzeloy<strong>de</strong> sich selbst in Bezug zur Offenbarung <strong>de</strong>s<br />

Johannes und damit in Bezug zum vom Drachen bedrängten Weib, <strong>de</strong>r Gottesmutter, wahr<br />

(vgl. 2004, 87).<br />

Da Herzeloy<strong>de</strong> in einer solchen Atmosphäre mit Blitz, Donner und Feuer<br />

dargestellt wird, heißt dies, „dass <strong>de</strong>r richten<strong>de</strong> Gott in <strong>de</strong>r Nähe ist und das Urteil über ihr<br />

zurückliegen<strong>de</strong>s Leben außerhalb von Munsalvaesche unmittelbar bevorsteht“ (ROßKOPF:<br />

1972, 60). Daraufhin reißt ein grif 42 ihre rechten Hand 43 fort. Der Greif symbolisiert<br />

Herzeloy<strong>de</strong>s Gesinnung und Taten ihres zurückliegen<strong>de</strong>n Lebens, nämlich ihr sündhaftes<br />

Verhalten. Diese Gesinnung und Taten führen zum Gericht und ewiger Pein (vgl. ROßKOPF:<br />

1972, 31). Der Verlust <strong>de</strong>r rechten Hand durch <strong>de</strong>m Greif symbolisiert <strong>de</strong>n Tod ihres<br />

Mannes Gahmuret (vgl. HARTMANN: 2000, 299). Nach<strong>de</strong>m sie ihre rechte Hand verliert,<br />

passiert aber etwas Verwun<strong>de</strong>rliches. Sie gebärt einen wurm 44 , <strong>de</strong>r das Herz später mit<br />

41<br />

vgl. Die Frau und <strong>de</strong>r Drache. Zitiert nach: http://www.johannes-apokalypse.<strong>de</strong>/johannesapokalypse.html#III.1.<br />

Stand 05.06. 2012.<br />

42<br />

Der Greif kommt auch in Karls Tiertraum im Rolandslied vor. In dies<strong>em</strong> Traum hat <strong>de</strong>r Greif die Be<strong>de</strong>utung<br />

eines Furcht erregen<strong>de</strong>n Wesens und steht für Paligan und die Hei<strong>de</strong>n. Siehe oben S. 24. Siehe oben S. 24.<br />

43<br />

Rechte Hand <strong>de</strong>s Karls im Rolandslied. In sein<strong>em</strong> Traum kündigt <strong>de</strong>r Verlust <strong>de</strong>s rechten Arms <strong>de</strong>n Tod<br />

Rolands an. Siehe Oben S. 22. Siehe dazu: RL: 3030-3047.<br />

44<br />

Nach ROßKOPF stellt Wolfram im Parzival Herzeloy<strong>de</strong> in Analogie zu Eva dar: „Herzeloy<strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>ln wird<br />

von Wolfram im Zusammenhang mit jener durch die Stammmutter in die Welt gekommenen Sün<strong>de</strong>ndynamik<br />

gesehen: nur weil letztlich in ihr<strong>em</strong> Minneverhalten<strong>de</strong>r Teufel, <strong>de</strong>r damals Macht über die Menschheit erhalten<br />

hat, weiter wirksam ist, kann die Frucht ihrer Liebe unter sein<strong>em</strong> Sinnbild –wurme- geschaut wer<strong>de</strong>n“ (1972,<br />

54


Gewalt aus ihr<strong>em</strong> Mutterleib reißt und an ihrer Brust säugt. Dieses Zerreißen steht für die<br />

Brutalität: Das aus ihr<strong>em</strong> Leib gerissene Herz ist ein Symbol für ihr grausames En<strong>de</strong>. Aber<br />

<strong>de</strong>r Traum kündigt wegen <strong>de</strong>r Geburt <strong>de</strong>s Drachen nicht nur <strong>de</strong>n Tod Herzeloy<strong>de</strong>s an,<br />

son<strong>de</strong>rn auch die Geburt Parzivals. Damit tritt eine Art von Mutter-Kind-Verhältnis zu Tage,<br />

das als Voraus<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s späteren Schicksals zwischen Herzeloy<strong>de</strong> und Parzival<br />

interpretiert wer<strong>de</strong>n kann (vgl. ROßKOPF: 1972, 78). HARTMANN beschreibt das Herz als<br />

physische und psychische Lebensmitte, in <strong>de</strong>m die Menschen wohnen und regieren, die man<br />

liebt. Parzival -<strong>de</strong>r Drache- bricht ihr das Herz (2000, 302). Dies verursacht ihren Tod aus<br />

jâmer (128, 17-22). Dann fliegt <strong>de</strong>r Drache weg von ihr. So erscheint hier das Symbol <strong>de</strong>s<br />

Fortfliegens (<strong>de</strong>s Drachen): „Das Fortfliegen ist in <strong>de</strong>r Traumsprache ein geläufiges Bild für<br />

das Verlassen eines Menschen“ (SPECKENBACH: 2001, 73). 45 Auf diese Weise vermittelt<br />

Wolfram <strong>de</strong>m Leser das Fortgehen Parzivals mit Hilfe <strong>de</strong>s Traums.<br />

Außer<strong>de</strong>m wird in <strong>de</strong>r Erzählung <strong>de</strong>s Drachentraums ni<strong>em</strong>and als Deuter<br />

dargestellt, wie Ute im Kri<strong>em</strong>hilds Falkentraum als Deuterin dargestellt wur<strong>de</strong>. In dies<strong>em</strong><br />

Fall könnte man daher behaupten, dass Herzeloy<strong>de</strong> ihren Drachentraum selber <strong>de</strong>utet und<br />

die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Symbole versteht, weil die Traumbil<strong>de</strong>r die Deutung klar wer<strong>de</strong>n lassen,<br />

in<strong>de</strong>m die Nachricht vom Tod Gahmurets sie kurz nach ihr<strong>em</strong> Traum erreicht. So weiß sie,<br />

dass <strong>de</strong>r Drachentraum <strong>de</strong>n Tod ihres Mannes prophezeit hat. Sie nimmt <strong>de</strong>n Traum als<br />

Warnung vor <strong>de</strong>r Gefahr für Parzival, <strong>de</strong>nn Herzeloy<strong>de</strong> i<strong>de</strong>ntifiziert seit seiner Geburt<br />

Parzival mit ihr<strong>em</strong> verstorbenen Mann Gahmuret (113, 13-14). Darüber hinaus sagt sie, dass<br />

sie in ihr<strong>em</strong> Sohn ihren toten Mann wie<strong>de</strong>r gebären wird (BUMKE, 2004, 52). So entschließt<br />

sie sich Parzival zu schützen (117, 7-15) und ihren Sohn vor ein<strong>em</strong> ritterlichen Leben und<br />

damit <strong>de</strong>m möglichen Tod zu bewahren, weil dieses ritterliche Leben zum Tod ihres<br />

Mannes Gahmuret geführt hat. So erfüllt <strong>de</strong>r Drachentraum Herzeloy<strong>de</strong>s seine<br />

Brückenfunktion in <strong>de</strong>r Geschichte und leitet die Geschichte <strong>de</strong>s Parzival ein.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n Teil soll die Be<strong>de</strong>utung und die Deutung <strong>de</strong>s Drachens, sowohl im<br />

mittelalterlichen Leben als auch in Literatur dargestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

100).<br />

45 Das Motiv <strong>de</strong>s Fortfliegens ist auch im Falkenlied KÜRENBERGERs zu sehen. Siehe Oben S. 30.<br />

55


2.2.1.1. Der Drache im Mittelalter<br />

Die Herkunft <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Drachensymbols stammt aus <strong>de</strong>r antiken Zeit und <strong>de</strong>r Bibel: Der<br />

Drache war in <strong>de</strong>r Antike ein Symbol für dämonartige Untiere und diese Eindrücke <strong>de</strong>r<br />

Antike wur<strong>de</strong>n durch christlich-biblische Bil<strong>de</strong>r verstärkt (vgl. MACKENSEN: 1987, 368-<br />

370). Das Wort Drache gibt es fast in allen europäischen Sprachen; es geht auf das<br />

Lateinische zurück, wobei draco selbst eine Entlehnung aus <strong>de</strong>m Griechischen (drakon=<br />

„<strong>de</strong>r scharf/furchtbar Blicken<strong>de</strong>“ < Drache, Schlange) ist (TUBACH: 2007, 21). Der Drache<br />

wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n frühen Kulturen <strong>de</strong>s Mittelmeerraums als real existieren<strong>de</strong>s schlangenartiges<br />

Mischwesen geglaubt (vgl. in ENGEMANN, BINDING: 1986, 1339). Seit <strong>de</strong>r Antike gibt es<br />

keinen klaren Unterschied zwischen Schlange und Drache (vgl. TUBACH: 2007, 23). In <strong>de</strong>r<br />

germanischen Mythologie und germanischen Sagen kommt <strong>de</strong>r Drache oft vor und spielt so<br />

eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle. Er wird immer in phantastischer Gestalt dargestellt, variiert stark in<br />

seiner Form und vereinigt unterschiedliche Eigenschaften in sich (vgl. TUBACH: 2007, 114):<br />

„Er ist geschuppt o<strong>de</strong>r auch mit Fell besetzt, hat einen Raubtier- o<strong>de</strong>r Echsenkopf, kriecht<br />

auf zwei o<strong>de</strong>r vier krallen- bzw. prankenartigen Füßen, besitzt einen langen meist<br />

geringelten Schwanz, speit Feuer o<strong>de</strong>r Gift und spricht mit gespaltener Zunge“ (TUBACH:<br />

2007, 114). Nach TUBACH bedroht dieses Mischwesen <strong>de</strong>n Menschen, <strong>de</strong>r ihm gegenüber<br />

zur Ohnmacht verurteilt ist (vgl. 1983, 177). „Unzählige Drachen tummeln sich in<br />

mittelalterlichen Werken. Sie speien Feuer, sind meistens Grauen erregend und böseartig,<br />

wer<strong>de</strong>n aber bis auf wenige Ausnahmen gna<strong>de</strong>nlos von Tapferen und to<strong>de</strong>smutigen Hel<strong>de</strong>n<br />

besiegt“ (GRAFETSTÄTTER, KRINES, LORENZ: 2002, 59).<br />

Der Drache tritt in verschie<strong>de</strong>nen Erscheinungsformen auf:<br />

„Man sieht entwe<strong>de</strong>r auf die gefährlichen, unsympathischen Seiten <strong>de</strong>s Drachen [...] o<strong>de</strong>r<br />

aber man sieht mehr auf die Macht und zwingen<strong>de</strong> Gewalt seiner Erscheinung, dann ist<br />

man geneigt, ihm große Wirkung in positiver Hinsicht zuzuschreiben“ (MACKENSEN:<br />

1987, 389).<br />

In dies<strong>em</strong> Sinne ist er ein Symbol für Ungeheuer, das Böse und Teuflische o<strong>de</strong>r aber er<br />

versinnbildlicht im positiv<strong>em</strong> Sinne die Macht und die Herrschaft (vgl. HARTMANN: 2000,<br />

300, 301).<br />

In <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n <strong>de</strong>s Mittelalters kommt <strong>de</strong>r Drache öfters vor. Im Gegensatz zu<br />

seiner oft negativen Konnotation in <strong>de</strong>r Literatur, hat <strong>de</strong>r Drache in <strong>de</strong>n mittelalterlichen<br />

56


Traumbüchern meist positive Be<strong>de</strong>utungen. Einen Drache im Traum zu sehen, verkündigt<br />

zum Beispiel eine Auszeichnung, Gewinn o<strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>; ein fliegen<strong>de</strong>r Drache be<strong>de</strong>utet einen<br />

Schatz (vgl. FISCHER: 1989, 21).<br />

Im weiteren Verlauf <strong>de</strong>r Arbeit soll die mögliche Deutung <strong>de</strong>s Drachen im<br />

Traum Herzeloy<strong>de</strong>s gezeigt wer<strong>de</strong>n. Dazu soll beantwortet wer<strong>de</strong>n, warum Parzival mit<br />

ein<strong>em</strong> Drachensymbol versinnbildlicht wird.<br />

2.2.1.2. Zur symbolischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Drachen im Parzival<br />

Der Drache als ein ambivalentes Symbol, das gleichzeitig positive und negative<br />

Be<strong>de</strong>utungen verbin<strong>de</strong>t und somit zum Beispiel Macht, Herrschaft aber auch das Ungeheuer,<br />

das Böse, das Teuflische verkörpern kann, tritt im Parzival als ein königliches Symbol auf.<br />

HATTO macht auch auf diese symbolische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Drachen aufmerksam und versucht<br />

dieses Paradox zu th<strong>em</strong>atisieren, in<strong>de</strong>m er sich fragt, „why Parzival, who becomes the<br />

Pattern of a medieval Christian king, should be a dragon, which is normally the symbol of<br />

Evil, Antichrist and Heresey“ (1968, 16).<br />

Nach <strong>de</strong>r Geburt wird Herzeloy<strong>de</strong> als amme (104, 11) <strong>de</strong>s Drachen beschrieben:<br />

Herzeloy<strong>de</strong> gebärt und nährt <strong>de</strong>n Drachen. Vierzehn Tage nach dies<strong>em</strong> Drachentraum<br />

kommt Parzival zur Welt und mit dieser Geburt passen alle Traumbil<strong>de</strong>r zur tatsächlichen<br />

Handlung. Wolfram macht diese Allegorie <strong>de</strong>s Drachen in Bezug auf Parzival im 9. Buch<br />

<strong>de</strong>s Parzivals mit Trevrizent noch einmal <strong>de</strong>utlich (vgl. SPECKENBACH: 2001, 73). Hier<br />

<strong>de</strong>utet Trevrizent <strong>de</strong>n Drachentraum auf direkte Weise: Der Drache symbolisiere Parzival,<br />

<strong>de</strong>r seine Mutter verlässt, woraufhin sie an ihr<strong>em</strong> gebrochenen Herzen sterbe: 46<br />

dîner muoter daz ir triuwe erwarp,<br />

dô du von ir schie<strong>de</strong>, zehant si starp.<br />

du waere daz tier daz si dâ souc,<br />

unt <strong>de</strong>r trache <strong>de</strong>r von ir dâ vlouc. ez wi<strong>de</strong>rvuor in slâfe ir gar,<br />

ê daz diu süeze dich gebar. (PZ: 476, 25-30)<br />

Außer<strong>de</strong>m weißt HATTO auf Herzeloy<strong>de</strong>s Aussage hin, in <strong>de</strong>r sie sich selbst als Maria<br />

betrachtet (vgl. 1968, 24):<br />

46 vgl. Simone KRAFT: Der Drachenkampf in <strong>de</strong>r Literatur <strong>de</strong>s Mittelalters. Zitiert nach: Stand<br />

http://othes.univie.ac.at/4220/1/2009-03-16_0301829.pdf. Stand 06. 06. 2012.<br />

57


[frou] Herzeloy<strong>de</strong> sprach mit sinne<br />

´diu hœste küneginne<br />

Jêsus ir brüste bôt,<br />

<strong>de</strong>r sît durch uns vil scharpfen tôt<br />

ame kriuze mennischlîche enphienc<br />

und sîne triwe an uns begienc.<br />

swes lîp sîn zürnen ringet,<br />

<strong>de</strong>s sêle unsamfte dinget,<br />

swie kiuscher sî und wære<br />

<strong>de</strong>s weiz ich wâriu mære. (PZ: 113, 17-26)<br />

Damit stellt er fest: „Wolfram [...] momentarily evokes the analogy between the Virgin with<br />

the infant Christ and Herzeloy<strong>de</strong> with the infant Parzival, who is <strong>de</strong>stinated to be King of the<br />

Graal“ (vgl. 1968, 24).<br />

In dies<strong>em</strong> Sinne passen sowohl das Symbol <strong>de</strong>s Drachen als auch die<br />

Traumhandlung zur Figur <strong>de</strong>s Parzival. Wie auch BUMKE b<strong>em</strong>erkt, ist die Geburt dieses<br />

Drachens im Traum eine Verkündigung eines großen Königs (2004, 52). Auch wenn<br />

Parzival mit sein<strong>em</strong> Verlassen <strong>de</strong>n Tod seiner Mutter verursacht, steht <strong>de</strong>r Drache trotz<strong>de</strong>m<br />

für ein positives Herrschersymbol, das einen großen König prophezeit (vgl. SPECKENBACH:<br />

2001, 73). In dies<strong>em</strong> Kontext macht HATTO auch auf die Geburt <strong>de</strong>s Drachen in<br />

Klytaimnestras Traum aufmerksam 47 :<br />

„Clyteimnestra´s in Aeschylus` Choephoroe un<strong>de</strong>rlines the danger of the Dragon<br />

to the mother: in different ways their sons killed Clyt<strong>em</strong>nestra and Herzeloy<strong>de</strong>„<br />

(HATTO: 1968, S.2 2).<br />

Die bei<strong>de</strong>n Söhne verursachen <strong>de</strong>n Tod ihrer Mutter. Während Klytaimnestra mit Vorsatz<br />

von ihr<strong>em</strong> Sohn Orestes getötet wird 48 , stirbt Herzeloy<strong>de</strong> an <strong>de</strong>m Kummer, <strong>de</strong>n ihr Sohn<br />

Parzival ohne Absicht verursacht.<br />

Wolfram benutzt aber im Parzival nicht nur das Wort trache, son<strong>de</strong>rn er spricht<br />

in Herzeloy<strong>de</strong>s Traum erst von ein<strong>em</strong> wurm (104, 11). Nach ROßKOPF gilt es die Inhalte <strong>de</strong>r<br />

bei<strong>de</strong>n zentralen Begriffe wurm und trache zu analysieren, die in <strong>de</strong>n bekannten<br />

Kommentaren und Übersetzungen meist als Synonyme verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n (1972, 78). wurm<br />

galt für die Missionare bei <strong>de</strong>r Christianisierung <strong>de</strong>r Germanen als eine Bezeichnung für<br />

Paradiesschlangen. Hinter dieser Bezeichnung steht auf <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utungsebene die geistige,<br />

gottesfeindliche Macht, die auch als Teufel bezeichnet wer<strong>de</strong>n könnte. ROßKOPF stellt fest,<br />

dass damit alle Verwendungen <strong>de</strong>s Drachen direkt o<strong>de</strong>r indirekt mit <strong>de</strong>m Sün<strong>de</strong>nfall<br />

47 Siehe oben: Klytaimnestras Drachentraum, S. 9.<br />

48 Um seinen Vater zu rächen will Klytaimstras Sohn Orestes seine Mutter töten. Siehe oben S. 9, 10.<br />

58


assoziiert wer<strong>de</strong>n können (vgl. 1972, S. 79-81). Diese Deutung <strong>de</strong>s Drachen als Sün<strong>de</strong>nfall<br />

<strong>de</strong>n machtklar, warum Wolfram Parzival, <strong>de</strong>n künftigen Grall König, mit ein<strong>em</strong> Drachen<br />

versinnbildlicht hat. Man könnte auch Parzival in Bezug auf diesen Sün<strong>de</strong>nfall<br />

th<strong>em</strong>atisieren, weil er <strong>de</strong>n Tod seiner Mutter verursacht, in<strong>de</strong>m er sich auf <strong>de</strong>n Weg macht,<br />

um <strong>de</strong>n Gral zu suchen.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n Teil sollen die Funktionen <strong>de</strong>s Drachentraums im Leben Parzivals<br />

und in <strong>de</strong>r Handlung gezeigt wer<strong>de</strong>n.<br />

2.2.2. Funktionen <strong>de</strong>s Traums in Parzivals Leben und in <strong>de</strong>r Handlung<br />

Der Drachentraum Herzeloy<strong>de</strong>s hat verschie<strong>de</strong>ne Funktionen, sowohl im Leben Parzivals als<br />

auch in <strong>de</strong>r Handlung. In dies<strong>em</strong> Kontext könnte man die Funktionalisierung <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> in<br />

Literatur nach SPECKENBACH für die Analyse verwen<strong>de</strong>n und Herzeloy<strong>de</strong>s Drachentraum in<br />

Bezug auf die fünf Funktionen von <strong>Träume</strong>n in <strong>de</strong>r Literatur untersuchen:<br />

Zuerst hat <strong>de</strong>n Drachentraum die Funktion <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Handlung. Der<br />

Drachentraum Herzeloy<strong>de</strong>s för<strong>de</strong>rt die Handlung <strong>de</strong>s Parzival. Herzeloy<strong>de</strong> ist von Anfang<br />

an durch ihren Traum mit <strong>de</strong>n harten Schicksalsschlägen umgeben, die die Zukunft ihres<br />

Kin<strong>de</strong>s zu be<strong>de</strong>uten scheinen. 49 Auch wegen seiner Mittelstellung im Werk scheint <strong>de</strong>r<br />

Drachentraum <strong>de</strong>n weiteren Lebensweg Herzeloy<strong>de</strong>s und Parzivals sowie <strong>de</strong>n weiteren<br />

Verlauf <strong>de</strong>r Geschichte vorzuzeichnen. Als Beispiel könnte man Herzeloy<strong>de</strong>s Verzieht auf<br />

das höfische Leben anführen: „Sie <strong>de</strong>utet das lineare Geschehen“ (ROßKOPF: 1972, 129) und<br />

infolge <strong>de</strong>s Traums, so könnte behauptet wer<strong>de</strong>n, will sie ihren Sohn schützen und vor<br />

ein<strong>em</strong> ritterlichen Tod bewahren. Sie zieht aus ihr<strong>em</strong> Land in einen Wald und Parzival wird<br />

in dies<strong>em</strong> wil<strong>de</strong>n Wald, weit weg von <strong>de</strong>r höfischen Welt, von Soltâne erzogen (117, 7; 118,<br />

1-2). In dies<strong>em</strong> Punk fängt die Geschichte Parzivals an sich im Sinne <strong>de</strong>s Traums mit <strong>de</strong>m<br />

Drachen zu verwirklichen. Obwohl ni<strong>em</strong>and in Soltâne von Rittertum sprechen darf, erlebt<br />

er dort, was für sein Leben wichtig ist. Er trifft <strong>de</strong>n Rottenritter und entschei<strong>de</strong>t sich ein<br />

Ritter zu wer<strong>de</strong>n wie er. Darüber hinaus macht er sich auf <strong>de</strong>n Weg, sein Leben än<strong>de</strong>rt sich<br />

und die Handlung geht weiter.<br />

49 vgl. Helga MÜLLNERITSCH: Letale Mutterliebe:Szenen einer Mutter-Kind-Beziehung zwischen Traum und<br />

Trauma in Wolframs von Eschenbach Parzivâl, S. 29. Zitiert nach:<br />

http://cma.gbv.<strong>de</strong>/dr,cma,013,2010,a,02.pdf. Stand 06. 06. 2012.<br />

59


Die zweite Funktion ist die Schaffung von Stimmung durch die Bildsprache <strong>de</strong>s<br />

jeweiligen Traumes. Die Bildsprache im Traum Herzeloy<strong>de</strong>s bil<strong>de</strong>t eine komplexe<br />

Metapher, die für die Deutung <strong>de</strong>s Parzival unerlässlich ist. Durch die Bildsprache im<br />

Traum, so kann man festhalten, verweiset dieser auf die künftigen Ereignisse und zeichnet<br />

mit seiner Bildsprache ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>r Handlung vor. Das erste Traumbild zeigt<br />

beson<strong>de</strong>rs Herzeloy<strong>de</strong>s eigenes Leid. Im folgen<strong>de</strong>n Traumbild erscheint <strong>de</strong>r Drache und<br />

damit verstärkt sich das Bild zu einer Gesamtstimmung. „Vor <strong>de</strong>r Geburt Parzivals stellen<br />

sich mit <strong>de</strong>m Drachentraum die ersten Darstellungen ein, die erahnen lassen, dass Parzival<br />

nämlich <strong>de</strong>n zukünftigen Gralskönig keine normale Kindheit erwarten wird.“ 50 Das letzte<br />

Bild steht für ihren eigenen Tod. Obwohl diese Traumbil<strong>de</strong>r grundverschie<strong>de</strong>n sind, ist<br />

jedoch die durch sie entstehen<strong>de</strong> Stimmung gleich.<br />

Der Drachentraum stellt auch die epische Voraus<strong>de</strong>utung dar. Wolfram<br />

ermöglicht mit <strong>de</strong>m Drachentraum eine epische Voraus<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Zukunft <strong>de</strong>r Figuren.<br />

Der Drachentraum Herzeloy<strong>de</strong>s nimmt durch seine prophetische Funktion die Schicksale <strong>de</strong>r<br />

Figuren voraus. Der Autor hat <strong>de</strong>n Drachentraum an dieser Stelle <strong>de</strong>s Werks merkwürdig<br />

sperrig in <strong>de</strong>n Gang <strong>de</strong>r Erzählung eingebettet. Denn es scheint, als sei unmittelbar an <strong>de</strong>n<br />

Bericht von <strong>de</strong>m zuerst glücklichen Herrscherinnenleben Herzeloy<strong>de</strong>s eine düstere epische<br />

Voraus<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Erzählers angeschlossen wor<strong>de</strong>n (vgl. BACHORSKI, 2007, S. 28). Der<br />

Traum steht kurz vor <strong>de</strong>r Nachricht <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s von Herzeloy<strong>de</strong>s Mann und Parzivals Geburt.<br />

Die drei unterschiedlichen Teile <strong>de</strong>s Drachentraums lassen <strong>de</strong>n Leser in die Zukunft<br />

schauen. Als Beispiel kann man Flugmotiv <strong>de</strong>s Drachen anführen. Im Traum fliegt <strong>de</strong>r<br />

Drache weg. Dieser Flug be<strong>de</strong>utet, dass auch Parzival eines Tages von Solt1âna weggehen<br />

wird. Außer<strong>de</strong>m reißt <strong>de</strong>r Drache das Herz Herzeloy<strong>de</strong>s aus ihr<strong>em</strong> Leib, was metaphorisch<br />

ihren eigenen Tod darstellt.<br />

Als die vierte Funktion bezeichnet SPECKENBACH die Verknüpfung<br />

auseinan<strong>de</strong>rliegen<strong>de</strong>r Handlungsepiso<strong>de</strong>n. Der Drachentraum verbin<strong>de</strong>t das erste Buch und<br />

das dritte Buch <strong>de</strong>s Parzival miteinan<strong>de</strong>r. Während es im ersten Buch um Gahmuret geht,<br />

spielt <strong>de</strong>r Drachentraum eine Brückenrolle und durch ihn wen<strong>de</strong>t sich im zweiten Buch die<br />

Handlung Parzival zu. Nach MÜLLNERITSCH steht <strong>de</strong>r Traum Herzeloy<strong>de</strong>s unmittelbar mit<br />

<strong>de</strong>r Geburt <strong>de</strong>s (Haupt-)Protagonisten in Zusammenhang und hat auch im weiteren Verlauf<br />

50 vgl. Helga MÜLLNERITSCH: Letale Mutterliebe: Szenen einer Mutter-Kind-Beziehung zwischen Traum und<br />

Trauma in Wolframs von Eschenbach Parzivâl, S. 25. Zitiert nach:<br />

http://cma.gbv.<strong>de</strong>/dr,cma,013,2010,a,02.pdf. Stand 06. 06. 2012.<br />

60


<strong>de</strong>s Textes spürbaren Einfluss, <strong>de</strong>swegen markiert er seiner Ansicht nach <strong>de</strong>n Beginn von<br />

Parzivals Kindheit, auch wenn diese im engeren Sinn erst mit seiner Geburt eintritt.“ 51<br />

Die letzte Funktion <strong>de</strong>r <strong>Träume</strong> ist es, dass mit Hilfe <strong>de</strong>r literarischen <strong>Träume</strong><br />

durch die allegorische Darstellungsweise eine gewisse Transparenz entsteht. Die durch<br />

Wolfram im Traum Herzeloy<strong>de</strong>s verwen<strong>de</strong>ten Symbole wie Blitz, Donner o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Drache<br />

und die mit diesen Symbolen geschaffene Traumszene lassen <strong>de</strong>n Leser die einzelnen<br />

Protagonisten <strong>de</strong>s Parzival erkennen, weil die jeweiligen Merkmale <strong>de</strong>r Symbole auf die<br />

jeweiligen literarischen Figuren übertragen wer<strong>de</strong>n können. Wie ROßKOPF b<strong>em</strong>erkt, lässt <strong>de</strong>r<br />

Dichter mit Hilfe <strong>de</strong>r Symbolsprache die ganze Handlung gleichsam in ein<strong>em</strong> von ihm<br />

geschaffenen mittleren Raum geschehen. Er will damit nicht nur Anschaulichkeit erreichen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>n Leser dazu anregen, ein letztlich unaussprechbares Geschehen in ein<strong>em</strong><br />

abstrakten Denkprozess selbst weiterzuführen (1972, 30).<br />

51 Helga MÜLLNERITSCH: Letale Mutterliebe: Szenen einer Mutter-Kind-Beziehung zwischen Traum und<br />

Trauma in Wolframs von Eschenbach Parzivâl, S. 20. Zitiert nach:<br />

http://cma.gbv.<strong>de</strong>/dr,cma,013,2010,a,02.pdf. Stand 06. 06. 2012.<br />

61


3. Schlussb<strong>em</strong>erkung<br />

In <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Masterarbeit ist versucht wor<strong>de</strong>n, die Rolle <strong>de</strong>r weiblichen Tier-<strong>Träume</strong><br />

Kri<strong>em</strong>hilds und Herzeloy<strong>de</strong>s innerhalb dieser zwei wichtigen Werke <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen<br />

Hochmittelalters zu untersuchen. Es war schon im Vorhinein klar, dass <strong>de</strong>r<br />

Gattungsunterschied <strong>de</strong>r Werke in meinen Untersuchungen keine Rolle spielen wür<strong>de</strong>.<br />

Obwohl die zwei Werke das Nibelungenlied und Parzival in vielerlei Hinsicht ganz<br />

unterschiedlich sind, ist es beson<strong>de</strong>rs interessant, dass die Tier-<strong>Träume</strong> <strong>de</strong>r weiblichen<br />

Figuren trotz dieses Unterschie<strong>de</strong>s g<strong>em</strong>einsame Funktionen haben. Es sollte weiterhin<br />

gezeigt wer<strong>de</strong>n, dass die Tiere in diesen <strong>Träume</strong>n eine sehr b<strong>em</strong>erkenswerte und<br />

ausdrucksvolle Rolle spielen.<br />

Im ersten Teil dieser Arbeit sind die <strong>Träume</strong> und die Traum<strong>de</strong>utung in <strong>de</strong>r Antike<br />

und in <strong>de</strong>r antiken Literatur herausgearbeitet wor<strong>de</strong>n, weil das Traumverständnis <strong>de</strong>s<br />

Mittelalters und <strong>de</strong>r mittelalterlichen Literatur auf <strong>de</strong>r Antike beruhen. Es wur<strong>de</strong> zuerst<br />

dargelegt, inwiefern <strong>de</strong>r Traum ein wichtiger Bestanteil <strong>de</strong>s antiken Lebens war. Der Traum<br />

galt als das älteste Orakel <strong>de</strong>r Menschheit. Deswegen reizte <strong>de</strong>r Traum die Menschen <strong>de</strong>r<br />

antiken Zeit; über <strong>de</strong>n Traum entstan<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Meinungen und vieles wur<strong>de</strong> darüber<br />

geschrieben. Ferner wur<strong>de</strong> geglaubt, dass <strong>de</strong>r Traum Ratschläge, Vorboten, Warnungen,<br />

Heilung usw. vermittelte. Der Glauben an <strong>de</strong>n Traum war so stark, dass es nicht als normal<br />

betrachtet wur<strong>de</strong>, wenn j<strong>em</strong>and sagte, dass er nie träume. Die Traum<strong>de</strong>utung wur<strong>de</strong> sogar als<br />

Beruf angesehen. In allen sozialen Schichten war die Suche nach Deutungsmöglichkeiten<br />

weit verbreitet. In dies<strong>em</strong> Rahmen entstand im zweiten Jahrhun<strong>de</strong>rt das Traumbuch von<br />

Art<strong>em</strong>idor, das heute als Grundlage für die mittelalterliche Traum<strong>de</strong>utung gilt. Außer<strong>de</strong>m<br />

wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Traum als notwendige Erscheinung betrachtet und wegen seiner Wichtigkeit<br />

spielte <strong>de</strong>r Traum in <strong>de</strong>r Literatur öfters eine zentrale Rolle. In dies<strong>em</strong> Kontext wur<strong>de</strong>n die<br />

<strong>Träume</strong> von Klytaimnestra und Penelope als Beispiele angeführt, um die Funktionen <strong>de</strong>r im<br />

Traum vorkommen<strong>de</strong>n Tiere, die Parallelen, aber auch Unterschie<strong>de</strong> bzw.<br />

Weiterentwicklungen o<strong>de</strong>r Auslegungen <strong>de</strong>r Traum<strong>de</strong>utungen in <strong>de</strong>r Antike vorzustellen.<br />

Diese zwei Tier-<strong>Träume</strong> wur<strong>de</strong>n versucht nach <strong>de</strong>n damaligen Deutungssch<strong>em</strong>ata und<br />

Traumbüchern zu <strong>de</strong>uten. Infolge<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> festgestellt, dass die Tiere in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />

Tier-<strong>Träume</strong>n eine beachtliche Rolle spielen, sofern die Leser die symbolischen<br />

Be<strong>de</strong>utungen <strong>de</strong>s Tieres erkennen. In dieser Weise lassen diese <strong>Träume</strong> mit ihrer<br />

62


Tiersymbolik <strong>de</strong>n Leser in die Zukunft schauen. Des Weiteren geht es in dies<strong>em</strong> Teil auch<br />

um <strong>de</strong>n Traum und die Traum<strong>de</strong>utung im Mittelalter. Der Traum bil<strong>de</strong>te <strong>de</strong>n Mittelpunkt <strong>de</strong>r<br />

mittelalterlichen Wissensstruktur. Für die damaligen Menschen enthielten die <strong>Träume</strong><br />

Mitteilungen und sie galten als die rätselhaften Erlebnisse, die sich unbedingt <strong>de</strong>uten lassen<br />

mussten. Deswegen entwickelten sich verschie<strong>de</strong>ne Traumtheorien. Im Mittelalter gab es<br />

drei Arten von <strong>Träume</strong>n: die von Gott stammen<strong>de</strong>n, die von Dämonen gesen<strong>de</strong>ten und die<br />

gewöhnlichen <strong>Träume</strong>. Außer<strong>de</strong>m entstand eine Traumtheorie, die von fünf Grundtypen von<br />

<strong>Träume</strong>n ausging und zwar <strong>de</strong>m enigmatischen Traum, <strong>de</strong>r prophetischen Vision, <strong>de</strong>m<br />

Orakeltraum, <strong>de</strong>m Albtraum und <strong>de</strong>m Erscheinungstraum. Darüber hinaus gibt es viele<br />

erhaltene mittelalterliche Schriften, die <strong>Träume</strong> enthalten. Die Wichtigste ist das Traum-<br />

Buch mit <strong>de</strong>m Namen Somniale Danielis, das stellenweise direkt, stellenweise indirekt auf<br />

Art<strong>em</strong>idors Traumbuch beruht. In <strong>de</strong>r Literatur <strong>de</strong>s Mittelalters machen <strong>Träume</strong> einen<br />

beträchtlichen Teil vieler Werke aus. In <strong>de</strong>r Literatur <strong>de</strong>s Mittelalters sind Tier-<strong>Träume</strong><br />

beson<strong>de</strong>rs wichtig, da die Tiere weitgehend für Spannungsmomente in <strong>de</strong>r Geschichte<br />

sorgen und ihre Symbole zur Entschlüsselung <strong>de</strong>r Handlung beitragen. In dies<strong>em</strong> Kontext<br />

wur<strong>de</strong>n die Tier-<strong>Träume</strong> Kaiser Karls im Rolandslied auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r<br />

mittelalterlichen Traumbücher analysiert. Damit wur<strong>de</strong>n sowohl die wegweisen<strong>de</strong>n und<br />

entschlüsseln<strong>de</strong>n Funktionen <strong>de</strong>r Tiere im Traum als auch die Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r weiblichen<br />

und männlichen Tier-<strong>Träume</strong>, die für <strong>de</strong>n weiteren Verlauf <strong>de</strong>r Arbeit wichtig sind, <strong>de</strong>utlich<br />

herausgearbeitet.<br />

Der Hauptteil <strong>de</strong>r Arbeit besteht zuerst aus einer Vorstellung <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

weiblichen Tier-<strong>Träume</strong> im Mittelalter. Damit sollte <strong>de</strong>utlich g<strong>em</strong>acht wer<strong>de</strong>n, dass Tier-<br />

<strong>Träume</strong> nicht nur im Nibelungenlied und Parzival vorkommen. Deswegen wur<strong>de</strong>n die Tier-<br />

<strong>Träume</strong> <strong>de</strong>r Mütter <strong>de</strong>s Heiligen Dominikus und Bernards von Clairvaux als Beispiel<br />

genommen, um zu ver<strong>de</strong>utlichen, dass die Tiere in <strong>de</strong>n weiblichen <strong>Träume</strong>n <strong>de</strong>r<br />

mittelalterlichen Texte immer eine verschlüsselte Funktion haben und eine be<strong>de</strong>utsame<br />

Rolle spielen. Die zwei Mütter <strong>de</strong>r Heiligen träumen von Hun<strong>de</strong>n, als sie schwanger waren.<br />

Diese Hun<strong>de</strong> kündigen die Zukunft an und sie versinnbildlichen das Schicksal <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r,<br />

d.h. <strong>de</strong>r Heiligen. Mithin konnte in <strong>de</strong>r ausführlichen Deutung auch festgestellt wer<strong>de</strong>n, dass<br />

diese zwei Tier-<strong>Träume</strong> <strong>de</strong>r Mütter sich im Vergleich mit <strong>de</strong>n antiken Tier-<strong>Träume</strong>n von<br />

diesen kaum unterschei<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m ermöglicht die Symbolik <strong>de</strong>r Tiere <strong>de</strong>m Leser, die<br />

Zukunft vorherzusehen. Nach dieser Analyse wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schwerpunkt <strong>de</strong>r Arbeit erörtert und<br />

63


zwar die Tier-<strong>Träume</strong> von Kri<strong>em</strong>hild und Herzeloy<strong>de</strong>. Kri<strong>em</strong>hild, eine <strong>de</strong>r wichtigsten<br />

Figuren im Nibelungenlied, träumt zwei Tier-<strong>Träume</strong>, in <strong>de</strong>nen drei verschie<strong>de</strong>ne Tiere<br />

vorkommen: Falke, Adler und Eber. In <strong>de</strong>m ersten Traum ist <strong>de</strong>r Falke ein Symbol für<br />

Siegfried. Die zwei Adler symbolisieren Gunter und Hagen. Obwohl <strong>de</strong>r Dichter im ersten<br />

Traum keinen Namen erwähnt, ist jedoch eine solche Deutung <strong>de</strong>s Traums durch diese Tiere<br />

möglich. Im zweiten Tier-Traum Kri<strong>em</strong>hilds wählt <strong>de</strong>r Dichter kein Tier für Siegfried. Er<br />

erscheint im Traum, wie er ist. Es treten aber in dies<strong>em</strong> Traum zwei Eber auf. Wenn man die<br />

Symbolik <strong>de</strong>s Ebers in mittelalterlichen Traumbüchern nachschlägt, dann ist zu sehen, dass<br />

diese zwei Eber für Gunther und Hagen stehen könnten. In dies<strong>em</strong> Sinne kann man mit Hilfe<br />

<strong>de</strong>r Traum<strong>de</strong>utung leicht zu <strong>de</strong>m Schluss kommen, dass diese Tier-<strong>Träume</strong> <strong>de</strong>n Tod<br />

Siegfrieds ankündigen. Da Siegfried einer <strong>de</strong>r wichtigsten Figuren <strong>de</strong>s Nibelungenlieds ist,<br />

spielt sein Tod eine große Rolle für die Handlung. So könnte man behaupten, dass diese<br />

Tiere in <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n wahrsagerische Kraft und eine Warnungsfunktion haben. Aber wie<br />

gesagt wur<strong>de</strong>, Siegfried, mit <strong>de</strong>m Charakter eines Falken, ist frei und <strong>de</strong>swegen ist es schwer<br />

ihn von sein<strong>em</strong> Schicksal abzuhalten.<br />

Herzeloy<strong>de</strong>s Drachentraum hat ebenso eine wichtige Funktion im Parzival. Es<br />

han<strong>de</strong>lt sich offenbar um einen Angsttraum, da sie von <strong>de</strong>n Traumbil<strong>de</strong>rn erschreckt wird.<br />

Der Drache als ein ambivalentes Symbol, das positive und negative Deutungen zulässt,<br />

symbolisiert Parzival. Im Rahmen <strong>de</strong>r vollständigen Analyse <strong>de</strong>s Traums mit Hilfe <strong>de</strong>r<br />

mittelalterlichen Traumbücher konnte <strong>de</strong>utlich g<strong>em</strong>acht wer<strong>de</strong>n, dass Wolfram diese bei<strong>de</strong>n<br />

Deutungen <strong>de</strong>s Drachen verkörpert: Die königliche Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Drachen versinnbildlicht,<br />

dass Parzival ein großes König sein wird, aber an<strong>de</strong>rerseits symbolisiert die negative Seite<br />

<strong>de</strong>s Drachen, die für <strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>nfall steht, Parzivals Sün<strong>de</strong>nfall, da er <strong>de</strong>n Tod seiner Mutter<br />

verursachen wird. Dazu wur<strong>de</strong> gleichzeitig versucht anhand zentraler Textstellen aus <strong>de</strong>n<br />

bei<strong>de</strong>n Primärtexten und ausgewählter Zitate aus <strong>de</strong>r Sekundärliteratur die Frage zu<br />

beantworten, welche Rolle die Tier-<strong>Träume</strong> Kri<strong>em</strong>hilds und Herzeloy<strong>de</strong>s für die jeweiligen<br />

Werke spielen.<br />

Alle diese weiblichen und männlichen <strong>Träume</strong>n, sowohl die in <strong>de</strong>r antiken<br />

Literatur als auch die <strong>Träume</strong>, die im Hauptteil meiner Arbeit besprochen wur<strong>de</strong>n,<br />

ermöglichen <strong>de</strong>m Leser, diese <strong>Träume</strong> zu vergleichen und <strong>de</strong>n Unterschied zwischen<br />

weiblichen und männlichen Tier-<strong>Träume</strong>n zu erkennen.<br />

64


Es könnte behauptet wer<strong>de</strong>n, dass die männlichen Tier-<strong>Träume</strong> Macht und Politik zum<br />

Th<strong>em</strong>a haben. Aber es konnte auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite in dieser Arbeit gezeigt wer<strong>de</strong>n, dass die<br />

weiblichen Tier-<strong>Träume</strong> <strong>em</strong>otionale Th<strong>em</strong>en zum Inhalt haben und eine große Rolle spielen,<br />

wie zum Beispiel die Sehnsucht nach Liebe o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Eh<strong>em</strong>ann. G<strong>em</strong>einsam ist bei<strong>de</strong>n<br />

aber, dass durch die Tiere und ihre Symbolik <strong>de</strong>r Autor <strong>de</strong>n Tier-<strong>Träume</strong>n eine<br />

wahrsagerische Kraft verleiht, <strong>de</strong>nn am En<strong>de</strong> gehen alle Tier-<strong>Träume</strong> genau so in Erfüllung<br />

wie es die Tiere in <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n prophezeit haben. Je<strong>de</strong>s Tier steht für eine bestimmte Figur<br />

und damit kündigt <strong>de</strong>r Traum die Zukunft <strong>de</strong>r Figuren o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Geschehens an.<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass diese Tier-<strong>Träume</strong> auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />

ihrer Gefühle entstehen. Alle Traumbil<strong>de</strong>r harmonieren mit <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Handlung<br />

in <strong>de</strong>m jeweiligen Werk. Außer<strong>de</strong>m haben die Tier-<strong>Träume</strong> g<strong>em</strong>einsame Funktionen: Die<br />

Tier-<strong>Träume</strong> sind unabdingbar für <strong>de</strong>n Fortgang <strong>de</strong>r Handlung und Auslöser <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns.<br />

65


4. Literaturverzeichnis<br />

Quellen:<br />

Das Nibelungenlied, Mittelhoch<strong>de</strong>utsch/Neuhoch<strong>de</strong>utch. Nach <strong>de</strong>m Text von Karl<br />

Bartsch und Helmut <strong>de</strong> Boor, ins Neuhoch<strong>de</strong>utsche übersetzt und kommentiert von Siegfried<br />

Grosse, Philipp Reclam, Stuttgart, 2007.<br />

Wolfram von ESCHENBACH: Parzival, Studien Ausgabe, zweite Auflage.<br />

Mittelhoch<strong>de</strong>utscher Text nach <strong>de</strong>r sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von<br />

Peter Knecht, mit Einführungen zum Text <strong>de</strong>r Lachmannschen Ausgabe und in Probl<strong>em</strong>e<br />

<strong>de</strong>r „Parzival“ – Interpretation von Bern Schirok, Walter <strong>de</strong>r Gruyter, Berlin , New York,<br />

2003.<br />

Das Rolandslied <strong>de</strong>s Pfaffen Konrad, Mittelhoch<strong>de</strong>utsch/Neuheuch<strong>de</strong>utsch.<br />

Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Dieter KARTSCHOKE, Philipp RECLAM,<br />

Stuttgard, 2007.<br />

Karl LACHMANN, Moriz HAUPT: Minnesang Frühling. Vierte Ausgabe, Besorgt von F.<br />

Vogt, Verlag von S. Hirzel, Leipzig, 1888.<br />

Forschungsliteratur:<br />

Hans-Jürgen BACHORSKI: <strong>Träume</strong>, die überhaupt ni<strong>em</strong>als geträumt. Zur <strong>de</strong>utung von<br />

<strong>Träume</strong>n in Mittelalterlichen Literatur. In: Weltbil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s mittelalterlichen Menschen. Hg.<br />

von Heinz-Dieter Heimann, Martin M. Langner, Birgit Zacke, Weidler Buchverlag, Berlin,<br />

2007.<br />

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Gegenüberstellung aller psychologischen und physiologischen Ansätze für eine Verwendung<br />

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Steven Roger FISCHER: Das Somniarium. Ein mittelalterliches Traumbuch. Peter<br />

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Christian HÜNERMÖRDER: Gans. In: Der Neue Pauly. Hg. von Hubert Cancik,<br />

Helmuth Schnei<strong>de</strong>r. Band 4, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart, 1998.<br />

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Sammlung Mil<strong>de</strong>nberg. Mit 23 Farb- und 271 Schwarzweis-Abbildungen. Verlag Philipp<br />

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Wilhelm KROLL: Paulys Real-Encyclopädie <strong>de</strong>r classicher altertumswissenschaft,<br />

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Joachim LATACZ: Erschließung <strong>de</strong>r Antike. Kleine Schriften zur Literatur <strong>de</strong>r<br />

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Manfred LURKER: Adler und Schlange. Tiersymbolik im Glauben und Weltbild <strong>de</strong>r<br />

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Lutz MACKENSEN: Drache. In: Handwörterbuch <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Aberglaubens. Hg.<br />

von Hanns Bächtold-Stäubli, unter Mitwirkung von Eduard Hoffmann-Krayer, mit ein<strong>em</strong><br />

Vorwort von Christopf Daxelmüller. Band 2, Walter <strong>de</strong> Gruyter, Berlin, New York, 1987.<br />

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Christian SCHRÖDER: Der Millstätter Physiologus. Text, Übersetzung, Kommentar.<br />

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Klaus SPECKENBACH: Flugträume im Mittelalter. In: Hun<strong>de</strong>rt Jahre „die<br />

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Burkhard Schnepel. Rüdiger Köppe Verlag, Köln, 2001.<br />

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Werner TELESKO: Die Weisheit <strong>de</strong>r Natur. Heilkraft und Symbolik <strong>de</strong>r Pflanzen und<br />

Tiere im Mittelalter. Prestel, München-London-NewYork, 2001<br />

Klaus THOMAS: <strong>Träume</strong>-Selbst verstehen. Wie sie entstehen, was sie be<strong>de</strong>uten,<br />

warum sie heilen. Geschichte und Wissenschaft, Psychologie und Praxis von <strong>de</strong>n <strong>Träume</strong>n.<br />

Georg Thi<strong>em</strong>e Verlag, Stuttgart, 1972.<br />

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Emil WINKLER: Das Rolandslied. Hg. von Karl R. v. Ettmayer. Carl Winters<br />

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Stand 24. 05. 2012.<br />

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B. Facundus: http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AB_Facundus_186v.jpg.<br />

Stand. 14. 04. 2012.<br />

Kri<strong>em</strong>hilds Traum vom Falken:<br />

http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AKri<strong>em</strong>hilds_Traum_vom_Falken_Am_Fus<br />

sen<strong>de</strong>_<strong>de</strong>s_Bettes_steht_Kri<strong>em</strong>hilds_Mutter_Ute_Hun<strong>de</strong>shagenscher_Ko<strong>de</strong>x.jpeg . Stand<br />

14. 04. 2012.<br />

73


5. Anhang<br />

Anhang I Somniale Danielis 52<br />

52 Palmer, Speckenbach: 1990, S. 262<br />

74


Anhang II Somniale Danielis 53<br />

53 Palmer, Speckenbach: 1990, 278.<br />

75


Anhang III Traumszenen Kaiser Karls 54 (St. Gallen, Kantonsbibliothek, Ms. Vad. 302, f. 25<br />

r.)<br />

54 Bagliani, Stabile: 1989, 40.<br />

76


Anhang IV Szenen aus <strong>de</strong>m Leben <strong>de</strong>s heligene Dominikus. Links oben: Der Tier-Traum 55<br />

(Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. Lat. 8541, f. 90 v., 14.Jh.)<br />

55 Bagliani, Stabile: 1989, 25.<br />

77


Anhang V Der Traum <strong>de</strong>r Mutter Dominikus 56 (Francesco Traini. Pisa, S. Caterina)<br />

56 Bagliani, Stabile: 1989, 132.<br />

78


Anhang VI Kri<strong>em</strong>hilds Falkentraum. Nibelungenlied. Hun<strong>de</strong>shagenscher Ko<strong>de</strong>x 57<br />

(Staatsbibliothek zu Berlin).<br />

57 Kri<strong>em</strong>hilds Traum vom Falken.<br />

http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AKri<strong>em</strong>hilds_Traum_vom_Falken_Am_Fussen<strong>de</strong>_<strong>de</strong>s_Bettes_steh<br />

t_Kri<strong>em</strong>hilds_Mutter_Ute_Hun<strong>de</strong>shagenscher_Ko<strong>de</strong>x.jpeg. Stand 14. 04. 2012.<br />

79


Anhang VII Die Frau in <strong>de</strong>r Johannes Apokalypse. La F<strong>em</strong>me et le Dragon 58 (Madrid,<br />

Biblioteca Nacional).<br />

58 B. Facundus. http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AB_Facundus_186v.jpg. Stand 14. 04. 2012.<br />

80

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