Aufg. 1 Lösung Kann man Eis schneiden-2
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ForscherInnenwerkstatt Physik 01-2012<br />
<strong>Aufg</strong>abe 1 <strong>Lösung</strong><br />
<strong>Kann</strong> <strong>man</strong> <strong>Eis</strong> <strong>schneiden</strong>?<br />
Schmelzen − Schmelzpunktserniedrigung − Druck − Wärmeleitfähigkeit − Clausius-Clapeyron-<br />
Gleichung<br />
Durchführung:<br />
Im Experiment wird ein Stativ mit Porozell als Unterlage für den <strong>Eis</strong>würfel gewählt, da der <strong>Eis</strong>würfel auf<br />
Porozell isoliert liegt und nicht so leicht wegrutschen kann wie auf anderen Oberflächen. Man kann<br />
jedoch beliebige Konstruktionen verwenden, bei der die Gewichtstücke den Draht auf den <strong>Eis</strong>würfel<br />
drücken können. Hat <strong>man</strong> statt eines <strong>Eis</strong>würfels einen größeren <strong>Eis</strong>quader zur Verfügung, legt <strong>man</strong> diesen<br />
am besten wie einen Balken zwischen zwei Auflageflächen und hängt den Draht mit den Gewichten dann<br />
frei über die Mitte des <strong>Eis</strong>quaders.<br />
Abb. 1<br />
Korken<br />
1. Was passiert?<br />
Flasche<br />
<strong>Eis</strong>würfel<br />
Draht<br />
Gewichtstück<br />
Ein Draht, der genügend stark auf einen <strong>Eis</strong>würfel drückt, kann diesen langsam durchdringen.<br />
Der so beschwerte Draht wird langsam durch den <strong>Eis</strong>würfel wandern, ohne dass dabei der <strong>Eis</strong>würfel<br />
zerschnitten wird. Nach vollständigem Durchdringen des <strong>Eis</strong>würfels mit dem Draht ist der <strong>Eis</strong>würfel<br />
nicht in zwei Stücke geteilt, sondern noch immer ein einziges Stück.<br />
2. Erklärung<br />
Die Erklärung ist nicht ganz einfach und setzt genauere Kenntnisse aus der Wärmelehre voraus. Hier<br />
können 2 Effekte eine Rolle spielen:<br />
Zunächst spielt die Wärmeleitfähigkeit des verwendeten Drahtes eine Rolle. Je größer die<br />
Wärmeleitfähigkeit ist, desto größer ist die Energiezufuhr aus der Umgebung (ein Großteil des Drahtes ist<br />
ja nicht im <strong>Eis</strong>, sondern in der wesentlich wärmeren Luft) und um so schneller durchschneidet der Draht<br />
den <strong>Eis</strong>würfel. So durchdringt ein Kupferdraht bei gleichen Gewichtstücken einen gleich großen<br />
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ForscherInnenwerkstatt Physik 01-2012<br />
<strong>Eis</strong>würfel wesentlich schneller als ein Nylonfaden mit gleichem Durchmesser aber wesentlich niedrigerer<br />
Wärmeleitfähigkeit.<br />
Zweitens ist die Schmelztemperatur eines Stoffes vom Druck abhängig. Bei <strong>Eis</strong> sinkt die<br />
Schmelztemperatur mit steigendem Druck (siehe zweite Bemerkung) (bei fast allen anderen Stoffen steigt<br />
die Schmelztemperatur mit steigendem Druck). Der Draht übt aufgrund der Gewichte und seiner wegen<br />
seines kleinen Durchmessers kleinen Auflagefläche einen großen Druck auf das <strong>Eis</strong> aus, so dass unter<br />
dem Draht die Schmelztemperatur des <strong>Eis</strong>es niedriger ist als im restlichen <strong>Eis</strong>würfel. Bei gleicher<br />
Temperatur von Draht und <strong>Eis</strong> schmilzt das <strong>Eis</strong> unter ihm und ermöglicht ein tieferes Eindringen in den<br />
<strong>Eis</strong>würfel, während das entstandene Wasser über dem Draht wieder gefriert, da hier kein erhöhter Druck<br />
wirkt.<br />
Bei genaueren Experimenten mit verschiedenen Drähten von gleicher und verschiedener Dicke<br />
erkennt <strong>man</strong>, dass das „Wandern“ des Drahtes durch das <strong>Eis</strong>stück nur durch den ersten Effekt der<br />
Wärmeleitfähigkeit bewirkt wird.<br />
Nur für SpezialistInnen:<br />
Zur Abschätzung der Wirksamkeit des zweiten Effektes (Druckabhängigkeit) betrachtet <strong>man</strong> das<br />
Schlittschuhlaufen:<br />
Der niedrigere Schmelzpunkt des <strong>Eis</strong>es bei erhöhtem Druck spielt auch beim Schlittschuhlaufen eine<br />
Rolle. Die Schlittschuhkufen mit kleiner Auflagefläche bringen die gesamte Gewichtskraft des Läufers<br />
auf das <strong>Eis</strong>, so dass unter den Kufen aufgrund des starken Drucks der Schmelzpunkt des <strong>Eis</strong>es<br />
herabgesetzt wird und daher das <strong>Eis</strong> dort schmilzt. Die Kufen gleiten dann auf einem Wasserfilm und<br />
haben sehr geringe Reibung.<br />
Manche Erklärungen gehen nun davon aus, dass unter der Kufe das <strong>Eis</strong> allein aufgrund des Drucks<br />
schmilzt und der entstandene Wasserfilm als Gleitmittel dient. Betrachtet <strong>man</strong> jedoch, dass der<br />
Schmelzpunkt lediglich um 0,0075 K bei 1 bar Druckerhöhung sinkt, wird klar, dass dies keine<br />
vollständige Erklärung ist. Die Zahlenwerte stammen aus der theoretischen Clausius-Clapeyronschen-<br />
Gleichung:<br />
( − )<br />
dT<br />
T V1 V2<br />
=<br />
dp<br />
νΛ<br />
( Λ : Schmelzwärme, auf ein Mol bezogen; T: Schmelztemperatur in Kelvin; dT<br />
: Druckgradient der<br />
dp<br />
, : Volumen im flüssigen bzw. festen Zustand; ν : Stoffmenge in mol)<br />
Schmelztemperatur; V V<br />
1 2<br />
Da sich das Volumen von Wasser beim Gefrieren um ca. 9 % vergrößert, ist die Differenz V1 − V2<br />
negativ, folglich auch dT<br />
, d.h. der Schmelzpunkt des <strong>Eis</strong>es sinkt mit steigendem Druck. Mit den<br />
dp<br />
J<br />
Werten Λ = 6030<br />
mol , T = 273 K , V1 = 1, 00 l, V2 = 1, 09 l und ν = 55, 5 mol ergibt sich der oben<br />
genannte Wert (Erniedrigung des Schmelzpunkts um 0,0075 K bei 1 bar Druckerhöhung).<br />
Der Effekt durch die Druckerhöhung ist also äußerst gering, so dass beim Schlittschuhlaufen noch andere<br />
Faktoren eine Rolle spielen müssen, wie z.B. die Reibung der Schlittschuhkufen auf dem <strong>Eis</strong> und dadurch<br />
Erzeugung von Wärme oder die Wärmezufuhr über die Kufen. Auch handelt es sich beim angegebenen<br />
Wert der Schmelzpunkterniedrigung um einen theoretischen Wert und nicht um einen experimentell<br />
ermittelten Wert. Der reale Wert kann sich also auch noch vom angegebenen Wert unterscheiden.<br />
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