Dokument 1.pdf (16.235 KB) - OPUS - Universität Würzburg
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hat, und das will viel sagen. Er war ein memmenhafter Bube, der<br />
sich seiner Macht bewusst war.“ Aber Reicke 1 stellt fest, nur<br />
„mühsam überwindet die moderne Forschung diese hässliche<br />
Propaganda“ und „Nero war an sich nicht die wilde Bestie, als die<br />
er in den antiken Überlieferungen dargestellt wurde, und die<br />
moderne Phrase vom Kaiserwahnsinn erklärt sein Verhalten gar<br />
nicht. Besser versteht man ihn als eine ästhetische Gestalt ohne<br />
Moral.“<br />
(Lucius Domitius Ahenobarbus) Nero Claudius Caesar Augustus<br />
Germanicus, so sein ursprüngliches vollständiges Namensregister,<br />
war tatsächlich eher ein Künstler denn ein Politiker und vollends<br />
kein Soldat. Seine Karriere verdankte er einzig seiner Mutter. Fini<br />
meint, 2 „wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sicher die ganze<br />
Welt in eine einzige ununterbrochene Feuerwerkshow verwandelt.“<br />
Neros erste fünf Regierungsjahre mochten vielleicht noch zu<br />
günstigen Erwartungen Anlass bieten und ließen zunächst ein<br />
„Goldenes Zeitalter“ (wieder einmal!) erwarten; er baute eine gut<br />
funktionierende Verwaltung in Staat und Provinz auf, wobei neben<br />
seine Kanzlei (die Exekutive) noch ein Consilium (Staatsrat) aus 30<br />
Senatoren und Rittern trat. Anfangs „offen, tolerant und<br />
großzügig“ 2 , versuchte er sich immer wieder als Künstler. Er<br />
schrieb Dramen, Tragödien, Gedichte – Tacitus bezweifelt seine<br />
Fähigkeit, 3 aber Sueton, der sonst überscharfe Satiriker, neigt eher<br />
dazu, sie anzuerkennen, 4 und Thiede 5 lässt uns wissen: „Die wohl<br />
eigenhändig verfasste Ansprache, die er 67 in Griechenland hielt,<br />
blieb auf einer Inschrift erhalten, und gilt noch unter heutigen<br />
Historikern als sprachliche und stilistische Meisterleistung.“<br />
Seine dennoch nicht bestreitbare Fehlentwicklung resultiert<br />
zumindest einmal aus der Erkenntnis einer Ausweglosigkeit, das<br />
Amt, das er zutiefst nicht wollte, angemessen zu erfüllen. Seine<br />
grandiosen Hellenisierungstendenzen (Ilion wurde nun ganz von<br />
der Steuer befreit; die Spiele, die er installierte, betonten immer<br />
mehr die Kunst statt den Sport), seine mitunter provozierenden,<br />
wenngleich fast rührenden Egalisierungsversuche, wie etwa eine<br />
Währungsreform zu ungunsten der Großgrundbesitzer, seine<br />
Bevorzugung von Freigelassenen (bis in Regierungsaufgaben!),<br />
Verbot von Gladiatorenspielen und Tierhetzen in den Provinzen<br />
(56) – in Rom wenigstens ohne tödlichen Ausgang – all dies<br />
brachte ihn natürlich in Gegensatz zu denen, auf die er letztlich<br />
doch angewiesen war. War er anfänglich im Ansatz geradezu<br />
1 Reicke S. 202.179<br />
2 Fini S. 97<br />
3 Tacitus, Annales XIV, 16<br />
4 Sueton, Nero XX f<br />
5 Thiede S. 193