Der Bildhauer Bernhard Bleeker - OPUS - Universität Augsburg
Der Bildhauer Bernhard Bleeker - OPUS - Universität Augsburg Der Bildhauer Bernhard Bleeker - OPUS - Universität Augsburg
3. Leben 3.1.: Jugend und Ausbildung Johann Bernhard Maria Bleeker wurde am 26. Juli 1881 in Münster/Westfalen geboren. Sein Vater Bernhard Josef Wilhelm Bleeker (27.2.1851-21.4.1926) war Kleidermacher (WV 106), seine Mutter Christina Elisabeth Bleeker, geb. Froning (20.10.1854-6.12.1921), Putzmacherin 78 (WV 103 und 114). Den Namen „Bleeker“ findet man recht häufig in Norddeutschland und den Niederlanden. Der Ur-Urgroßvater des Künstlers, der Goldschmied Joan Bleeker, wurde in Leyden geboren 79 . Die Bedeutung des Namens ist auf das Althochdeutsche „blek“ = bleich, das Mittelhochdeutsche „blic“ = Glanz, Blitz, und das Mittelniederdeutsche „blêke“ = Bleiche zurückzuführen 80 . So ist anzunehmen, daß die Namensgeber den Beruf des Bleichens ausgeübt hatten. Am 31. Juli 1881 wurde Bernhard Bleeker in der St. Lamberti-Kirche in Münster getauft 81 . Er hatte acht Geschwister, sechs Brüder (darunter Hermann Bleeker 82 (WV 35), der sich ebenfalls als Bildhauer einen Namen machte) und zwei Schwestern 83 . Seine Kindheit verbrachte Bleeker im sog. „Wandscherer-Haus“ 84 . Das Gebäude wurde um 1470 erbaut und stand bis 1903 in der Gruetgasse. Es galt als einziges bekanntes gotisches Fachwerkhaus der Stadt Münster 85 . In diesem Haus betrieb sein Vater ein international bekanntgewordenes Kostümverleihinstitut 86 . Nach dem Besuch der Volksschule erlernte der junge Bernhard ab dem 14. Lebensjahr in Münster die Steinbildhauerei bei den Bildhauern Fleige 87 und Bernhard Frydag 88 , der sowohl 78 NL BB: I, A-3, Kopie: „Ahnentafel (zum Nachweis der arischen Abstammung) für Johann Bernhard Maria Bleeker, o. Akademieprofessor“, 3. 12. 1937. Siehe auch die Abb. der Eltern im Anhang B: Nr. 3 79 ebd. 80 NL BB: I, C-92: Schreiben von Bleekers Schwager Albert Mazzotti an Bleeker, 27. 4. 1937 81 Auszug aus dem Taufbuch der Kirchengemeinde St. Lamberti in Münster, 23. 1. 1965 (freundliche Auskunft von Silke Jahn) 82 Hermann Bleeker nannte sich später Bleeker-Kullmer (nach dem Mädchennamen seiner Frau), um Verwechslungen mit Bernhard Bleeker zu vermeiden. 83 Die Namen der Geschwister lauteten: Josef, Wilhelm, Fritz, Konrad, Hermann, Karl, Anna und Liesl (freundliche Mitteilung von Bleekers Neffen Andreas Bleeker). Bleekers Bruder Fritz reüssierte in den Zwanziger Jahren als Chefkoch beim Völkerbund in Genf, wo er die Bekanntschaft zahlreicher prominenter Politiker machte. Sein jüngster Bruder Karl starb als kleiner Junge an einer Beerenvergiftung (freundliche Mitteilungen von Andreas Bleeker). Siehe auch die Abb. im Anhang B: Nr. 2 und 4. 84 „Der Überlieferung nach hat hier die >Königin< Elisabeth Wandscherer gelebt, die Lieblingsfrau des die Vielweiberei preisenden Wiedertäuferkönigs Jan van Leyden. Sie fiel eines Tages beim König in Ungnade, weil sie ihm liederlichen Lebenswandel vorwarf. In seinem Zorn zog er sie am 12. Juni 1535 mit eigenen Händen auf den Prinzipalmarkt, schlug ihr in Gegenwart des ganzen Volkes und seiner 15 Kebsweiber den Kopf ab und trat ihre Leiche mit Füßen“ (zitiert nach Werland 1971, S. 12). Siehe auch die Abb. im Anhang B: Nr. 1 85 Werland 1971, S. 12 86 ebd. 87 Der Bildhauer Fleige (ohne Vornamensnennung) war in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. in Münster tätig, wo er ein Bronzedenkmal des Ministers von Fürstenberg (1875), in der Kreuzkapelle der Aegidienkirche einen Ölberg (1876), eine Pietà in der Lambertikirche, einen Luidgerusbrunnen (1889) und zusammen mit A. Rüller ein Denkmal der Annette von Droste-Hülshoff (1896) schuf. Ferner war er auch als Restaurator tätig (Ulrich 15
Steinmetz 89 als auch Heiligenbildhauer 90 war. Ursprünglich war eine 4-jährige Lehrzeit vereinbart, doch wurde der Schüler nach zweieinhalb Jahren vertragsbrüchig, „beginnt auf Baustellen zu verdienen und wohnt abwechselnd bei verschiedenen Verwandten“ 91 . Im Jahre 1899 92 kam Bleeker nach München, vermutlich angezogen durch den besonderen Ruf Münchens als Kunststadt. Hier fand er Arbeit als Steinmetz am Bau des Müllerschen Volksbades, der Sparkasse in der Sparkassenstraße, des Alten nördlichen Friedhofes in Schwabing und am Nymphenburger Waisenhaus, war teilweise in finanziellen Nöten und schlief häufig unter freiem Himmel 93 . Als er schließlich etwas Geld verdient hatte, besuchte er im gleichen Jahre (1899) 94 die Akademie der bildenden Künste und wurde Student bei Wilhelm von Rümann (1850-1906). Exkurs: Wilhelm von Rümann Wilhelm von Rümann 95 kam 1872 an die Münchner Akademie, wurde Schüler Michael Wagmüllers und hatte seit 1887 eine Professur für Bildhauerei inne als Nachfolger Max Widnmanns. 1891 erhielt Rümann den Verdienstorden der bayerischen Krone und wurde in den perönlichen Adelsstand erhoben. Rümann versuchte, „eine Mittellinie zu halten ... zwischen klassizistischer und neubarocker Tradition einerseits und dem allgemeinen Naturalismus seiner Zeit“ 96 . Die naturalistisch- neubarocke Art der Modellierung wird vor allem an seinen Denkmälern für Justus von Liebig 97 (1881 von Wagmüller begonnen, 1883 von Rümann vollendet, München), für Friedrich Rückert (1890, Schweinfurt), für Georg Simon Ohm (1895, München) und an den Thieme/ Felix Becker (Hgg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. XII, Leipzig 1916, S. 84). 88 In Thieme/Becker, Bd. XII, Leipzig 1916, S. 541 und im Katalog der Neuen Staatsgalerie, Amtl. Ausgabe, 3. ergänzte Auflage, München 1925, S. 43, wird Bernhard Frydag erwähnt: 18. 6. 1879 in Münster/Westf.- 7. 4. 1916 (gefallen bei Lens): Ausgebildet in der väterlichen Werkstatt und Schüler der Berliner Kunstgewerbeschule (bis 1905). Studienreisen nach Ägypten und Rom, tätig in Berlin-Grunewald. Hauptwerke: Kriegerdenkmal in Münster, Schäferbrunnen im König- Albert- Park in Leipzig (1907). Da Frydag gerade zwei Jahre älter als Bleeker war, ist es sehr unwahrscheinlich, daß er als Lehrer Bleekers fungierte. Vermutlich war dessen Vater sein Lehrmeister. Die Münstersche Zeitung, 25. 7. 1956, erwähnt als Lehrmeister Bleekers auch einen „Meister Schmiemann“, von dem jedoch nichts Näheres bekannt ist. 89 Ausst. Kat. Nürnberg 1978: „Dokumente...“, S. 7 90 Buchner 1951, S. 3 91 Grzimek 1969, S. 115 92 Personalakte Bleeker (Akademie der Bildenden Künste München): hs. Lebenslauf Bleekers, datiert vom Juni 1936 (im Folgenden zitiert mit: „ABK München...“). 93 Breuer 1937, S. 280. 94 ABK München: Personalakte Bleeker: Vormerkungsbogen für Bernhard Bleeker, datiert vom 11. 11. 1922: Bleeker war vom 9. 10. 1899 bis 7. 4. 1906 Studierender der Akademie. 95 Zu Rümann siehe: Heilmeyer 1903, S. 299-305 (Abb. S. 299-320) und Thieme/Becker, Bd. 29, Leipzig 1935, S. 170 96 Schmoll gen. Eisenwerth 1981, S. 289 97 Die Abbildungen dieser Werke bei Heilmeyer 1903, S. 299-320 16
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3. Leben<br />
3.1.: Jugend und Ausbildung<br />
Johann <strong>Bernhard</strong> Maria <strong>Bleeker</strong> wurde am 26. Juli 1881 in Münster/Westfalen geboren.<br />
Sein Vater <strong>Bernhard</strong> Josef Wilhelm <strong>Bleeker</strong> (27.2.1851-21.4.1926) war Kleidermacher (WV<br />
106), seine Mutter Christina Elisabeth <strong>Bleeker</strong>, geb. Froning (20.10.1854-6.12.1921),<br />
Putzmacherin 78 (WV 103 und 114). Den Namen „<strong>Bleeker</strong>“ findet man recht häufig in<br />
Norddeutschland und den Niederlanden. <strong>Der</strong> Ur-Urgroßvater des Künstlers, der Goldschmied<br />
Joan <strong>Bleeker</strong>, wurde in Leyden geboren 79 . Die Bedeutung des Namens ist auf das<br />
Althochdeutsche „blek“ = bleich, das Mittelhochdeutsche „blic“ = Glanz, Blitz, und das<br />
Mittelniederdeutsche „blêke“ = Bleiche zurückzuführen 80 . So ist anzunehmen, daß die<br />
Namensgeber den Beruf des Bleichens ausgeübt hatten.<br />
Am 31. Juli 1881 wurde <strong>Bernhard</strong> <strong>Bleeker</strong> in der St. Lamberti-Kirche in Münster getauft 81 .<br />
Er hatte acht Geschwister, sechs Brüder (darunter Hermann <strong>Bleeker</strong> 82 (WV 35), der sich<br />
ebenfalls als <strong>Bildhauer</strong> einen Namen machte) und zwei Schwestern 83 .<br />
Seine Kindheit verbrachte <strong>Bleeker</strong> im sog. „Wandscherer-Haus“ 84 . Das Gebäude wurde um<br />
1470 erbaut und stand bis 1903 in der Gruetgasse. Es galt als einziges bekanntes gotisches<br />
Fachwerkhaus der Stadt Münster 85 . In diesem Haus betrieb sein Vater ein international<br />
bekanntgewordenes Kostümverleihinstitut 86 .<br />
Nach dem Besuch der Volksschule erlernte der junge <strong>Bernhard</strong> ab dem 14. Lebensjahr in<br />
Münster die Steinbildhauerei bei den <strong>Bildhauer</strong>n Fleige 87 und <strong>Bernhard</strong> Frydag 88 , der sowohl<br />
78<br />
NL BB: I, A-3, Kopie: „Ahnentafel (zum Nachweis der arischen Abstammung) für Johann <strong>Bernhard</strong> Maria<br />
<strong>Bleeker</strong>, o. Akademieprofessor“, 3. 12. 1937. Siehe auch die Abb. der Eltern im Anhang B: Nr. 3<br />
79<br />
ebd.<br />
80<br />
NL BB: I, C-92: Schreiben von <strong>Bleeker</strong>s Schwager Albert Mazzotti an <strong>Bleeker</strong>, 27. 4. 1937<br />
81<br />
Auszug aus dem Taufbuch der Kirchengemeinde St. Lamberti in Münster, 23. 1. 1965 (freundliche Auskunft<br />
von Silke Jahn)<br />
82<br />
Hermann <strong>Bleeker</strong> nannte sich später <strong>Bleeker</strong>-Kullmer (nach dem Mädchennamen seiner Frau), um<br />
Verwechslungen mit <strong>Bernhard</strong> <strong>Bleeker</strong> zu vermeiden.<br />
83<br />
Die Namen der Geschwister lauteten: Josef, Wilhelm, Fritz, Konrad, Hermann, Karl, Anna und Liesl<br />
(freundliche Mitteilung von <strong>Bleeker</strong>s Neffen Andreas <strong>Bleeker</strong>). <strong>Bleeker</strong>s Bruder Fritz reüssierte in den<br />
Zwanziger Jahren als Chefkoch beim Völkerbund in Genf, wo er die Bekanntschaft zahlreicher prominenter<br />
Politiker machte. Sein jüngster Bruder Karl starb als kleiner Junge an einer Beerenvergiftung (freundliche<br />
Mitteilungen von Andreas <strong>Bleeker</strong>). Siehe auch die Abb. im Anhang B: Nr. 2 und 4.<br />
84<br />
„<strong>Der</strong> Überlieferung nach hat hier die >Königin< Elisabeth Wandscherer gelebt, die Lieblingsfrau des die<br />
Vielweiberei preisenden Wiedertäuferkönigs Jan van Leyden. Sie fiel eines Tages beim König in Ungnade, weil<br />
sie ihm liederlichen Lebenswandel vorwarf. In seinem Zorn zog er sie am 12. Juni 1535 mit eigenen Händen auf<br />
den Prinzipalmarkt, schlug ihr in Gegenwart des ganzen Volkes und seiner 15 Kebsweiber den Kopf ab und trat<br />
ihre Leiche mit Füßen“ (zitiert nach Werland 1971, S. 12). Siehe auch die Abb. im Anhang B: Nr. 1<br />
85<br />
Werland 1971, S. 12<br />
86<br />
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87<br />
<strong>Der</strong> <strong>Bildhauer</strong> Fleige (ohne Vornamensnennung) war in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. in Münster tätig, wo er<br />
ein Bronzedenkmal des Ministers von Fürstenberg (1875), in der Kreuzkapelle der Aegidienkirche einen Ölberg<br />
(1876), eine Pietà in der Lambertikirche, einen Luidgerusbrunnen (1889) und zusammen mit A. Rüller ein<br />
Denkmal der Annette von Droste-Hülshoff (1896) schuf. Ferner war er auch als Restaurator tätig (Ulrich<br />
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