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Regionale Siedlungsforschung bzw. wissenschaftliche ...

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<strong>Regionale</strong> <strong>Siedlungsforschung</strong> <strong>bzw</strong>. <strong>wissenschaftliche</strong> Heimatforschung am<br />

Beispiel der Bauerschaft Bümmerstede – ein Arbeitsbericht<br />

Der leicht überarbeitete Text des am 1.6.2005 in Nordenham gehaltenen Vortrags enthält a)<br />

neben einem exemplarisch verstandenen Bericht über bisherige eigene Forschungsansätze<br />

während und nach dem Studienabschluß b) schwerpunktmäßig Informationen zur Siedlungsgeschichte<br />

des Ortes Bümmerstede bei Oldenburg – eine Kurzfassung und zugleich eine Erweiterung<br />

meiner Magisterarbeit.<br />

Um die Ladezeit im Internet zu reduzieren, werden hier die meisten der beim Vortrag verwendeten<br />

Tageslichtprojektor-Folien nicht graphisch wiedergegeben, sondern nur inhaltlich<br />

beschrieben.<br />

Inhalt<br />

1. Forschergenese: Themenfindung innerhalb der „Heimatforschung“<br />

2. Forschungsgenese: Mittel, Methoden und Erfahrungen<br />

3. Forschungsergebnisse: ein Querschnitt Bümmerstedes<br />

a) Räumliche Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes<br />

b) Die natürlichen Grundlagen: Entwicklung von Landschaft und Landwirtschaft<br />

c) Entstehung und Entwicklung der Ortsteile und Höfe<br />

d) Politische Zugehörigkeit<br />

e) Bäuerliche Sozialschichten<br />

4. Forschungsaufgaben: Vergangenheit hat Zukunft<br />

* * *<br />

1. Forschergenese: Themenfindung innerhalb der „Heimatforschung“<br />

In der Stadt Nordenham über das Dorf Bümmerstede zu sprechen hat für einen Historiker<br />

seinen Reiz im Gegensätzlichen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Denn während der<br />

Ortsteil Nordenham seine Herkunftsgemeinde Atens heute deutlich dominiert, erging es<br />

Bümmerstede in etwa umgekehrt. War es im Frühmittelalter bezogen auf Siedlungslage, überschaubare<br />

Größe und fehlende Ausstrahlung dem nachmals sogenannten Oldenburg noch sehr<br />

ähnlich, ist es heute zu einem der südlichen Stadtteile jener späteren Landes- und Bezirkshauptstadt<br />

geworden. Im Bewußtsein der Oldenburger ist Bümmerstede nicht mehr sehr präsent,<br />

tritt zu Unrecht sogar gegenüber seinem eigenen Unterort Kreyenbrück zurück. Da bleibt<br />

der geschichtlichen Wahrheit zuliebe noch etliche Aufklärungsarbeit zu leisten. Ich freue<br />

mich, daß ich mich unter anderem dieser Aufgabe widmen kann und Bümmerstede im Rahmen<br />

eines ANKA-Treffens 1 vorstellen darf; zum ersten Mal in Form eines Vortrags, und noch<br />

bevor ich die Möglichkeit habe, etwas Schriftliches darüber zu veröffentlichen.<br />

Der Oldenburger Stadtarchivar Herr Ahrens hat mich um diesen Beitrag gebeten, weil ich<br />

Bümmerstede für meine Magisterarbeit an der Universität Oldenburg in historischer und geo-<br />

1 ANKA = Arbeitsgemeinschaft niedersächsischer Kommunalarchive e. V., hier Regionalgruppe Oldenburg.<br />

1


graphischer Hinsicht untersucht habe. 2 Es war das erste Mal überhaupt in der langen Geschichte<br />

dieser Bauerschaft 3 , daß sie mit <strong>wissenschaftliche</strong>m Interesse betrachtet wurde. Insgesamt<br />

arbeite ich schon über 10 Jahre am Thema Siedlungs- und Landschaftsgeschichte der<br />

ganzen Stadt Oldenburg, komme aus fachlichen, finanzierungstechnischen und zeitlichen<br />

Gründen aber erst jetzt dazu, erste Ergebnisse vorzustellen.<br />

Neben diesem offiziellen Bezug zum Untersuchungsgegenstand Bümmerstede habe ich noch<br />

einen ganz persönlichen, auf den ich ausdrücklich hinweisen möchte, weil er auf fachlicher<br />

Ebene Anlaß zu Mißverständnissen bieten kann: Ich bin gebürtiger Kreyenbrücker und lebe<br />

schon seit über drei Jahrzehnten in Bümmerstede. Es handelt sich also buchstäblich um meine<br />

Heimat, in der ich zu forschen begann. – Nun ist der Begriff „Heimatforschung“ zuweilen<br />

etwas verdächtig, weil allzuleicht unterstellt werden kann, hier werde zwar mit großem Interesse<br />

und Engagement aber weniger fachlich-methodisch an die Fragestellungen herangegangen.<br />

Manchmal trifft das auch zu; wer gelernt hat, wie wichtig etwa Quellennachweise durch<br />

Fußnoten und Literaturangaben sind, würde es begrüßen, wenn diese Hilfsmittel zum Beispiel<br />

in zahlreichen Vereins- und Ortschroniken öfter zur Anwendung kämen.<br />

Andererseits gibt es durchaus auch ordentliche Gegenbeispiele, und niemand wird heutzutage<br />

noch ernsthaft einer wissenschaftlich betriebenen Lokalgeschichte ihre Bedeutung absprechen,<br />

ist sie im Gegenteil doch Basis und Spiegel der sogenannten „großen“ Geschichte und<br />

kann wichtige Beiträge zum Gesamtbild liefern, was nicht zuletzt durch die verdienstvolle<br />

Arbeit der Archivare vor Ort vorbereitet und unterstützt wird.<br />

Trotzdem sehe ich mein Aufgabenfeld grundsätzlich nicht nur im lokal<strong>wissenschaftliche</strong>n<br />

Bereich, denn Oldenburg ist eine Stadt mit immer noch regionaler Ausstrahlung, und interessante<br />

Forschungsthemen bieten sich auch in weiterer Ferne. Irgendwo aber muß man beginnen,<br />

seine lern- und arbeitsintensiven ersten Schritte zu tun. Warum dann nicht den eigenen<br />

Heimvorteil ausnutzen? Es kann nämlich sehr hilfreich sein, wenn man die örtlichen Gegebenheiten<br />

schon lange kennt, bevor man sich ihnen wissenschaftlich widmet. Im übrigen müssen<br />

sich Heimatverankerung und Orientierung an der allgemeinen Geschichtsforschung nicht<br />

ausschließen, zumal man seinen Heimatbegriff letztlich immer auch als Weltbürger im geistigen<br />

Sinne definieren kann.<br />

Der Vortragstitel sollte dazu dienen, einmal die Stellung der Lokalforschung unterhalb <strong>bzw</strong>.<br />

innerhalb der Regionalforschung ansprechen zu können. Damit hat er diesen Zweck erfüllt;<br />

der ursprünglich vorgesehene Titel lautet schlicht:<br />

„Arbeitsbericht zur Erforschung der Bauerschaft Bümmerstede, Aspekte ihrer Siedlungsgeschichte<br />

vom Mittelalter bis zur Industrialisierung“.<br />

Davon soll im folgenden die Rede sein.<br />

Wie Sie aus der eingangs verteilten Inhaltsgliederung ersehen, möchte ich in gebotener Kürze<br />

zunächst ein wenig von Arbeitsmitteln, -Methoden und -Erfahrungen berichten, vom historischen<br />

Handwerkszeug angepaßt an Bümmersteder Bedingungen gewissermaßen, was genauso<br />

unter die Aufgaben dieses Arbeitsberichtes fällt wie die eingangs gegebenen Hinweise auf die<br />

fachorientierte Motivation. Anschließend werden im Hauptteil die eigentlichen Arbeitsergebnisse<br />

vorgestellt: ein siedlungshistorischer Querschnitt des untersuchten Ortes. Der Schlußteil<br />

behandelt dann sich daraus ergebende weiterführende Forschungsaufgaben.<br />

2 Martin Teller: Ein Dorf am Rande der Stadt – Bümmerstede im Mittelalter und früher Neuzeit. Magisterarbeit,<br />

masch., Oldenburg 2003, überarbeitet und ergänzt 2004.<br />

3 Der heutzutage bekanntere Begriff Bauernschaft umfaßt alle dörflichen Bewohner eines historisch zusammengehörenden<br />

Bezirks. Wenn aber die Rede sein soll von dem Grund und Boden, von den Gebäuden, von den<br />

Marknutzungsrechten dieser Bauern, wenn also das Siedlungsganze gemeint ist: Land und Leute, dann lautet der<br />

korrekte Begriff dafür Bauerschaft, ohne n in der Mitte.<br />

2


2. Forschungsgenese: Mittel, Methoden und Erfahrungen<br />

Von den Fragen, die sich aus der Bümmersteder und Kreyenbrücker Geschichte ergaben, waren<br />

mir, während ich dort aufwuchs, etliche unbeantwortet geblieben, irgendeine Monographie<br />

darüber gab es nicht. An der Oldenburger Universität kann man lernen, neue Fragen zu<br />

stellen, die das Ausmaß des Nicht-Wissens noch vergrößern. – Man entdeckt aber auch den<br />

Reiz einer Forschungslücke, und man bekommt das nötige Rüstzeug, sich seine Antworten<br />

selbst zu suchen.<br />

Meine Heimat-Bauerschaft bot erkennbar ein gutes Thema für eine abschließende Magisterarbeit.<br />

Vernünftigerweise recherchiert man gründlich, bevor man seinen Themenwunsch gegenüber<br />

den betreuenden Dozenten äußert. Die anschließende Arbeit, jene vom eigenen Konzept<br />

zu überzeugen, darf dabei nicht unterschätzt werden. Gewöhnlich profitiert man als Student<br />

von den fachlichen und administrativen Erfahrungen seiner akademischen Lehrer, und es<br />

kommt zu einem pragmatischen Kompromiß, der die prüfungstauglichen Inhalte vorzieht und<br />

die Forschungsschwerpunkte größtenteils für spätere Bearbeitung zurückstellt.<br />

Folie 1 „Oldenburger Quellenfundorte zur Bümmersteder Geschichte“: ein grau hinterlegter Oldenburg-Stadtplan<br />

mit jeweils passend lokalisierten farbigen Einträgen,<br />

– in rot „Einrichtungen mit Archivfunktion“ (Staats- und Stadtarchiv, Stadtmuseum, Oberkirchenrat,<br />

Kirchengemeinde Osternburg, Bauamt/Plankammer),<br />

– in grün „Interviewpartner/Ortsquellen“ (Bezirksarchäologie, alteingesessene Bümmersteder <strong>bzw</strong>.<br />

Kreyenbrücker, Feldforschung, der Autor),<br />

– in blau „Bibliotheken“ (Universität, Landesbibliothek), Staatsarchiv und Autor blau unterstrichen. 4<br />

Die angezeigte Folie führt die „Fundorte“ der verschiedenen Quellen auf, die für die Recherche<br />

der Bümmersteder Geschichte herangezogen werden konnten. Sie besitzt damit einen<br />

gewissen exemplarischen Charakter für ähnliche Projekte.<br />

Eigentlich hätte die Stoffrecherche üblicherweise in einer Bibliothek begonnen. Doch weil ich<br />

es seinerzeit nicht erwarten konnte, endlich selbstständig zu forschen, führte mich mein Weg<br />

zuerst ins Oldenburger Stadtmuseum. Betreut vom stellvertretenden Direktor Herrn Elerd<br />

habe ich dort historische Karten von Oldenburg ausgewertet, um mir einen ersten Überblick<br />

von der historischen Siedlungslandschaft zu verschaffen. Dazu dienten auch zahlreiche Faksimiledrucke<br />

und Kartenkopien, die ich mir von der damaligen Bezirksregierung bei der Kartenabteilung<br />

in der Ofener Straße kaufte <strong>bzw</strong>. anfertigen ließ.<br />

Im zweiten Schritt dann, der zwischendurch oft wiederholt wurde, ging es in die verschiedenen<br />

Bibliotheken innerhalb der Stadt Oldenburg:<br />

- die Universitätsbibliothek, wo mir außer dem für das Fach Geschichte zuständigen<br />

Herrn Dr. Segers viele weitere Bibliothekare weiterhalfen;<br />

- ebenso in der Landesbibliothek, die jetzt von Frau Roeder M.A. geleitet wird;<br />

- später auch in der Bibliothek des Staatsarchivs Oldenburg – dazu unten mehr;<br />

- und meine eigene Buch-, Karten- und Datensammlung, die während der Arbeiten zu<br />

einem brauchbaren Hilfsmittel für Oldenburger Siedlungs- und Landschaftsgeschichte<br />

anwuchs.<br />

Die Recherche hat erwartungsgemäß etliche grundlegende Fachliteratur zu vielfältigen Aspekten<br />

ländlicher Siedlungsgeschichte erbracht, von lokalen Nachbarorten bis hin zu europaweiten<br />

Vergleichsmöglichkeiten. Zur Bauerschaft Bümmerstede aber fanden sich allenfalls<br />

verstreut einige Einzelheiten.<br />

4 Nachweise der jeweils verwendeten Abbildungen siehe am Schluß.<br />

3


Daher führte mich der nächste Schritt zwangsläufig in die Oldenburger Archive: das Staatsarchiv<br />

(StAO), das am selben Ort befindliche Stadtarchiv, über das Bauamt in die Plankammer<br />

der Stadt Oldenburg, und ins Archiv des Oberkirchenrates, <strong>bzw</strong>. auch direkt zur Kirchengemeinde<br />

Osternburg, die für Bümmerstede zuständig ist. In diesen kulturell unverzichtbaren<br />

Einrichtungen haben mich die Herren Archivare Dr. Nistal (StAO), Ahrens, Meyer (Oberkirchenrat)<br />

und viele weitere mehr mit wertvollen Hinweisen unterstützt.<br />

Wie erhofft sind hier denn auch reiche Detailinformationen zur Ortsgeschichte vorhanden;<br />

natürlich „vergraben“ in umfangreichen Aktenbeständen – ein Schatz, den man erst heben<br />

muß. Für die Magisterarbeit kam es neben einer allgemeinen thematischen Einführung vor<br />

allem darauf an, quasi den „roten Faden“ der besonderen Entwicklung Bümmerstedes zu finden<br />

und einen ersten Überblick über die Siedlungsstruktur zu gewinnen. Dafür war es in den<br />

Archiven also nötig, in erster Linie Quellen zur Siedlungsgeschichte auszuwerten, die hier nur<br />

angedeutet sein sollen: Etliches findet sich verstreut im Staatsarchivbestand 20 „alte Grafschaft<br />

Oldenburg“, wichtiger sind aber die Amtsbücher der Bestände 75 und 76 mit ihren<br />

Mannzahlregistern, Erdbüchern, Flurbüchern und Brandkassenverzeichnissen. Einen lebendigen<br />

Einblick in die Geschichte geben die vielfältigen Nachrichten aus den „Amtsrechnungen<br />

der Hausvogtei Oldenburg“ von 1680 bis 1811; etwa 130 Folianten, die inhaltlich noch gar<br />

nicht erschlossen waren, bevor ich mir ein provisorisches Inhaltsverzeichnis erarbeitet habe.<br />

Für die Quellen des Mittelalters liegen bereits gedruckte Sammlungen Oldenburger Historiker<br />

vor, das Salbuch der Grafen von Oldenburg, deren älteste Lehnsregister, und besonders das<br />

Oldenburgische Urkundenbuch, auf dessen durchaus kritikwürdige Bearbeitung jetzt nicht<br />

eingegangen werden kann.<br />

Zu den Archiverfahrungen, die wohl jeder anfänglich macht, gehört oft eine Phase deutlicher<br />

Unsicherheit, wenn man zum ersten Mal ein historisches Aktenstück vorgelegt bekommt und<br />

feststellen muß, die alte deutsche Handschrift kaum lesen zu können. Gewöhnlich verliert sich<br />

das bereits nach mehreren 100 Seiten.<br />

Man muß auch wissen, wenn man eine derartige Arbeit beginnt, daß man auf Dauer mit nicht<br />

unerheblichen Kosten zu rechnen hat, die sich für Bücher, Karten, technische Ausrüstung<br />

usw. schnell summieren. Es sollte dann wenigstens ein öffentliches Anliegen sein, denjenigen,<br />

die sich ernsthaft mit den Archivalien beschäftigen wollen, einen kostenfreien Zugang zu<br />

ermöglichen. Von im Arbeitsleben Stehenden oder den meisten Rentnern kann wohl ein gewisser<br />

Beitrag zur Kostendeckung erwartet werden. Ihn aber von Schülern, Studenten und<br />

Arbeitslosen zu erheben wäre kontraproduktiv, weil diese Gebührenschranke eine fleißige<br />

Archivnutzung eher behindern als fördern würde.<br />

Mit dieser ganzen Vorbereitung war es aber noch nicht getan. Schon Goethe wußte:<br />

Es ist mit der Geschichte wie mit der Natur, wie mit allem Profunden, es sei vergangen, gegenwärtig<br />

oder zukünftig: je tiefer man ernstlich eindringt, desto schwierigere Probleme tun<br />

sich hervor. 5<br />

Manche Quellenaussagen blieben dunkel, manche Aktendetails paßten nicht recht zusammen,<br />

manche Fragen ließen sich nicht auf dem Papier klären. Deshalb holte ich mir fachlichen Rat<br />

von praktisch orientierten Experten: Ich sprach mit Herrn Dr. Ziessow vom Museumsdorf<br />

Cloppenburg über Sachüberreste, die bei der Ortsnamensdeutung helfen konnten. Mit dem<br />

Bezirksarchäologen Herrn Dr. Eckert, bei dem ich als Student an einer Ausgrabung teilgenommen<br />

hatte, ging es um eventuelle Bodenfunde; dazu im 3. Teil Näheres. Hier ging es mir<br />

auch darum, außer über mein Zweitfach Geographie, wo ich mich stets der freundlichen Unterstützung<br />

durch Herrn Professor Dr. Hagen erfreuen durfte, noch weitere interdisziplinäre<br />

Erfahrung zu sammeln. Besonders hilfreich waren nicht zuletzt die zahlreichen Interviews mit<br />

5 Wilhelm Meisters Wanderjahre.<br />

4


Alteingesessenen meiner untersuchten Bauerschaft, den „Dorfältesten“ sozusagen, was ich in<br />

diversen Gesprächsprotokollen festgehalten habe.<br />

Außerdem ist es bei einer derartigen Thematik unverzichtbar, sich durch gründliche Feldforschung<br />

ein persönliches Bild zu machen. Ich kannte den untersuchten Ort zwar schon lange,<br />

mußte, was das Fachliche betrifft, aber erkennen, früher nicht immer richtig hingeschaut zu<br />

haben. Das war nun durch etliche <strong>wissenschaftliche</strong> Ortsbegehungen und Radtouren auszugleichen.<br />

Dadurch ist mir aufgefallen – leider erst recht spät –, wie wichtig es ist, Fotos von<br />

den Resten der historischen Landschaft zu machen, die man untersucht, ehe sie durch diverse<br />

Baumaßnahmen mehr und mehr verschwindet. Zusätzlich zu meinen aktuellen konnte ich bei<br />

den Ortsbewohnern auch historische Fotos sammeln und mir von Herrn Spielbrink vom Oldenburger<br />

Luftbildarchiv einige Luftbildaufnahmen vom Bümmersteder Ortskern anfertigen<br />

lassen, bevor ein lokalgeschichtlich bedeutender Bauernhof ganz abgerissen wurde.<br />

Es versteht sich, daß man währenddessen zu Hause viel mit der Vor- und Nachbereitung zu<br />

tun hat. Sich vor allem durch eine systematische „modulare“ 6 Arbeitsweise – auch mittels<br />

geeigneter Software – Ordnung über seine vielfältigen Fundstellen und Bearbeitungsansätze<br />

zu verschaffen, ist eine selbstverständliche Voraussetzung. So habe ich mir denn auch etliche<br />

Texte, Tabellen, Graphiken und Karten als Hilfsmittel angelegt, darunter die permanent im<br />

Ausbau befindliche und tabellarisch erschlossene Fotosammlung. All dies war schon Grundlage<br />

der Magisterarbeit und wird noch in irgendeiner Form in die laufenden und geplanten<br />

Publikationen einfließen.<br />

Wie Sie sehen, ging es mir bei meiner Vorbereitung nicht nur um meinen Studienabschluß<br />

<strong>bzw</strong>. um eine einzige Bauerschaft. Obwohl das angesichts der gegenwärtig besorgniserregenden<br />

Situation im Bildungsbereich verwundern kann, möchte ich meinen Beruf als Historiker<br />

tatsächlich ausüben – was man heutzutage notfalls auch ohne entsprechende Fachstelle können<br />

muß, wenn man zu Eigeninitiative und kreativer Einschränkung gleichermaßen fähig ist.<br />

Doch trotz allen fachlichen Engagements war angesichts knapper Zeit- und Platzvorgaben<br />

nicht zu erwarten, sämtliche gesammelten Erkenntnisse über Bümmerstede schon in der Magisterarbeit<br />

unterzubringen. Dort habe ich nur einen Ausschnitt vorstellen können, und genauso<br />

will ich es hier tun, zumal ohnehin eine Drucklegung in toto beabsichtigt ist. Grundlage<br />

des Folgenden ist einmal die Magisterarbeit, deren erster und zweiter Gutachter Herr Professor<br />

Dr. Holbach und Frau Professorin Dr. Gleba sind. Überarbeitet und ergänzt werden konnten<br />

die Texte vor allem nach Besprechungen mit Herrn Professor Dr. Heinrich Schmidt.<br />

Weil so wenig über Bümmerstede bekannt war, habe ich in der ersten Hälfte der Magisterarbeit<br />

das Besondere der dortigen Siedlungsgeschichte aus dem allgemeinen Fachwissen abgeleitet.<br />

Im zweiten Teil konnte dann begonnen werden, den Ort konkreter zu erforschen. Ich<br />

halte mich im wesentlichen an den Rahmen dieses Aufbaus und setze nach einer notwendigen<br />

thematischen Hinführung Bümmerstede-spezifische Schwerpunkte. Dabei greife ich auch auf<br />

einen Vortragstext zurück, den ich für die ortsansässigen Bürger vorbereitet habe.<br />

6 Sich derart zu organisieren, daß 1. unterschiedliche Arbeitsbereiche parallel geführt und die Arbeit daran je<br />

nach Bedarf unterbrochen und wieder aufgenommen werden kann und dennoch die einzelnen Module jederzeit<br />

zu einem Ganzen zusammenfügbar sind. Darüber hinaus hat es sich 2. als praktisch herausgestellt, wenn diese<br />

Module nicht zwangsläufig nur dem Gesamtkontext dienen müssen, sondern nötigenfalls auch unabhängig voneinander<br />

verwendbar (und publizierbar) sind. Man könnte solch eine Vorgehensweise auch als flexibel vernetztes<br />

Arbeiten bezeichnen.<br />

5


3. Forschungsergebnisse: ein Querschnitt Bümmerstedes<br />

a) Räumliche Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes<br />

Folie 2 „Bümmerstede mit Kreyenbrück – größtenteils nach Oldenburg eingemeindet – im Jahr<br />

1990“: ein Ausschnitt aus der topographischen Karte Oldenburg 1 : 50.000, Normalausgabe, Stand<br />

1990. Darin die (sonst schwarz gedruckten) Ortsnamen von Bümmerstede, Kreyenbrück und Klein<br />

Bümmerstede rot eingefärbt.<br />

Zuerst müssen wir wissen, wo mit Bümmerstede und Kreyenbrück die untersuchte Bauerschaft<br />

denn genau liegt.<br />

Eigentlich scheint alles ganz einfach zu sein, schließlich genügt ein Blick auf jede moderne<br />

Karte, um die betreffenden Stadtteile zu finden – aber nur ungefähr! Denn einmal kennen die<br />

Kartenhersteller gewöhnlich die Städte gar nicht, die sie darstellen; entsprechend ungenau ist<br />

oft das Ergebnis. Zum anderen ist auch den Bewohnern selbst kaum noch bekannt, bis wohin<br />

sich die alten Wirtschaftsgrenzen erstreckten, die außerdem oftmals Veränderungen unterworfen<br />

waren. An modernen Verwaltungskarten, wie sie in den Ämtern verwendet werden, kann<br />

man sich schon gar nicht orientieren, weil sie naturgemäß keine historisch exakten Inhalte<br />

haben, sondern lediglich Hilfsmittel der jeweils jüngsten Stadtverwaltung sind.<br />

Für meine Magisterarbeit habe ich darum drei verschiedene Arten von Quellen ausgewertet,<br />

um die Grenzen der Bauerschaft zu finden:<br />

1. Historische Karten verschiedener Zeiten,<br />

2. zeitgenössische Texte mit Aussagen zu den Grenzen der Dorfgemeinschaft, hier besonders<br />

ein Grenzbegehungsprotokoll von 1816,<br />

3. die umfangreichen frühneuzeitlichen Grundbesitzregister und das Urkataster des Landes<br />

Oldenburg. 7<br />

Dadurch wurde es möglich, die einzelnen Hofstellen der Bauerschaft zu erfassen und längst<br />

verwischte historische Grenzen nachzuvollziehen.<br />

Wie Sie auf der modernen Übersichtskarte anhand der Rotkennzeichnung bereits gesehen<br />

haben, gehören drei Unterorte im südlichen Stadtbereich Oldenburgs in den engeren siedlungsgeschichtlichen<br />

Zusammenhang der Bauerschaft Bümmerstede: als älteste Keimzelle der<br />

Ort Bümmerstede mit seinem Kern um Denkmals- und Dorfweg, die Tochersiedlung Kreyenbrück<br />

und die Tochtersiedlung Klein Bümmerstede.<br />

Folie 3 „Grenzen der Bauerschaft Bümmerstede“: die Landschaftssituation des heutigen Oldenburger<br />

Stadtsüdens um 1900 auf Basis der preußischen Landesaufnahme 1: 25.000. Darin mehrere<br />

rekonstruierte, verschieden gestrichelte und rot und blau dargestellte Außengrenzlinien Bümmerstedes<br />

vom Mittelalter über die frühe Neuzeit bis in die Gegenwart, sowie grün umfaßt die Binnengebiete<br />

von Krusenbusch und der modernen St. Peter-Siedlung.<br />

Die nächste Karte zeigt Ihnen die Ergebnisse meiner „Grenzforschung“. Auch wenn man sich<br />

in Oldenburg auskennt, dürfte einem die Gegend reichlich fremd vorkommen. Dargestellt ist<br />

nämlich der heutige Stadtsüden, wie er um das Jahr 1900 aussah. Dies dient uns als Bindeglied<br />

zwischen der älteren Vogteikarte, deren Kopie Sie vor sich liegen haben (vgl. Folie 5)<br />

und den heutigen Zuständen (vgl. Folie 2).<br />

7 Magisterarbeit, S. 70-72.<br />

6


(Anhand der Karte zur Orientierung die wichtigsten Bauerschaftsteile und -straßen gezeigt:<br />

die Lage der Siedlungskerne von Bümmerstede, Kreyenbrück und Klein Bümmerstede, die<br />

Sandkruger Straße, Cloppenburger Straße, Klingenbergstraße, Bümmersteder und Tweelbäker<br />

Tredde, und den Sprungweg.)<br />

Es handelt sich um ein recht großes Territorium, das mehr oder weniger intensiv mit der Geschichte<br />

der Bauerschaft Bümmerstede verbunden ist: fast der gesamte Süden des heutigen<br />

Stadtgebietes und darüber hinaus. Aus der Karte geht auch hervor, daß an den Rändern dieses<br />

Gebiets im Laufe der Zeit neue Siedlungen entstanden, die allmählich anwuchsen und dann<br />

verwaltungsmäßig oder im Bewußtsein der Bevölkerung aus dem Gebiet Bümmerstedes ausgegliedert<br />

wurden: vor allem Tweelbäke und Krusenbusch. Mit einer einzigen Grenze kommt<br />

man daher für die lange Geschichte der Orte nicht aus, deshalb sind für die verschiedenen<br />

Epochen jeweils eigene Grenzenlinien eingezeichnet. 8<br />

Im Mittelalter und teilweise bis in die frühe Neuzeit kannte man noch keine so exakten Grenzen<br />

wie heute. In der dünnbesiedelten Gegend lagen zwischen den einzelnen Orten oft ausgedehnte<br />

siedlungsleere Räume, wie Wälder, Heiden und Moore. Daher kann man eher von<br />

Grenzräumen sprechen, von allenfalls extensiv genutzten Übergangszonen. Die quasinatürlichen<br />

Grenzen der Bauerschaft Bümmerstede waren:<br />

- im Westen die Hunteaue,<br />

- im Norden die Wald- <strong>bzw</strong>. Heideflächen hinter der Gabelung der Heerstraße Richtung<br />

Osternburg (das ist heute die Kreuzung Cloppenburger Straße/Sandkruger Straße),<br />

- im Süden ebenfalls ein Wald/Heide-Bruchwald-Gürtel ungefähr beim späteren Klein<br />

Bümmerstede.<br />

- Im Osten, im Hohen Moor, wurde die Grenze zum Gebiet des Klosters Blankenburg 1333<br />

auf gräfliches Betreiben mit Hilfe von steinernen Grenzkreuzen exakt festgelegt. Die dortige<br />

Grenze entspricht ziemlich genau dem Verlauf des modernen Hemmelsbäker Kanals<br />

(Neuer Kanal).<br />

Auf der Karte sehen Sie die beschriebenen Grenzräume als verschieden ausgeführte rote Linien,<br />

die aufgrund neuzeitlicher Ausmessung exakter ausfallen, als sie für das Mittelalter verstanden<br />

werden sollten, für die Zeit nach der Markenaufteilung 1816-33 aber korrekt wiedergegeben<br />

sind. Ohne jetzt auf Details einzugehen ist festzuhalten, daß sich der Kernsiedlungsbereich<br />

Bümmerstedes westlich-links der Bahnlinie befindet, von dem die Gebietsnutzung<br />

ausging, und auf den sie heute nach einigen Ortsausgründungen wieder beschränkt ist. Aus<br />

(land)wirtschaftlichen Gründen wurden 1935 die südlichsten Teile unter anderem der Bauerschaft<br />

Bümmerstede ausgemeindet, darunter die ganze Unterortschaft Klein Bümmerstede.<br />

Dadurch sind natürlich nicht jahrhundertealte Siedlungszusammenhänge aufgehoben worden,<br />

die Ortsteile gehören seitdem lediglich verschiedenen modernen Gemeinden an. Zur Orientierung<br />

habe ich die heutige Stadtgrenze Oldenburgs in blau eingetragen.<br />

Weil Kreyenbrück als Teil der Bauerschaft Bümmerstede entstanden ist, sind beide Orte in<br />

der Verwaltungspraxis stets als Einheit behandelt worden – wenn man von einigen jüngeren<br />

rein statistischen Erhebungen absieht. Erst in moderner Zeit wird Kreyenbrück fälschlich als<br />

eigener Stadtteil empfunden, freilich ohne daß sich eine reale Grenze ausmachen ließe. (Als<br />

ungefähre Trennlinie wurde meist der Meerweg angesehen, von da könnte man sie gedanklich<br />

bis zum Wüschemeer ziehen.) Klein Bümmerstede ist trotz der politischen Ausgemeindung<br />

nach Wardenburg ebenso mit Kernbümmerstede zusammengewachsen. (Hier könnte der We-<br />

8 Dies ist auch ein Hinweis für die aktuelle Diskussion um den genauen Verlauf von Stadtteilgrenzen in Oldenburg,<br />

deren Ergründung zwangsläufig Teil einer umfassenderen Siedlungs- und Landschaftsforschung sein müßte.<br />

7


sterholtsweg die Trennlinie sein, denn der dortige Bauernhof südlich daran zählt traditionell<br />

zu Klein Bümmerstede.) 9<br />

Kreyenbrück beginnt heute gefühlsmäßig für die meisten von uns, wenn sie von Norden<br />

kommen, mit dem Passieren der Autobahnbrücken bei Osternburg (Abfahrt Kreyenbrück).<br />

Siedlungsgeschichtlich zählten die Gebiete südlich davon bis etwa zur Klingenbergstraße aber<br />

noch lange zu Osternburg.<br />

b) Die natürlichen Grundlagen: Entwicklung von Landschaft und Landwirtschaft<br />

Folie 4 „Böden der Stadt Oldenburg und Umgebung“: Ausschnitt aus der Bodenkundlichen Standortkarte<br />

1 : 200.000, Blatt Oldenburg. Mit eigenen Erläuterungen der farbig dargestellten Flächen zur<br />

Erstreckung von Geest, Hoch- und Niedermoor sowie Marsch und Talaue. 10<br />

Wenn man die Geschichte einer Siedlung näher erforschen will, kommt man nicht umhin,<br />

einen Blick auf die Entwicklung ihrer Landschaft und die hinterlassenen natürlichen Grundlagen<br />

zu werfen, denn sie prägten die Siedlung und das ganze Leben der Dorfbewohner.<br />

Dafür müssen wir einen kurzen Abstecher in sehr ferne Epochen machen. Den drei letzten<br />

Eiszeiten (Elster-, Saale-, Weichseleiszeit 11 ) verdanken wir die heutige Oberflächengestalt<br />

Norddeutschlands. Mit den riesigen Mengen an Erdmaterial, das sie mit den Eisströmen aus<br />

Skandinavien transportieren, schufen die ersten beiden buchstäblich die Grundlage unseres<br />

Bodens. Als direkte und indirekte Folge entstand während und nach der dritten Eiszeit der für<br />

unsere Region typische Wechsel von Geest-, Moor- und Marschgebieten, den wir auch in der<br />

Bauerschaft Bümmerstede finden.<br />

Geest<br />

Bekanntlich formten die Eismassen mit dem transportierten Gemisch aus Sand, Lehm und<br />

Steinen eine reich gegliederte Landschaft, die aus flachen bis welligen Grundmoränen, hoch<br />

aufragenden Endmoränen und weiten Schwemmsandflächen bestand, während das Schmelzwasser<br />

des Eises und das der von Süden kommenden Flüsse in breiten Urstromtälern zum<br />

Meer abflossen. Im Gegensatz zu den Jungmoränengebieten um die Ostsee wurde unsere Region<br />

während der letzten Eiszeit nicht mehr direkt vom Eis überdeckt. Die im arktischen Klima<br />

bedeutenden Abtragungsvorgänge konnten die Hinterlassenschaften der älteren Eiszeiten<br />

daher weitgehend einebnen, so daß das hiesige Altmoränengebiet vergleichsweise niedrig und<br />

grundwassernah liegt.<br />

Zu den höchsten Erhebungen dieser niederdeutsch als „Geest“ (d.h. trocken im Sinne von<br />

unfruchtbar 12 ) bezeichneten Landschaft zählen neben Moränenplatten <strong>bzw</strong>. Geschiebedecken<br />

auch langgestreckte Dünenzüge, die aus Flugsand bestehen. Sie sind während der vegetationslosen<br />

Kaltzeiten entstanden, als die von den Flüssen transportierten Sande ausgeblasen und<br />

wegen der in unseren Breitengraden vorherrschenden Westwinde vor allem auf den Ostseiten<br />

der großen Flüsse abgelagert wurden. Solch ein Dünenzug erstreckt sich auch entlang der<br />

Hunte von Sandhatten bis nach Drielake. Auf ihm zog sich von Wildeshausen kommend eine<br />

9 Magisterarbeit, S. 72-74.<br />

10 Vgl. dazu auch Dietrich Hagen: Naturraum Oldenburgs und Umgebung – geprägt durch Geest, Moor und<br />

Marsch, in: Klaus Brake / Rainer Krüger: Oldenburg im Profil, Oldenburg 1995, S. 432-439.<br />

11 Beginn der Elstereiszeit vor ca. 350.000 Jahren, Dauer der Eiszeiten je ca. 100.000 Jahre, Dauer der zwischenzeitlichen<br />

Warmzeiten ca. 15.000 Jahre, Dauer der gegenwärtigen Warmzeit bereits 10.000 Jahre.<br />

12 Trocken freilich nur im direkten Vergleich mit Moor und Marsch. Gerade die hiesige niedrige Geest besaß<br />

auch etliche periodisch überschwemmte Gebiete, wie man aus historischen Zeugnissen sowie aus Bodenuntersuchungen<br />

weiß. „Unfruchtbar“ ist (wenn man die Böden pfleglich behandelte) nicht wörtlich zu nehmen, sondern<br />

wiederum nur im Vergleich mit der durch Meeres- oder Flußablagerungen gut gedüngten Marsch zu sehen.<br />

8


alte Heer- und Handelsstraße nach Oldenburg hin, und hier, wo es trocken genug war, konnten<br />

die frühen Bümmersteder ihre Häuser bauen und Ackerbau betreiben. Aus den hier stockenden<br />

Eichenwäldern gewannen sie ihr Bau-, Nutz- und Werkholz.<br />

In der angezeigten Bodenkarte sind die höheren Geestrücken dunkelgelb und die eher niedrigen<br />

Geestflächen und -Täler hellgelb bis leuchtendgrün eingezeichnet.<br />

Moor<br />

Mit der Erwärmung und der Rückkehr der Vegetation nach der letzten Eiszeit sind im feuchten<br />

ozeanischen Klima der letzten 8000 Jahre im Altmoränenland des Nordwestens zahlreiche<br />

Moore aufgewachsen. Sie bestehen aus den Resten verschiedener Wasser- und Sumpfpflanzen,<br />

die ideale Wachstumsbedingungen in den vielen niedrig gelegenen Gebieten mit ständiger<br />

Wasserzufuhr fanden. Aufgrund verschiedener Faktoren entstanden im Laufe der Zeiten<br />

unterschiedliche Moortypen, die sich generell als Nieder- und Hochmoore unterscheiden lassen.<br />

Während die nährstoffreichen Niedermoore Grundwasserkontakt behalten und flach bleiben,<br />

wachsen nährstoffarme Hochmoore über abgestorbene Torfmoose (Sphagnaceen) allmählich<br />

in die Höhe, wobei sie Mächtigkeiten bis über 10 Meter erreichen konnten. Es gab in der<br />

Bauerschaft Bümmerstede beide Moortypen, landschaftsprägend wirkte sich aber das ausgedehnte<br />

Hochmoor im Osten des Geestrückens aus. Außer an den Rändern war es fast gänzlich<br />

baumlos und nur von kleinen Wasserstellen durchzogen. Daher war es für mittelalterliche und<br />

frühneuzeitliche Landwirtschaft fast nicht nutzbar und eignete sich nur als Schaf- und Bienenweide<br />

sowie für Torfstich zur Gewinnung von Brennmaterial.<br />

In der Karte sind die Niedermoore matt-dunkelgrün dargestellt, und Hochmoore matt hell-<br />

oder mittelgrün.<br />

Marsch<br />

Als am Ende der letzten Eiszeit die großen Vereisungen allmählich wieder abschmolzen und<br />

dadurch der Meeresspiegel anstieg, bildete sich am Rande unserer Altmoränenlandschaft eine<br />

Übergangszone, bestehend aus dem Watt, das zweimal täglich vom Meer überspült wird, und<br />

der Marsch, die bei Normalhochwasser landfest ist, sonst aber noch vom Meer überspült wird,<br />

solange keine Deiche da sind. Die Gezeiten reichten oft bis weit in die Flußzonen hinein.<br />

Ihre fruchtbaren Meeresablagerungen gelangten über Weser und Hunte bis mindestens zur<br />

heutigen Oldenburger Eisenbahnbrücke, wie auf der Karte in hellblau zu sehen ist. Vor dem<br />

Bau von Sperrwerken liefen Ebbe und Flut aber noch weiter hunteaufwärts, auch an Kreyenbrück<br />

und Bümmerstede vorbei, weshalb wohl die flußnahen Bereiche hier auch heute noch<br />

„Marsch“ genannt werden; obwohl das bodengenetisch nicht ganz korrekt ist, denn es handelt<br />

sich hier eigentlich bereits um eine Flußaue 13 , siehe auf der Karte die mittelblaue Zone. Ihrer<br />

häufig überschwemmten Lage entsprechend wurde hier in historischer Zeit auf Wiesen und<br />

Weiden ganz überwiegend Grünlandnutzung betrieben. 14<br />

13 D.h. um fluviatilen Sand mit Auenlehmdecke.<br />

14 Magisterarbeit, S. 5-11.<br />

9


Folie 5 „Gemarkung Bümmerstede um 1790“<br />

Die Bewirtschaftung dieser Zonen war aber nicht zu allen Zeiten gleich, denn die bäuerliche<br />

Landwirtschaft mußte sich den natürlichen Bedingungen anpassen – und die unterlagen auch<br />

in Bümmerstede einem menschengemachten Wandel.<br />

Die germanischen oder frühmittelalterlichen Erstsiedler fanden im hiesigen Raum eine urwüchsige<br />

Landschaft vor, die fast ausnahmslos mit Wald bedeckt war. Daher lebten sie als<br />

Waldbauern vor allem von Viehwirtschaft, indem sie Rinder und Schweine zur Weide in die<br />

Wälder trieben. Ackerbau, eher Gartenbau, war nur auf kleinen Rodungsflächen unmittelbar<br />

bei den Häusern möglich und spielte noch keine große Rolle. Permanente Zerstörungen von<br />

Unterholz und Waldboden durch die Haustiere und ständige Holzentnahmen durch die Menschen<br />

belastete die Wälder stark. Bis zum Hochmittelalter, um das Jahr 1000, waren die<br />

Baumbestände um die Dörfer vielerorts schon sehr dezimiert.<br />

Dadurch wuchs die Grasweidefläche, die nun immer mehr Vieh ernährte. Wegen der Rodungen<br />

und begünstigt durch einige agrartechnische Erfindungen (besonders der Schollenwendpflug)<br />

konnte gleichzeitig der Ackerbau ausgeweitet werden, um die stark wachsende Bevölkerung<br />

zu ernähren. Man baute nun auf sogenannten Eschen (germanisch etwa: Nahrungsland)<br />

– trocken gelegenen, mit Wall und Graben gegen Viehverbiß gesicherten Ackerflächen<br />

– Jahr um Jahr immer wieder Roggen an, der zur Hauptnahrungsfrucht wurde.<br />

Möglich wurde dies, indem man den Ackerboden regelmäßig düngte; mit Viehmist, vor allem<br />

aber auch mit Bodenlaub des Waldes und Erdplaggen, die in den Gemeinschaftsgründen gestochen<br />

wurden. Das hatte zwei gravierende Auswirkungen auf die gesamte Flur: während die<br />

Esche ihre Bodenqualität und Ertragsfähigkeit behielten <strong>bzw</strong>. diese sogar gesteigert wurden,<br />

degenerierten die zur Düngung herangezogenen Allmendeflächen rapide – d.h. im Prinzip<br />

alles Land, das nicht in Privatbesitz war, also abgesehen von den Hofgärten und den hofeigenen<br />

Weiden an der Hunte. Der Raubbau an den Wäldern und den Böden ließ den ohnehin<br />

dezimierten Baumbewuchs noch schneller schwinden und führte zu einer großflächigen<br />

10


Verheidung, die schon im Spätmittelalter einsetzte und um 1800 kurz vor der Aufteilung der<br />

meisten Marken ihren Höhepunkt erreicht hatte. Diesen Zustand gibt der angezeigte Kartenausschnitt<br />

wieder, den ich Ihnen auch kopiert habe.<br />

Durch die weitgehende Waldzerstörung verringerte sich die Nahrungsgrundlage des Viehs, es<br />

konnten nicht mehr so viele Rinder gehalten werden, die doch vor allem als Düngerlieferant<br />

dringend benötigt wurden. Wiederum paßten sich die Bauern den neuen Verhältnissen an und<br />

veränderten ihre Wirtschaftsweise: sie hielten sich große Schafherden. Diese Tiere waren genügsamer<br />

und sorgten für reichlich Dünger. Bald bevölkerten riesige Schafherden die Gemarkungen,<br />

die zu offenen Landschaften geworden waren; mit großen Heiden, in denen sich oft<br />

ausgedehnte Wehsandflächen bildeten, wenn die Bodenkrume durch Überweidung zerstört<br />

worden war – nicht nur in den Osenbergen, auch in Bümmerstede (auf der Karte dunkelgelb).<br />

Um die Fluren zu schonen, durfte jeder Heidebauer nur noch eine genau festgelegte Viehzahl<br />

in die gemeine Mark eintreiben, was von dem sozialen Rang seiner Hofstelle abhing. 15<br />

Bümmerstede besitzt zwei Esche: Der größere Südesch beginnt unmittelbar südlich des Dorfkerns<br />

und erstreckt sich ca. einen Kilometer weit bis nach Klein Bümmerstede. Der etwas<br />

kleinere Nordesch entspricht im wesentlichen der Fläche des heutigen städtischen Friedhofs<br />

zwischen den Ortskernen von Bümmerstede und Kreyenbrück.<br />

Wie Sie auf der Karte sehen, gab es vor allem östlich des alten Heerweges (Sandkruger Straße)<br />

noch mehrere kleine Acker-, Wiesen- und Gartenflächen. Dies waren sogenannte Kämpe,<br />

ebenfalls umhegtes Land in Privatbesitz, das einzelne Bauern nur mit Genehmigung aller<br />

Markgenossen und der Obrigkeit hatten kultivieren dürften.<br />

Bei dem uns so urtümlich scheinenden Landschaftsbild der Zeit um 1800 blieb es nicht. Innovative<br />

Agrarreformer erkannten, daß sich das Land viel wirtschaftlicher nutzen läßt, wenn die<br />

großen schlecht gepflegten gemeinen Marken unter den Bauern aufgeteilt würden. Zwar gab<br />

es heftigen Widerstand dagegen – von den großen Bauern, die sich ihre ausgedehnten Weidemöglichkeiten<br />

nicht schmälern lassen wollten, von den kleinen Bauern, die befürchteten,<br />

daß ihre Landabfindung zu klein oder zu schlecht für ihren zukünftigen Landwirtschaftsbetrieb<br />

sein würde. Doch in zähen Verhandlungen mit den Landvermessern einigte man sich<br />

schließlich, und zwischen 1816-33 wurde das in allen Ortsteilen gelegene Gemeinschaftsland<br />

aufgeteilt und den einzelnen Hofstellen zugeschlagen. Dabei blieb sogar noch etliches Land<br />

übrig, worauf neue Höfe gegründet werden konnten.<br />

Verschiedene Ansätze, die Moore zu kultivieren, gab es schon vor der Industrialisierung, aber<br />

erst mit Erfindung des Kunstdüngers waren die Bemühungen erfolgreich. Dies sorgte nochmals<br />

für einen gravierenden Landschaftswandel, ebenso der Übergang zum modernen Grünland-Ackerbauerntum<br />

mit seinen Spezialisierungen (Veredelungswirtschaft: verstärkter Anbau<br />

von Futterpflanzen, Konzentration auf Viehzucht) im Zuge der Agrarmodernisierung seit<br />

dem späten 19. Jahrhundert. 16<br />

Die landschaftlichen Folgen besonders im Vergleich zur Vogteikarte haben Sie eben schon<br />

auf der Grenzkarte (Folie 3) sehen können.<br />

15 Ebd., S. 24-32.<br />

16 Zur jüngeren Landwirtschaftsgeschichte Oldenburgs siehe Bernd Mütter, Robert Meyer: Agrarmodernisierung<br />

im Herzogtum Oldenburg zwischen Reichsgründung und Erstem Weltkrieg, Marsch und Geest im intraregionalen<br />

Vergleich (Ämter Brake/Elsfleth und Cloppenburg), Veröffentlichungen der Historischen Kommission für<br />

Niedersachsen und Bremen XXXIV, Quellen und Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Niedersachsens<br />

in der Neuzeit, Band 18, Hannover 1995.<br />

11


c) Entstehung und Entwicklung der Ortsteile und Höfe<br />

So wandelte sich das Landschaftsbild viele Jahrhunderte immer zusammen mit der bäuerlichen<br />

Wirtschaftsweise. Das galt auch für das Bild unserer Siedlungen, die wir uns jetzt etwas<br />

näher ansehen wollen.<br />

Die ersten „Bümmersteder“ der Geschichte werden eher zufällige Gäste gewesen sein, die<br />

sich während der Altsteinzeit zu Jagdzwecken in der noch unwirtlichen Gegend aufhielten.<br />

Zeugnisse finden sich erst aus der Jungsteinzeit, als der Mensch seßhaft wurde. Daß dies vereinzelt<br />

auch auf späterer Bümmersteder und Kreyenbrücker Flur geschah, kann angenommen<br />

werden, denn es fand sich hier verstreut nicht nur Jagdgerät, sondern mehrere Steinbeile aus<br />

unterschiedlichen Epochen von 5000 bis 2000 v. Chr.; Gerät, das für eine dauerhaftere Anwesenheit<br />

spricht. An der heutigen Cloppenburger Straße hinterließ uns einer unserer Vorfahren<br />

sogar seinen Unterkiefer. Hier eine Übersicht über die Streufunde:<br />

Folie 6 „Archäologische Funde in Bümmerstede“: Fotos / Symbolzeichnungen archäologischer<br />

Streufunde in der Bauerschaft Bümmerstede – Steinbeile, Feuersteinspitzen, menschlicher Unterkiefer<br />

und Tongefäßscherben, sowie ein Foto vom Südesch mit eingefügten rot gestrichelten Bodenabtragungsgrenzen.<br />

Für die nachfolgenden Epochen – Bronzezeit (ab 2000 v. Chr.) , vorrömische Eisenzeit (ab<br />

500 v. Chr.) und römische Kaiserzeit (ab Chr. Geb.) – sind hier bislang keine Funde bekannt,<br />

was nicht unbedingt heißen muß, die Menschen dieser Zeit hätten unser Gebiet gemieden.<br />

Anderswo im Oldenburger Land haben sie ihre Spuren hinterlassen, man denke etwa an die<br />

Großsteingräber-Reste um Wildeshausen. Auch als im 1. Jahrhundert v. Chr. die Besiedelung<br />

Norddeutschlands durch germanische Stämme – hier die Chauken, später die Sachsen – abgeschlossen<br />

war, lagen zwischen ihren verstreuten Siedlungsinseln weite unbewohnte Landstriche.<br />

Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten während der Landnahme muß der Dünenstreifen<br />

östlich der Hunteaue nicht zu den Plätzen der ersten Siedlungswahl in der Region gehört<br />

haben.<br />

Daß wir über die Ur-Anfänge Bümmerstedes nur so wenig wissen, liegt zum einen an nur<br />

spärlich vorhandenen Schriftquellen, zum anderen an fehlender archäologischer Forschung.<br />

Bis heute hat es laut Auskunft des Bezirksarchäologen weder im Dorfkern noch sonstwo in<br />

der Bauerschaft jemals eine systematische archäologische Grabung gegeben. Der einzige, der<br />

in dieser Richtung bisher die Initiative ergriffen hatte, bin ich selbst, als im Sommer 1998 im<br />

Dorfkern ein Bauernhaus abgerissen wurde: der bauliche Nachfolger eines Meierhofes der<br />

Grafen von Oldenburg. In Absprache mit dem Bezirksarchäologen, der mit einer Notgrabung<br />

verhindert war, habe ich die Gelegenheit genutzt und den Hausboden nach eventuell relevanten<br />

Funden abgesucht. An dieser Stelle fand sich nichts, aber an anderer Stelle auf dem<br />

Grundstück kamen Scherben von Tongefäßen zutage, die wertvolle Hinweise auf das Alter<br />

des ganzen Dorfes geben könnten, wenn sich denn nur markantere Stücke in größerer Zahl<br />

gefunden hätten. Jedenfalls scheinen sie mittelalterlicher Herkunft zu sein.<br />

Der dritte Grund, warum wir so wenig über die Frühzeit wissen, liegt in zahlreichen fahrlässigen<br />

Zerstörungen, die der Boden und seine mutmaßlichen Inhalte im Dorfkern erleiden mußten.<br />

Dies geschah vor allem bei Hausabrissen und -neubauten, aber auch, als in den 1950er<br />

Jahren Teile des Südesch-Untergrundes als Bausand für die Oldenburger Umgehungsstraße<br />

abgetragen wurden. Die Esche gehören zu den bedeutendsten Kulturlandschaftsdenkmälern<br />

Norddeutschlands, sie enthalten fast regelmäßig Siedlungsspuren. Im Wardenburger Esch<br />

konnten 1995-96 die Überreste einer ganzen Ansiedlung entdeckt werden, wie ich selbst ge-<br />

12


sehen habe, und unter unserem Südesch wurden zumindest einige markante Gräben entdeckt,<br />

bevor man den Boden ohne weitere Untersuchung abtransportierte. 17<br />

Also mußte ich versuchen, den Siedlungshergang allein aus den Schriftquellen zu rekonstruieren.<br />

Um im zeitlichen Rahmen zu bleiben, können deren Details hier freilich nicht diskutiert<br />

werden. Statt dessen soll die Zusammenfassung der von mir erstellten Zehnt- und Grundbesitzgraphik<br />

genügen, die einen Überblick über alle Bümmerstede-relevanten Quellen des Mittelalters<br />

gibt und versucht, sie in Beziehung zu setzen. (Unter den Zuhörern herumgereicht:<br />

Beilage II der Magisterarbeit, ein fast DIN A1 großes Faltblatt.)<br />

Graphik „Nachweis von Zehnt- und Grundbesitz im mittelalterlichen Bümmerstede“: Die Bümmerstede<br />

betreffenden Urkunden des Stiftskapitels in Wildeshausen, des Klosters Blankenburg, der<br />

Lambertikirche in Oldenburg, des regionalen Niederadels und der Oldenburger Grafen in ihren Linien<br />

Oldenburg und Wildeshausen/Bruchhausen mit unterschiedlichen Kennungsfarben – für Eigentümer,<br />

Eigentum, Ereignis, Quelle – chronologisch in sichere, rekonstruierte und mutmaßliche Beziehungen<br />

gesetzt.<br />

Die Bümmersteder <strong>Siedlungsforschung</strong> ist mit der Magisterarbeit keineswegs endgültig abgeschlossen,<br />

ich kann Ihnen aber schon einige Ergebnisse daraus und darüber hinaus vorstellen.<br />

Folie 7 „Siedlungsentwicklung in der Bauerschaft Bümmerstede, Entstehung der Ortsteile bis<br />

1919“: eingezeichnet in die Karte „Oldenburg mit Umgebung“ von 1923-26 eine rote Linie als Grenze<br />

um das „jüngere Bümmerstede“ ab dem 19. Jahrhundert. Innerhalb der Bauerschaft die verschiedenen<br />

Ortsteile 1. mit Kennungskürzel für die Unterortschaft: BÜ = Bümmerstede, KR = Kreyenbrück,<br />

KL 18 = Klein Bümmerstede, 2. dem Namen des meistens erst von mir so bezeichneten Ortsteils (z.B.<br />

„Dorfkern“, „Barkhorster Weg“ oder „Im Lager“) und 3. dem Datum oder Zeitraum des ersten Auftretens,<br />

4. jeweils in spezieller Kennungsfarbe für eine Epoche: blau = Mittelalter, rot = bis Ende des<br />

30jährigen Krieges, dunkelgrün = bis zur Markenteilung, hellgrün = bis zur Industrialisierung, dunkelgelb<br />

= bis zum I., Weltkrieg.<br />

Bümmerstede<br />

Wir dürfen nicht hoffen, irgendwo einen schriftlichen Hinweis über den exakten Gründungstag<br />

Bümmerstedes zu entdecken, da der Ort wohl auf Initiative niederadeliger Grundherren<br />

entstanden sein wird oder noch von freien Bauern gegründet wurde – jedenfalls nicht von<br />

Kirchenleuten, die im Gegensatz zu ersteren die Kunst des Schreibens rege pflegten und dann<br />

wohl eine Urkunde darüber verfaßt hätten. In unserer Region ging der Adel erst im Hochmittelalter<br />

dazu über, seine wichtigen Belange dauerhaft schriftlich festzuhalten und taucht darum<br />

erst in dieser Zeit stärker in Urkunden auf. Auch Bümmerstede wurde jetzt erstmals erwähnt,<br />

nicht erst 1310 im Zusammenhang mit dem Kloster Blankenburg, wie immer behauptet<br />

wird, sondern im etwa 1260-70 entstandenen Lehensverzeichnis der Grafen von Oldenburg-(Alt-)Bruchhausen.<br />

Mit Sicherheit existierte die Ansiedlung aber schon etliche Zeit vorher,<br />

denn „Nachrichten“ machten die kleinen Orte gewöhnlich erst geraume Zeit nach ihrer<br />

Entstehung. Eine andere zeitliche Eingrenzung bietet das 5. und 6. Jahrhundert n. Chr., als in<br />

Norddeutschland aus unterschiedlichen Gründen viele Siedlungen aufgegeben wurden, „wüst<br />

gefallen“ waren. Ein Regenerationsprozeß setzte kaum vor der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts<br />

ein, die Bevölkerungszahlen stiegen vor allem nach Abschluß der Sachsenkriege Karls<br />

des Großen um 804. Möglicherweise lag genau darin der Anstoß für die Gründung Bümmerstedes;<br />

denkbar bliebe freilich auch eine andauernde Besiedelung seit der sächsischgermanischen<br />

Zeit.<br />

17<br />

Magisterarbeit, S. 70-83. Im Nachbarort Tungeln ist dasselbe geschehen, obwohl man dort bereits etliche Bodenfunde<br />

gemacht hatte.<br />

18<br />

Hier hätte sich zwar „KB“ angeboten, doch paßt dieses Kürzel besser für einen anderen Ort im Umkreis Oldenburgs,<br />

den ich auch untersuche, außerdem ließe es sich innerhalb derselben Bauerschaft Bümmerstede optisch<br />

schlechter von KR unterscheiden. Die Vorüberlegungen zur Gestaltung von fachlichen Karten und Graphiken<br />

sind oft erheblich umfangreicher, als das Ergebnis zeigen kann.<br />

13


Darauf weist zumindest der problemlos zu deutende zweite Teil des Ortsnamens hin: die Endung<br />

„stede“, was schlicht „Siedlungsstätte“ bedeutet und damit eher in die älteren Siedlungsschichten<br />

unserer Region fällt. 19 Nach den Datierungen der <strong>wissenschaftliche</strong>n Ortsnamensforschung<br />

wäre Bümmerstede demnach mindestens 1200 Jahre alt und somit einer der ältesten<br />

Siedlungsplätze im ganzen Oldenburger Stadtgebiet einschließlich des Stadtkerns.<br />

Was den ersten Teil des Ortsnamens betrifft, haben nur zwei im Oldenburger Raum bekannte<br />

Autoren überhaupt je eine Namensdeutung für Bümmerstede niedergeschrieben. Friedrich<br />

Schohusen berichtet vom Versuch, den Ortsnamen lautmalerisch zu erklären. Wie offenbar im<br />

Butjadinger Abbehausen mit seinem Flurnamen Bumbam sollen es Milchkannen gewesen<br />

sein, Bummen genannt, die als Alarminstrumente gedient haben. Er zitiert Vermutungen Dritter:<br />

„Ihr metallisch angeschlagener Ton war das Alarmzeichen bei anrückenden Feinden seit<br />

den Überfällen der Wikinger bis in die Landsknechtszeiten.“, so heißt es. Da man aber sicher<br />

weiß, daß das teure Metall in der bäuerlichen Sphäre des Frühmittelalters rar war und metallische<br />

Milchkannen nicht vor dem 18. Jahrhundert vorkamen, läßt sich diese Deutung wohl ins<br />

Reich der Märchen verweisen.<br />

Der andere Autor, Emil Pleitner, erklärte im Bümmersteder Kapitel seiner Wanderungen<br />

durch die Hausvogtei Oldenburg zum Ortsnamen: „Der Name Bümmerstede hat sich [im Laufe<br />

der Jahrhunderte, M.T.] fast gar nicht geändert. Daß in dem ersten Teile ein Eigenname<br />

steckt, ist wohl nicht zu bezweifeln.“ Das müßte ein ziemlich verballhornter Eigenname sein,<br />

trotzdem ist diese Deutung des Ortsnamens von einem Personennamen her – einem Erstsiedler<br />

oder einer markanten Führungspersönlichkeit – aufgrund häufiger Parallelfälle die sicherste<br />

überhaupt, auf die man sich jederzeit verständigen kann, falls man seitens der Forschung in<br />

Zukunft nicht noch zu weiteren Erkenntnissen kommt. 20<br />

Kreyenbrück<br />

Bislang war in diesem Kapitel noch gar nicht von Kreyenbrück die Rede, weil der Ort mindestens<br />

800 Jahre jünger ist als der Kern Bümmerstedes. Entgegen allem, was man sonst immer<br />

darüber liest, wurde das erste dauerhaft bewohnte Haus hier erst um 1600 bis 1620 errichtet,<br />

und nicht schon im Mittelalter als Einsiedlerklause. Ich habe (außerhalb der Magisterarbeit)<br />

anhand der Akten nachweisen können, daß die in dem Zusammenhang vielgenannte<br />

Familie Klüsner seit dem Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit stets in einem<br />

Haus gewohnt hat, das am Südrand von Osternburg stand, nicht aber in Kreyenbrück an der<br />

alten Huntefurt, wo später eine Brücke gelegt wurde.<br />

Zwar wurde diese Brücke ursprünglich „Klusbrücke“ genannt, was sich wohl tatsächlich in<br />

irgendeiner Weise auf das Klüsnerhaus beziehen wird, weil es der Gegend weit und breit das<br />

einzige war, bevor – näher an der Brücke – der Ort Kreyenbrück entstand. Wie ich in den<br />

Quellen beobachtet habe, entstand dieser neue Brücken- und Ortsname in der Mitte des 17.<br />

Jahrhunderts und setzte sich bis zum 18. Jahrhundert endgültig durch.<br />

Scheinbar ist nichts leichter, als den Ortsnamen Kreyenbrück zu deuten: er stamme von den<br />

Krähen her, plattdeutsch Kreyen, die in der Gegend oft heute noch als riesige Schwärme zu<br />

beobachten sind. Glaubhafter ist indes ein indirekter Zusammenhang zwischen den Krähen<br />

und der Brücke. Nicht die Tiere selbst sind als Namensgeber aufgetreten, sondern die Bewohner<br />

des ersten Bauernhofes dort, die eben nicht mit der Familie Klüsner gleichzusetzen sind:<br />

Sie nannten sich ursprünglich Bischoff. Wahlweise wurden sie aber auch schon früh Kreye<br />

19 Hans Heinrich Seedorf, Hans-Heinrich Meyer: Landeskunde Niedersachsen, Natur- und Kulturgeschichte<br />

eines Bundeslandes, Band 2, Niedersachsen als Wirtschafts- und Kulturraum; Bevölkerung, Siedlungen, Wirtschaft,<br />

Verkehr und kulturelles Leben, Neumünster 1996, S. 99. Da die Stede-Namen vom 2. bis 9. Jh. auftreten,<br />

läßt sich Bümmerstede allein anhand dieser Endung nicht völlig eindeutig einer Siedlungsperiode zuordnen.<br />

Wenn man zurückhaltend datiert, wird man nicht vor den Beginn des 9. Jh. (<strong>bzw</strong>. etwa 800 n. Chr.) zurückgehen<br />

mögen, wird damit aber möglicherweise dem tatsächlichen Alter des Ortes nicht gerecht.<br />

20 Magisterarbeit, S. 83-86.<br />

14


gerufen, wohl weil es hier in der Tat so viele Krähen gab, woraufhin ihr neuer „Familienname“<br />

wiederum auf die gleich neben dem Haus liegende Brücke überging.<br />

Klein Bümmerstede<br />

Die Gegend südlich des Kernortes, die wir heute Klein Bümmerstede nennen, ist erst Ende<br />

des 18. Jahrhunderts besiedelt worden. Sie ist damit nochmals etwa 150 Jahre jünger als<br />

Kreyenbrück. Hier waren lange Zeit drei Ortsbezeichnungen gleichzeitig üblich: neben „Klein<br />

Bümmerstede“ „Im Abraham“ und „Morgenland“ – letzteres vor allem östlich der Heerstraße<br />

und noch mindestens bis 1927.<br />

Dieser Name läßt sich nicht eindeutig erklären, falls man nicht die ungefähre Richtung<br />

(süd)östlich vom alten Dorfkern darunter verstehen will. Wenn man das Landmaß „Morgen“<br />

als für unsere Gegend nicht recht gebräuchlich ausschließt, bleibt eigentlich nur die Möglichkeit,<br />

diese Flurbezeichnung in die Kategorie Scherznamen einzuordnen. Einmal könnte mit<br />

Morgenland schlicht das Land gemeint sein, wo in der Bauerschaft die Sonne zuerst aufging.<br />

Oder es handelte sich gerade wegen der Himmelsrichtung um einen biblischen Bezug, etwa<br />

auf die drei Weisen aus dem Morgenlande, denn es standen anfangs im 18. Jahrhundert genau<br />

drei Wohnhäuser dort.<br />

In der Innenstadt Oldenburgs gab es schon im 17. Jahrhundert eine Straße Abraham oder Im<br />

Abraham, die auf einen Mann gleichen Vornamens zurückgeht, der dort ein Haus besaß und<br />

angeblich jüdischen Glaubens gewesen sein soll. 21 Die Klein Bümmersteder Bezeichnung<br />

hätte dann wohl andere Wurzeln. Johann Dirk Abraham war der Name eines Heuermanns zur<br />

Mitte des 18. Jahrhundert im südlich benachbarten Streek, dessen Familie schon länger dort<br />

ansässig war. 1786 erscheint in Klein Bümmerstede ein vermutlich verwandter Gerd Abraham<br />

als „Successor in thoro et fundo“ eines dortigen Bauern, d.h. er hat dessen verwitwete Frau<br />

geheiratet, was ihm die Nachfolge auf Ehebett und Ackerboden einbrachte. Nach diesem Gerd<br />

Abraham, offenbar eine markante Persönlichkeit, wird man zeitweilig den Ort benannt haben.<br />

Anscheinend der Klarheit halber hat sich schließlich der Ortsname Klein Bümmerstede durchgesetzt.<br />

Unabhängig von der Lage in einer Flur weist das verkleinernde Adjektiv nur darauf<br />

hin, daß es sich um einen jüngeren Ortsteil einer älteren Hauptsiedlung handelt. Es sagt in den<br />

meisten Fällen nichts über ihre Größe aus. Solche Ergänzungen werden mit Ausweitung der<br />

Siedlungen in der frühen Neuzeit sehr häufig, siehe etwa Groß- und Klein Bornhorst. Entsprechend<br />

sollte der ältere Teil unseres Ortes eigentlich „Groß Bümmerstede“ heißen, aber es<br />

gibt bei Ortsnamensbildungen nun einmal keinen Automatismus. 22<br />

Zur Siedlungsgenese der Unterorte<br />

Eines der Arbeitsfelder regionaler <strong>Siedlungsforschung</strong> besteht darin, solche Ortsteile zu untersuchen;<br />

das Entstehen, Wachsen und gelegentlich auch Vergehen der Unterorte und einzelnen<br />

Hofstellen. Im Rahmen dieses Vortrags kann natürlich nicht auf alle diese Einzelheiten<br />

eingegangen werden, vor allem was die bisherigen Ergebnisse der zeitaufwendigen Hofstellenrückschreibungen<br />

betrifft. Hier geht es jetzt nur um einen schematischen Überblick der<br />

Bümmersteder Siedlungsentwicklung, wie Sie ihn angezeigt sehen. Die Bedeutung der Ab-<br />

21<br />

So erklärt Schohusen die unter den Nationalsozialisten eventuell aufgrund einer Fehldeutung des Personennamens<br />

erfolgte ideologisch begründete Umbenennung der Straße „Im Abraham“ in „Winkelgang“. Friedrich<br />

Schohusen: Die Oldenburger Straßennamen, Historisch, topographisch und etymologisch dargestellt [Band 1],<br />

Oldenburg 1977, Art. Winkelgang, S. 285. Aber Günter Wachtendorf: Oldenburger Häuserbuch, Gebäude und<br />

Bewohner im inneren Bereich der Stadt Oldenburg, Art. Winkelgang, S. (514-)515, zitiert einen Archivar, der<br />

wissen will, daß Abraham Arondeus gar kein Jude war. Solange freilich keine hinlänglich sichere Belegstelle für<br />

die eine oder andere These genannt wird, bleibt die Sache ungeklärt.<br />

22<br />

Martin Teller: bislang unveröffentlichte Ergebnisse der laufenden Forschung zur Siedlungsgeschichte Bümmerstedes.<br />

15


kürzungen und der Farbenkennungen für die Ortsteile sollte aus der Kartenlegende hervorgehen.<br />

Die ältesten Bauernhöfe stehen oder standen entlang des Denkmalsweges und teilweise am<br />

Dorfweg, zwischen denen sich die historische Dorfmitte befindet – auch wenn man heute den<br />

Bümmersteder Krug an der Kreuzung von Sandkruger Straße, Bümmersteder Tredde und<br />

Dorfweg zentraler gelegen findet. Ebenfalls eine wichtige Rolle für die historische Infrastruktur<br />

spielt das Wirtshaus von Kreyenbrück in der Wegegabel, unter anderem „Zum Courier“<br />

genannt, wo sich auch eine Postkutschenstation und eine Wegegelderhebungsstelle mit<br />

Schlagbaum befand.<br />

Sie sehen auf der Karte die Wachstumsphasen der drei Ortsteile, die sich in immer neuen Unterorten<br />

ausdehnten, was sich nach 1919 bis zur flächendeckenden Bebauung von heute fortsetzt.<br />

Interessant ist, bei der Rückschreibung zu beobachten, wie Klein Bümmerstede zeitweilig<br />

stärker besiedelt war als Kreyenbrück und kurze Zeit auch mehr Hofstellen besaß, bevor<br />

Kreyenbrück die anderen beiden Ortsteile Bümmerstede und Klein Bümmerstede nachhaltig<br />

überholt hat.<br />

Die Bauerschaft insgesamt hatte zum Ausgang des Mittelalters nur 6-7 Höfe, zur Graf Anton-<br />

Günther-Zeit waren es auch erst 10, zur Zeit der Ihnen kopierten Vogteikarte um 1790 waren<br />

es 19, nach der Markenteilung kurz vor der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts besaß<br />

die gesamte Bauerschaft erst ganze 36 Hof- und Hausstellen, deren Anzahl sich bis zum<br />

Ende des I. Weltkriegs mit 72 genau verdoppelte. 23<br />

Zwei typische Bauernhausformen<br />

Bei der Gelegenheit fragt man sich, wie denn die historischen Bauernhäuser eigentlich aussahen.<br />

Wenn ich Sie testweise bitten würde, ohne auf eine Vorlage zu schauen ein typisches<br />

Bauernhaus unserer Region zu zeichnen, sähe das vermutlich diesen hier sehr ähnlich:<br />

Folie 8a „Außen- und Innenansichten eines Zweiständer-Mittellängsdielen-Hallenhauses“:<br />

drei Bauernhaus-Grund- und Aufrisse mit Außenansicht und ein Foto eines Bümmersteder Beispiels.<br />

Es handelt sich um eine Hausform, die in den nordwestdeutschen Geestgebieten entstand und<br />

damit tatsächlich typisch auch für unsere Bauerschaft ist. Bei aufmerksamer Betrachtung<br />

werden Sie in der Umgebung noch so manches alte Bauernhaus entdecken, das diesen entspricht.<br />

Ein Beispiel wäre das einzige denkmalgeschützte und meistfotographierte Haus in<br />

Bümmerstede am Denkmalsweg Nr. 22.<br />

Über das Thema „regionale Bauernhaustypen“ könnte man leicht einen ganzen Tag sprechen,<br />

was jetzt aber nicht möglich ist. Deshalb nur wenige Stichworte dazu:<br />

Früher wurde dieser Haustyp „Niedersachsenhaus“ genannt, was aber nicht korrekt ist, da er<br />

auch in anderen Gegenden vorkommt. Ein besser passender Name ist Hallenhaus, eigentlich<br />

„Zwei- oder Vierständer-Mittellängsdielen-Hallenhaus“, was sich auf sein Konstruktionsprinzip<br />

bezieht (in dieser Form stammt der Name von mir). Denn das ganze Gebäude steht auf<br />

Reihen von Eichenständern, die das gesamte Fachwerkgerüst tragen. Heute können die Außenwände<br />

auch aus reinem Backstein bestehen. Weitere markante Merkmale sind die Walmdachform,<br />

oft noch mit Schilfstroh gedeckt – Reit, wie es im Oldenburger Kernland heißt<br />

(Reet ist ein friesischer Ausdruck). Die wichtigsten inneren Raumelemente sind die langgezogene<br />

hallenartige Diele in der Hausmitte mit Stallboxen an beiden Seiten, der querstehende<br />

Küchenbereich namens Flett, früher mit offenem Herdfeuer, und der große Ernteboden.<br />

23 Magisterarbeit, S. 86-87, und laufende Forschung.<br />

16


Folie 8b „Außen- und Innenansichten eines Zweiständer-Seitenlängsdielen-Gulfhauses“:<br />

Grundriß, Seitenansicht und ein Foto eines Kreyenbrücker Beispiels.<br />

Sicher fallen Ihnen die Unterschiede zu diesem ebenfalls häufigen Bauernhaustyp auf. Der<br />

Name in der Folienüberschrift verrät es: Im Gegensatz zu dem schon sehr alten Hallenhaus ist<br />

das jüngere Gulfhaus unsymmetrisch aufgebaut. Die große Dreschdiele liegt im Wirtschaftsteil<br />

an einer der Längsseiten, die Viehställe an der anderen, und in der Mitte befinden sich die<br />

sogenannten Gulfe (= Bergeraum), Räume für die Ernte, die aber – anders als im Haus zuvor<br />

– bodenlastig gestapelt wird, wodurch dieser Haustyp erheblich mehr Ernte fassen kann und<br />

deshalb vielerorts noch immer landwirtschaftlich genutzt wird, während das „romantischer“<br />

aussehende Hallenhaus dafür inzwischen recht unpraktisch ist. Der Wohnteil des Gulfhauses<br />

ist gegenüber dem Wirtschaftsteil deutlich abgesetzt.<br />

Dieses jüngere Bauernhaus ist für Bümmerstede wie für die ganze Geest nicht typisch, drang<br />

hier aber in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus den benachbarten friesischen Marschen kommend<br />

ein, wo es sich im 16. und 17. Jahrhundert entwickelt hatte. Daher wurde es auch „Ostfriesenhaus“<br />

genannt, was aber unkorrekt ist, denn es kommt eben auch andernorts vor, außer<br />

in Westfriesland zum Beispiel im stadtoldenburger Raum.<br />

In Bümmerstede und Kreyenbrück sieht man noch einige Bauernhäuser beider Typen. In der<br />

jüngsten Vergangenheit sind allerdings mehrere dorfbildprägende denkmalwürdige Gebäude<br />

abgebrochen worden – und das nicht nur in dieser Ortschaft. 24<br />

d) Politische Zugehörigkeit<br />

Meinen Vortrag vor der örtlichen Bürgerschaft möchte ich als Gelegenheit nutzen, einen hartnäckigen<br />

Irrtum über Bümmerstede und Kreyenbrück aufzuklären. Fast alles, was allgemein<br />

über die Geschichte dieser Bauerschaft bekannt ist, stammt aus der Feder des schon genannten<br />

Emil Pleitner, der vor mehr als 80 Jahren einen kurzen Aufsatz darüber geschrieben hat.<br />

Dieser enthält neben vielen interessanten Informationen leider auch einige Fehler <strong>bzw</strong>. Fehlinterpretationen<br />

historischer Zusammenhänge. Wenn er nun häufig in jüngeren Schriften zitiert<br />

wird, liest man immer wieder, das alte Dorf Bümmerstede habe „mehrfach seinen Besitzer<br />

gewechselt“ und gehöre erst seit 1547 endgültig zur Grafschaft Oldenburg. Das klingt, als<br />

seien um das Dorf selbst heiße Kämpfe ausgetragen worden.<br />

Um möglichst augenfällig zu demonstrieren, wie es sich tatsächlich verhielt, daß nämlich<br />

Bümmerstede nur für äußerst kurze Geschichtsmomente anderen als den Oldenburger Landesherren<br />

unterstellt war, werde ich eine Zeittafel zur Hilfe nehmen. Wir brauchen hier nicht<br />

auf die Einzelheiten der durchaus abwechslungsreichen Ereignisse einzugehen, die den politischen<br />

Rahmen der Bauerschaft prägten; es geht mir jetzt lediglich darum, didaktische Überlegungen<br />

vorzustellen.<br />

24 Magisterarbeit, S. 35-45.<br />

17


Folie 9a „Dorfeigentümer, Kirchspiel- und politische Zugehörigkeit der Bauerschaft Bümmerstede“<br />

tabellarisch: in drei Spalten – 1. Zeitschiene, 2. schräggestellt die Kirchspielzugehörigkeit,<br />

3. Haupttext mit relevanten Ereignissen der politischen Geschichte Bümmerstedes vom Frühmittelalter<br />

bis in die Gegenwart – und horizontal gegliedert durch grau unterlegte politische Trennmarken<br />

des Oldenburger Landes (z.B. „Hohes Mittelalter“, „Dänenzeit“, „Herzogtum Oldenburg“), dabei die<br />

oberen Verwaltungsgliederungen fett unterlegt und deren Untergliederungen in gelbbraun gehalten.<br />

Mit Kennungsfarben sowohl für landesherrliche als auch grundherrliche Eigentümer der ganzen oder<br />

von Teilen der Bauerschaft: orange für Bauern/Bürger, grün für Niederadel, rosa für kirchliche Institutionen,<br />

blau für Oldenburger Grafen/Landesherren, auffallendes rot für auswärtige Herrscher/Länder<br />

(zwei: Okkupation durch das Bistum Münster und das napoleonische Frankreich).<br />

Die erste Version der Zeittafel ist eine tabellarische. Sie enthält trotz aller inhaltlichen Kürze<br />

vielfältige Informationen, für deren jüngste sogar eine zweite Seite benötigt wird. Verschiedenfarbige<br />

Textunterlegungen dienen schnellerem Erkennen von Zusammenhängen. Es<br />

kommt hier vor allem auf die beiden roten Markierungen an, welche die Besetzung durch<br />

fremde Herrscher zeigen. Angesichts der Detailfülle wird der Betrachter eine Weile brauchen,<br />

um zu erkennen, wie kurz und wie folgenlos diese Ereignisse für unsere Bauerschaft waren.<br />

18


Folie 9b „Dorfeigentümer, Kirchspiel- und politische Zugehörigkeit der Bauerschaft Bümmerstede“<br />

synoptisch und zeitproportional<br />

19


Die zweite Version ist eine (annähernd) zeitproportionale Graphik, die denselben Sachverhalt<br />

zeigt. Gegenüber der ersten hat sie den Nachteil, weniger Information fassen zu können. 25 Ihr<br />

Vorteil besteht aber in einer optisch erheblich gefälligeren Darstellung, die Inhalte können<br />

dadurch teilweise intuitiv erfaßt werden. Beim Blick auf die beiden dünnen und wiederum<br />

roten Streifen wird ganz schnell deutlich, wie kurz die Perioden der Fremdbeherrschung für<br />

Bümmerstede tatsächlich waren.<br />

Mit Hilfe dieser Darstellungsform läßt sich nebenbei ein weiterer Irrtum über Bümmerstede<br />

aufklären. Er besteht darin, die Bauerschaft zu früh – schon im Mittelalter – der politischen<br />

Gemeinde Osternburg zuzuschlagen, wie es in einem Buch über jenen Stadtteil steht. Aus der<br />

Graphik geht hervor, daß dies aber erst 1814 geschah, und es wird deutlich, daß Bümmerstede<br />

vorher viele Jahrhunderte lang eine eigenständige Bauerschaft neben der Bauerschaft Osternburg<br />

gebildet hat. Im Vortrag für die Bürger werde ich diese Sachverhalte noch zusätzlich<br />

erläutern.<br />

e) Bäuerliche Sozialschichten<br />

Außerdem habe ich mich mit Untersuchungen zur sozialen Struktur der historischen Bevölkerung<br />

beschäftigt, ohne die die Siedlungsvorgänge gar nicht vollständig verstanden werden<br />

können.<br />

Folie 10 „Bäuerliche Sozialstufen“:<br />

a) Oben eine Gesellschaftspyramide über den Aufbau der ländlichen Gesellschaft im Mittelalter.<br />

b) In der Mitte eine Tabelle mit Ergebnissen eigener Quellenbeobachtungen über „soziale Rangstufen<br />

in den norddeutschen Bauerschaften vom Hochmittelalter bis ins 19. Jahrhundert“, mit vier Spalten: 1.<br />

Besitzgruppe (Hofstellenbesitzer, Stellenlose), 2. Erwerbsgruppe (Voll-, Neben-, Zuerwerbslandwirte,<br />

unselbständig), 3. Rangbezeichnung der Hofstelle (Hausleuteuntergliederungen, verschiedene Köter-<br />

und Brinksitzertypen, Nachsiedler, Heuerleute, Knechte und Mägde), 4. zeitliches Aufkommen der<br />

Ranggruppen (Mittelalter bis Neuzeit), in Zeilen quer dazu die ländlichen Ober-, Mittel- und Unterschichten<br />

farbig unterlegt (rot, gelb, grün).<br />

c) Unten eine eigene Graphik mehrerer Entwicklungslinien „Hof- und Hausstellen in der Bauerschaft<br />

Bümmerstede, gegliedert nach sozialen Rängen“, die entlang einer Zeitschiene den Bestand an<br />

Wohnstellen je Sozialrang verfolgen (Linienfarben: Hausleute blau, Neue Köter rot, alte Brinksitzer<br />

dunkelgrün, Neue Brinksitzer hellgrün, Nachsiedler gelb).<br />

Soweit bekannt, ist Bümmerstede nie Sitz einer niederadligen Familie gewesen. Abgesehen<br />

von einigen Sonderpersonen wie Bauernvogt, Dorflehrer, Krugwirt oder Handwerker, die<br />

aber auch alle Landwirtschaft betrieben, haben wir auch in Kreyenbrück bis zur Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts eine durchweg bäuerliche Bevölkerung vor uns.<br />

Im Frühen Mittelalter kann man noch gar nicht von einem „Bauernstand“ sprechen, weil außer<br />

einer kleinen Adelsschicht im Prinzip jeder von der Landwirtschaft lebte, wie die erste<br />

Abbildung verdeutlicht. Erst im Hohen Mittelalter hatte sich die Gesellschaft soweit aufgegliedert,<br />

daß sich nun deutlich ein eigener Bauernstand herausbildete. Die meisten seiner Mitglieder<br />

wurden adeligen Herren leibeigen und ihnen gegenüber zu Diensten und Abgaben<br />

verpflichtet.<br />

Dadurch bildeten die Bauern aber keineswegs eine gleichförmige Gruppe, sondern sie waren<br />

bis weit in das 19. Jahrhundert hinein in deutlich erkennbare bäuerliche Ober-, Mittel- und<br />

25 Außerdem ist die Tabellenkalkulationssoftware, mit der ich der Einfachheit halber diese Zeittafel erstellt habe,<br />

naturgemäß etwas unhandlich, was Schrägstellungen und zellenübergreifende Beschriftung betrifft. Sie bietet<br />

aber genügend Möglichkeiten für Hilfskonstruktionen, ersetzt freilich kein professionelles CAD-Zeichenprogramm.<br />

20


Unterschichten getrennt, die sich nicht nur im Oldenburger Raum rangmäßig allein durch<br />

wirtschaftliche Kriterien unterschieden.<br />

In unserer Region mit Anerbenrecht (ungeteilte Vererbung der Hofstellen) zementierte die<br />

Eschwirtschaft die sozialen Verhältnisse. Denn die Gemeinschaftsfluren boten nur begrenzte<br />

Ressourcen, waren aber wie erwähnt zum Erhalt der Esche lebensnotwendig (s.o. Kap. 3 b) 26 ).<br />

Deshalb achteten die Inhaber der ältesten Hofstellen zusammen mit ihren Grundherren streng<br />

darauf, daß ihnen durch Gründung neuer Höfe keine Nutzungsrechte in der Mark geschmälert<br />

wurden. In der Regel galt: je später ein Hof gegründet wurde, desto weniger Rechte konnte er<br />

dort erlangen.<br />

Das Maß der Markenberechtigung, zum Beispiel die Anzahl des Viehs pro Hof, das auf die<br />

Gemeinheitsweide getrieben werden durfte, war entscheidend für den Rang einer Bauernstelle,<br />

für seine Rechtsqualität. Neben der hofeigenen Landausstattung (den Anteilen an den Eschen<br />

und Kämpen) entschied demnach das Nutzungsrecht an der Mark über den ökonomischen<br />

Status der einzelnen Hofstelle – und dieser bestimmte wiederum den sozialen Rang der<br />

jeweiligen bäuerlichen Familie innerhalb der streng hierarchisch gegliederten mittelalterlichen<br />

und frühneuzeitlichen Agrargesellschaft. 27<br />

Der bäuerliche Hof war in materieller wie sozialer Hinsicht Grundlage und Lebenszentrum<br />

schlechthin. Um einen Hof führen zu können, mußten die Bauern verheiratet sein. Mann und<br />

Frau besaßen beide ihren speziellen Aufgabenbereich, kein bäuerlicher Betrieb konnte längere<br />

Zeit auf die Arbeitskraft von einem von beiden verzichten. Im hiesigen Meierhofsystem bildete<br />

der einzelne Bauernhof als Wirtschafts- und Rechtseinheit die ausschlaggebende Einrichtung<br />

der Bauerschaften: einen Fixpunkt im zeitlichen Wandel. Er konnte trotz aller Hausbrände,<br />

Besitzerwechsel oder Hofstellenverlegungen als Rechtsperson Jahrhunderte und zuweilen<br />

auch mehr als 1000 Jahre überdauern.<br />

Wie die verschiedenen Bauernschichten nun bei uns genannt wurden, erfahren Sie aus der<br />

mittleren Abbildung.<br />

Die älteste Schicht, die schon im Mittelalter vorhanden war, nannte sich urtümlich schlicht<br />

„Leute, die ein Haus besitzen“, nämlich Hausleute oder Hausmänner <strong>bzw</strong>. auch „Erben“. Dieser<br />

Begriff sollte betonen, daß sie alteingesessen sind, weil sie mit Zustimmung der Grundherren<br />

ihre Höfe über viele Generationen hinweg an ihre Nachkommen vererben durften. Gelegentlich<br />

wurden ihre Bauernhöfe mit allen daran hängenden Markrechten geteilt, um eine<br />

weitere Familie unterzubringen und die Abgaben zu erhöhen. Daraus stammen Begriffe wie<br />

Halberben, Drittel- oder Viertelerben. Sie alle bildeten die bäuerliche Oberschicht. Als Pioniersiedler<br />

hatten die Hausleute noch die freie Wahl des Hofplatzes und suchten sich darum<br />

die besten Orte dafür aus; in Bümmerstede den Geesthang am Denkmalsweg.<br />

Ende des späten Mittelalters galt ihre Schicht als abgeschlossen. Stets haben sich die älteren<br />

Eingesessenen in bezug auf Rang und Rechte von den jeweils jüngeren Siedlergruppen abgegrenzt.<br />

Dies erforderte von Zeit zu Zeit neue Bezeichnungen für weitere hinzugekommene<br />

Gruppen. Die nun im Spätmittelalter bis in die frühe Neuzeit folgende Schicht wurde Kätner,<br />

Kötter oder bei uns Köter genannt, nach den kleinen Katen, in denen sie anfangs hausten, bis<br />

sie sich bessere bauen konnten. Von ihnen, den jüngeren Neuen Kötern, gab es in der Bauerschaft<br />

vielleicht gerade zwei, die sich an den Rand der älteren Bauernstellen drängten. (Soge-<br />

26<br />

Zur Erklärung hiesiger ländlicher Siedlungsvorgänge bedingen sich Landschafts- und Sozialgeschichte gegenseitig.<br />

27<br />

Die traditionelle Wertschätzung des Älteren, hier des Erstsiedlers (in der patriarchalischen Gesellschaft des<br />

Mittelalters typisch) wurde durch wirtschaftliche Faktoren also noch gestützt. Nachdem die Hofstellenränge sich<br />

erst einmal etabliert hatten, änderten sie sich (von ganz geringen Ausnahmen abgesehen) in der frühen Neuzeit<br />

nicht mehr – dann sogar unabhängig von jeder momentan realen wirtschaftlichen Leistungskraft.<br />

21


nannte Erbköter, die hier nicht vorkommen, gingen aus sehr späten Teilungen von Hausmannstellen<br />

hervor.)<br />

Die vom 17. Jahrhundert bis zur einsetzenden Industrialisierung gegründeten Stellen nannte<br />

man Brinksitzer, weil vielen nur ein Häuschen auf dem Brink gestattet war, dem nun entstandenen<br />

Dorfplatz, oder auf den Hofgrundstücken der Altbauern, damit die Gemarkung nicht<br />

zersiedelt wurde. Beide Gruppen, Köter und Brinksitzer, wurden mit zunehmender Hofzahl<br />

nochmals in sich gegliedert, zum Beispiel in Alte und Neue. Da ihre Markrechte zum Broterwerb<br />

meistens nicht ausreichten, waren diese jüngeren Siedlerschichten auf permanenten oder<br />

zeitweiligen Nebenerwerb angewiesen, etwa durch einen Handwerksberuf oder als saisonale<br />

Fremdarbeiter im reichen Holland.<br />

Für die nochmals nachfolgende Schicht gibt es eigentlich keine richtige Bezeichnung mehr,<br />

ersatzweise kann man sie einfach (Nach)Siedler nennen. Ihre Höfe und nun auch reine Wohnhäuser<br />

finden sich vor allem in Kreyenbrück. Zusammen mit Kötern und Brinksitzern bildeten<br />

sie die bäuerliche Mittelschicht.<br />

Unterhalb der Schicht der Hofbesitzer – in der bäuerlichen Unterschicht – entstand seit dem<br />

16. Jahrhundert die halbselbständige Gruppe der Heuerleute. Sie verfügten über kein eigenes<br />

Haus, sondern wohnten bei einem Bauern, von dem sie ein Stück Land bekamen und bezahlten<br />

beides mit Arbeitsleistungen in dessen Landwirtschaft oder entrichteten eine reguläre<br />

Miete, die hierzulande „Heuer“ heißt; daher ihr Name. Das Geld verdienten auch sie sich als<br />

Handwerker, Kleinhändler, Tagelöhner oder Hollandgänger.<br />

Knechte und Mägde schließlich bildeten die unterste ländliche Unterschicht, denn sie besaßen<br />

weder einen Hof noch eigenes Land. Es gab sie wohl auf jedem größeren Hof.<br />

Die dritte Abbildung zeigt Aufkommen und Zahl der Rechtsqualitäten in Bümmerstede im<br />

Verlauf der Zeit. Bemerkenswert ist die geringe Anzahl an Höfen insgesamt, das Aufkommen<br />

der einzelnen Siedlerschichten entspricht in etwa dem Normalfall. Übrigens waren diese uralten<br />

Hofränge unter den Landwirten teilweise noch um die Mitte des 20. Jahrhunderts in Gebrauch!<br />

28<br />

28 Magisterarbeit, S. 21-24, 46-52.<br />

22


4. Forschungsaufgaben: Vergangenheit hat Zukunft<br />

Folie 11 „Auszug aus dem Mannzahlregister 1643 der Hausvogtei Oldenburg“: eine gescannte<br />

Kopie einer Liste in alter deutscher Handschrift mit Aufzählung der wehrfähigen Männer pro Hof in<br />

Bümmerstede und Streek nebst ihrer Bewaffnung, i.d.R. ein bis zwei Büchsen (= Pistolen) pro Hof.<br />

Daneben in Form eigener Bleistifteinträge Kürzel für die betreffenden Bauernhofstellen.<br />

Das waren nun sehr vielfältige Bereiche aus der Geschichte der Bauerschaft Bümmerstede,<br />

die ich Ihnen vorzustellen hatte. – Was Historiker eben alles aus dem Material machen können,<br />

wenn man uns die Archive öffnet.<br />

Diese Zusammenfassung bezeichne ich auch deswegen als „Arbeitsbericht“, weil trotz abgeschlossener<br />

Magisterarbeit die Forschung noch nicht beendet ist und das Thema von mir weiterhin<br />

bearbeitet wird. Gerade die Siedlungsgeschichte konnte in der Magisterarbeit noch<br />

nicht in ihrer nötigen Tiefe behandelt werden, weshalb es wenig zweckmäßig wäre, das Werk<br />

in dieser Form zu veröffentlichen. Zur Vorbereitung habe ich es bereits detailliert durchgesehen,<br />

überarbeitet und erweitert.<br />

Mit den Bleistifteinträgen in der angezeigten Kopie eines Mannzahlregisters möchte ich Ihnen<br />

andeuten, wohin die „Forschungsreise“ in Bümmerstede geht: die Entwicklungsgeschichte der<br />

einzelnen Hofstellen wird im Mittelpunkt stehen.<br />

Mit einem Buch über die Siedlungsgeschichte der Bauerschaft Bümmerstede erschöpfen sich<br />

natürlich nicht die möglichen und z.T. sehr nötigen Forschungsaufgaben, welche die lokale<br />

und regionale Geschichte rings um Oldenburg bietet, zu der ich einen Beitrag leisten möchte.<br />

• Sicherlich wäre es sinnvoll, die Erkenntnisse über die Bümmersteder Siedlungsstruktur in<br />

die Region zu tragen, indem man die Entwicklung des Dorfes mit der seiner Nachbarn vergleicht.<br />

Dies wäre besonders wertvoll in Gemeinden, die bereits populär beschrieben sind und<br />

über die daher scheinbar schon „alles bekannt“ ist.<br />

• Dabei kommt man zwangsläufig mit zahlreichen althandschriftlichem Akten in Berührung,<br />

die oft noch nicht gedruckt sind. In Zusammenarbeit mit den Archivaren ließe sich unter<br />

Umständen einiges davon praktischerweise gleich nebenher aufbereiten, so daß die Originale<br />

zukünftig geschont werden könnten.<br />

• Wenn man sich anschaut, wie lückenhaft gerade das Oldenburgische Urkundenbuch teilweise<br />

seine Texte wiedergibt, weiß man, daß auch im Bereich der Quellenforschung die Möglichkeiten<br />

noch längst nicht ausgeschöpft sind.<br />

• Langfristig wäre auch daran zu denken, die Forschungsergebnisse exkursionsdidaktisch<br />

aufzubereiten, um durch geschichtliche Führungen größere Gruppen der Bevölkerung zu erreichen,<br />

als es durch die üblichen Publikationen – etwa Aufsätze oder Vorträge – die Regel<br />

ist. Die Aspekte von fachlicher „Verteidigung“ <strong>bzw</strong>. „Reklame“ wird man in Zeiten knapper<br />

Kassen und unzureichender Kulturpolitik nicht vernachlässigen können.<br />

Dies alles erfordert freilich Zeit, Geld und die Unterstützung von mancherlei Seiten. Folglich<br />

weiß ich nicht zu sagen, ob diese Mittel stets in ausreichender Weise zur Verfügung stehen<br />

werden und wie viele der genannten Aufgaben ich persönlich angehen kann. Zur Zeit konzentriere<br />

ich mich daher auf Arbeiten, die allein von meinem eigenen Einsatz abhängen.<br />

Sicher ist der Erwartungsdruck in Bümmerstede hoch, die Eingesessenen würden gerne ein<br />

Buch über ihr Dorf lesen. Trotzdem muß ich noch eine ganze Weile um Geduld bitten. Denn<br />

aus verschiedenen Gründen erscheint es mir angebracht, zuerst ein anderes Buch zu schreiben,<br />

in dem Bümmerstede immerhin auch vorkommt.<br />

23


Es handelt sich im Kern um die oben erwähnte Aufsatzsammlung von Emil Pleitner, die vor<br />

vielen Jahrzehnten in der regionalen Presse erschien. Sie ist so niemals zusammengefaßt und<br />

gedruckt worden – was auch gut ist. Denn jener fleißige und erstaunlich gut informierte Autor<br />

hat so manche historische Quelle mißinterpretiert, hat auf diese Weise unbeabsichtigt falsche<br />

Gerüchte in die Welt gesetzt, die heute noch kursieren (siehe Bümmerstede), und gab – zeitbedingt<br />

zu verstehen – außerdem eine äußerst franzosenkritische Haltung kund, die einer heutigen<br />

Leserschaft keinesfalls ohne historische Erklärung präsentiert werden sollte. Weil seine<br />

Darstellungen über die alten größtenteils eingemeindeten Dörfer rings um den Stadtkern Oldenburgs<br />

aber sehr informativ sind, habe ich mich des Themas angenommen, um es korrigiert,<br />

kommentiert und ergänzt aufzubereiten und fortzuführen. Dieses Buch wird mindestens<br />

400 DIN A4-Seiten Manuskripttext umfassen, eine Vielzahl von fachlichen Korrekturen bereits<br />

im Text und über 1800 Fußnoten mit Detailinformationen zur stadtoldenburger Geschichte<br />

enthalten.<br />

Mir ist sehr daran gelegen, es baldmöglichst erscheinen zu lassen. Trotzdem braucht das<br />

Werk noch viele Monate an Arbeitszeit, weshalb ich vorerst keinen genauen Abschlußtermin<br />

nennen kann.<br />

Von den sonstigen Aufgaben, die nebenher anfallen, möchte ich nur noch eine erwähnen: die<br />

fachliche Beratung der Stadt Oldenburg (und gelegentlich von Immobilienfirmen) bezüglich<br />

neuer Straßenbenennungen, was durchaus in das Arbeitsfeld von Historikern gehört. Kürzlich<br />

sind wieder zwei landschaftlich-historisch passende Straßennamen aus der Taufe gehoben<br />

worden, in diesem Fall im Stadtteil Krusenbusch<br />

Im Zuge der Diskussion um die Abschaffung der Bezirksregierungen wurde von verantwortungsbewußten<br />

Menschen gefragt, ob Oldenburgs Zukunft schon Vergangenheit sei. 29 Natürlich<br />

hoffen wir alle, daß sich die Stadt Oldenburg und die umgebende Nordwestregion auch<br />

künftig gedeihlich entwickeln werden. Wir sehen aber, daß zumindest die Erforschung ihrer<br />

Vergangenheit noch eine große Zukunft vor sich haben kann.<br />

Ich freue mich, daß ich Ihnen einen recht umfangreichen Einblick in meine Arbeit geben durfte<br />

und bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit!<br />

Oldenburg-Bümmerstede im Juni 2005<br />

Martin Teller M.A.<br />

* * *<br />

Zitierte Literatur siehe im Verzeichnis der Magisterarbeit, sofern nicht in hiesigen Fußnoten<br />

ergänzt.<br />

Abbildungsnachweise<br />

Folie 1: Stadtplanausschnitt aus: Oldenburg (Oldb.) mit allen Stadtteilen, 9. Auflage Fellbach<br />

[wohl 2003], darin Freizeitkarte 1 : 100.000. Thematisch bearbeitet vom Verfasser.<br />

Folie 2: Ausschnitt aus: Topographische Karte 1 : 50.000, L 2914 Oldenburg (Oldenburg),<br />

Normalausgabe, hrsg. vom Niedersächsischen Landesverwaltungsamt – Landesvermes-<br />

29 Horst Milde: Ist Oldenburgs Zukunft schon Vergangenheit?, Kritische Gedanken zur geplanten Auflösung der<br />

Bezirksregierung Oldenburg, Vortrag vor dem Oldenburger Landesverein am 4. März in der Harmonie, Oldenburg<br />

2004.<br />

24


sung, 7. Auflage 1990, umfassende Aktualisierung 1987, einzelne Ergänzungen 1988.<br />

Thematisch bearbeitet vom Verfasser, Magisterarbeit S. 71.<br />

Folie 3: Ausschnitt aus: Topographische Karte 1 : 25.000, Blatt Oldenburg 2815, Königl.<br />

preuss. Landes-Aufnahme 1898, hrsg. 1899, und Blatt Wardenburg 2915, Königl. preuss.<br />

Landesaufnahme 1898, hrsg. 1900, reproduziert und hrsg. vom Niedersächsischen Landesverwaltungsamt<br />

– Landesvermessung – Hannover [o.J.]. Thematisch bearbeitet vom Verfasser,<br />

Beilage I der Magisterarbeit.<br />

Folie 4: Ausschnitt (Stadt Oldenburg und Umgebung) aus der Bodenkundlichen Stadtortkarte<br />

1 : 200.000, Blatt Oldenburg. Hrsg. vom Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung.<br />

Hannover. Aus: Bodenfunde aus der Stadt Oldenburg, Archäologische Mitteilungen<br />

aus Nordwestdeutschland, Beiheft 3, hrsg. vom Staatlichen Museum für Naturkunde<br />

und Vorgeschichte, Oldenburg 1988, S. 14. Beschriftung vom Verfasser.<br />

Folie 5: Ausschnitt aus der Karte der Hausvogtei Oldenburg, Gemarkung Bümmerstede.<br />

Nördlicher Hauptteil aus: Oldenburgische Vogteikarte um 1790 im Maßstab 1 : 25.000,<br />

Neuzeichnung (Sonderkarte), Niedersächsischer Städteatlas III (Oldenburgische Städte) A<br />

1, bearbeitet von Hermann Lübbing und Otto Harms, gezeichnet von Gerd Thelen, hrsg.<br />

von der Historischen Kommission für Niedersachsen, Oldenburg 1960. Südlich angefügter<br />

und digital nachkolorierter Ausschnitt aus: Hausvogtei Oldenburg [Teil] III, vermessen<br />

und gezeichnet von Heinrich Hüner, [Oldenburg] 1794, StAO Best. 298 Vogteikarte Nr. 14<br />

c. Zusammenschnitt und Bearbeitung vom Verfasser, Magisterarbeit S. 89.<br />

Folie 6: Fotos von Steinbeilen und Flintstein-Zeichnung aus: Bodenfunde aus der Stadt Oldenburg<br />

(s.o. Folie 4), Abb. 27, S. 48, und Fotos Nr. 4 und 6 b), S. 107, Zeichnung des<br />

menschlichen Unterkiefers aus: Linder/Hübler: Biologie des Menschen, 11. völlig neu bearbeitete<br />

Auflage Stuttgart 1980, S 151 (Schulbuch), übrige Fotos sowie Zusammenstellung<br />

und Beschriftung vom Verfasser.<br />

Folie 7: Ausschnitt aus dem Kartensatz Stadt Oldenburg und Umgebung, Maßstab 1:10.000.<br />

Angefertigt auf der Vermessungs-Direktion in Oldenburg, 1923, nachgetragen 1926. Thematisch<br />

bearbeitet vom Verfasser.<br />

Folie 8a: Verschiedene Bauernhaus-Zeichnungen aus: a) Heinz Ellenberg: Bauernhaus und<br />

Landschaft in ökologischer und historischer Sicht, Stuttgart 1990, S. 241; b) Hermann Kaiser,<br />

Helmut Ottenjann: Museumsführer mit Anhang zur Vor- und Nachbereitung des Museumsbesuches<br />

sowie mit einem Farbbild-Report, hrsg. von Helmut Ottenjann im Auftrage<br />

der „Stiftung Museumsdorf Cloppenburg“, Cloppenburg 1995, S. 113; c) Julius H. W.<br />

Kraft: Was wie machen? Instandsetzen und erhalten alter Bausubstanz, Weyhe 1992, S. 16.<br />

Foto sowie Zusammenstellung, z.T. thematische Bearbeitung und Beschriftung vom Verfasser.<br />

Folie 8b: Bauernhaus-Grundriß aus: Helmut Ottenjann: Zur historischen Sachkultur im Oldenburger<br />

Land, in: Geschichte des Landes Oldenburg, Ein Handbuch, Im Auftrag der Oldenburgischen<br />

Landschaft herausgegeben von Albrecht Eckhardt in Zusammenarbeit mit<br />

Heinrich Schmidt, 4. verbesserte und erweiterte Auflage, Oldenburg 1993, S. 909. Foto<br />

sowie Zusammenstellung und Beschriftung vom Verfasser.<br />

Folien 9a, 9b: Texte und Graphiken vom Verfasser.<br />

Folie 10: Texte und Graphiken überwiegend vom Verfasser, bis auf eine Gesellschaftspyramide<br />

aus: Fragen an die Geschichte, Geschichtliches Arbeitsbuch für Sekundarstufe I,<br />

hrsg. von Heinz Dieter Schmid, Band 2 Die europäische Christenheit, Frankfurt am Main,<br />

6. Auflage 1980, S. 22.<br />

Folie 11: Kopie aus dem Mannzahlregister 1643 der Hausvogtei Oldenburg, StAO Best. 75, 1<br />

Ab, Oldenburgische Vogteien, Nr. 7. Thematische Einträge vom Verfasser.<br />

Zehnt- und Grundbesitzgraphik: Verfasser, Beilage II der Magisterarbeit.<br />

Texte und Abbildungen des Verfassers sind durch das Urheberrecht geschützt, sie dürfen ohne Einwilligung in<br />

keinerlei Form, weder vollständig noch auszugsweise, publiziert oder weiterverarbeitet werden. Die dargestellten<br />

Arbeitsergebnisse werden z.Z. laufend durch Forschung erweitert. Für ergänzende Hinweise oder Überlassung<br />

25


historischen Materials (z.B. alte Fotos, Handschriften) <strong>bzw</strong>. für Unterstützung verschiedenster Art bin ich stets<br />

dankbar.<br />

26

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