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Christa Wolfs Was bleibt Kontext - Munin - Universitetet i Tromsø

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42 2. <strong>Was</strong> <strong>bleibt</strong>: <strong>Kontext</strong><br />

widerspruchslos hingenommen wurde. Wie eng Literatur in der DDR mit den Fragen<br />

aller Lebensbereiche verbunden war und wieviel Bedeutung dabei dem Schriftsteller<br />

zugesprochen wurde, zeigt sich nicht zuletzt in den Äußerungen einiger Diskussions-<br />

teilnehmer:<br />

Da die Schriftsteller in der DDR eine hohe Achtung und Aufmerksamkeit genießen,<br />

ihre Meinungen und Ansichten zu so aktuellen Fragen wie der Nutzung<br />

der Kernenergie beachtet werden und sie auch oftmals meinungsbildend<br />

wirken, haben Schriftsteller eine große Verantwortung ihren Lesern,<br />

der Öffentlichkeit, der Gesellschaft gegenüber. Aus diesen Gründen einige<br />

Bemerkungen über die Notwendigkeit der Kernenergie in der DDR. (Drescher:<br />

1991b, 51)<br />

Nicht selten werden dabei – vor allem im Herbst 1989 – auch unrealistische Erwartun-<br />

gen an die Wirkungsmöglichkeiten von Literatur formuliert:<br />

Ich bitte Sie [<strong>Christa</strong> Wolf, R.S.] unter Beachtung der Tatsache, daß sowohl<br />

die wissenschaftliche Erkenntnis wie deren Realisierungsmöglichkeiten und<br />

alle Reserven endlich sind, gemeinsam mit Ihren Kollegen im Schriftstellerverband<br />

der DDR mit den Ihnen verfügbaren Mitteln und den neuen Möglichkeiten<br />

der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit über die Schaffung<br />

literarischer Vorbilder von Menschen der Zukunft nachzudenken, die sich<br />

von den Gestalten Huxleys oder Orwells unterscheiden, um das menschliche<br />

Leben in Europa noch auf lange Zeit zu sichern. (ebd., 61)<br />

Sicherlich war nicht ein bestimmter literarischer Text oder eine konkrete Aussage<br />

<strong>Christa</strong> <strong>Wolfs</strong> oder eines anderen Schriftstellers der Anlaß für tausende Demonstran-<br />

ten, im Herbst 1989 mit ihren Forderungen nach Demokratie und Freiheit auf die<br />

Straße zu gehen. Weitgehend unbestritten <strong>bleibt</strong> jedoch, daß ihre literarischen Texte –<br />

nicht zuletzt Kassandra und Störfall – einen Anteil am Mündigwerden vieler DDR-<br />

Bürger hatten, indem sie beim Artikulieren wichtiger Lebensfragen halfen und so dazu<br />

beitrugen, Einstellungen und Mentalitäten zu verändern. 1 Nicht zuletzt zeigt gerade<br />

das Beispiel <strong>Christa</strong> <strong>Wolfs</strong>, daß ein literarischer Text Diskussionen auslösen konnte,<br />

Funktionsträgern der Partei gab es zudem eine Rangordnung, von der abhängig war, welche Informationen<br />

dem einzelnen zugänglich gemacht wurden, ob er z.B. westliche Fachzeitschriften beziehen<br />

durfte oder nicht.<br />

1 Ähnliches gilt natürlich auch für die Texte anderer kritischer DDR-Autoren wie bspw. Christoph<br />

Hein oder Volker Braun, die sich darum bemühten, die “weißen Flecken” der Gesellschaft zu füllen.<br />

Für Christoph Hein vgl. Skare: 2000. <strong>Christa</strong> Wolf spricht von “den blinden Flecken in unserer Vergangenheit”<br />

(Wolf: 1990f, 162). Vgl. auch Gespräch: 1989, 40.

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