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Am Dienstag kollidierte das Mozart-Jahr mit Mozarts Todestag: Die ...

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06. Dezember 2006<br />

18:51 MEZ<br />

derStandard.at | Kultur | Wolfgang <strong>Am</strong>adeus<br />

Orchestrale <strong>Am</strong>adeus-Wucherungen<br />

<strong>Am</strong> <strong><strong>Die</strong>nstag</strong> <strong>kollidierte</strong> <strong>das</strong> <strong>Mozart</strong>-<strong>Jahr</strong> <strong>mit</strong> <strong>Mozart</strong>s<br />

<strong>Todestag</strong>: <strong>Die</strong> Wiener Philharmoniker spielten gleichzeitig in<br />

der Staatsoper und im Theater an der Wien. Nikolaus<br />

Harnoncourt glänzte <strong>mit</strong> seinem Concentus in Salzburg<br />

Atemberaubende Pianissimi – Nikolaus Harnoncourt.<br />

Ein <strong>Todestag</strong> macht es möglich: Sowohl Christian Thielemann als auch<br />

Sir Simon Rattle dirigierten die Wiener Philharmoniker -zeitgleich!<br />

Wien/Salzburg – Weil es ihrer ja wirklich genug gibt, eröffneten die Wiener<br />

Philharmoniker am <strong><strong>Die</strong>nstag</strong> gleich zwei <strong>Mozart</strong>-Fronten. Eine unter Christian<br />

Thielemanns Kommando in der Staatsoper und eine <strong>mit</strong> Sir Simon Rattle im<br />

Theater an der Wien.<br />

An sich zählt der Wunsch, woanders sein zu wollen, als man gerade ist, zur<br />

Grundausstattung des Menschen. Dass sich <strong>das</strong> Bedauern, sich nicht in der<br />

Staatsoper, sondern am Naschmarkt zu befinden, schon vor Konzertbeginn zu regen<br />

begann, lag am Chaos, <strong>das</strong> an den Garderoben herrschte. Zum Teil waren diese ja<br />

für mehrere Hundertschaften ins Konzert abkommandierter Mitarbeiter einer<br />

Sponsorenfirma reserviert.<br />

Dort wurden sie dann Zeugen der nur allzu gerne in die Untat der Konzertpraxis<br />

umgesetzten Musikwissenschaft: Nur weil <strong>Mozart</strong> seine drei letzten, übrigens<br />

äußerst unterschiedlichen Symphonien in ein und demselben Sommer vom Stapel<br />

gelassen hat, ist <strong>das</strong> allzu gerne Anlass genug, sie an ein und demselben Abend zu<br />

präsentieren. Einmal tun es die Philharmoniker unter Harnoncourt und diesmal<br />

eben unter Rattle. In beiden Fällen wurde diese verschmockte Programmplanung<br />

durch <strong>das</strong> Ergebnis nicht gerechtfertigt. Schon gar nicht im Theater an der Wien,<br />

<strong>das</strong> ganz gegen seine angestammte Funktion als Spielstätte für <strong>Mozart</strong>opern zum<br />

Konzertsaal umfunktioniert wurde.<br />

Dass die Philharmoniker wissen, wie man <strong>Mozart</strong> spielt, durfte man erwarten.<br />

Allerdings verströmten die Wiedergaben der Es-Dur-Symphonie (Nr. 40, KV 543)<br />

und jener in g-Moll (Nr. 41, KV 550) nicht mehr als routinierte Qualität. Nicht<br />

zuletzt, da Rattle <strong>mit</strong> seinem gestisch artikulierten Wunsch nach knalligen Akzenten<br />

und überdehnten Generalpausen den harmonisch Ablauf eher irritierte. Den selbst


gestellten Ansprüchen wirklich gerecht wurden lediglich die <strong>mit</strong> bewundernswert<br />

differenzierter Dynamik und federnder Rhythmik wiedergegebenen ersten drei Sätze<br />

der Jupitersymphonie.<br />

In der Staatsoper trachtete Christian Thielemann zeitgleich und auch <strong>mit</strong> den<br />

Philharmonikern danach, heiliges Erbe hoch- und kritische Fragen hintanzuhalten.<br />

Fragen etwa nach den nach zwei <strong>Jahr</strong>hunderten notgedrungen gewandelten<br />

Verständnismöglichkeiten einer längst verflossenen Musiksprache. Thielemann ging<br />

es offenbar eher daran, eine anhaltende Präsenz des Kunstwerkes zu behaupten<br />

und dessen Ewigkeitswert jenseits aller Zeitläufte herauszustellen.<br />

Als zentral erwies sich beim Requiem dabei die Kategorie der Wirkung, <strong>mit</strong> der sich<br />

theatralische Dramatik <strong>mit</strong> Hochglanz verbanden. Unter diesem Primat wurde<br />

freilich alles, was die beschauliche Versenkung hätte stören können, neutralisiert,<br />

harmonische Brüche fanden sich unter einem Klangteppich begraben. Und die<br />

gerade in der Sakralmusik so wichtige musikalische Rhetorik, die Figuren<br />

sprachähnliche Bedeutung gibt, schwieg, wenn den sprechenden Gestalten stets<br />

dieselben Klischees von Ausdrucksidentität übergestülpt wurden.<br />

So überlagerte ein mächtiges Dauervibrato die Subtilitäten von <strong>Mozart</strong>s Tonsatz<br />

ebenso wie ein klangliches Kontinuum die harmonischen Spannungen vollkommen:<br />

In Passagen, wo ein Bewegungsmuster durch die Tonarten wandert und dadurch<br />

seine Wirkung verändert, klang da<strong>mit</strong> alles ebenmäßig und auftrumpfend zahm.<br />

Dass sich die Stimme weniger gleichmachen lässt und – analog den zu manchen<br />

wundersamen Momenten führenden Bläsern – innerlich stets modulierfähig bleibt,<br />

bewiesen Genia Kühmeier, Elina Garanca, Ain Anger und vor allem Michael Schade<br />

konturiert und eindringlich.<br />

Stimmliche Schattenseiten steuerte der zuverlässige, teils aber spektakulär<br />

inhomogene Staatsopernchor bei. So kamen in diesem Requiem die<br />

spannungsreichsten Momente ausgerechnet zwischen den Teilen zustande, wo<br />

Thielemann ausgedehnte Grabesstille verbreitete.<br />

Auch Salzburg<br />

<strong>Mozart</strong>s Requiem auch im Haus für <strong>Mozart</strong>, <strong>das</strong> ob der ORF-Aufnahmen<br />

Atmosphäre vermissen ließ. Allerdings regen Nikolaus Harnoncourt und der<br />

Concentus Musicus auch ohne "Atmosphäre" zum aufmerksamen Zuhören an.<br />

Freilich auch, es ist nicht zu verhindern, zum Vergleich <strong>mit</strong> der spannenden,<br />

2004 erschienenen Aufnahme aus dem Musikverein.<br />

Waren Introitus und Kyrie noch einen Hauch langsamer, als man es gewohnt ist?<br />

Das himmlische "dona eis" im Agnus kam in einem atemberaubenden Pianissimo,<br />

und bei der Modulation im "dona eis requiem sempiternam" bleibt in der Lesart<br />

Harnoncourts (sogar im Haus für <strong>Mozart</strong>) jedes Mal die Welt für einen Augenblick<br />

stehen. Zudem: Christine Schäfer, Bernarda Fink, Werner Güra und Gerald Finley<br />

pflegten eine Klangkultur, die man sich für solch einen Anlass und Ort wünschen<br />

kann. Der Arnold Schönberg Chor? Homogen und <strong>mit</strong> leuchtkräftigem Klang.<br />

Der "Tag der Rache und der Sünden" in der Sequenz schien jedoch einiges von<br />

seinem Schrecken verloren zu haben. Bogenstriche wie Schläge, vor allem in den<br />

Bässen, ist man gewohnt zu hören, auch im "Rex tremendae" – <strong>das</strong> wirkte am<br />

<strong>Todestag</strong> fast ein wenig zu versöhnlich. (vuji, daen, klaba/ DER STANDARD,<br />

Printausgabe, 07.12.2006)

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