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Publikation - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Die erste ist eine Anekdote, die sich tatsächlich so zugetragen hat. Sie<br />

zeigt, was für ein böser Bube Du damals warst, Günter. Willy Brandt<br />

und ich waren zum Bundespräsidenten Heinrich Lübke ins Schloss<br />

Bellevue eingeladen. Wir haben schön gegessen und auch seine Frau<br />

war dabei. Am Ende des Essens sagte er: „Jetzt möchte ich noch etwas<br />

Dienstliches besprechen.“ Worauf sie sich erhob und verschwand. Er<br />

sagte: „Ich wollte gar nichts Dienstliches besprechen, ich wollte nur<br />

zeigen, wer hier Herr im Haus ist.“ Dann ging es weiter, und er sagte:<br />

„Hören Sie mal, da gibt es doch jetzt so einen Schriftsteller, über den<br />

wird so viel gesprochen. Wie heißt denn <strong>der</strong> gleich?“ Brandt sagte:<br />

„Günter Grass.“ „Ja! Richtig, Günter Grass“, erwi<strong>der</strong>te Lübke. „Der<br />

hat doch so ein Buch geschrieben. Kennen Sie das?“ – „Ja, kennen<br />

wir.“ – „Stimmt denn das, dass da Sachen drin stehen, über die man<br />

nicht mal mit seiner Frau spricht?“ So viel zur Anekdote, die klarmacht,<br />

was Du für ein ‚böser Bube’ gewesen bist.<br />

Du hast natürlich zweitens in vielen Punkten das Erstgeburtsrecht. Als<br />

1961 die Mauer gebaut wurde, hattest Du bereits die Notwendigkeit<br />

formuliert, die O<strong>der</strong>-Neiße-Linie anzuerkennen. Dies haben wir uns<br />

damals noch gar nicht getraut.<br />

Einen dritten Punkt möchte ich zu dem ergänzen, was Du gesagt hast,<br />

Günter. Du hattest den ‚Vorwurf <strong>der</strong> Feinde’ formuliert: ein fabelhafter<br />

‚Gag’, <strong>der</strong> gut ausgedacht sei. Das erinnerte mich übrigens an einen<br />

Ausspruch von Strauß damals, <strong>der</strong> sagte: „Der Bahr hat uns schon<br />

verkauft, nur noch nicht geliefert.“ Das war nicht so harmlos, wie es<br />

klang. Nichtsdestotrotz habe ich selbst diesen Kniefall nicht gesehen.<br />

Ich bin mit Herrn Beitz hinterhergefahren und wir haben vor uns die<br />

Mauer <strong>der</strong> Fotografen und Journalisten gesehen, die uns den Rücken<br />

zuwandten. Plötzlich wurde es ganz still und wir fragten: „Was ist<br />

denn los?“ Ein Journalist drehte sich kurz um und sagte: „Er kniet.“<br />

Am Abend habe ich, als ich mit Brandt einen – nur einen, erstmal –<br />

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