1945 Kultur 11-4 Kultur in finsteren Zei - Informationsmittel für ...
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Im Kapitel Schichtenspezifische Erfolge der NS-<strong>Kultur</strong>politik faßt Hermand<br />
se<strong>in</strong>e Darstellung noch e<strong>in</strong>mal zusammen. Ausgehend von der rhetorisch<br />
gestellten Frage, wie es möglich war, daß e<strong>in</strong> <strong>Kultur</strong>volk wie die Deutschen<br />
sich über Nacht von e<strong>in</strong>er halbgebildeten Terrorclique willenlos gleichschalten<br />
ließ und ihr danach bis zur Katastrophe von <strong>1945</strong> allzu bereit Gefolgschaft<br />
leistete, weist Hermand noch e<strong>in</strong>mal h<strong>in</strong> auf die lange Vorgeschichte<br />
völkischer Weltanschauung <strong>in</strong> Deutschland, auf die damals noch vorhandene<br />
Aufspaltung <strong>in</strong> verschiedene Klassen und auf deren wegen der disparaten<br />
Bildungsvoraussetzungen recht unterschiedlichen Kunst- und <strong>Kultur</strong>erwartungen<br />
(S. 154). Den NS-Führungskreisen waren diese Antagonismen<br />
durchaus bewußt, sie versuchten sowohl die Massen der Arbeiter als auch<br />
die Kle<strong>in</strong>bürger und die Oberschicht <strong>für</strong> sich zu gew<strong>in</strong>nen, um legal an die<br />
Macht zu kommen. Nach der Machtübergabe gelang es ihnen, angepaßt an<br />
die jeweilige Situation, sowohl die privatkapitalistisch-orientierten wie die<br />
sozialistisch-ges<strong>in</strong>nten Schichten an sich zu b<strong>in</strong>den, <strong>in</strong>dem sie nicht die<br />
Fernziele ihrer Politik betonten, sondern nach der Ausschaltung der KPD<br />
und nach den ersten Judenboykotten schon Ende 1933 die kämpferischen<br />
oder revolutionären Züge ihrer Ideologie zu Gunsten traditionsbewußter<br />
Ges<strong>in</strong>nung abdämpften. Die Zerschlagung der nationalrevolutionären Gruppen,<br />
zu denen Hermand auch die völkisch und germanisch-utopisch ges<strong>in</strong>nte<br />
Gruppe um Rosenberg zählt, im Sommer 1934 war das öffentlich wirksame<br />
Signal zur Rückkehr zu Ruhe und Ordnung. Entsprechend förderte<br />
Goebbels die hohe <strong>Kultur</strong> <strong>für</strong> die bildungsbürgerliche Schicht und e<strong>in</strong>e unterhaltsame<br />
<strong>Kultur</strong> <strong>für</strong> den sog. niederen Geschmack der breiten Massen,<br />
wie sie schon <strong>in</strong> der Weimarer Republik bestanden hatten, nur daß statt von<br />
Klassen jetzt von Arbeitern der Stirn und Arbeitern der Faust geredet wurde<br />
(S. 158). Die Bildungsbürger konnten sich wie <strong>in</strong> wilhelm<strong>in</strong>ischer <strong>Zei</strong>t wieder<br />
dem Gefühl h<strong>in</strong>geben, <strong>in</strong> kultureller H<strong>in</strong>sicht die wichtigste Me<strong>in</strong>ungsträgerschicht<br />
zu se<strong>in</strong> und ihren früheren nationalen Stellvertretungsanspruch zurückerobert<br />
zu haben (S. 160). Dem Konzept e<strong>in</strong>er Volksgeme<strong>in</strong>schaft wurde<br />
zwar mit volksbildnerischen Konzepten Genüge getan, aber der größere<br />
Nachdruck lag auf Förderung unterhaltsamer <strong>Kultur</strong>formen <strong>für</strong> die breiten<br />
Massen, um ihnen die nötige Entspannung zu bieten, sie nicht zu überfordern<br />
und ihnen die nazifaschistische Gesellschaft als etwas Normales und<br />
<strong>für</strong> sie E<strong>in</strong>gerichtetes anzubieten. Die angeblich unpolitische Unterhaltung<br />
sollte die Massen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e frohgemute Stimmung versetzen, denn wie Goebbels<br />
selbst betonte: „Die tendenziöseste Kunst ist die, deren Schöpfer behaupten,<br />
sie habe ke<strong>in</strong>e“ (S. 162).<br />
Hermand betont die Ähnlichkeit solcher Taktik mit der Unterhaltungs<strong>in</strong>dustrie<br />
<strong>in</strong> den USA, daher verwundere es nicht, wenn <strong>in</strong> den 1930er Jahren<br />
populäre amerikanische Literatur übersetzt wurde, Unterhaltungsfilme aus<br />
Hollywood wöchentlich mit großem Erfolg gezeigt wurden und zeitweise sogar<br />
die Verbreitung von Sw<strong>in</strong>g-Musik aus den USA erlaubt war. Die noch<br />
bestehenden klassenkämpferischen Restelemente <strong>in</strong> der Arbeiterschaft<br />
wurden durch die massenkulturellen Angebote und durch „Kraft-durch-<br />
Freude“-Programme im Verbund mit der Verbesserung der <strong>in</strong>dustriellen Arbeitsplätze,<br />
dem allgeme<strong>in</strong>en Technik-Kult, der Sportbegeisterung und der