Ursprünge des Atheismus - IfB

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erweitert durch ein Nachwort von 2012, das auf die Einwände der Kritik eingeht und sie in der Sache klar zurückweist. Dieses Nachwort bietet sich auch vorab zur Lektüre an, weil man dann bereits über die grundlegenden Fragestellungen informiert ist, mit denen sich Schröder auseinandersetzt. Außerdem erhält man durch die Lektüre seiner Gegenkritik eine gute Vorstellung von seiner hermeneutischen Konzeption. Das vorliegende Buch vertritt einen engen Atheismusbegriff, der nicht schon jede Form heterodoxen Denkens, blasphemischer Positionen oder antiklerikaler Propaganda als Atheismus akzeptiert. Deshalb werden von Schröder auch oft in der Geschichte des Atheismus einbezogene Denker wie Spinoza und Hobbes nicht zu den Atheisten gerechnet, da sie in ihren Schriften keine Argumentation gegen die Existenz Gottes durchführten. Als Atheismus im engeren Sinne kann nur eine Position gelten, die die Auffassung von der Nichtexistenz Gottes mit Gründen vertritt. Damit setzt sich Schröder von älteren Darstellungen aller Art ab, wie sie etwa auch der an sich verdienstvolle Fritz Mauthner geliefert hatte, in deren konzeptioneller Ungenauigkeit der Atheismus keine scharfen Konturen mehr hatte. 5 Schröders Buch bietet damit eine Pionierleistung, das auch neuere Studien wie das beachtenswerte Werk von Dorothea Weltecke ermöglicht hat. 6 In Übereinstimmung mit dem bekannten Werk Lucien Febvres über das Problem des Unglaubens in der Renaissance kommen sowohl Schröder wie auch Weltecke zu dem Schluß, daß es in Mittelalter und Renaissance keinen Atheismus gab. Schröder zeigt zudem, daß es im Grunde bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts und sogar noch bis zu Darwin so war, daß der Atheismus die auch argumentativ schwächere Position vertrat, die zudem auch nicht mit dem damaligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse kompatibel war. Einige frühe Text atheistischer Provenienz, so etwa die knappen Flugschriften Knutzens, sind Schröder zufolge ohnehin theoretisch recht dürftig; sie sind im 5 Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande / Fritz Mauthner. Hrsg. und mit einem Vorwort von Ludger Lütkehaus. - Aschaffenburg : Alibri-Verlag. - 24 cm. - Ausgabe basiert auf der vierbändigen Ausgabe Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1920 - 1923. - ISBN 978-3-86569-113-2 : EUR 179.00, EUR 149.00 (Subskr.-Pr. bis 30.11.2009) [#1969]. - Bd. 1. Einleitung: Die Antike, Erstes Buch: Teufelsfurcht und Aufklärung im sogenannten Mittelalter. - 1. Aufl., [Neuausg.]. - 2011. - XXXIV, 570 S. - Bd. 2. Zweites Buch: Entdeckung der Natur und des Menschen - Lachende Zweifler - Niederlande, England. - 1. Aufl., [Neuausg.]. - 2011. - 518 S. - Bd. 3. Drittes Buch (1. bis 11. Abschnitt): Aufklärung in Frankreich und in Deutschland - Die große Revolution. - 1. Aufl., [Neuausg.]. - 2011. - 428 S. - Bd. 4. Drittes Buch (12. bis 14. Abschnitt): Aufklärung – Große Revolution, Viertes Buch: Die letzten hundert Jahre - Reaktion - Materialismus - Gottlose Mystik. - 1. Aufl., [Neuausg.]. - 2011. - 424 S. - Rez. IFB 11-2 http://ifb.bsz-bw.de/bsz332154998rez-1.pdf 6 "Der Narr spricht: Es ist kein Gott" : Atheismus, Unglauben und Glaubenszweifel vom 12. Jahrhundert bis zur Neuzeit / Dorothea Weltecke. - Frankfurt am Main [u.a.] : Campus-Verlag, 2010. - 578 S. : Ill. ; 22 cm. - (Campus historische Studien ; 50). - Dorothea Zugl.: Konstanz, Univ., Habil.-Schr., 2007. - ISBN 978-3- 593-39194-6 : EUR 45.00 [#2191]. - Rez.: IFB 12-1 http://ifb.bsz-bw.de/bsz321538145rez-1.pdf
Grunde vor allem deshalb interessant, weil Knutzen der allererste überhaupt namentlich bekannte Atheist war, der selbst öffentlich die Existenz Gottes leugnete. Bis zu Knutzen gab es zwar zahllose Atheismus-Vorwürfe, die sich aber nie überprüfbar auf eine konkrete Person bezogen, die wirklich von sich selbst behauptete, die Existenz Gottes zu leugnen. So wurde denn auch von vielen Theologien überhaupt bestritten, daß es Atheisten geben könne - was bedeutete, daß diejenigen, die gegebenenfalls von sich behaupteten, Atheisten zu sein, de facto ihre eigenen Unglauben heucheln mußten, weil die Existenz Gottes so evident wie nur irgend etwas war. Erst allmählich konkretisierte sich, vor allem in der Auseinandersetzung mit der Figur Spinozas, das Problem des „tugendhaften Atheisten“. 7 Dies aber stellt für Winfried Schröder nicht das eigentlich interessante Problem dar. Denn es geht ihm darum, die Existenz eines Atheismus aufzuspüren, der sich selbst als philosophische Position begreift und daher den Versuch unternimmt, für den Atheismus mit Gründen zu streiten. Dabei versucht er zudem, die Rolle von Bibel- und Offenbarungskritik unterhalb der Schwelle zu Atheismus daraufhin zu befragen, ob in ihr etwa der Atheismus als logische Konsequenz angelegt war. Schröder bestreitet dies jedoch, da ein Großteil der Bibel- und Offenbarungskritik auf teils impliziten rationaltheologischen Prämissen beruhte, die mit Atheismus nichts zu tun hatten. Aus strategischen Gründen bot es sich aber dennoch oft an, solche Argumentationen miteinzubeziehen. Das nächste Kapitel der Arbeit behandelt die Kritik der philosophischen Theologie, d.h. konkret die Kritikversuche an den bekannten Gottesbeweisen sowie der denkbaren Gegenargumente. Das darauf folgende Kapitel untersucht die Berechtigung der beiden geläufigen Genealogien des Atheismus, die einmal mit der neuen Naturwissenschaft, ein anderes Mal mit dem neuzeitlichen Rationalismus in Verbindung gebracht werden. Das letzte größere Kapitel blickt sodann noch auf die beiden Gestalten des frühen Atheismus in Form des Materialismus als Weltanschauung sowie der kritischen Skepsis. Eine kurze Schlußbemerkung schließt den Hauptteil der Arbeit ab, worauf dann der umfangreiche Anhang folgt. Schröder argumentiert stets dicht an den Quellen orientiert, was mehrfach Veranlassung zur Korrektur von Forschungsmeinungen gibt, die beispielsweise die Existenz der klandestinen Literatur nicht in Rechnung stellen oder aber den Texten nicht gerecht werden. Hier kann nicht auf alle Fälle dieser Art eingegangen werden, doch sei zumindest auf Schröders Korrektur am Beispiel des Antiklerikalismus hingewiesen. Hier kritisiert er etwa, daß die „selektive Wahrnehmung der Quellen des frühen Atheismus“ zum Klischee geführt habe, „daß dieser mit antiklerikalen, sozialrevolutionären oder politisch radikalen Zielsetzungen von Anbeginn verbunden war“ (S. 229). Beachtenswert ist hier, daß bedeutende Texte wie der anonyme Theophrastus redivivus, 7 Der tugendhafte Atheist : Studien zur Vorgeschichte der Spinoza-Renaissance in Deutschland / Michael Czelinski-Uesbeck. - Würzburg : Königshausen & Neumann, 2007. - 243 S. ; 24 cm. - (Schriftenreihe der Spinoza-Gesellschaft ; 13). - Zugl.: Hannover, Univ., Diss., 2004. - ISBN 978-3-8260-3536-4 : EUR 24.80 [#1075]. - Rez.: IFB 10-3 http://ifb.bsz-bw.de/bsz265786843rez-1.pdf
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