BOLD THE MAGAZINE 04 2011

PERSPEKTIVEN PERSPEKTIVEN

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Zeitgeist | Lifestyle | Kunst | Kultur | Mode | Trend D 4.80 EUR | AT 5.50 EUR | CH 8.50 CHF BOLD THE MAGAZINE 04 | 2011 | 1 www.bold-magazine.eu THE MAGAZINE Perspektiven Die sicht der dinge | suche nach gott | kunst fair | Bildung im Wandel Faces of Africa | Design Or function | frédéric chaubin | lucian broscatean

Zeitgeist | Lifestyle | Kunst | Kultur | Mode | Trend<br />

D 4.80 EUR | AT 5.50 EUR | CH 8.50 CHF <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> <strong>04</strong> | <strong>2011</strong> | 1<br />

www.bold-magazine.eu<br />

<strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Perspektiven<br />

Die sicht der dinge | suche nach gott | kunst fair | Bildung im Wandel<br />

Faces of Africa | Design Or function | frédéric chaubin | lucian broscatean


2 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong>


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inhalt<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 9<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Inhalt<br />

Schwerpunkt<br />

Perspektiven – Die Sicht der Dinge<br />

SUCHE NACH GOTT – PERSPEKTIVEN DES GLAUBENS<br />

Bildung im Wandel – Perspektive für ein neues Lebenskonzept<br />

Inverted Perspective – Lucian Broscatean<br />

10<br />

12<br />

18<br />

21<br />

Mode<br />

Authentic Styles for Urban Individuals – SET Fashion<br />

25<br />

Kunst & Kultur<br />

CCCP Cosmic Communist Constructions Photographed<br />

Faces of Africa – Mario Marino<br />

KUNST FAIR PRÄSENTIERT – Perspektiven im Herbst <strong>2011</strong><br />

34<br />

38<br />

44<br />

sehenswert – Erlebe es Selbst<br />

Planet der Affen – Prevolution<br />

Hell – Die Welt wie wir sie kennen existiert nicht mehr<br />

50<br />

52<br />

56<br />

Das Porträt – <strong>THE</strong> FRUIT TREE FOUNDATION<br />

Im Gespräch – Die Fantastischen Vier<br />

Hörenswert – Beats and Emotions<br />

Track-By-Track – KASABIAN VELOCIRAPTOr<br />

62<br />

66<br />

68<br />

70<br />

Reise<br />

Ibiza oder doch wieder Mallorca<br />

74<br />

Lifestyle & Trend<br />

Live it well – Inspiration für ein gesundes Leben<br />

Begehrenswert – schön mini<br />

Elegant – Das neue Notebook von Dell<br />

Design Or function – Innere Werte äussere perspektiven<br />

80<br />

83<br />

86<br />

88<br />

Die letzte Seite<br />

Was wäre die welt ohne<br />

96<br />

Impressum<br />

98


10 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Einstieg | PERSPEKTIVE | Die Sicht der Dinge<br />

Die Sicht der Dinge<br />

Alles Eine Frage der<br />

Perspektive<br />

Autor: A. Tölke<br />

Ein Parforceritt durch die Welt, wie wir sie<br />

sehen. Alles eine Frage der Perspektive?<br />

Eine der philosophischen Fragen schlechterdings:<br />

Ist der Tisch noch da, wenn wir<br />

den Raum verlassen haben? Pillepalle?<br />

Von wegen – eine Sekunde Zeit nehmen<br />

und kurz die Augen geschlossen: Der<br />

Stuhl, auf dem man sitzt. Wird gespürt,<br />

ist also Wirklichkeit. Doch kaum verlassen<br />

wir den Raum, hat der Stuhl ja nichts zu<br />

tun und verschwindet. Oder? Beweisen<br />

sie mal das Gegenteil! Bitte jetzt nicht die<br />

Nummer mit der Überwachungskamera<br />

bringen, die ist ja auch nur der verlängerte<br />

Arm des eigenen Selbst – quasi<br />

der billige Ersatz für das Ich, das auf dem<br />

Stuhl sitzt. Nein, wenn keiner und nichts<br />

da ist oder kontrolliert: was ist dann?<br />

Was wir sehen, fühlen und hören, ist hier<br />

und jetzt Wirklichkeit. Aber auch Dinge<br />

haben eine eigene Vergangenheit. Vielleicht.<br />

Nur eben kein Gedächtnis – der<br />

Stuhl, das waren Rohstoffe, Einzelteile,<br />

bearbeitet von Menschen, die ihre Sicht<br />

auf die Dinge materialisierten. Oder? Das<br />

Stück Land, auf dem das Haus steht, in<br />

dem die Wohnung ist. Irgendwann mal<br />

Urwald, Eisblock, Grundstück vielleicht<br />

für ein anderes Domizil, in dem andere<br />

Menschen gelebt haben. Ist also nur das,<br />

was wir sehen, fühlen, hören, riechen,<br />

die Wirklichkeit? Fragen, die uns heute<br />

eigentlich komplett wurscht sein können.<br />

Ich bin und habe. Ich bin, was und wen<br />

ich besitze.<br />

Sorry, da muss der olle Fromm (Erich<br />

Fromm) her halten. „Haben oder sein?“<br />

fragte der Meister in den 70ern. Endlich<br />

mal eine Frage, deren Perspektive <strong>2011</strong><br />

geklärt scheint. Das Haben bestimmt das<br />

Sein. Und Fromm betet ‘76 schon vor:<br />

„... maximaler Konsum ist durch einen<br />

vernünftigen Konsum (Konsum zum<br />

Wohle des Menschen) ersetzt.“<br />

Dank Turbotempo und Dauershoppen<br />

mit Dispo, iTunes und 24-Stunden-<br />

Vernetzung hat sich die Perspektive<br />

arg verändert. Das Ohr am Handy und<br />

Gespräche, die deutlich flüchtiger sind<br />

als die Wahrnehmung eines Schreibtischstuhls.<br />

Irgendwas ins Telefon geplappert<br />

und Sekunden später nicht den Hauch<br />

einer Erinnerung an das, was gesagt<br />

wurde. Was also ist unsere Erinnerung?<br />

Das, was wir als wichtig empfinden? Auch<br />

das: eine Frage der Perspektive. Hurtig<br />

eine kurze Rückblende auf die Sicht der<br />

Dinge – der Dinge, die sich vermeintlich<br />

nicht erinnern. Wenn das Klima sich<br />

erwärmt und Fukushima tausend Jahre<br />

lang strahlt, dann ist das nichts, was nur<br />

Gegenwart ist. Okay! Chemische, physikalische<br />

und biologische Prozesse, die,<br />

einmal in Gang gesetzt, nicht aufzuhalten<br />

sind. Aber woher (in Gottes Namen)<br />

wissen die Dinge um die Kettenreaktionen?<br />

Uff. Alles wieder eine Frage der<br />

Perspektive. Und es ist nicht mal nötig<br />

sich jetzt Jacques Derrida unter die Nase<br />

zu halten. Obwohl.<br />

Der algerische Philosoph, das Mastermind<br />

des Dekonstruktivismus hat das Ich<br />

auseinander genommen. Ich als (einziger)<br />

Maßstab des Angemessenen und Unangemessenen,<br />

des Gerechten und Ungerechten.<br />

Derrida bewertet das nicht, er<br />

meint nur, das ist halt so. Also wenigstens<br />

etwas auf das ich mich verlassen<br />

kann. Und natürlich auf das, was ich sehe.<br />

Mmmm ...<br />

Eine Frage der Perspektive. Weiß jeder<br />

Fotograf. Nicht nur, weil er als Zeremonienmeister<br />

der Inszenierung den<br />

Punkt wählt, von dem aus das Objekt


<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 11<br />

der Begierde abgelichtet wird. Sondern<br />

auch – weil das, was später als Wirklichkeit<br />

gedruckt und ausgestellt wird, als<br />

Wirklichkeit wahrgenommen wird. Aber<br />

wer glaubt noch dem Bild? Moppelige<br />

Popsternchen tauchen erstaunlich<br />

erschlankt mit langer Mähne in den<br />

Medien auf. Obwohl sie kurz zuvor beim<br />

Glatze scheren im Friseursalon zu sehen<br />

waren. Aber vielleicht sehen wir ja zwei<br />

verschiedene Personen, oder es fällt<br />

sofort der Groschen: Photoshop als digitales<br />

Wirklicheitszermanschen. Was wir<br />

sehen, unsere zweifelhafte Gegenwart<br />

aus unserer Perspektive, muss also nicht<br />

zwangsläufig auch Wirklichkeit sein.<br />

Je mehr wir sehen, desto eher können<br />

wir uns ein realistisches Bild machen.<br />

Oder eben darauf reinfallen. So hat es –<br />

knapp zusammengefasst – Richard David<br />

Precht, der populistische Plauderphilosoph,<br />

mal beschrieben. Willkommen also<br />

im tiefen Tal der Jammerdepressionen,<br />

denn das Fazit bis dato: Nichts ist, wie<br />

es scheint. Egal, aus welcher Perspektive<br />

man es betrachtet.<br />

Wie kann man also eine objektive Perspektive<br />

bewahren, respektive hat es<br />

einen Sinn, eine zu haben?<br />

Noch ein Griff in die Klamottenkiste,<br />

diesmal nach dem geschätzten Herrn<br />

Brecht. In seinen „Geschichten von Herrn<br />

Keuner“ gibt es eine zwischenmenschliche<br />

Episode, die Derrida zusammenfasst<br />

und die für bis dato vermisste<br />

herzliche Übersicht sorgt: „Was tun Sie“,<br />

wurde Herr Keuner gefragt, „wenn Sie<br />

einen Menschen lieben?“ „Ich mache<br />

einen Entwurf von ihm“, sagte Herr K.,<br />

„und sorge, daß er ihm ähnlich wird.“<br />

„Wer? Der Entwurf?“ „Nein“, sagte Herr K.,<br />

„Der Mensch.“<br />

Autsch. Doch die Perspektive stimmt.<br />

Seit Jahrzehnten fabulieren, in diversen<br />

Medien, Experten und Selbsternannte<br />

über den Geschlechterk(r)ampf. Und<br />

gerade Frauen, die die vermeintlich<br />

größere soziale Kompetenz haben,<br />

werden in „ihren“ Magazinen immer<br />

wieder darauf hingewiesen: Nehmen<br />

sie ihren Partner wie er ist, er kann sich<br />

nur ändern, wenn er es auch will. Eine<br />

Beziehung ist eben keine Hollywood-<br />

Schmonzette – keine Fiktion. Das wird<br />

in unserer Popkultur nur leider nicht so<br />

hingenommen. Wir sind alle ein bisschen<br />

Pippi Langstrumpf und summen selbst<br />

vor dem Scheidungsrichter noch: „Ich<br />

mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.“<br />

Und was nicht gefällt, wird gnadenlos<br />

entsorgt. Ein Stil, der sich durch alle<br />

Bereiche zieht. Unser Klamottenkonsum<br />

hat sich innerhalb der letzten 20 Jahre<br />

verdreifacht. Es ist also nicht nur die Perspektive<br />

von uns auf andere und anderes,<br />

die unser Dasein bestimmt, es ist auch<br />

das bestimmte „Image“, das wir anderen<br />

liefern. Und unserer Selbstinszenierung<br />

scheint das Einzige zu sein, was wir fast<br />

völlig unter Kontrolle haben. Es sein<br />

denn, man hat einen fiesen Kater und<br />

sieht aus wie schon mal gegessen. Aber<br />

das haben wir ja auch selbst verschuldet.<br />

An dieser Stelle sei eine ganze persönliche,<br />

positive Aussicht gestattet: Mit<br />

acht Jahren wurde auf dem sommerlichen<br />

Schulweg immer ein Stopp an<br />

den Erdbeerfeldern des elterlichen<br />

Betriebs gemacht. Fünf Uhr morgens.<br />

Ich, gerade mal 1,10 Meter, mein chauffierender<br />

Vater mit 1,80 Meter Gardemaß.<br />

Zwischen den pflückenden Frauen<br />

verlor er nie die Übersicht. Meine Wenigkeit<br />

erinnert sich an leicht bekleidete<br />

Damen, die, wenn sie sich nach den<br />

roten Früchten bückten, ihre drallen<br />

Schenkel entblößten. Alles eine Frage<br />

der Perspektive!


12 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

SUCHE<br />

NACH GOTT<br />

PERSPEKTIVEN DES<br />

GLAUBENS<br />

Autor: H. G. Teiner


Schwerpunkt | Perspektiven | Suche nach Gott<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 13<br />

Die zahlenmäßige Verteilung der Religionen<br />

in der Bevölkerung Deutschlands ist derzeit<br />

von je knapp einem Drittel an Katholiken,<br />

ca. 25 Millionen und dem zweiten Drittel<br />

von evangelischen Protestanten, ca. 24<br />

Millionen, geprägt. Ein weiteres Drittel,<br />

etwa 34 Millionen, ist konfessionslos. Dabei<br />

haben die Katholiken ihren Schwerpunkt im<br />

Süden und Westen des Landes, die Protestanten<br />

im Norden und die Konfessionslosen<br />

im Osten. Die Zahl der Muslime wird auf<br />

ungefähr 4 Millionen, die Anzahl der Juden<br />

auf 200.000 geschätzt. Dazu kommen zahlreiche<br />

weitere, zahlenmäßig kleinere Religionsgemeinschaften,<br />

wie Buddhisten, Griechisch-Orthodoxe,<br />

Hindus usw. (Quelle:<br />

wikipedia).<br />

Wir erinnern uns: Der Philosoph Friedrich<br />

W. Nietzsche, der sich selbst als „Immoralist“<br />

bezeichnete, hatte zum Ausgang des<br />

19. Jahrhunderts provokant formuliert<br />

„Gott ist tot und wir haben ihn getödtet!“.<br />

Lautet so die Schlussfolgerung eines<br />

modernen, vernünftigen Menschen? Ist<br />

das die Perspektive unserer Gegenwart?<br />

Für Nietzsche war klar, dass der monotheistische<br />

Schöpfergott eine Erfindung<br />

des Menschen ist. Diese Idee einer Gottheit<br />

bewirkte eine tatsächliche Lebenskraft,<br />

Gott „lebte“ in den Menschen. Nach<br />

Nietzsche war nun diese Idee „unglaubwürdig<br />

geworden“, der Glaube an Gott<br />

hatte stark an Kraft verloren. Auf den<br />

ersten Blick nimmt die Bedeutung von<br />

Religion in der westlichen Zivilisationen<br />

bereits seit der Aufklärung ab. Naturwissenschaftliche<br />

Ansätze sind seit Leonardo<br />

da Vinci, Galileo und Darwin mehr und<br />

mehr in den Mittelpunkt gerückt.<br />

RELIGION<br />

OPIUM DES VOLKES<br />

Zunehmend materiell geprägte Lebenseinstellungen<br />

und abnehmende Glaubensbereitschaft<br />

verstärken auf der<br />

anderen Seite die Suche nach Sinnhaftigkeit,<br />

nach Spiritualität. Der Glaube an<br />

größere Zusammenhänge und höhere<br />

Sinngebung, auch im Sinne einer irgendwo<br />

existierenden „Gerechtigkeit“ sind das<br />

alte Trostpflaster vor allem für die vom<br />

Fortschritt ausgeschlossenen Menschen.<br />

Karl Marx bezeichnete in der Mitte des<br />

19. Jahrhunderts die Religion als „das<br />

Opium des Volkes“. Häufig wird das Zitat<br />

mit der späteren Leninschen Variante<br />

„Religion ist Opium für das Volk“ verwechselt.<br />

Marx wollte darauf hinweisen, dass<br />

Religion nicht nur auf persönlichen Erfahrungen<br />

wie Tod, Sterblichkeit und Liebe<br />

beruhe, sondern auf die politischen<br />

Zustände der Gesellschaft zurückgeführt<br />

werden könne.<br />

GÖTTER<br />

UND GURUS<br />

Die klassischen Lehren der großen Religionen<br />

haben seit der Blumenkinder-<br />

Bewegung in den 60er Jahren ihre<br />

modernen Erscheinungsformen in den<br />

zahlreich erblühten esoterischen Lehren<br />

gefunden. Die etwas angestaubte moralische<br />

Autorität der Kirchen wurde durch<br />

die scheinbar modernere, „anti-moralische“<br />

Autorität von mehr oder weniger<br />

selbsternannten Gurus ersetzt. Gleichgeblieben<br />

ist dabei die anerkennenswerte<br />

Vorstellung von einer besseren Gesellschaft,<br />

in der es um sozialen Ausgleich<br />

geht und in der das Miteinander gefördert<br />

wird. Dazu steht allerdings die als<br />

absolut gesetzte „Verwirklichung des<br />

Einzelnen“ im Widerspruch. Eine einfache<br />

Lösung gibt es nicht, die Verwirrung<br />

ist eher größer geworden. Allerdings<br />

auch der Anspruch an die Verantwortung<br />

des Einzelnen. Es gibt weniger Halt<br />

und weniger Möglichkeiten, die Verantwortung<br />

für das eigene Handeln abzugeben.<br />

In den 50er- und 60er-Jahren<br />

empfahl Don Camillo (Hauptfigur vieler<br />

Erzählungen und mehrerer Romane<br />

von Giovannino Guareschi) in seiner<br />

Predigt, welche politische Einstellung die<br />

richtige sei. Heute absolut undenkbar,<br />

nimmt doch jeder sein Seelenheil selbst<br />

in die Hand. Unabhängigkeit und Individualität<br />

sind ja schließlich unsere aktuell<br />

geliebten Ideale.<br />

WARUM ICH<br />

AUF DER WELT BIN<br />

Woher komme ich, wohin gehe ich?<br />

Der Mensch suchte schon immer nach<br />

Antworten auf diese universalen Fragen<br />

in der Weite des Universums. Das Einzige,<br />

was feststeht, ist, dass es hier um den Weg<br />

der Suche geht, da endgültige Antworten,<br />

wenn auch fromme, doch nur Glaubensbekenntnisse<br />

bleiben. In der Vielfalt liegt<br />

der grundlegende Wert des Lebens auf<br />

unserer Erde – allerdings auch im Wettbewerb<br />

des Überlebens. Darwin meinte,<br />

dass die an ihre komplexe Umwelt angepasste<br />

Kreatur die besten Überlebenschancen<br />

im Zuge der Evolution hat, was<br />

oft fälschlich als das Überleben des ...


14 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Schwerpunkt | Perspektiven | Suche nach Gott<br />

„Stärkeren“ missverstanden wird. Der<br />

Dokumentarfilm aus dem Jahr 2010,<br />

„7 oder warum ich auf der Welt bin“,<br />

befragte Kinder zwischen sieben und<br />

dreizehn Jahren zu diesem komplexen<br />

Thema. Die Kinder gehen der Frage nach<br />

dem Sinn des Lebens spontan und fantasievoll<br />

auf den Grund. „Er (der Mensch)<br />

ist Blüte und Winter. Er kann die Erde<br />

zerstören, aber auch besser machen“, sagt<br />

in dem Film der 10-jährige Jonathan.<br />

Die SEHNSUCHt<br />

NACH GOTT<br />

Der kanadische Philosoph und Politikwissenschaftler<br />

Charles Taylor, als praktizierender<br />

Katholik eher ein Vertreter<br />

konservativer religionsphilosphischer Ansätze,<br />

vertritt die Auffassung, dass in den<br />

säkularisierten westlichen Gesellschaften<br />

die christlichen Grundwerte durchaus<br />

verwirklicht seien. Erkennbar an garantierten<br />

Menschenrechten und weitreichenden<br />

Hilfeleistungen im Rahmen der<br />

Sozialstaaten sowie an internationaler<br />

humanitärer Hilfe bei Naturkatastrophen<br />

und Folgen von Kriegen.<br />

Grundlage für diese realisierte Humanität<br />

sei, dass eine Gesellschaft weder von einer<br />

einzigen Religion noch von einer weltlichen<br />

Ideologie dominiert wird. Taylor<br />

sieht ein menschliches Bedürfnis nach<br />

einem Sinn, der das diesseitige menschliche<br />

Leben transzendiert, als Antrieb<br />

dafür. Der Humanismus allein biete aber<br />

eine unzureichende Motivation für moralisches<br />

Handeln. Stabilität biete das christliche<br />

Menschenbild, das den Menschen<br />

als Sünder begreift, ihm gleichzeitig als<br />

Bild Gottes aber dennoch unbedingten<br />

Wert und Würde zuschreibt.<br />

In seinem Buch „Ein säkulares Zeitalter“<br />

erkärt der achtzigjährige Taylor, wie es<br />

dazu kam, dass der liebe und strafende<br />

Herrgott der Christenheit, Schöpfer und<br />

Richter, in unserer Gegenwart an maßgebender<br />

Bedeutung verloren hat und dass<br />

die moderne, säkulare Welt mit ihrem<br />

Unglauben ein Nebenprodukt westlicher,<br />

religiöser Reformbewegungen sei. Im<br />

Grunde hält er jedoch gerade daran fest,<br />

dass der Glaube das „einzig Wahre“ ist.<br />

GLAUBE<br />

UND POLITIK<br />

Religion und politische Kultur sind in der<br />

Entwicklung der Meschheit stark miteinander<br />

verbunden. Die Trennung von<br />

Politik und religiösen Überzeugungen<br />

ist eine neuzeitliche Errungenschaft in<br />

unserem westlichen kulturellen Raum.<br />

Als Gegenentwurf meldet sich die traditionelle<br />

islamische Überzeugung zu Wort,<br />

dass aus der religiösen Überzeugung<br />

das private und das politische Handeln<br />

hervorgehen soll und beides nicht<br />

getrennt voneinander gesehen werden<br />

kann.<br />

Eine optimistische Einstellung verbunden<br />

mit einem positiven Menschenbild ist<br />

in jedem Fall die unverzichtbare Grundlage<br />

einer emanzipatorischen Entwicklung,<br />

Albert Einstein formulierte dies<br />

1930 in einer Weise, über die sich nachzudenken<br />

lohnt: „Das ethische Verhalten<br />

des Menschen ist wirksam auf Mitgefühl,<br />

Erziehung und soziale Bindung<br />

zu gründen und bedarf keiner religiösen<br />

Grundlage. Es stünde traurig um<br />

die Menschen, wenn sie durch Furcht<br />

vor Strafe und Hoffnung auf Belohnung<br />

nach dem Tode gebändigt werden<br />

müssten.“ Nicht umsonst haben die<br />

Gründerväter und -mütter der Bundesrepublik<br />

im Grundgesetz als Grundrecht<br />

verankert: „Die Freiheit des Glaubens,<br />

des Gewissens und die Freiheit des religiösen<br />

und weltanschaulichen Bekenntnisses<br />

sind unverletzlich. Die ungestörte<br />

Religionsausübung wird gewährleistet“<br />

(Artikel 4.1 und 4.2).<br />

MORAL<br />

UND KAPITAL<br />

Der Profit heiligt die Mittel, Gier ist gut,<br />

und Kapital ist nicht an moralische Vorstellungen<br />

gebunden – durch diese „Glaubensbekenntnisse“<br />

wird mittlerweile eine<br />

Wirtschaftskrise nach der anderen verursacht.<br />

Hans Küng, Theologe und Autor<br />

des Buches „Anständig wirtschaften.


Schwerpunkt | Perspektiven | Suche nach Gott<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 15<br />

Warum Ökonomie Moral braucht“, stellt<br />

fest, dass die Wirtschaft unbedingt neue<br />

Werte braucht – aber welche? Kann<br />

man anständig wirtschaften und Erfolg<br />

haben? Gehen Moral und wirtschaftlicher<br />

Erfolg überhaupt zusammen? Seit<br />

Hans Küng 1990 ein gemeinsames Weltethos<br />

vorgeschlagen hat, beschäftigt<br />

er sich mit der Herausforderung eines<br />

gerechten Wirtschaftens. Der Sozialismus<br />

ist geschlagen, der Kapitalismus ruiniert<br />

sich gerade selbst, die soziale Marktwirtschaft<br />

ist kaum noch sichtbar. Hans Küng<br />

fragt nach den Grundlagen der Globalisierung<br />

ebenso wie nach der moralischen<br />

Begründung des Gewinns und<br />

den wahren Kosten der Marktwirtschaft<br />

– und versucht so, einen Wertekanon<br />

aufzustellen, der dem Einzelnen wie der<br />

Gesellschaft insgesamt sagen kann, was<br />

„anständig“ ist in der Wirtschaft – und<br />

was nicht. Im „Manifest Globales Wirtschaftsethos:<br />

Konsequenzen und Herausforderungen<br />

für die Weltwirtschaft“ wird<br />

der Frage auf den Grund gegangen, wie<br />

es gelingen kann, „die wirtschaftliche<br />

Globalisierung der Welt in Zukunft auf<br />

der Basis auch transkulturell akzeptierter<br />

rechtlicher und moralischer Spielregeln<br />

zu gestalten.“ Ist es dafür nicht schon viel<br />

zu spät?<br />

GLOBALISIERUNG<br />

UND GLAUBE<br />

In der globalisierten Welt, mit wachsender<br />

Vorherrschaft des egalisierenden<br />

Kapitals über die Vielfalt von sinnstiftenden<br />

Kulturen, lässt sich ein Revival<br />

der alten religiös verwurzelten Überzeugungen<br />

und Werte feststellen. Bei<br />

aller fortschreitenden wirtschaftlichen<br />

Verunsicherung und undurchschaubaren<br />

Finanz- und Politikstrukturen bricht vielerorts<br />

eine Sehnsucht nach überschaubaren,<br />

verlässlichen und Halt gebenden<br />

Wertesystemen hervor.<br />

Die Globalisierung ist der Vorgang der<br />

zunehmenden weltweiten Verflechtung<br />

in allen Bereichen, wie Wirtschaft, Politik,<br />

Kultur, Umwelt und Kommunikation.<br />

„Diese Verdichtung der globalen Beziehungen<br />

geschieht auf der Ebene von<br />

Individuen, Gesellschaften, Institutionen<br />

und Staaten. Als wesentliche Ursachen<br />

der Globalisierung gelten der technische<br />

Fortschritt, insbesondere in den Kommunikations-<br />

und Transporttechniken,<br />

sowie die politischen Entscheidungen<br />

zur Liberalisierung des Welthandels.“<br />

(Quelle: wikipedia)<br />

Die für immer mehr Menschen spürbaren<br />

wirtschaftlichen Folgen der Globalisierung,<br />

dazu Umweltkatastrophen und<br />

Naturzerstörung, der Schrecken von 9/11,<br />

die Katastrophe von Fukushima, der wirtschaftliche<br />

Abgrund, der sich für ein Land<br />

wie Griechenland öffnet, das alles bringt<br />

Ängste hervor und wirft immer wieder die<br />

gleiche Fragen auf: Auf welcher Grundlage<br />

stehen wir noch sicher? Wie stabil ist<br />

unsere Zukunft? Die moderne Wirtschaft<br />

und die reagierende Politik geben immer<br />

seltener verlässliche Antworten darauf.<br />

Die alten Werte und Lebensrichtlinien<br />

unserer religiösen Wurzeln, bieten an<br />

dieser Stelle mehr Halt für einen verunsicherten<br />

Geist. Ist es etwa an der Zeit, den<br />

individualisierten Konsumenten etwas<br />

zurück zu nehmen und das solidarische<br />

Mitglied einer religiös verbundenen<br />

Gemeinschaft wieder in den Vordergrund<br />

zu rücken?<br />

„Im Zuge der Globalisierung ist die religiöse<br />

Identität wichtiger geworden“, sagt<br />

der renommierte US-Religionssoziologe<br />

José Casanova, „Die Tatsache, dass wir<br />

uns als Moslems, Christen oder Hindus<br />

erkennen, ist eine moderne Entwicklung.<br />

Unter diesem Aspekt führt die Globalisierung<br />

zu mehr religiöser und damit auch<br />

zu kultureller Identität.“ Casanova spricht<br />

sich in seinem Buch „Europas Angst vor<br />

der Religion“, gegen eine grundsätzliche<br />

Trennung von Religion und Staat aus:<br />

„Gegen Immigranten gerichteter, fremdenfeindlicher<br />

Nativismus, konservative<br />

Verteidigung christlicher Kultur und<br />

Zivilisation, säkularistische antireligiöse<br />

Voreingenommenheit, liberal-feministische<br />

Kritik am muslimischen patriarchalischen<br />

Fundamentalismus und Angst vor<br />

islamistischen Terrornetzwerken werden<br />

überall in Europa willkürlich zu einem ...


16 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Schwerpunkt | Perspektiven | Suche nach Gott<br />

anti-muslimischen Diskurs verschmolzen.<br />

Das macht ein beiderseitiges Entgegenkommen,<br />

das für eine erfolgreiche Integration<br />

notwendig ist, von Immigrantengruppen<br />

und von aufnehmenden<br />

Gesellschaften, praktisch unmöglich.“<br />

Nicht die Religionen sind nach Casanova<br />

ein Problem für Europa, sondern die<br />

Annahme, dass nur säkulare Gesellschaften<br />

demokratische Gesellschaften<br />

sein können. In jedem Fall gelangt das<br />

materialistische Denken in unserer Zeit<br />

an seine Grenzen – wenn die Menschheit<br />

überleben soll, sind neue Ansätze<br />

gefragt. Dazu kann eine Naturwissenschaft<br />

gehören, die eine beseelte Form<br />

allen Lebens nicht ausschließt – Glaube<br />

und Wissen wieder einander annähert.<br />

Seit alters her gibt es ein intuitives Wissen<br />

über Herkunft und Ziel des Menschseins.<br />

Hier liegt auch der gemeinsame<br />

Ursprung aller Formen von Religion. Und<br />

hier ruhen auch die verborgenen Kräfte,<br />

um unseren Planeten als Lebensraum zu<br />

erhalten, anstatt ihn auszubeuten und zu<br />

vernichten.<br />

TOLERANZ UND<br />

LIEBE<br />

Deutschland steht in der geistigen<br />

Tradition der philosophischen und sozialen<br />

Errungenschaften der europaweit<br />

wirksamen Aufklärung, deren zentraler<br />

Bestandteil die religiöse Toleranz ist. Die<br />

Ringparabel in Gotthold Ephraim Lessings<br />

Bühnendrama „Nathan der Weise“ von<br />

1779 gilt als ein Schlüsseltext der Aufklärung<br />

und als besondere Formulierung<br />

der Idee der Toleranz. Auf die Frage nach<br />

der richtigen und „einzig wahren“ Religion<br />

gibt es vor 230 Jahren die eindeutige<br />

Antwort, dass die drei Religionen<br />

– Judentum, Christentum und Islam, in<br />

ihrer Echtheit oder Unechtheit nicht zu<br />

unterscheiden seien und nur durch den<br />

Glauben an die eine oder andere wahr<br />

würden. Verbindend und verbindlich für<br />

jede der Religionen ist der humanitäre<br />

Ansatz: „Es strebe von euch jeder um die<br />

Wette, die Kraft des Steins in seinem Ring‘<br />

an Tag zu legen! Komme dieser Kraft mit<br />

Sanftmuth, mit herzlicher Verträglichkeit,<br />

mit Wohlthun, mit innigster Ergebenheit<br />

in Gott, zu Hülf‘!“ Die Gültigkeit jeder<br />

Religion wäre somit darin zu erkennen,<br />

in welchem Maße durch sie tatsächlich<br />

Nächstenliebe entwickelt und sozialer<br />

Frieden gestiftet werden kann.<br />

ALLES<br />

IST EINS<br />

Die Lehre des historischen Religiongründers<br />

Zarathustra, der nur der Namensgeber<br />

für die gleichnamige Figur in<br />

Friedrich Nietzsches Schriften war, lebte<br />

etwa sechshundert bis eintausend Jahre<br />

vor Christi Geburt und entwickelte die<br />

Grundzüge einer monotheistischen<br />

Religion. In den nachfolgenden Religionen,<br />

im Judentum, Christentum und im<br />

Islam, kann diese gemeinsame Wurzel<br />

erkannt werden: In der alt-iranischen<br />

Religion des Zoroastrismus erschuf der<br />

weise Herr (Gott) die Welt, welche vom<br />

Kampf zwischen Gut und Böse geprägt<br />

ist. Der Sieg des Guten über das Böse soll<br />

am Tag des jüngsten Gerichts kommen.<br />

Bis zu diesem Tag haben die Menschen<br />

die freie Wahl, sich für den rechten<br />

Weg, den Weg der Wahrhaftigkeit, zu<br />

entscheiden. Die Lehre Zarathustras hat<br />

drei wichtige Ansätze: Gute Gedanken,<br />

wahre Worte und gute Taten. Der Mensch<br />

wird als vernunftbegabtes Wesen frei<br />

geboren und kann allein durch seine<br />

persönliche Einsicht zu Gott gelangen.<br />

Der Mensch wird zum Menschen, da er<br />

sich gegen das Böse und für das Gute<br />

entscheiden kann. Sofern das Gute<br />

im Menschen überwiegt, gelangt der<br />

Mensch nach seinem Tod über eine<br />

Brücke ins Paradies.<br />

PERSPEKTIVEN<br />

DES ZUSAMMENLEBENS<br />

Auf dem konfliktträchtigen Pflaster der<br />

religiösen Gegensätze der Hauptstadt<br />

Berlin wachsen auch die zarten Pflanzen<br />

des Miteinander und der Verständigung.<br />

In einer Stadt, in der Ideologien durch<br />

Betonmauern in ihrer Gegensätzlichkeit<br />

zementiert werden sollten, besteht auch<br />

die Chance, religiöse Mauern zu durchlöchern.<br />

Die jüdischen Wurzeln des christlichen<br />

Glaubens wurden durch die Jahrhunderte<br />

zunehmend verleugnet und es<br />

wurde versucht, diese zu vertuschen.<br />

Am Beispiel des jüdischen Pessach- und<br />

des christlichen Osterfests ist dies noch<br />

zu sehen: Jesus starb während des jüdischen<br />

Passah-Festes, ursprünglich lagen<br />

diese Feste auf dem gleichen Tag, sie<br />

wurden erst im Jahr 325 nach Christus<br />

von der Kirche auseinander gelegt, nur


Schwerpunkt | Perspektiven | Suche nach Gott<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 17<br />

im Jahr 2000 fielen beide noch einmal<br />

auf ein gemeinsames Datum.<br />

Ein zukunftweisendes Projekt ist ein<br />

Projekt zur tatkräftigen Verständigung<br />

zwischen den Religionen: Avitall Gerstetter,<br />

Sängerin und Musikerin mit<br />

jüdisch-kulturellem Hintergrund, engagiert<br />

sich für ein Mehr-Religionen-Haus in<br />

Berlin, in dem Jugendliche unterschiedlicher<br />

Kulturen und Glaubensrichtungen<br />

miteinander wohnen, lernen und beten<br />

sollen. „Ich wünsche mir, dass Juden<br />

ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft<br />

sind und wir nicht mehr darüber<br />

diskutieren, ob man Christ, Jude oder<br />

Muslim ist. Wir sind einfach Menschen“,<br />

sagte sie in einem Interview. Zur allgemeinen<br />

Verständigung zwischen den<br />

religiösen Überzeugungen setzt sie ihre<br />

Stimme ein, <strong>2011</strong> sang sie den Song<br />

zum Kirchentag: „... hoffst du auf Frieden<br />

irgendwann ... das Licht in dir steht uns<br />

bereit, dann wird Vertraun und Glaube<br />

eins ... der Weg ist steinig, doch bleib<br />

nicht stehn, dreh dich nicht um, den<br />

Blick nach vorne, da wird auch dein<br />

Herz sein.“ Den Text schrieb der Musikkabarettist<br />

Bodo Wartke. Diese versöhnliche<br />

Allianz von Glaube und Vernunft<br />

liefert eine zukunftsfähige Perspektive.<br />

Warum liefern wir uns nur jeden Tag<br />

auf’s Neue den meist einseitig konfliktverschärfenden<br />

Nachrichten unserer<br />

Medien aus?<br />

<strong>THE</strong> DAY BEFORE<br />

<strong>THE</strong> LAST DAY<br />

Yael Ronens neue Theater-Produktion<br />

befasst sich mit Fragen zu Religion,<br />

Glauben und Identität vor dem Hintergrund<br />

einer sich rasant verändernden<br />

Welt. Sie wagt mit Schauspielern aus<br />

christlich, jüdisch und muslimisch<br />

geprägten Kontexten einen Blick in die<br />

Zukunft: Im Jahr 2030 gibt es in Israel<br />

eine Mehrheit religiöser Menschen, die<br />

den Staat vor neue Herausforderungen<br />

stellt. Auch die Palästinenser sind religiöser<br />

denn je. In Deutschland nimmt die<br />

Frage nach Identität und Zugehörigkeit<br />

einen wachsenden Stellenwert in<br />

der gesellschaftlichen Debatte ein. Die<br />

Demographie Europas verändert sich<br />

maßgeblich und Revolutionen haben<br />

die Arabische Welt neu definiert. Die<br />

Gesellschaft sieht sich an einer Kreuzung.<br />

Inmitten dieser konfliktgeladenen<br />

Stimmung suchen eine jüdische Frau,<br />

ein ehemaliger Christ, ein ungläubiger<br />

Moslem, eine radikale Atheistin und ein<br />

paar verlorene Agnostiker nach festem<br />

Boden unter den Füßen. Das Stück ist<br />

eine Koproduktion mit dem Habima<br />

National Theatre of Israel in Zusammenarbeit<br />

mit der Comédie de Reims. Die<br />

Premiere ist am 1. September <strong>2011</strong>, die<br />

Sprachen sind Deutsch, Englisch, Hebräisch<br />

und Arabisch mit deutschen Übertiteln.<br />

Spielplan: www.schaubuehne.de<br />

Eine Gebetsformel aus dem Buddhismus<br />

bringt es auf den Punkt: „Mögen alle<br />

Wesen glücklich sein. Möge es eine<br />

glückliche Welt geben.“<br />

Foto: H. Schäfer


18 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Schwerpunkt | Perspektiven | Bildung im Wandel<br />

bildung im Wandel<br />

Perspektive für ein neues<br />

Lebenskonzept<br />

Autor: J. M. Brain<br />

Endlich Zeit haben für das, was man<br />

schon immer tun wollte. Dieser Satz ist<br />

für viele Menschen der Leitgedanke, mit<br />

dem sie ihre dritte Lebensphase nach<br />

Beruf oder familiären Aufgaben beginnen.<br />

Sich neu zu orientieren, Neues zu lernen<br />

und zu verstehen, das sind bis ins hohe<br />

Alter nachweislich die besten Voraussetzungen<br />

für einen aktiven und gesunden<br />

Lebensstil. Unterstützt wird dieser<br />

Gedanke durch die neuesten Erkenntnisse<br />

in Psychologie, Hirn- und Altersfor-<br />

schung, die sich gegen die traditionelle<br />

Lehrmeinung aussprechen, dass die Lernfähigkeit<br />

im Alter nachlasse. Einzig das<br />

Lernen, das schnelles Reagieren erfordert,<br />

vermindert sich. Ältere Menschen<br />

lernen also langsamer als jüngere, dafür<br />

aber genauer und sinnvoller. Erkenntnis<br />

und Wissen sind Potenziale, die in der<br />

Generation 50plus derzeit einen hohen<br />

Stellenwert einnehmen. Weiterbildung<br />

und Studium werden zur Perspektive für<br />

ein neues Lebenskonzept.<br />

Etwa fünfzig deutsche Universitäten und<br />

Hochschulen bieten derzeit verschiedene<br />

Studienangebote für ältere Menschen an.<br />

Das Spektrum dieser Angebote ist außerordentlich<br />

breit: Es reicht von einem<br />

ordentlichen Vollstudium über ein reines<br />

Gasthörerstudium bis zu einem speziell<br />

auf die Bildungsinteressen der älteren<br />

Studierenden abgestimmten Seniorenstudium.<br />

Die offiziellen Zielsetzungen<br />

dieser Studienprogramme entsprechen<br />

aber nicht immer den realen Studienverhältnissen.<br />

So ist an vielen Universitäten<br />

die notwendige Voraussetzung für die<br />

Zulassung älterer Studierender die Hochschulreife.<br />

Wer kein Abitur aufweisen<br />

kann, ist von den unterschiedlichen Studienangeboten<br />

generell ausgeschlossen.<br />

Foto: Universität Passau<br />

Diese Zulassungsbeschränkung stellt<br />

gerade für die Generation 50plus eine<br />

schwere Hürde dar, war doch das Abitur<br />

bis zu den Bildungsreformen der 70er<br />

und 80er Jahre ein Privileg, das sich nur<br />

wenige leisten konnten. Auch gehen<br />

die meisten universitären Angebote<br />

für ältere Studierende in der Regel vom<br />

Grundsatz eines so genannten „Studium<br />

generale“ aus, bei dem die Allgemeinbildung<br />

im Mittelpunkt steht. Für ältere


Schwerpunkt | Perspektiven | Bildung im Wandel<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 19<br />

Studierende, die sich aber intensiv mit<br />

einem bestimmten wissenschaftlichen<br />

Fach beschäftigen möchten, sind diese<br />

Studienangebote wenig ansprechend.<br />

Ebenso wenig geeignet ist derzeit auch<br />

ein universitäres Vollstudium.<br />

Der neu eingeführte Studiengang „B. A.<br />

Bachelor of Arts“ ist mit permanenten<br />

Leistungs- und Prüfungsnachweisen<br />

verbunden und durch so genannte<br />

„Module“ extrem verschult. Der B. A.<br />

entspricht weder der Lerndynamik noch<br />

der Herangehensweise von älteren Studierenden.<br />

Zudem hat die Zahl der Studienanfänger<br />

an den deutschen Universitäten<br />

<strong>2011</strong> einen neuen Höchststand erreicht,<br />

der laut Prognosen in den nächsten<br />

Semestern sogar noch steigen wird. Angesichts<br />

der angespannten Finanzlage der<br />

Universitäten, die diesen Massenandrang<br />

nun kompensieren müssen, werden die<br />

Möglichkeiten eines Studiums für ältere<br />

Menschen vermutlich deutlich verringert.<br />

Wer sich aber dennoch an einer Universität<br />

für ein Vollstudium einschreibt, der<br />

muss mit überfüllten Hörsälen, Prüfungsdruck<br />

und einem hohen Maß an Anonymität<br />

rechnen.<br />

Konjunktur<br />

für Privatakademien<br />

„Studieren 50plus“ ist ein sinnvoller Weg<br />

für ein aktives und selbstbestimmtes<br />

Lernen im Alter. Doch ist für den Erfolg<br />

des Lernens vor allem der Ort des Lernens<br />

wichtig. Deshalb muss ein besonderer<br />

Raum für das Studieren geschaffen<br />

werden, der den individuellen Interessen,<br />

Bedürfnissen und Fähigkeiten älterer<br />

Menschen adäquat entspricht. Solche<br />

idealen Räume können private Akademien<br />

anbieten, denn sie müssen sich<br />

weder nach einem amtlich festgelegten<br />

Lehrplan richten, noch stehen sie unter<br />

dem Zwang eines von außen verordneten<br />

Prüfungs- oder Leistungssystems.<br />

Im Gegensatz zu Volkshochschulen,<br />

Bildungswerken oder traditionellen<br />

Seniorenakademien besteht zudem die<br />

Möglichkeit, anstelle lediglich punktueller<br />

Angebote eine Fachdisziplin in ihrer<br />

ganzen wissenschaftlichen Bandbreite zu<br />

vermitteln. Wie verschiedene Beispiele in<br />

deutschen Städten (etwa in München,<br />

Freiburg oder Kassel) belegen, haben<br />

Privatakademien mit ihrem Angebot<br />

eines „Studiums 50plus“ gegenwärtig<br />

Konjunktur, gerade weil sie eine Lücke im<br />

Bildungs- und Wissenschaftsmarkt füllen.<br />

Zugegeben, diese Angebote sind nicht<br />

eben günstig. Doch ist der Jahresbeitrag,<br />

den die Studierenden zu zahlen haben,<br />

vergleichbar mit dem Preisniveau einer<br />

ein- oder zweiwöchigen Bildungsreise.<br />

Dr. Steffen Krämer, selbst jahrelang an<br />

deutschen Universitäten u. a. im Seniorenstudium<br />

tätig, hat auf diesen Wandel<br />

in der Weiterbildung reagiert und die<br />

Winckelmann Akademie für Kunstgeschichte<br />

München gegründet. Sie bietet<br />

Menschen ab 50 Jahren ein umfassendes<br />

Studium der Kunstgeschichte.<br />

Dabei berücksichtigt er die Ansprüche<br />

der 50plus-Studierenden und gestaltet<br />

das Studium in einzeln buchbaren<br />

Trimestern, mit vorlesungsfreien Zeiten<br />

und einem wöchentlichen Studientag.<br />

So wird eine hohe zeitliche Flexibilität<br />

ermöglicht.<br />

<strong>BOLD</strong> sprach mit Dr. Steffen Krämer<br />

über sein neues Konzept: „Aufgrund des<br />

demographischen Wandels und des<br />

zunehmenden Interesses an Weiterbildung<br />

wird sich die Nachfrage nach Studienangeboten<br />

für ältere Menschen zweifellos<br />

erhöhen. Doch bleibt fraglich, ob<br />

staatliche Institutionen wie Universitäten<br />

oder Hochschulen darauf angemessen<br />

reagieren können, selbst wenn sie diesem<br />

Anspruch gerecht werden wollen. Alleine<br />

den gegenwärtigen Massenandrang bei<br />

den Studienanfängern zu kompensieren,<br />

ist schon schwierig genug. Neue<br />

Bildungsinstitutionen, wie Privatakademien<br />

etwa, bedienen diese spezielle<br />

Nachfrage weitaus besser. Schließlich<br />

bieten sie gegenüber Universitäten einen<br />

flexiblen Rahmen, in dem anpassungsfähige<br />

Lernkonzepte für ein „Studium<br />

50plus“ erst möglich werden.“<br />

Studieren ab 50:<br />

Kunstgeschichte : Vom Mittelalter<br />

bis zur Moderne<br />

Winckelmann Akademie für<br />

Kunstgeschichte München<br />

Destouchesstraße 44<br />

80803 München<br />

www.winckelmann-akademie.de


20 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> BASEL I KOPENHAGEN I STUTTGART I WIEN I ZÜRICH<br />

14 | 15 | 16 OKT <strong>2011</strong><br />

MAK WIEN<br />

www.blickfang.com


Schwerpunkt | Perspektiven | Lucian Broscatean<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 21<br />

Inverted<br />

Perspective<br />

Lucian Broscatean<br />

Autor: F. Reip<br />

Seine Präsentation im Rahmen der<br />

Kollektiv-Show rumänischer Designer<br />

am Brandenburger Tor war eines der<br />

überraschenden Highlights der letzten<br />

Mercedes Benz Fashion Week Berlin:<br />

Lucian Broscatean. Seine konturreiche,<br />

kontraststarke Kollektion für die nächste<br />

Frühjahr/Sommer-Saison hört zudem<br />

auf den spannenden Namen „Inverted<br />

Perspective“ – Grund genug also für<br />

<strong>BOLD</strong>, Broscatean zum Interview zu<br />

bitten ...<br />

Wie sahen die künstlerischen Leitlinien<br />

aus, als Sie Ihre Arbeiten kreiert haben?<br />

Welchen Inspirationen sind Sie gefolgt,<br />

welche Ziele haben sie verfolgt?<br />

Ich versuche mit jeder Kollektion, eine<br />

Geschichte zu erzählen, die sich mit den<br />

verschiedenen Aspekten gegenwärtiger<br />

Lifestyles befasst – mit Mobilität und<br />

neuen urbanen Konfigurationen. Diese<br />

Geschichten verwebe ich dann mit persönlichen<br />

Erfahrungen und Perspektiven, die<br />

von einer Art ewiger Wanderung durchs<br />

urbane Labyrinth erzählen. Bei der<br />

Recherche versuche ich, so tief wie möglich<br />

in die Materie einzusteigen und Beziehungen<br />

zu zeitgenössischer Kunst herzu-<br />

Fotos: L. Broscatean<br />

stellen. Der Ausgangspunkt von „Inverted<br />

Perspetive“ war das dunkle, reflexive, merkwürdig<br />

schöne Universum des Avantgarde-Filmemachers<br />

Peter Tscherkassky.<br />

Die Figuren in Filmen wie „Manufraktur“,<br />

„Dream Work“ oder „Outerspace“ scheinen<br />

entwurzelt und in einer neuen Dimension<br />

wieder aufgetaucht zu sein. Unsichtbare<br />

Kräfte führen zu einer unerträglichen<br />

Spannung. Einige von den Techniken in<br />

Tscherkasskys Filmen, etwa die Gegenüberstellung<br />

von Bildern, Verschiebungen und<br />

Einflechtungen, erzeugen eine Art verkehrte<br />

und verstörende Perspektive. Von diesem<br />

komplexen und düsteren Ausgangspunkt<br />

machte ich Verknüpfungen zu anderen<br />

künstlerischen Universen – insbesondere zu<br />

den rituellen Szenen aus Stanley Kubricks<br />

„Eyes Wide Shut”. Eine andere Dimension<br />

zu betreten, die Flucht aus dem turbulenten<br />

urbanen Umfeld, das zieht mich an. Auf<br />

ihrer Wanderung durchlaufen die Charaktere<br />

eine Art Transgressionsritual, das sie an<br />

einen komplett anderen Ort bringt.<br />

Hat Ihre Heimat eine besonderen Einfluss<br />

auf Ihre Arbeit?<br />

Die Charaktere aus meinen Kollektionen<br />

sind Teil eines multikulturellen Umfelds – in<br />

diesem Zusammenhang habe ich schon oft<br />

über die spezifisch rumänischen Elemente<br />

meiner Arbeit nachgedacht.<br />

Das rumänische kulturelle Erbe ist in seiner<br />

Komplexität und in seinem Bedeutungsreichtum<br />

eine echte Inspirationsquelle.<br />

Offensichtliche Bezüge mag ich nicht, ich<br />

versuche daher, diese Einflüsse in einer ...


22 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong>


Schwerpunkt | Perspektiven | Lucian Broscatean<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 23<br />

abstrakten Weise in meine Kollektionen<br />

einzubauen. In meiner aktuellen Herbst/<br />

Winter-Kollektion habe ich etwa das tiefe<br />

Kobalt-Blau eingesetzt, das die Bauern in<br />

manchen Regionen zum Bemalen ihrer<br />

Häuser verwendet haben. Und im Soundtrack<br />

der Show war die traditionelle Musik<br />

der Orthodoxen zu hören, Toaca – der<br />

Name eines Holzes, auf das man während<br />

einer Zeremonie schlägt. Zuletzt haben<br />

mich zudem insbesondere die archaischen<br />

Elemente der rumänischen Kultur interessiert,<br />

der orthodoxe Hintergrund, Symbole,<br />

traditionelle Kostüme und Musik. Ich<br />

stamme aus Sibiu / Hermannstadt, und in<br />

dessen ländlichem Umfeld sind die tradionellen<br />

Kostüme alle in schwarz und weiß<br />

gehalten und eher streng im Vergleich<br />

zu denen anderer Regionen. Hüte aus<br />

Neopren, die an traditionelle astrachanische<br />

Hüte erinnern, oder Masken, die auf<br />

das Holzhandwerk verweisen, waren weitere<br />

Elemente, die sozusagen aus einer<br />

„verkehrten Perspektive“ über Tradition<br />

sprechen.<br />

Wie ist Ihr persönlicher Bezug zu Berlin,<br />

was sind Ihre Eindrücke von der Stadt?<br />

Berlin ist mittlerweile eine meiner Lieblingsstädte.<br />

Es ist so ein dynamischer Raum, in<br />

dem man so vieles extrem Cooles anstellen<br />

kann, dass sehr inspirierend ist. Die Architektur,<br />

diese wunderbare Mischung aus<br />

Altem und Neuem, Klassischem und Futuristischem,<br />

Eleganz und Underground, der<br />

Street Style, all die Museen und die Avantgarde<br />

der zeigenössischen Kunstszene –<br />

all das sind Dinge, die Berlin zu einem Ort<br />

machen, an dem ich gern leben würde.<br />

Das Thema dieser Ausgabe ist „Perspektiven“.<br />

Welche Rolle spielen Perspektiven<br />

bei Ihre Arbeit als Künstler?<br />

Die Grundlagen der geometrischen Perspektive<br />

aus der Renaissance einerseits,<br />

andererseits Architekten der Postmoderne,<br />

die durch ihre Gebäude und den offenen<br />

Raum oder den Mangel an offenem Raum<br />

um die Gebäude herum – Perspektiven<br />

manipulieren. Perspektive kann ein faszinierendes<br />

Konzept sein. Verzerrte, verkehrte,<br />

geometrische, unheimliche, konzeptionelle<br />

Perspektiven – alle erzählen etwas von<br />

visuellen Effekten, die auf verschiedenste<br />

Weise von zeitgenössischen Künstlern<br />

erforscht werden. Neben dieser rein visuellen<br />

Ebene fasziniert mich zudem die<br />

kognitive Perspektive.<br />

Der Name „Inverted Perspective“ bezieht<br />

sich auf drei komplementäre Aspekte: zum<br />

einen auf die Perspektive von Peter Tscherkassky;<br />

zum anderen auf die „verkehrte<br />

Perspektive“ und die unheimlichen Formen,<br />

die Kleidung um den Körper herum kreiert;<br />

und schließlich ging es mir darum, eine<br />

Veränderung in meiner Arbeit zu betonen:<br />

Zuvor hatte ich ausschließlich mit schweren<br />

Stoffen und architektonischen Formen<br />

gearbeitet, in dieser Kollektion nun schuf<br />

ich Formen aus leichten Materialien, die<br />

ein intimeres, ein sinnliches Verhältnis zum<br />

Körper schaffen.<br />

Welche Perspektive ist die interessanteste<br />

für Sie?<br />

Die verzerrte Perspektive sie ist unheimlich,<br />

sonderbar schön und problematisch …<br />

Woran denken Sie bei der englischen<br />

Redewendung „to put something into<br />

perspective“?<br />

Das ist eine sehr komplexe Wendung –<br />

einer Sache einen Kontext verschaffen,<br />

ihre Eigenschaften zu begreifen und sie im<br />

Vergleich zu anderen Elementen herauszustellen,<br />

um so einen starken Standpunkt zu<br />

kreieren. Setzt man hingegen etwas in eine<br />

„verkehrte Perspektive“, mag das zu einer<br />

skurrilen, sonderbaren Betrachtungsweise<br />

führen, die viel schöner sein kann als eine<br />

lineare. Eine solche Wendung gibt es auch<br />

im Rumänischen: „a vedea in perspectiva“,<br />

das bedeutet in etwa „die Dinge im Zusammenhang<br />

sehen“.<br />

Was planen Sie für die nächste Zeit?<br />

Wie sieht Ihre Perspektive respektive<br />

Zukunft aus?<br />

Ich arbeite bereits an neuen Projekten.<br />

Neben den Fashion Shows entwickle ich<br />

derzeit gemeinsam mit Kuratoren auch<br />

Ausstellungen in Gallerien, die auf zeitgenössische<br />

Kunst spezialisiert sind. Ich mag<br />

es, Gegenständen aus der Mode einen<br />

anderen Kontext als die Fashion Shows<br />

oder Fotoshootings zu geben, die ich zu<br />

jeder Kollektion produziere – sie in Installationen<br />

einzubauen, zeigt ihre räumlichen,<br />

skulpturalen Qualitäten.<br />

Link zum Thema:<br />

www.lucianbroscatean.ro


24 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong>


Mode | Trends für den Herbst<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 25<br />

Authentic Styles<br />

for Urban Individuals<br />

SET Fashion<br />

Autorin: M. Wendt<br />

In der kommenden Saison ist eine Rückbesinnung<br />

auf traditionelle Werte und<br />

Individualität deutlich zu erkennen. Ein<br />

Trend, der sich sowohl bei den Farben als<br />

auch bei den Stoffen zeigt.<br />

Zeitlose Farben wie klassisches camel,<br />

taupe, beige Nuancen, grau, navy und<br />

schwarz bilden die Basis. Ein Kardinalrot<br />

dominiert als Kontrastfarbe. Die Farbpalette<br />

der kommenden Saison strahlt durch<br />

edle camel und taupe Nuancen, Eleganz<br />

und subtilen Luxus aus, und macht sie so<br />

zu den idealen Farbtönen für die unterschiedlichsten<br />

Stilrichtungen von klassischen<br />

Oberteilen bis hin zu schlichten<br />

Kleidersilhouetten und Strick.<br />

Die Unkompliziertheit bei den Farbtrends<br />

spiegelt sich auch bei der Stoffwahl wider.<br />

Der Schwerpunkt liegt hierbei auf Wolle<br />

aller Art. Weiche, gekämmte Haptiken<br />

und Tweed in sowohl dünnen, leichten<br />

als auch schwereren, dickeren Ausführungen.<br />

Raues, robustes Lammfell, Teddy-<br />

Fleece, Pelz, Samt, Leder und Satin sorgen<br />

in der kommenden Saison für besondere<br />

Haptik-Erlebnisse. Mehr Informationen<br />

zur aktuellen Herbst / Winter Kollektion:<br />

www.set-fashion.com


26 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong>


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28 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong>


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34 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Kunst & Kultur | Frédéric Chaubin | CCCP<br />

CCCP<br />

Cosmic Communist<br />

Constructions Photographed<br />

Autor: F. Reip | Fotograf: F. Chaubin<br />

Im Taschen-Verlag erschien vor kurzem<br />

der faszinierende Bildband „Cosmic<br />

Communist Constructions Photographed“<br />

(„CCCP“) des französischen Fotografen<br />

und Herausgebers des Kunstmagazins<br />

„Citizen K“, Frédéric Chaubin. Ein<br />

Gespräch über Fotografie und Malerei,<br />

das Paris von Henry Miller und das Fahren<br />

ohne Führerschein ...<br />

Worum ging es Ihnen bei der Arbeit an<br />

„CCCP“?<br />

Mit dem Buch habe ich versucht, auf visuelle<br />

Weise die Emotionen zu unterstreichen,<br />

die ich durchlebt hatte. Einerseits sollten die<br />

Bilder für sich stehen, andererseits sollten sie<br />

als Reihe erkennbar werden. Ich überlagerte<br />

künstlerischen und dokumentarischen Ansatz,<br />

historische und fiktive Ebene. Vor<br />

kurzem bin ich auf einen rumänischen Maler<br />

gestoßen, der einige Details meiner Fotografien<br />

in seinen Gemälden reproduziert.<br />

Sein Projekt heißt „Remains of Tomorrow“<br />

(Überreste von Morgen). Ich denke, er hat<br />

genau verstanden, worum es mir ging.<br />

Ich bin besessen vom Gang der Zeit. Diese<br />

Gebäude, die noch gar nicht sonderlich alt<br />

sind und doch bereits Anachronismen, sind<br />

faszinierend! Sie entwerfen eine Vorstel-<br />

lung von der Zukunft, die auf einer nahen<br />

Vergangenheit fußt. Um das Resultat noch<br />

verwirrender zu machen, habe ich versucht,<br />

die Gebäude so darzustellen, wie es Maler<br />

im 19. Jahrhundert gemacht hätten –<br />

insbesondere die russischen Landschaftsmaler,<br />

die ich so liebe. So habe ich versucht,<br />

diese exzentrischen Formen ganz bewusst<br />

akademisch nüchtern zu zeigen.<br />

Haben Sie ein Lieblingsfoto in Ihrem<br />

Bildband?<br />

Vermutlich die Aufnahme des Technischen<br />

Insituts in Minsk, die ich mit einer Leica<br />

gemacht habe. Die Fotografie ist so präzise<br />

komponiert wie ein Gemälde und fängt eine<br />

einzigartige Situation ein. Es war Sonntag,<br />

die Parkplätze waren verlassen, und man<br />

sieht nur die Silhouette eines Mannes, von<br />

Schnee umgeben, mit Mantel und Aktentasche,<br />

ein anonymer Büroarbeiter, der auf<br />

dieses gigantische Gebäude zuläuft, dieses<br />

Symbol gewaltiger Kraft mitten im Nichts.<br />

Ich mag diese metaphorische Dimension<br />

des Bildes, und ich mag es auch, weil<br />

in „CCCP“ kaum Menschen auftauchen –<br />

weswegen mich übrigens ein Freund immer<br />

wieder im Scherz fragt, ob ich die Menschheit<br />

hasse ...<br />

Ihr Buch blickt einmal in die Vergangenheit<br />

– wo würde man heute wohl etwas<br />

vergleichbar Fantastisches, Fantasievolles<br />

in der Architektur finden?<br />

Vergangenheit und Gegenwart, ich denke<br />

da gibt es keinen Unterschied. Wenn dich<br />

ein Kunstwerk packen soll, muss es dir<br />

beim Betrachten die Orientierung rauben.<br />

In unserer globalisierten, informationsübersättigten<br />

Zeit wird gerade diese Erfahrung<br />

immer rarer. Man bedenke nur etwa<br />

die Anzahl an Bildbänden, die zu Dubai<br />

veröffentlicht wurden ... Wenn man die<br />

Romane von Henry Miller liest, merkt<br />

man, dass es im Paris der 20er-Jahre<br />

noch eine geradezu exotische Erfahrung<br />

war, vom einen ins andere Arrondissement<br />

zu reisen. In den verschiedenen sozialen<br />

Schichten sprach man nicht einmal<br />

die gleiche Sprache. Das ist jetzt vorbei –<br />

wenn man nicht gerade Chinese ist, fällt<br />

es schwer, sich in Paris orientierungslos zu<br />

fühlen. Was „CCCP“ angeht, hatte ich also<br />

enormes Glück, diesen riesigen Forschungsbereich<br />

zu finden. Der Mangel an breiter<br />

Information über und Dokumentation<br />

von dieser Architektur war ein glücklicher<br />

Zufall historischen Ausmaßes. Für Kinder<br />

müssen diese Gebäude wirken wie die ...


<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 35


36 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Kunst & Kultur | Frédéric Chaubin | CCCP


Kunst & Kultur | Frédéric Chaubin | CCCP<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 37<br />

Überbleibsel einer fremden, längst verschwundenen<br />

Zivilisation.<br />

In der Einleitung des Buches sprechen<br />

Sie von Außenseitern und Versuchungen<br />

– sind dies für Sie die interessantesten<br />

Perspektiven, die, die Innen von Außen<br />

scheiden, Besitz und Verlangen?<br />

Das ist richtig. Der Mainstream reizt mich<br />

nicht weiter, mein Interesse liegt eher bei den<br />

Perspektiven, die Veränderungen auslösen,<br />

die „Innen von Außen scheiden“. Sie haben<br />

andere Prioritäten, und darauf kommt es<br />

an: Wer nur um soziale Anerkennung ringt,<br />

der bleibt „innen“. Wer aber merkwürdig ist,<br />

ein Fremder – wie Jim Morrison in „People<br />

Are Strange“ sang – wird seinen eigenen<br />

Weg finden müssen. Man fällt aus dem<br />

Rahmen, ist oft unausgeglichen, obsessiv,<br />

aber man stößt auf neue Pfade. Außenseiter<br />

lösen Veränderungen aus, weil sie sich<br />

ihre eigene Welt bauen müssen. Auch wenn<br />

sie angreifbar sind, liefern sie doch in ungewöhnlichen<br />

Situationen die präzisesten<br />

Antworten. Dem System der Sowjetunion<br />

auf rationale Weise zu entkommen, war<br />

schwierig – daher war es wichtig, abwegige<br />

Gedanken entwickeln zu können.<br />

Inwiefern beeinflussen und formen<br />

Perspektiven Ihre Arbeit als Künstler<br />

und als Herausgeber?<br />

Ich habe den Prozess gar nicht so sehr unter<br />

Kontrolle, das meiste ist Intuition, der man<br />

erst später Konturen gibt. Und dann kommt<br />

auch die persönliche Perspektive zum<br />

Tragen: Wenn man versucht, eine Sache zu<br />

begreifen oder ihr Bedeutung zu verleihen,<br />

macht man das vor dem Hintergrund der<br />

eigenen kulturellen Erfahrung. Ich glaube,<br />

das Gehirn ist stärker als man selbst und<br />

nimmt uns Entscheidungen ab. Es fährt<br />

sozusagen das Auto – ob nun mit oder ohne<br />

Führerschein.<br />

Welche Assoziationen weckt bei Ihnen<br />

die englische Redewendung „to put<br />

something into perspective“?<br />

Ich muss dabei an die italienische Malerei<br />

des Mittelalters denken, wie sie Tiefe in die<br />

bildliche Gestaltung eingebracht hat – und<br />

so in gewisser Weise der Realität näher kam.<br />

Dabei weiß ich gar nicht, ob Realität unser<br />

bester Freund ist. Ich bevorzuge Symole und<br />

Illusionen, die schlichte Abbildung eines<br />

primitiven Bildzeichens, unbeholfen, aber<br />

magisch, mit all den Codes, die man entziffern<br />

muss. Das ist mir lieber als ein Prozess,<br />

der versucht, der Realität gerecht zu werden<br />

und dabei doch nur die materielle Dimension<br />

der Dinge erreicht – und so im Grunde<br />

keinem der großen Rätsel auf die Spur<br />

kommt.<br />

Infos zum Bildband:<br />

Hardcover,<br />

26 cm x 34 cm,<br />

312 Seiten<br />

39.99 EUR<br />

ISBN: 978-3-8365-2519-0<br />

www.taschen.com


38 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Kunst & Kultur | Sehenswert | Faces of Africa<br />

Faces of Africa<br />

Mario Marino<br />

Autor: J. M. Brain<br />

Eine Vielzahl unterschiedlicher ethnischer<br />

Gruppen lebt im Süden von Äthiopien.<br />

Manche zählen nur noch wenige Tausend<br />

Mitglieder. Gemeinsam ist ihnen eine<br />

Kultur des Körperschmucks. Zum Beispiel:<br />

Blumen, Früchte, Zweige, Muscheln und<br />

eine mit kleinen Holzstückchen aufgebrachte<br />

Bemalung mit weißem Kalk<br />

verwandeln ihre Körper in ausdrucksstarke<br />

Artefakte einer längst vergessenen<br />

Zeit, die eine Brücke zur umgebenden<br />

Natur schlagen und zum Stolz, die eigene<br />

Identität und kulturelle Zugehörigkeit<br />

zum Ausdruck bringen. Fragile, vergängliche<br />

Körperkunst im doppelten Sinne.<br />

Zum einen müssen die Arrangements<br />

immer wieder erneuert werden, findet<br />

die Kreativität Tag für Tag neue Variationen,<br />

zum anderen droht permanent<br />

die unweigerliche Auslöschung dieser<br />

alten Kultur.<br />

Äthiopiens<br />

Fotografisches<br />

Psychogramm<br />

Für Mario Marino ist Afrika der „verspätete<br />

Kontinent“. Mit seiner Kamera sucht er<br />

dort immer wieder nach den verbliebenen<br />

Spuren kultureller Vielfalt, Menschen und<br />

Gesichtern die Geschichten zu erzählen<br />

haben. Im Frühjahr <strong>2011</strong> machte sich der<br />

in Deutschland lebende Fotograf auf den<br />

Weg in die afrikanische Urheimat, die<br />

Wiege der Menschheit, um festzuhalten,<br />

was vielleicht bald schon unwiderruflich<br />

verschwunden sein wird.<br />

Er fand Dörfer und Landstriche, die an<br />

die eingeschnürten Indianerreservate<br />

im amerikanischen Westen erinnern. Die<br />

sich ausbreitende Zivilisation und der<br />

Tourismus haben auf lange Sicht den<br />

Verlust der autarken Identität zur Folge<br />

und lassen die kulturelle Einmaligkeit<br />

zunehmend verblassen.<br />

Mario Marinos Portraits sind ein Blick<br />

auf eine noch existierende, langsam<br />

verblassende Gegenwart. Die minimalistische<br />

Inszenierung ohne Kunstlicht und<br />

vor einem uniformen Hintergrund löst<br />

die Protagonisten aus ihrer natürlichen<br />

Lebenswelt und erzeugt diese besondere<br />

Eindringlichkeit des individuellen<br />

Ausdrucks.<br />

<strong>BOLD</strong> zeigt auf den folgenden Seiten<br />

einen Teil der Bilder von „Faces of Africa“,<br />

die in der Tradition von Irving Penns<br />

„World in a Small Room“ und Richard<br />

Avedons „American West“ entstanden.<br />

Die Ausstellung aller Arbeiten ist vom<br />

4. November bis 24. Januar 2012 in der<br />

Galerie Brocksted Berlin zu sehen.<br />

Links zum Thema:<br />

www.mariomarino.com<br />

www.brockstedt.com


<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 39


40 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong>


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44 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Kunst & Kultur | KUNST FAIR PRÄSENTIERT<br />

KUNST<br />

FAIR PRÄSENTIERT<br />

Perspektiven im Herbst <strong>2011</strong><br />

Autor: H. G. Teiner<br />

BERLIN<br />

FORUM FÜR DIE KUNST<br />

15 Jahre lang hatte die Messe Berlin das<br />

Art Forum Berlin veranstaltet, die Kunstmesse<br />

mit Berliner Galeristen und internationalem<br />

Anspruch. Nach Unstimmigkeiten<br />

zwischen Messe und einigen<br />

Gesellschaftern der Art Berlin Contemporary<br />

(ABC), der Herbst-Veranstaltung<br />

von rund 100 Berliner Galerien, wurde<br />

das Art Forum Berlin für dieses Jahr<br />

komplett abgesagt. Damit verliert der<br />

Kulturstandort Berlin im internationalen<br />

Kunstmarkt ein wichtiges kommerzielles<br />

Ausstellungsformat. Berlin wird nun ohne<br />

diese Messe, jedoch nicht ohne ein hochambitioniertes<br />

Veranstaltungsprogramm<br />

für die zeitgenössische Kunst in den<br />

Herbst starten.<br />

Space für Präsentation und Begegnung.<br />

„Distanzlosigkeit“ ist hierbei ein auszeichnendes<br />

Merkmal aller Messen und Veranstaltungen.<br />

Im besten Sinne Art Fair:<br />

Lebendige Messekonzepte mit fairen<br />

Bedingungen für neue, unbekannte und<br />

nachwachsende Kunst. Mit genug Raum<br />

und Zeit zur persönlichen Entdeckungsreise<br />

und guten Einstiegsmöglichkeiten<br />

in den Kunstmarkt für junge Künstler.<br />

BERLINER<br />

KUNSTSALON<br />

Der Berliner Kunstsalon wurde als Alternative<br />

zum ehemaligen Art Forum Berlin<br />

gegründet. Der Künstler und Galerist<br />

Edmund Piper ist der Initiator und Leiter<br />

dieser Veranstaltung, die seit 20<strong>04</strong> jährlich<br />

stattfindet.<br />

zu beleben, gelang,“ konstatierte „Die<br />

Welt“. Über dieses Profil entwickelte der<br />

Berliner Kunstsalon eine Sprungbrettfunktion,<br />

denn es gelang immer wieder,<br />

junge, bis dahin unbekannte Künstlerinnen<br />

und Künstler in den professionellen<br />

Kunstmarkt zu katapultieren. Hier<br />

findet der von der allgemeinen Aufbruchstimmung<br />

angestachelte Sammler die<br />

Jungstars, die mit Verve und Elan in den<br />

Kunstmarkt drängen. Der Berliner Kunstsalon<br />

wird in diesem Jahr in der zentralen<br />

Ausstellungshalle der Uferhallen in<br />

Berlin-Mitte stattfinden.<br />

<strong>BOLD</strong> sprach mit Edmund Piper ...<br />

Welche Schwerpunkte und Neuerungen<br />

weist Ihr Messe-Konzept für den Herbst<br />

<strong>2011</strong> auf?<br />

Vom 7. bis 11. September <strong>2011</strong> finden<br />

zeitgleich mit der ABC, die Preview und<br />

der Berliner Kunstsalon statt.<br />

Die verbindende Perspektive der vorgestellten<br />

Kunstmessen, Galeriepräsentationen<br />

und offenen Ateliers ist die Nähe<br />

der Besucher und potenziellen Käufer, zu<br />

den Künstlern und Kunstwerken. Open<br />

Auch der 8. Berliner Kunstsalon bietet<br />

innovativen Künstlern eine experimentelle<br />

Plattform. Diese Kunstveranstaltung<br />

ist in Anlehnung an die gleichnamigen<br />

Aktivitäten Paul Cassirers aus dem<br />

Jahre 1898 als Projekt der Künstlerförderung<br />

und als „Entdeckermesse“ neu<br />

entstanden. „Die Tradition der Berliner<br />

Salons als Dialog der Experimente wieder<br />

Neu ist, dass der 8. Berliner Kunstsalon<br />

in diesem Jahr mit einer zur Verfügung<br />

stehenden Fläche von 2550 m 2 einen im<br />

Vergleich zu den letzten Jahren sehr kleinen<br />

Raum bespielt. Dies hat ein sehr viel schärferes<br />

Profil zur Folge: Ein Niveau, das Spaß<br />

macht! Ausgehend vom Raum präsentiert<br />

sich der diesjährige Berliner Kunstsalon<br />

mehr denn je als Ausstellungs- denn als ...


Kunst & Kultur | KUNST FAIR PRÄSENTIERT<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 45<br />

Raymond Unger<br />

„Death In Sesame Street“ (Ölfarbe gespachtelt auf Leinwand, 140 cm x 180 cm, <strong>2011</strong>)


46 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Kunst & Kultur | KUNST FAIR PRÄSENTIERT<br />

Messe-Format. Obwohl der Berliner Kunstsalon<br />

eine Veranstaltung zum Entdecken<br />

noch weitestgehend unbekannter Künstlerinnen<br />

und Künstler ist, der Schwerpunkt<br />

der Veranstaltung also im Bereich der Künstlerförderung<br />

liegt, wurde er in den letzten<br />

Jahren stets als inhaltlich ernstzunehmende<br />

Alternative zu den großen Messen<br />

der Stadt besprochen, deren Macher über<br />

weitreichende professionelle Netzwerke<br />

verfügen. Diesen Anspruch wird der diesjährige<br />

Berliner Kunstsalon untermauern.<br />

Was ist Ihre Perspektive im Zusammenhang<br />

des internationalen Kunstmarktes?<br />

Mit seinem Profil als Sprungbrett für junge<br />

Talente genießt der Berliner Kunstsalon<br />

eine privilegierte Sonderposition im Umfeld<br />

der Messeveranstaltungen, denn er muss<br />

seinen Marktwert nicht in Kategorien wie<br />

A-, B- oder C-Messe beweisen.<br />

Viel eher geht es darum, den nationalen<br />

wie internationalen Galeristen, Kuratoren,<br />

Artscouts und Sammlern ergänzend zum<br />

Angebot der hiesigen Messen bemerkenswerte<br />

Talente zu offerieren, deren Zielgebiet<br />

ganz klar im internationalen Kunstgeschehen<br />

verortet ist.<br />

PREVIEW<br />

BERLIN<br />

Vom 9. bis zum 11. September <strong>2011</strong> bietet<br />

auch die Preview Berlin zum siebten<br />

Mal jungen nationalen und internationalen<br />

Galerien und Projekträumen die<br />

Möglichkeit, Werke einer neuen Genera-<br />

Foto: H. G. Teiner<br />

tion von aufstrebenden Künstlern einem<br />

Publikum aus Sammlern, Fachleuten und<br />

Kunstbegeisterten zu präsentieren. Die<br />

2005 gegründete Messe wird heute von<br />

den Berliner Galeristen Kristian Jarmuschek<br />

(Galerie Jarmuschek & Partner),<br />

Rüdiger Lange (Galerie loop – Raum für<br />

aktuelle Kunst) und dem Künstler Ralf<br />

Schmitt (MyVisit.to) organisiert. Für die<br />

fünfte Ausgabe im Jahr 2009 zog die<br />

Messe in die Haupthalle des Flughafens<br />

Tempelhof um und entwickelte unter<br />

dem Titel „Less Regress – More Congress“<br />

ein progressives Messekonzept in Form<br />

einer kuratierten Ausstellung ohne klassischen<br />

Messebau, das enthusiastisch von<br />

Medien und Publikum aufgenommen<br />

wurde. 2010 präsentierte die Preview<br />

Berlin eine ambitionierte Standkonzeption,<br />

die die verschiedenen Erfahrungen<br />

der letzten Jahre zusammenfasste: eine<br />

Kombination aus großzügig geschnittenen<br />

White Cube-Messeständen und<br />

offenen Flächen für raumgreifende Installationen<br />

und performative Arbeiten. Eine<br />

zentrale Lounge bot einen Treffpunkt<br />

für Besucher und diente als Veranstaltungsort<br />

für das vielfältige Rahmenpro-<br />

gramm aus Führungen, Empfängen und<br />

Diskussionen. Eine weitere Neuerung im<br />

Messeprogramm war der Fokus auf Galerien<br />

und Kunsträume aus Osteuropa.<br />

Nach der erfolgreichen Messe 2010, in der<br />

nach Angaben der Veranstalter, innerhalb<br />

von drei Tagen 12.000 Besucher durch<br />

den großzügig geschnittenen Hangar 2<br />

des ehemaligen Flughafens strömten,<br />

verspricht die Preview Berlin <strong>2011</strong> erneut<br />

ein Magnet für die Kunstwelt zu werden.<br />

ABC<br />

ART BERLIN CONTEMPORARY<br />

<strong>2011</strong> widmet sich die Art Berlin Contemporary<br />

dem Malerischen: Die Ausstellung<br />

„about painting“ präsentiert Malerei<br />

der Gegenwart, aber auch Installationen,<br />

Papierarbeiten, Videos, Fotografien oder<br />

Skulpturen, die ein kontextuelles Interesse<br />

an diesem klassischen Medium<br />

aufweisen. Das „Malerische“, als kunsthistorischer<br />

Grundbegriff vor hundert<br />

Jahren von Heinrich Wölfflin begründet,<br />

bildet einen weiteren Ansatz: „Malerei ist<br />

der Triumph des Scheins über das Sein“.<br />

Der Veranstalter selbst wählt diese Worte:<br />

„Vor 20 Jahren, der Zeit der Kontextkunst,<br />

galt der Fokus eher dem Rahmen als<br />

den Bildern selbst – zumindest wurden<br />

Gemälde in Ausstellungen verhältnismäßig<br />

selten präsentiert. Das Erbe dieser<br />

spezifischen Untersuchungen ist heute in<br />

vielen zeitgenössischen künstlerischen<br />

Ansätzen wieder zu finden, nicht zuletzt in<br />

der Malerei, die von einer enormen Reflexion<br />

des Mediums und seiner Geschichte<br />

geprägt ist“.


Kunst & Kultur | KUNST FAIR PRÄSENTIERT<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 47<br />

Die Art Berlin Contemporary entwickelte<br />

sich vor vier Jahren als freies<br />

Format zwischen Ausstellung und Galerien-Veranstaltungen.<br />

Den Initiatoren ist<br />

es seitdem gelungen, einen wichtigen<br />

Termin im internationalen Kunstkalender<br />

zu etablieren.<br />

C.A.R.<br />

CONTEMPORARY ART RUHR<br />

IN ESSEN<br />

Weitere Veranstaltungen zeitgenössischer<br />

Kunst finden im Herbst <strong>2011</strong> mit<br />

der Contemporary Art Ruhr in Essen und<br />

in Düsseldorf, die Kunstpunkte, statt.<br />

Die Contemporary Art Ruhr ist eine Kunstmesse<br />

in einem besonderen architektonischen<br />

Umfeld, der Zeche Zollverein:<br />

Kunstpräsentation im Spannungsfeld<br />

von alter Industriekultur und von neuen<br />

künstlerischen Perspektiven. Die Messe<br />

findet an einem zentralen Ort des Ruhrgebiets<br />

statt, an dem der Umbruch des<br />

Industrie-Ruhrpotts zum Medienstandpunkt<br />

stattfindet. Die Zeche Zollverein<br />

hat durch das Kulturhauptstadtjahr 2010<br />

einen kräftigen Aufschwung erlebt und<br />

sich spätestens jetzt auch europaweit<br />

einen Namen gemacht. Ziel der Contemporary<br />

Art Ruhr ist es, in der Region mit<br />

mehr als 5,3 Millionen Einwohnern einen<br />

eigenen Kunstmarkt zu entwickeln. In nur<br />

wenigen Jahren ist eine erfolgreiche und<br />

viel beachtete Messe für zeitgenössische<br />

Kunst von nationaler und internationaler<br />

Bedeutung entstanden. Contemporary<br />

Art Ruhr, das sind zwei unterschiedliche,<br />

jährlich stattfindende Kunstmessen: Die<br />

Medienkunstmesse im Sommer hat ihren<br />

Ausstellungsschwerpunkt im Bereich der<br />

Kokerei, die jetzt im Herbst anstehende<br />

Messe findet im Bereich des Kesselhauses<br />

und des Red Dot Design Museums, statt.<br />

Die Contemporary Art Ruhr im Herbst<br />

steht unter dem Motto: „Innovation“. Das<br />

bedeutet, auch in diesem Jahr wieder<br />

neue Einblicke in die aktuellen Strömungen<br />

der zeitgenössischen Kunst<br />

zu ermöglichen. Das Ausstellungskonzept<br />

gewährleistet, dass sich Newcomer,<br />

Avantgarde und etablierte Galerien gleichermaßen<br />

und nebeneinander präsentieren<br />

können. Die Messe ist eine offene<br />

Austellungsplattform, die neue künstlerische<br />

Positionen in kommunikativer<br />

Atmosphäre entdecken läßt.<br />

<strong>BOLD</strong> sprach mit Silvia Sonnenschmidt<br />

und Thomas Volkmann, den Initiatoren<br />

der Contemporary Art Ruhr (C.A.R.):<br />

Welche Schwerpunkte und Neuerungen<br />

weist Ihr Messe-Konzept für den Herbst<br />

<strong>2011</strong> auf?<br />

S. Sonnenschmidt: Das Ziel des Austauschs,<br />

der Kooperation und Kommunikation, oft<br />

auch gerade entlang unkonventioneller<br />

Pfade, verfolgt die C.A.R. seit sie besteht,<br />

Jahr für Jahr kommen weitere Teilnehmer<br />

und Partner hinzu – wie zum Beispiel die<br />

Los Angeles Art Association, (LAAA) oder<br />

die Folkwang Universität der Künste. In fünf<br />

Hallen auf über 5.000 m 2 stellt die C.A.R.<br />

im Herbst <strong>2011</strong> etablierte wie avantgardistische<br />

Positionen vor, zum ersten Mal<br />

präsentiert sie vom 28. bis zum 30. Oktober<br />

<strong>2011</strong> in den außergewöhnlichen Räumen<br />

– im Red Dot Design Museum – zeitgenössische<br />

Kunst. Das Spektrum der C.A.R.<br />

<strong>2011</strong> reicht von Fotografie, Malerei, Plastik<br />

und Skulptur, Druckgraphik, Streetart über<br />

Installationen bis hin zu riesigen Projektionen<br />

auf die Fassaden der Zeche. Parallel<br />

finden Sonderausstellungen, Symposien,<br />

die C.A.R.-Video-Lounge, ein umfangreiches<br />

Rahmen-Programm und die C.A.R. Gallery,<br />

ein offener Wettbewerb für Fotografie und<br />

digitale Kunst, statt.<br />

Ausgewählte Künstler, die sich noch nicht<br />

auf dem Kunstmarkt etabliert und noch<br />

keine Galerievertretung haben, erhalten mit<br />

limitierten Förderflächen und einer öffentlichen<br />

Ausschreibung die Chance, sich an der<br />

C.A.R. zu beteiligen. Die geringen Kosten<br />

für die Aussteller gepaart mit dem zeitgemäßen<br />

Ausstellungskonzept machen es<br />

möglich, dass sich Newcomer, Avantgarde<br />

und etablierte Galerien gleichermaßen auf<br />

der C.A.R. präsentieren können.<br />

Was ist Ihre Perspektive im Zusammenhang<br />

des internationalen Kunstmarktes?<br />

T. Volkmann: Netzwerke aufzubauen und<br />

zu pflegen, internationale Kontakte herzustellen,<br />

und dabei sein eigenes Profil zu<br />

schärfen und auszubauen, wird in einer<br />

längst globalen Kunstwelt immer wichtiger.<br />

Während die meisten Kunstmessen mit<br />

dem letzten Veranstaltungstag enden, geht<br />

die C.A.R. auch danach noch weiter. Unser<br />

Ziel ist es, den Teilnehmern im schnelllebigen<br />

Kunstmesse- und Ausstellungsgeschäft<br />

über die Messe-Tage hinaus ...


48 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Kunst & Kultur | KUNST FAIR PRÄSENTIERT<br />

Foto: M. Duschner<br />

Zeche Zollverein<br />

Contemporary Art Ruhr


Kunst & Kultur | KUNST FAIR PRÄSENTIERT<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 49<br />

eine Plattform für Kontakte und zur Vernetzung<br />

zu bieten. Weitere Ausstellungen<br />

stehen noch <strong>2011</strong> auf dem Programm.<br />

In Paris, am 1. Oktober <strong>2011</strong>, während<br />

der Nuit Blanche, der Langen Nacht der<br />

Museen, oder beim zweiten Get-to-gether<br />

in Miami Beach am 1. Dezember <strong>2011</strong>, für<br />

Kuratoren, Galeristen, Künstler und andere<br />

Multiplikatoren. Für 2012 sind bereits<br />

Ausstellungen in Los Angeles, in den europäischen<br />

Nachbarländern sowie in Berlin<br />

geplant.<br />

KUNSTPUNKTE<br />

OFFENE ATELIERS IN DÜSSELDORF<br />

Die 15. Kunstpunkte in Düsseldorf, das<br />

bedeutet: An zwei Wochenenden im<br />

September öffnet sich dem interessierten<br />

Publikum der Kunsthimmel: am ersten<br />

Wochenende im südlichen Firmament,<br />

am zweiten Wochenende dann im nördlichen<br />

Firmament.<br />

Es können 266 Kunstpunkte im gesamten<br />

Stadtgebiet von Düsseldorf besucht<br />

werden, um mehr als 500 Kunstschaffenden<br />

bei Ihrer Arbeit über die Schulter<br />

zu schauen und ihre Arbeiten am Entstehungsort<br />

in Augenschein zu nehmen.<br />

Mit dabei sind auch GastkünstlerInnen<br />

aus Israel, Russland, Schottland und Finnland,<br />

die im Rahmen der internationalen<br />

Künstleraustauschprojekte nach Düsseldorf<br />

gekommen sind. Grund für den<br />

Reichtum an Kunstschaffenden ist, neben<br />

weiteren Faktoren, die 1773 gegründete<br />

Kunst-akademie, an der auch der legendäre<br />

Josef Beuys unterrichtete. Düsseldorf<br />

hat die Kunstpunkte 1997 ins Leben<br />

gerufen, und seitdem erfreut sich die<br />

Aktion wachsender Resonanz. So wurden<br />

in den vergangenen Jahren bis zu 60.000<br />

Atelierbesucher an den beiden Wochenenden<br />

gezählt. Dabei beeindruckte die<br />

Dichte und die hohe Qualität der in der<br />

Landeshauptstadt wirkenden Kunstschaffenden<br />

die BesucherInnen. Neben<br />

der Entdeckerfreude kommt auch der<br />

kommerzielle Aspekt nicht zu kurz: Es<br />

darf auch gekauft werden.<br />

In den vielen Ateliers können die Besucher<br />

in zwangloser Atmosphäre mit den KünstlerInnen<br />

ins Gespräch kommen. „ Künstlerateliers<br />

sind oft verborgene und sonst<br />

kaum zugängliche Ort. Selten besteht die<br />

Möglichkeit, die Künstler in den Räumen<br />

zu erleben, in denen die Kunstwerke<br />

entstehen und Ideen oder Gedanken zur<br />

materiellen Form werden. Gerade dies<br />

ist das besondere an den Kunstpunkten:<br />

der direkte Kontakt des Publikums zu<br />

den Künstlern und ihren Werken, fernab<br />

von Galerien und Museen“, so die Koordinatorin<br />

Karin Rauers vom Kulturamt der<br />

Stadt Düsseldorf.<br />

Als Wegweiser zu den Ateliers dient das<br />

Kunstpunkte-Faltblatt. Es leitet die Besucher<br />

an den beiden Wochenenden durch<br />

Düsseldorf, von Atelier zu Atelier. Eine<br />

Unterteilung nach Genres wie Malerei,<br />

Foto, Skulptur und Medienkunst erleichtert<br />

den überraschungsreichen Kunstspaziergang.<br />

Das Kulturamt der Stadt Düsseldorf<br />

organisiert einen Bus-Shuttle-Service<br />

mit geführten Touren durch ausgewählte<br />

Ateliers. Das besondere Erlebnis beginnt<br />

bereits beim Einsteigen in die Oldtimer-<br />

Reisebusse aus den 50er- und 60er-<br />

Jahren. Die Tour beginnt an den Reihn-<br />

Terrassen und dauert jeweils drei<br />

Stunden, sie wird von Künstlern und<br />

Künstlerinnen begleitet, die Informationen<br />

zu ihren Künstlerkollegen geben<br />

und für einen intensiven Austausch zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Termine im Überblick:<br />

Berliner Kunstsalon<br />

7. bis 11. September <strong>2011</strong><br />

www.berlinerkunstsalon.de<br />

Preview Berlin<br />

9. bis 11. September <strong>2011</strong><br />

www.previewberlin.de<br />

ABC – Art Berlin Contemporary<br />

7. bis 11. September <strong>2011</strong><br />

www.artberlincontemporary.com<br />

Kunstpunkte in Düsseldorf<br />

3. bis 11. September <strong>2011</strong><br />

www.kunstpunkte.de<br />

C.A.R. – Contemporary Art Ruhr<br />

28. bis 30. Oktober <strong>2011</strong><br />

www.contemporaryartruhr.de<br />

Infos zum Thema:<br />

www.zollverein.de<br />

www.raymond-unger.de<br />

www.art-forum-berlin.de


50 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Kunst & Kultur | Sehenswert | Ausstellungen<br />

sehenswert<br />

Erlebe es Selbst<br />

Autor: K. Specht<br />

5 GUM präsentiert „Walls Alive“ – Musik<br />

und 3D-Lichtprojektionen, ein Kunst-<br />

Erlebnis der besonderen Art.<br />

Häuserfassaden werden buchstäblich<br />

zum Leben erweckt, hohe Räume stürzen<br />

in sich zusammen, Fassaden stehen in<br />

Flammen. Spektakuläre Lichtprojektionen<br />

und Live-Acts von Parov Stelar,<br />

Meister des groovigen Electrosounds und<br />

Erfinder eines eigenwilligen Soundmixes<br />

aus Jazz, Swing und erdigen Beats und<br />

DJane Cosmic Sista alias Cosma Shiva<br />

Hagen, eine der erfolgreichsten Jungschauspielerinnen<br />

Deutschlands, machen<br />

die Nacht zum Tag.<br />

<strong>BOLD</strong> verlost exklusiv 10 x 2 Freikarten<br />

für „Walls Alive“. Wer dabei sein<br />

will und gewinnen möchte, sendet bis<br />

zum 6. September 2010 eine E-Mail<br />

an: 5gum@bold-magazine.eu<br />

Walls Alive<br />

10. September <strong>2011</strong><br />

Praterinsel München<br />

Praterinsel 3 - 4, 80538 München<br />

www.5gum.de


Kunst & Kultur | Sehenswert | Ausstellungen<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 51<br />

Foto: S. Won („Dreamroom“)<br />

Foto: A. Mühe<br />

Foto: C/O Berlin (T. Hoepker)<br />

Bankrotte Staaten, Tsunami, Reaktorunfall,<br />

Polschmelze - alles scheint auf einen<br />

Crash hinauszulaufen, den wir selbst<br />

erschaffen haben. Sehen wir dabei zu,<br />

während wir Konjunktur- und Hilfspakete<br />

schnüren oder können wir aus dem<br />

Kreislauf ausbrechen? Kann mit Hilfe von<br />

Kunst eine neue Position, gar eine neue<br />

Vision gefunden werden?<br />

Über 30 Künstler und drei Kollegen<br />

wurden von der Kuratorin Nicole Loeser<br />

in die ehemalige Tresorfabrik in Berlin-<br />

Wedding eingeladen, zu diesen Themen<br />

Position zu beziehen. Neben künstlerischen<br />

Werken von Malerei über Video<br />

und Installation bieten das Rahmenprogramm<br />

Performances, Künstlergespräche<br />

und Vorträge für vier Tage, einen Ort für<br />

utopische Träume, um alternative Welten<br />

zu erschaffen.<br />

Andreas Mühe, Jahrgang 1979, wurde<br />

im damaligen Karl-Marx-Stadt geboren.<br />

Er fotografierte für renommierte Magazine,<br />

Agenturen und Unternehmen. Seine<br />

Bilder dehnen den Augenblick, werden<br />

zeitlos durch eine entschlossene Choreografie<br />

der Umgebung und der Protagonisten<br />

und sind immer eine autonome<br />

ästhetische Erfahrung, die dem Betrachter<br />

in Erinnerung bleiben.<br />

Andreas Mühe ist einer der interessantesten<br />

jungen Fotografen in Deutschland.<br />

Insbesondere Politiker und „Räume der<br />

Macht“ spielen im Motivspektrum seiner<br />

Arbeiten eine besondere Rolle.<br />

Ein vermummter Mann schaut von einem<br />

Balkon. Ein Flugzeug schlägt in einen<br />

Hochhausturm ein. Sofort sind die Bilder<br />

vor unserem Auge! Wir wissen exakt, um<br />

welche Ereignisse es sich handelt. Denn<br />

Bilder besitzen eine gewaltige Macht.<br />

Sie halten nicht nur den entscheidenden<br />

Moment fest, sondern beeinflussen den<br />

öffentlichen Diskurs und fordern zu Reflexion<br />

und Reaktion heraus. Die von C/O<br />

Berlin kuratierte Ausstellung „unheimlich<br />

vertraut“ untersucht die Bedeutung<br />

von Fotografie für unsere tägliche Bildkultur<br />

anhand der visuellen Verarbeitung<br />

von unterschiedlichen Terrorbildern der<br />

letzen Jahrzehnte. München 1972 und<br />

New York 2001 bilden die historischen<br />

Eckpfeiler. Über die künstlerische Auseinandersetzung<br />

werden politische Bilder<br />

in Frage gestellt, historische Bildquellen<br />

machen Konstruktion und Illusion von<br />

Fotografie sichtbar.<br />

The End of the Dream<br />

31. August <strong>2011</strong> – 3. September <strong>2011</strong><br />

Andreas Mühe<br />

31. August <strong>2011</strong> – 16. Oktober <strong>2011</strong><br />

Unheimlich vertraut<br />

10. September – 4. Dezember <strong>2011</strong><br />

MicaMoca Project Berlin e.V.<br />

Lindower Str. 22, 13347 Berlin<br />

www. micamoca.de<br />

Kunsthalle Rostock<br />

Hamburger Str. 40, 18069 Rostock<br />

www.kunsthallerostock.de<br />

C/O Berlin<br />

Oranienburger Str. 35/36, 10117 Berlin<br />

www.co-berlin.com


52 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Kunst & Kultur | Kino | Planet der Affen<br />

Planet<br />

der Affen<br />

Prevolution<br />

Autor: M. Breuer<br />

Der etwas unvorteilhaft gewählte<br />

Titel verrät es schon, der Film ist ein so<br />

genanntes „Prequel“, eine rückversetzte<br />

bzw. vorangestellte Fortsetzung. Hier<br />

bekommen wir nun endlich heraus, wie<br />

es zur von intelligenten Schimpansen<br />

bewohnten Erde kommen konnte, auf<br />

der Charlton Heston und seine Crew im<br />

Original „Affen-Film“ aus dem Jahre 1968<br />

notlandeten. Wen interessiert’s? Eigentlich<br />

niemanden, wenn der Film nicht so<br />

gut wäre! Ja! „Planet der Affen: Prevolution“<br />

macht fast alles richtig und ist einer<br />

der wenigen guten Blockbuster zum<br />

Ende des Sommers.<br />

Auftritt: Doktor Will Rodman (James<br />

Franco). Der Wissenschaftler hat im<br />

Rahmen seiner Alzheimer-Forschung<br />

einen Virus, der auf den schnittigen<br />

Namen ALZ 112 hört, entwickelt, mit<br />

dessen Hilfe zerstörtes Hirngewebe<br />

wiederhergestellt werden kann. Doch<br />

wie das so mit der Wissenschaft ist, läuft<br />

nicht alles wie geplant und die für die<br />

Experimente verwendeten Schimpansen<br />

werden eingeschläfert. Nur Affenbaby<br />

Caesar kann gerettet werden und<br />

wächst trotz Virusinfektion bei Rodmans<br />

zu Hause auf. Dabei stellt Will schnell<br />

fest, dass Caesars Intelligenz nicht nur<br />

die seiner Artgenossen, sondern auch<br />

die gleichaltriger menschlicher Kinder<br />

bei Weitem übertrifft. Einmal ausgewachsen<br />

ist der Schimpanse allerdings<br />

nicht mehr nur noch niedlich und muss<br />

lernen, mit seiner „affenstarken“ Kraft<br />

klarzukommen. Schließlich landet er im<br />

Tierheim, welches mit seinen sadistischen<br />

Pflegern eher einem Guantanamo-Folter-Trakt<br />

ähnelt. Und so kommt<br />

es, wie es kommen muss: Der hochbegabte<br />

Caesar stiftet seine „inhaftierten“<br />

Artgenossen zur Revolution an. Wer das<br />

Original aus den Sechzigern kennt, der<br />

weiß: Der Menschheit geht es jetzt an den<br />

Kragen. Doch trotzdem findet Regisseur<br />

Rupert Wyatt, auf dessen Konto der exzellente<br />

Knastthriller “The Escapist” geht,<br />

durch seine intensive Inszenierung einen<br />

Weg, das Publikum am Ball zu halten.<br />

Man fühlt in jeder Sekunde mit Caesar<br />

mit, freut sich über seine ersten Schritte,<br />

ist auf seiner Seite, wenn ihn der fiese<br />

Nachbar anbrüllt, will am liebsten gen<br />

Kinoleinwand greifen und ihm das Gassi-<br />

Geh-Halsband selbst abnehmen. Man<br />

drückt kaum einem der Menschen die<br />

Daumen, wenn die große Affenrevolte<br />

beginnt.<br />

Eine Evolution ist „Planet der Affen:<br />

Prevolution“ vor allem auf der technischen<br />

Ebene: Vorbei sind die Zeiten, als<br />

Tom Hanks noch etwas kantig, ruckelnd<br />

mit seinem “Polar Express” durch die<br />

animierte Winterlandschaft tuckerte.<br />

Andy „Gollum“ Serkis’ ausdrucksstarke<br />

Mimik und die „Avatar” Motion-Capture-<br />

Technik wirken in Symbiose so beängstigend<br />

realistisch, dass man getrost sagen<br />

kann: James Franco & Co. werden, trotz<br />

schauspielerischer Höchstform, von<br />

einem CGI-Affen an die Wand gespielt.<br />

„Planet der Affen“ ist ein Klassiker<br />

geworden, seine bisher lahmen Fortsetzungen<br />

nicht. Auch Tim Burtons Frischzellenkur<br />

mit Mark Wahlberg war vor<br />

zehn Jahren nichts Besseres als 08/15-<br />

Action-Ware. Erst jetzt gelingt es den Kult<br />

würdig wieder zu beleben und gänzlich<br />

unerwartet, einen der besten Filme des<br />

Jahres abzuliefern.<br />

Website zum Film:<br />

www.planetderaffen-prevolution.de


Kunst & Kultur | Kino | Planet der Affen<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 53<br />

Fotos: 20th Century Fox


54 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Kunst & Kultur | Kino | Planet der Affen


Kunst & Kultur | Kino | Planet der Affen<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 55


56 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Kunst & Kultur | Kino | Hell<br />

Hell<br />

Die Welt wie wir sie kennen<br />

existiert nicht mehr<br />

Autor: M. Breuer<br />

Fotos: Paramount Pictures<br />

Es ist heiß in Regisseur Tim Fehlbaums<br />

Hölle, verdammt heiß. Wir schreiben das<br />

Jahr 2016, die Sonne hat mir ihrer Strahlkraft<br />

alles dahingerafft, was sich tagsüber<br />

nicht in irgendeiner Höhle verstecken<br />

oder hinter Holzbarracken einmauern<br />

kann. Auch Deutschland ist der Apokalypse<br />

nicht entkommen. Marie (Hannah<br />

Herzsprung), ihre kleine Schwester<br />

Leonie (Lisa Vicari), Freund Phillip (Lars<br />

Eidinger) und Mechaniker Tom (Stipe<br />

Erceg) haben ihr Hab und Gut in einen<br />

abgewrackten Volvo verfrachtet und<br />

sind unterwegs in Richtung Gebirge, wo<br />

es Wasser geben soll. Ja, in fünf Jahren<br />

sind sie vorbei, die Tage in denen man<br />

stundenlang unter der Dusche stehen<br />

konnte. Körperpflege? Fehlanzeige! In<br />

„Hell“ wird um jeden Tropfen Wasser<br />

gekämpft. Debütregisseur Tim Fehlbaum<br />

krierte einen atmosphärisch dichten<br />

Thriller, der das psychologische Spiel mit<br />

menschlichen Urängsten durch intensive<br />

Bilder und eine eindringliche Erzählweise<br />

körperlich spürbar werden lässt, dem sich<br />

der Zuschauer nicht entziehen kann.<br />

Die Darsteller sehen aus, als wären sie<br />

stundenlang durch Matsch gekrochen<br />

und hätten sich seit Jahren die Haare nicht<br />

gewaschen. Wie Vampire verkriechen<br />

sich die Hauptakteure immer wieder in<br />

ihren mit Zeitungsfetzen abgedunkelten<br />

Wagen. Dazu kreieren die Filmemacher<br />

durchgestylte Bilder. Grelles Sonnenlicht<br />

brennt sich in die Netzhaut der Zuschauer<br />

und erzeugt einen nahezu körperlich<br />

spürbaren, nüchternen Realismus, den<br />

es selten in deutschen Produktionen zu<br />

sehen gibt. In „Hell” sieht es nicht allzu<br />

gut aus für die Menschheit, sogar vor<br />

Vergewaltigung und Kannibalismus wird<br />

nicht haltgemacht. Verstörend wirkt<br />

„Die Blechtrommel”-Star Angela Winkler<br />

als erbarmungsloses Backwood-Familien-Oberhaupt<br />

und man fragt man sich<br />

unweigerlich: Wie es kommen kann, dass<br />

es solch ein Stoff durch hiesige Filmför-<br />

der-Gremien schafft? Gut, US-Regie-Star<br />

Roland Emmerich und die Paramount<br />

sind in den Credits zu lesen, deshalb wohl<br />

der eher internationale Flair. Trotzdem<br />

setzt man in den Büros einheimischer<br />

Filmförderanstalten bekanntlich eher<br />

auf spröde Geschichtsdramen, Beziehungskomödien<br />

oder Migrationsthemen.<br />

„Hell“ aber ist ein deutscher Genrefilm,<br />

der auch noch gut ist. Spannend erzählt,<br />

beklemmend inszeniert und ohne<br />

jegliche Pseudomoral. Auf dem Filmfest<br />

München gefeiert, zeigt „Hell” zwar<br />

für versierte Genrefans nichts bahnbrechend<br />

Neues auf der Leinwand, kokettiert<br />

mit Elementen des Splatterfilms,<br />

suhlt sich nicht in Blut und Gedärmen,<br />

aber fasziniert dennoch als wirklich facettenreicher<br />

Endzeitstreifen. So etwas gibt<br />

es in Deutschland also doch, auch wenn<br />

Hannah Herzsprung und ihre Kollegen<br />

dafür buchstäblich durch die Hölle<br />

mussten.<br />

Website zum Film:<br />

www.hell-derfilm.de


Kunst & Kultur | Kino | Hell<br />

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58 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Kunst & Kultur | Kino | Hell


Kunst & Kultur | Kino | Hell<br />

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Das Porträt<br />

<strong>THE</strong> FRUIT TREE<br />

FOUNDATION<br />

Autor: F. Reip<br />

Fotos: Chemikal Underground<br />

Seit 2007 findet immer im Oktober<br />

das „Scottish Mental Health Arts and<br />

Film Festival“ statt, über ganz Schottland<br />

verstreut werden dann zahlreiche<br />

Konzerte und Film-Screenings ausgerichtet,<br />

die zur Reflexion über die Problematik<br />

psychischer Krankheiten anregen<br />

wollen. Im Vorfeld der vierten Ausgabe<br />

im vergangenen Oktober fand sich auch<br />

eine Reihe von Musikern aus namhaften<br />

schottischen Indiefolk-Bands zusammen,<br />

um unter dem Namen The Fruit Tree<br />

gemeinsam ein Album aufzunehmen.<br />

Von einem „Who is Who“ der nationalen<br />

Musikszene zu sprechen, fällt im Falle<br />

Schottlands mit seiner schier unerschöpflichen<br />

musikalischen Vielfalt schwer,<br />

nichtsdestotrotz ist die Liste der betei-<br />

ligten Künstler beeindruckend: Emma<br />

Pollock von den Delgados und Rod Jones<br />

von Idlewild, die das Projekt initiierten,<br />

Scott Hutchison von Frightened Rabbit,<br />

James Graham von Twilight Sad oder<br />

Jenny Reeve, die vor zehn Jahren bereits<br />

Mitglied der ebenfalls aus Schottland<br />

stammenden Supergroup The Reindeer<br />

Section war, sind nur einige der Musiker,<br />

die auf „First Edition“ zu hören sind.<br />

Die Platte war im vergangenen Jahr im<br />

Rahmen des Festivals exklusiv auf zwei<br />

Konzerten in Edinburgh und Glasgow<br />

erhältlich, seit Mitte August ist sie nun<br />

auch weltweit zu haben. Die Suche nach<br />

einem passenden Label, das den internationalen<br />

Release stemmen könnte,<br />

war nicht schwierig – immerhin wurde<br />

das renommierte, in Glasgow beheimatete<br />

Indie-Label Chemikal Underground<br />

im Jahr 1994 von Pollock und ihren<br />

Delgados-Bandkollegen gegründet. Zu<br />

diesen zählte zu dieser Zeit auch noch<br />

Stewart Henderson, der als Labelchef<br />

von Chemikal Underground fungiert –<br />

und einer typischen Sorge vorgreift, die<br />

manch einer im Zusammenhang mit<br />

einem Album wie „First Edition“ haben<br />

mag:<br />

Alben, die das Ergebnis einer großen Kooperation<br />

sind, meinen es ja häufig gut, bleiben<br />

aber letztlich meist doch Patchwork. Bei<br />

The Fruit Tree Edition ist das entschieden<br />

nicht der Fall. Denn auch wenn der Zweck,<br />

den die Platte unterstützt, enorm wichtig<br />

ist, so war es doch tatsächlich die Stärke<br />

des Albums selbst, die uns umgehauen<br />

hat – was vielleicht auch keine echte Überraschung<br />

ist, wenn man bedenkt, wer<br />

daran beteiligt war. ‚First Edition’ ist eine<br />

außerordentlich geschlossene Arbeit, die<br />

das beste aus allen beteiligten Künstlern<br />

herausgeholt zu haben scheint, und die für<br />

sich steht als ein Album voller Intelligenz,<br />

Einsicht und vor allem, unwiderstehlich<br />

tollen Liedern.<br />

Die Kraft<br />

der Musik<br />

Die 14 Songs, die sich auf „First Edition“<br />

finden und bei denen es sich fast<br />

ausnahmslos um Duette handelt, entstanden<br />

innerhalb von gut zwei Wochen<br />

auf einer entlegenen Farm in Perthshire<br />

im Herzen Schottlands und befassen<br />

sich allesamt mehr oder weniger<br />

konkret mit dem Thema psychischer<br />

Verfassung. Trotz des ernsten Themas ...


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Kunst & Kultur | Das Porträt<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 65<br />

ist die Musik aber keineswegs ausschließlich<br />

still, introvertiert oder düster ausgefallen.<br />

Vielmehr wirken die meisten<br />

Songs ausgesprochen stark und hoffnungsvoll.<br />

Emma Pollock (Bild links)<br />

erzählt von dieser Erfahrung:<br />

Die Songs in diesem Haus in Perthshire<br />

zu schreiben, so intensiv, so fokussiert,<br />

hat mir vor Augen geführt, welch<br />

umfassendes Wesen Musik doch besitzt<br />

und wie es ihr stets gelingt, eine ganze<br />

eigene Energie zu Tage zu bringen und<br />

zu transportieren. Als wir alle am ersten<br />

Tag das Haus betraten, hatten wir im<br />

Grunde noch keine Ahnung, was wir<br />

tun würden, aber letztlich wurden<br />

wir alle von der neu geschaffenen<br />

Musik mitgerissen, und es herrschte<br />

eine wirklich positive Atmosphäre im<br />

Haus.<br />

Emma Pollock war an vier Songs<br />

beteiligt, gemeinsam mit Rod<br />

Jones schrieb sie etwa das bezaubernde<br />

Popstück „Hired Help“, das<br />

ganz spontan entstand:<br />

Wir saßen in einem der Schlafzimmer<br />

und Rod hatte plötzlich<br />

diese tolle Gitarrenmelodie, die<br />

ich sofort liebte und über die ich<br />

gleich eine Melodie sang – erst<br />

danach unterhielten wir uns über<br />

die Lyrics. Sie handeln von losen<br />

Erinnerungen an Freunde aus<br />

unserer Kindheit und darüber, wie<br />

sich unser Verhältnis zu ihnen<br />

stets veränderte, während wir<br />

älter wurden.<br />

Rod Jones ergänzt:<br />

Mit jemand anderem einen Song zu<br />

schreiben, ist eine merkwürdige Erfahrung<br />

– es ist aber auch eine heikle Angelegenheit,<br />

wenn man es mit jemandem macht,<br />

den man zugleich bewundert und mit dem<br />

man vorher noch nie zusammengearbeitet<br />

hat. Ich war daher ganz baff, wie entspannt<br />

und offen Emma wirkte: Während wir über<br />

unsere Kindheit sprachen, hatte ich das<br />

Gefühl, mit einem alten Freund in Erinnerungen<br />

zu schwelgen. Emma hatte übrigens<br />

auch eine ziemlich feste Vorstellung<br />

von der Musik, nämlich so: viele verschiedene<br />

Akkorde unterzubringen wie möglich.<br />

Unsere gemeinsame Arbeit an ‚Hired Help’<br />

gehört für mich zu meinen liebsten Erinnerungen<br />

und zu den lehrreichsten Erfahrungen<br />

der ganzen Platte.<br />

Zugleich wusste Pollock von Jones zu<br />

lernen:<br />

Ich liebte das hohe Tempo des Songs und<br />

wie Rod in einer Weise auf der Gitarre spielte,<br />

die ich selbst nicht beherrschte. Es ist übrigens<br />

interessant, dass er in seiner Strophe<br />

eine komplett andere Melodie sing als ich<br />

in meiner, so dass wir also beide verschiedene<br />

Interpretationen des gleichen Liedes<br />

abgeben, wie man es in Songs mit nur einem<br />

Sänger nur selten zu hören bekommt. Bei<br />

den Aufnahmen erwachte das Stück dann<br />

so richtig zum Leben, und ich denke, dass er<br />

etwas Aufregendes und Großartiges an sich<br />

hat. Ich bin sehr stolz darauf.<br />

Und auch zum Thema Perspektive(n) hat<br />

Pollock etwas zu sagen:<br />

Musik sorgt dafür, dass du aus dir selbst<br />

heraustrittst, und ihre Stimmung und ihr<br />

Schwung können dich völlig in Beschlag<br />

nehmen. Dieser Perspektivwechsel kann<br />

eine wundervolle Sache sein, und ich liebe<br />

die Tatsache, dass es da draußen so viel<br />

Musik gibt, in die wir eintauchen können,<br />

wann immer wir etwas Neues erfahren<br />

wollen.<br />

Aussagen, die Isabella Goldie, Leiterin der<br />

schottischen Abteilung für psychische<br />

Therapien bei der Mental Health Foundation,<br />

die das Festival ins Leben gerufen<br />

hatte, nur unterstreichen kann:<br />

Musik ist in der Lage, die Menschen auf<br />

emotionaler und persönlicher Ebene zu<br />

erreichen. Sie kann dir helfen, dich weniger<br />

allein zu fühlen, sie kann dir das Gefühl<br />

vermitteln, Teil von etwas zu sein – oder<br />

auch einfach den Tag etwas besonderer<br />

erscheinen lassen. Für uns alle gibt es<br />

Lieder, die uns etwas bedeuten, und wie<br />

keine andere Kunstform vermag es Musik,<br />

Erinnerungen zu schaffen. Eine Welt ohne<br />

Musik ist unvorstellbar. Die Künstler der<br />

Tree Fruit Foundation haben sich zusammengefunden,<br />

um einige der Stereotypen<br />

in Frage zu stellen, die wir mit Menschen<br />

mit psychischen Krankheiten verbinden. Ihr<br />

Projekt schafft eine Chance, darüber nachzudenken.<br />

Website zum Thema:<br />

www.fruittreefoundation.com


66 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Kunst & Kultur | Im Gespräch<br />

Im Gespräch<br />

Die Fantastischen Vier<br />

Autor: F. Reip<br />

Unter dem Motto „Ungewöhnliche Events<br />

an ungewöhnlichen Orten“ luden Beck’s<br />

Gold und die Fantastischen Vier am<br />

19. August <strong>2011</strong> zur zweiten Ausgabe der<br />

„Fresh Experiences“.<br />

Nach dem K21 Ständehaus in Düsseldorf,<br />

einem Museum für moderne und<br />

zeitgenössische Kunst, wurde dieses<br />

Mal das Blohm & Voss Werftgelände<br />

im Hamburger Industriehafen in eine<br />

Konzertlocation verwandelt.<br />

<strong>BOLD</strong> sprach mit Thomas D von den<br />

Fantastischen Vier ...<br />

Am Hamburger Hafen seid ihr an einem<br />

vergleichsweise ungewöhnlichen Ort<br />

aufgetreten. Was reizt euch daran?<br />

Gemeinsam mit Becks haben wir uns<br />

überlegt, Konzerte an Orten zu spielen,<br />

an denen es noch nie ein Event dieser Art<br />

gegeben hat. Locations für einen Abend<br />

zum Konzertsaal zu machen und das<br />

Ganze Dank einem speziellen Lichtkonzept<br />

in ein einmaliges Ambiente zu tauchen,<br />

war der besondere Reiz und die Herausforderung.<br />

Nach dem ersten Konzert im<br />

Ständehaus sind wir nun in die Industrie-<br />

athmosphäre eines Trockendocks eingetaucht.<br />

Ich glaube, dass das nicht nur<br />

für uns, sondern vor allem auch für das<br />

Publikum ein ganz besonderer Abend war.<br />

An welchen anderen ausgefallenen<br />

Orten habt ihr live gespielt?<br />

Unser Unplugged-Konzert in der Balver<br />

Höhle war nicht nur ein „MTV Unplugged“-<br />

Ritterschlag, sondern sozusagen auch „real<br />

underground“. Aber wir gehen auch gerne<br />

hoch hinaus, wie wir mit einem Konzert an<br />

der Zugspitze bewiesen haben.<br />

Wo möchtet ihr gern auftreten – und<br />

wo nie wieder?<br />

Ich fände den Eifelturm ganz interessant –<br />

frag mich nicht warum ... Zur zweiten Frage:<br />

Wahrscheinlich werden wir nie wieder zu<br />

„Musik liegt in der Luft“ gehen (der Auftritt<br />

fand im Jahr 1992 statt, Anm. d. Red.) – was<br />

aber auch gleichzeitig schade ist, denn die<br />

Anmoderation von Dieter Thomas Heck<br />

war legendär.<br />

Welche Relevanz hat das Thema<br />

„Perspektive(n)“ für euch als Künstler,<br />

Band für eure Arbeit?<br />

Auf unserer letzten Tour spielten wir auf<br />

einer gigantischen Mittelrundbühne und<br />

boten somit dem Publikum eine ganz neue<br />

Sicht auf die Fantas. Das hat uns selbst so<br />

geflasht, dass wir das diesen Dezember<br />

noch einmal machen werden. Insofern<br />

suchen wir immer wieder nach neuen<br />

Perspektiven für uns und das Publikum,<br />

um ein unvergessliches Konzerterlebnis zu<br />

schaffen!<br />

In den 20 Jahren eurer Karriere habt ihr<br />

euer Verhältnis zu Musik und Publikum<br />

immer wieder aus neuen Perspektiven<br />

erlebt, auch euer Song „Dann mach<br />

doch mal“ macht das deutlich ...<br />

Als Künstler sucht man natürlich ständig<br />

nach neuen Herausforderungen, will sich<br />

verändern, weiterentwickeln und wachsen.<br />

Das ist der Grund, warum wir immer an<br />

uns arbeiten. Unsere größte Angst ist, stehen<br />

zu bleiben und uns zu wiederholen. Aber<br />

ich denke, wir besitzen genug Mut und<br />

Selbstkritik um, rechtzeitig aufzuhören.<br />

Falls dass je der Fall sein sollte.<br />

Welche Assoziationen verbindet ihr<br />

mit der Redewendung: „Perspektiven<br />

schaffen“?


Kunst & Kultur | Im Gespräch<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 67<br />

Foto: Beck‘s Gold<br />

Wir glauben alle, irgendwann mehr oder<br />

weniger die Welt erfasst zu haben. Wir<br />

denken, wir wissen, wer wir sind, wo wir<br />

stehen und wie es läuft. Aber das ist falsch<br />

und es wird immer falsch bleiben! Durch<br />

einen Perspektivenwechsel, durch die Fähigkeit,<br />

die Welt mit anderen Augen zu sehen,<br />

schaffen wir neue Möglichkeiten, bleiben<br />

flexibel und können uns auf die sich ständig<br />

verändernde Weltsituation einstellen. So<br />

bleibt das Leben spaßig und abwechslungsreich.<br />

Perspektiven zu haben, ist insofern<br />

gut, als man nicht vergisst, dass wir<br />

alle ständig unseren Standpunkt ändern,<br />

solange wir nicht stehen bleiben.<br />

Worauf darf man in der Zukunft<br />

gespannt sein? Nicht umsonst habt<br />

ihr euer letztes Album ja mit der Frage<br />

„Was wollen wir noch mehr?“ schließen<br />

lassen.<br />

Nach unserer Tournee im Winter werden<br />

wir uns nächstes Jahr zurückziehen, um<br />

an einem neuen Album zu arbeiten. Wieder<br />

einmal im Versuch, uns neu zu erfinden.<br />

Was wollen wir noch mehr? Noch lange<br />

nicht aufhören!<br />

Links zum Thema:<br />

www.diefantastischenvier.de<br />

www.becks.de/gold


68 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Kunst & Kultur | Hörenswert | CD<br />

Hörenswert<br />

Beats and Emotions<br />

Autor: O. Franke<br />

Unter dem Pseudonym „Stars for the<br />

Banned“ produziert der Klangkünstler<br />

Robert Guenther aus Wien seine Musik.<br />

Ungefiltert emotional webt er mit seinen<br />

trautig-hoffnungsvollen Melodien ein<br />

tonal einzigartiges Gewand.<br />

Die ruhigen Momente schaffen eine<br />

ungemein intime, jedoch immer hoffnungsvolle<br />

Atmosphäre, wenn es lauter<br />

wird breiten sich herrliche Melodien<br />

aus. Und für alle Schubladendenker: Das<br />

Etikett Radiohead beschreibt und adelt<br />

die Musik wohl am Besten. Auch Get<br />

Well Soon, die man ja getrost als Könige<br />

dieser Stilrichtung im deutsch-sprachigen<br />

Raum bezeichnen darf, haben Gefallen<br />

an Stars for the Banned gefunden und<br />

ihn bereits mit auf Tour genommen.<br />

Foto: Stars for the Banned<br />

Empfehlung


Kunst & Kultur | Hörenswert | CD<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 69<br />

Seit 14 Jahren arbeitet Armin van Buuren<br />

als DJ und Produzent. Die Liste seiner<br />

jüngsten Erfolge liest sich wie die Abhandlung<br />

einer gesamten Karriere. 2008 wurde<br />

er mit dem Buma Cultuur Pop Award<br />

ausgezeichnet. Es folgten die Auszeichnung<br />

als bester Trance Artist in den Beatport<br />

Music Awards, „Best European DJ“<br />

bei den 2009 IDMA Awards, „Best Global<br />

DJ“ 2010 sowie ‚ Most Popular International<br />

DJ“ bei Australia‘s Sony Inthemix<br />

DJ Poll. Im März 2010 erhielt er mit der<br />

„Gouden Harp“ die höchste Auszeichnung,<br />

die ein niederländischer Künstler<br />

bekommen kann. Und am Königinnentag<br />

<strong>2011</strong> wurde Armin zum Officer im Orden<br />

von Oranje-Nassau ernannt.<br />

„Mirage“ erreichte in den Niederlanden<br />

schon nach kurzer Zeit Gold-Status und<br />

erscheint jetzt als Deutsche Ausgabe bei<br />

Kontor Records.<br />

Wer erinnert sich nicht an die gelbe<br />

Puppe, die einst ihre Karriere in Levi’s-<br />

Werbespots begann und dann mit<br />

Mr. Oizos Flatbeat zum Headbang-Idol<br />

wurde? In Deutschland schaffte es die<br />

Single auf Platz 1 der Charts und hielt<br />

sich anschließend weiter elf Wochen in<br />

den Top 10.<br />

Nach einer kreativen Pause ist Flat Eric<br />

jetzt zurück. Auf dem Comeback-Album<br />

„Flat Eric pres. Flat Beats“ findet man 14<br />

Songs ganz in Flat Eric Manier. Hierzu<br />

wurden alle Freunde zusammengetrommelt,<br />

an dem neuen Album haben<br />

illustre Namen wie Edita Abdieski, Alexander<br />

Fatseas, Tom Novi, Jerry Ropero<br />

und Santiago Cortes von der Ibiza<br />

House Mafia mitgebastelt. Für die Flat-<br />

Fans, die Eric seit 1999 auf unzähligen<br />

Web-Pages die Treue gehalten haben,<br />

ist das Album ein Muss. Aber auch für<br />

den normalen Musikinteressierten hat<br />

das Album durchaus Potenzial zum<br />

Headbangen.<br />

Immer und überall erreichbar, stets auf<br />

dem Sprung, mindestens zwei Dutzend<br />

mehr oder weniger wichtige Dinge<br />

gleichzeitig managen. Den Moment als<br />

solchen nimmt man nur noch selten<br />

bewusst war. Ein entspannter Sonntag<br />

mit Freunden? Lang ist es her!<br />

„Wavemusic Public Chill“ – lädt ein, das<br />

Leben mal wieder zu genießen. Just chill,<br />

and hang out in style! Auf der Compilation<br />

findet sich die Crème de la Crème der<br />

Laid-Back Grooves. Entspannte Lounge-<br />

Klänge treffen auf die sonnigen Singer/<br />

Songwriter-Tracks, relaxte Soul-Grooves<br />

mischen sich mit Chill-Klassikern von<br />

Künstlern wie Blank & Jones, Soulounge<br />

feat. Roger Cicero, Smoove & Turrell,<br />

Peter Malick feat. Norah Jones und vielen<br />

anderen. Schöne Idee und musikalisch<br />

gelungen umgesetzt.<br />

Empfehlung<br />

<br />

Empfehlung<br />

<br />

Empfehlung


70 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Kunst & Kultur | Hörenswert | CD | Track-By-Track<br />

Track-By-Track<br />

KASABIAN<br />

VELOCIRAPTOR<br />

Autor: F. Reip<br />

Fotos: Sony Music<br />

Während den meisten Indierockbands<br />

spätestens mit der zweiten Platte die<br />

Luft ausgeht, haben sich Kasabian ihren<br />

Biss erhalten und präsentieren sich auf<br />

„Velociraptor!“, ihrem vierten Album<br />

und Nachfolger von „West Ryder Pauper<br />

Lunatic Asylum“ (2009), spannungsgeladener,<br />

vielschichtiger, überraschender,<br />

schlicht: besser als je zuvor. <strong>BOLD</strong> traf<br />

Songwriter Sergio Lorenzo Pizzorno bei<br />

bester Laune am Potsdamer Platz in Berlin<br />

und bat um seine Kommentare zu den elf<br />

neuen Songs ...<br />

1. Let’s Roll Just Like We Used To<br />

Es ist eine Band-Tradition, dass wir immer<br />

mit einem Knaller starten, und diesmal<br />

sollte es etwas sein, das man bislang noch<br />

nicht gehört hatte. Der Hörer soll sich<br />

fragen: „Wow, was passiert hier denn!?“.<br />

Zu den Lyrics: Tom (Meighan, Sänger der<br />

Badn, Anm.d.Red.) und ich sind zusammen<br />

aufgewachsen, wir lebten auf dem Bauernhof,<br />

rauchten Joints, warteten auf Aliens<br />

– um das Gefühl dieser Zeit dreht sich der<br />

Songtext. Der Song erinnert mich übrigens<br />

auch ein bisschen an die Band Love.<br />

2. Days Are Forgotten<br />

Die erste Single. Der Song richtet sich an<br />

deinen Boss, deine Exfreundin, deinen<br />

schlimmsten Feind – wem auch immer<br />

deine Nase nicht passt, so wie man das<br />

aus dem HipHop kennt. Deswegen auch<br />

der HipHop-Beat. Wir haben schon immer<br />

mit solchen Beats gespielt, aber hier sollte<br />

es ganz direkt und unmittelbar sein. Überhaupt<br />

gehen wir mit allem, was wir auf<br />

„Velociraptor!“ machen, aufs Ganze.<br />

Was ich an dem Song besonders mag,<br />

ist dieser Yoko Ono-mäßige Urschrei.<br />

Irgendwie hat gerade im Angesichts all der<br />

Technologie im Leben so ein Schrei etwas<br />

sehr Modernes.<br />

3. Goodbye Kiss<br />

Ein echter Popsong, er handelt von einer<br />

selbstzerstörerischen Liebe. Die Melodie<br />

hab ich ewig mit mir herumgetragen. Toms<br />

Gesang auf dem Stück ist so herzzerreißend,<br />

dass man weinen könnte. Vielleicht wird<br />

das später noch eine Single – wir wollten<br />

den Leuten aber nicht gleich am Anfang so<br />

einen poppigen Schrecken einjagen.<br />

4. La Fée Verte<br />

Der Song dreht sich um Absinth und wie er<br />

dich irre macht und auch eine Möglichkeit<br />

des Vergessens, der Flucht darstellt. Ich liebe<br />

den Sound von 1968 – oder 1969? (lacht),<br />

und hier ist es mir endlich zum ersten Mal<br />

gelungen, das so richtig einzufangen.<br />

5. Velociraptor!<br />

Der Song ist für mich wie ein Comic-Buch,<br />

in seiner Explosionskraft und Wucht. Funktioniert<br />

live übrigens richtig gut. Ich würde<br />

sagen, das Stück markiert zudem das Ende<br />

von „Seite 1“ – ich bin so altmodisch, ich<br />

denke da immer noch in zwei Seiten wie bei<br />

einer Schallplatte. „Velociraptor!“ erscheint<br />

natürlich auch auf Vinyl!


Kunst & Kultur | Hörenswert | CD | Track-By-Track<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 71<br />

6. Acid Turkish Bath (Shelter From the<br />

Storm)<br />

Der Opener von „Seite 2“ startet mit diesem<br />

indianischen Ruf, ein ähnlicher Effekt wie<br />

bei „Let’s Roll ...“. Ein ganz schwerer, HipHopgetriebener<br />

Beat, das Ganze erinnert an<br />

„Kashmir“ von Led Zeppelin und vielleicht<br />

auch ein bisschen an CAN – bloß mit einem<br />

großen Refrain!<br />

9. Man Of Simple Pleasures<br />

Ein ganz einfacher Song, der sich um<br />

das Wesentliche im Leben dreht. Wenn<br />

man die Nase voll hat von all der Elektronik,<br />

kann es so gut tun, einfach mal<br />

durch die Straßen zu laufen, Freunde zu<br />

treffen, angeln zu gehen. Das Stück hat<br />

etwas Zombiehaftes: es ist gunslinger<br />

rock’n’roll!<br />

7. I Hear Voices<br />

10. Switchblade Smiles<br />

Das ist wie Kraftwerk! Diese Minimal-<br />

Elektronik ... Ich wollte schon immer herausfinden,<br />

wie es wirkt, wenn man eine richtig<br />

gute Akustik-Nummer mit all ihren Harmoniewechseln<br />

und einer richtigen Melodie<br />

mit hypnotischer Elektro-Musik kombiniert.<br />

Eigentlich sollte das gar nicht funktionieren,<br />

da ja das Hypnotische gerade durch<br />

die Monotonie entsteht – ich denke aber,<br />

wir haben es hier gut hingekriegt, und das<br />

Stück entführt dich für einen Moment in<br />

eine komplett andere Dimension.<br />

8. Re-wired<br />

Ein Stück New Yorker Sleazy Disco, für das<br />

ich aber auch von Daft Punks „Homework“<br />

beeinflusst wurde und von der Art, wie dort<br />

mit Geschwindigkeit gearbeitet wird. Und<br />

es hat diesen gewaltigen Refrain, der fast<br />

ein bisschen an Nirvana erinnert.<br />

Zu dem Stück könnte man super mit dem<br />

Chevi durch die Wüste cruisen – oder man<br />

träumt sich halt dorthin. Vermutlich unser<br />

radiotauglichstes Stück bislang.<br />

Ich wollte den Adrenalin-Rush auf<br />

Platte bringen, den man vor einem<br />

Kampf im ganzen Körper spürt. Es<br />

ist schon sehr, sehr lang her, dass<br />

ich selbst in einen Fight verwickelt<br />

war, aber man merkt das<br />

auch, wenn man nur in der Nähe<br />

ist – dieses Gefühl, wenn die<br />

Dinge ins Rollen geraten.<br />

Der Song sollte bis in die<br />

Knochen gehen, einen erschüttern,<br />

diese Energie wollte ich heraufbeschwören.<br />

Der Moment nach der<br />

Pause in der Mitte... live ist das fucking<br />

massive! Der Titel geht übrigens auf ein<br />

Interview mit Morgan Freeman zurück, in<br />

dem er von jemandem sprach, der einen<br />

solchen switchblade smile hatte.<br />

11. Neon Noon<br />

Inspiriert durch „Wish You Were Here“ von<br />

Pink Floyd, das ich eines Tages in New<br />

York im Radio hörte – und durch Stanley<br />

Kubrick, denn ich wollte einen Song<br />

schreiben, der in einem seiner Filme laufen<br />

könnte. Das Album entführt dich in eine<br />

andere Galaxie, und mit diesem Stück<br />

landet man wieder auf der Erde und denkt<br />

sich: „Was für ein Wahnsinnstrip, zum Glück<br />

war ich dabei!“<br />

Links zum Thema:<br />

www.kasabian.co.uk<br />

www.sonymusic.de


72 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong>


<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 73<br />

the<br />

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74 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Reise | Ibiza oder doch wieder Mallorca<br />

Ibiza<br />

oder doch wieder<br />

Mallorca<br />

Autor: R. Cziwerny<br />

Fotos: R. Cziwerny<br />

Wer ein eingefleischter Fan ist, schaut<br />

oft nicht mehr weit über den Tellerrand<br />

seines vertrauten Terrains hinaus. Einmal<br />

Mallorca-Fan, immer Mallorca- Fan. Aber<br />

es gibt tatsächlich noch etwas anderes,<br />

was aber gar nicht so sehr anders ist. Ibiza<br />

gehört wie Mallorca zu der Inselgruppe<br />

der Balearen und umfasst nur etwa ein<br />

Siebtel der Oberfläche von Mallorca. Um<br />

auf Mallorca mit dem Auto vom Süden in<br />

den Norden zu gelangen, braucht man<br />

nicht ganz eine Stunde. Auf Klein-Ibiza<br />

auch! Der Grund dafür ist einer der grundsätzlichen<br />

Unterschiede zwischen den<br />

beiden Inseln. Ibiza ist unebener und hat<br />

deshalb im Gegenteil zu Mallorca bis<br />

heute keine inselerschließende Autobahn.<br />

Dafür begegnet einem auf den<br />

Landstraßen Vieles auf kurzer Strecke,<br />

wofür man dann leichter mal eben<br />

anhalten kann, um auf Entdeckungstour<br />

zu gehen – was sich meist auch lohnt.<br />

Mindestens eine der Zutaten aus dem<br />

Ibiza-Mix, bestehend aus Spanien, Orient,<br />

Hippies und Jetset, ist dort anzutreffen.<br />

Die Hippiekultur ist allerdings mittlerweile<br />

so kultiviert, dass man sie gar nicht<br />

mehr unbedingt als solche wahrnimmt.<br />

Spanien ist auf Ibiza wie auch auf Mallorca<br />

katalanisch, in Sprache und Kultur also<br />

etwas anders als das allgemeine Festland.<br />

Deshalb werden sich Balearen-Fans<br />

kulturell auf beiden Inseln sehr wohl<br />

und vertraut fühlen. Irritationen kann<br />

es bezüglich der Bezeichnung „Ibiza“<br />

geben. Denn nicht nur die Insel sondern<br />

auch seine Hauptstadt, adäquat zu Palma<br />

de Mallorca, wird Ibiza genannt. Hinzu<br />

kommt, dass die Einheimischen ihre Insel<br />

und ihre Hauptstadt aus historischem<br />

Hintergrund als Eivissa bezeichnen. Der<br />

ehemalige nationalsozialistische Diktator<br />

Francisco Franco, benannte Eivissa in Ibiza<br />

um. Zu dieser Zeit wurde Ibiza nach und<br />

nach in aller Welt bekannt – der Grund<br />

warum nur die Stadt nach der nationalsozialistischen<br />

Herrschaft wieder zurückbenannt<br />

wurde. So findet man heute<br />

beide Bezeichnungen für beide Gebiete.<br />

Die Hinweisschilder auf der Insel Ibiza<br />

weisen heute wieder den Weg zur Hauptstadt<br />

„Eivissa“.


<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 75


76 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Reise | Ibiza oder doch wieder Mallorca


Reise | Ibiza oder doch wieder Mallorca<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 77<br />

Die maurischen Eroberer brachten als<br />

Nomadenstämme Nordafrikas die noch<br />

heute zu findenden arabisch-orientalischen<br />

Einflüsse nach Ibiza und Mallorca.<br />

Ibizas<br />

sinnlicher Mix<br />

Auf Ibiza kommen indische Einflüsse<br />

durch die neuzeitlichen Aussteiger wie<br />

Hippies und Yogis hinzu. Daraus entsteht<br />

ein sehr sinnlicher Mix für Augen, Nase<br />

und Gaumen. Begegnungen dieser<br />

Art finden auf der Insel eher im Nordosten<br />

statt, zum Beispiel auf dem Hippiemarkt<br />

Las Dalias, gelegen vor dem Ort<br />

Sant Carles auf dem Gelände einer Finca.<br />

Sein Flair und sein Angebot sind sehr zu<br />

empfehlen. Hier findet man abseits der<br />

sonstigen Touristenmärkte leicht Liebhaberstücke<br />

von günstig bis exklusiv.<br />

Viel Zeit mitbringen! Im Hof der Finca<br />

kann man wunderbar entspannen und<br />

dabei die buntesten Vögel Ibizas beobachten.<br />

Auf den Landstraßen und Orten<br />

der Insel gibt es immer wieder unübersehbare<br />

bunte Boutiquen mit Indisch-<br />

Orientalischem zu bewundern. Besonders<br />

empfehlenswert zum Stöbern und<br />

Shoppen sind die Läden der kleinen<br />

Gassen in der weißen Altstadt zwischen<br />

der Festung und dem Hafen in Eivissa.<br />

Oase<br />

statt Restaurant<br />

Gaumenfreuden gibt es natürlich überall<br />

auf der Insel. Im Norden auf der Landstraße<br />

nach Sant Joan findet man allerdings<br />

eine Restaurantstraße der beson-<br />

deren Art. Eigentlich kann man die<br />

Grundstücke am Rande der Straße schon<br />

nicht mehr Restaurant nennen sondern<br />

eher Entspannungsoase. Neben dem<br />

Restaurantbetrieb findet man meist auch<br />

eine Cocktailbar, einen Liegebereich, DJs<br />

und Livemusik sowie Merchandising-<br />

Shops. Das alles unter freiem Himmel,<br />

bunt beleuchtet und von Weihrauch und<br />

Bambus wie ein Garten Eden umschlossen.<br />

Aber auch Restaurants mit mediterranen<br />

Tapa-, Grill-, und Landgerichten<br />

sind auf der Landstraße nach Sant Joan<br />

zu finden. Im Gegensatz zu den Discotheken<br />

sind diese sinnlichen Bespielungsorte<br />

ohne Eintrittsgelder zu genießen.<br />

Wer sich tagsüber in einer der unzähligen<br />

Buchten Ibizas aufhält, braucht um sein<br />

leibliches Wohl ebenfalls nicht zu bangen.<br />

In jeder der Buchten, die sich wie Perlen<br />

aneinanderreihen gibt es meist mehr als<br />

eine Bar oder ein Restaurant.<br />

Ruhe<br />

und Sturm<br />

Mit Flair und einem betörenden Meeresblick<br />

sind zwei Restaurants im Süden<br />

der Insel besonders zu empfehlen. Zum<br />

einen das Restaurant am Cap d‘es Falco<br />

mit weißen Chill-Liegen und wallenden<br />

Tüchern und zum anderen das karibisch-orientalische<br />

Restaurant, ganz am<br />

Ende der Straße nach Es Cavallet, links<br />

vom Strand Cavallet – beide eine wahre<br />

Wonne für den Rundumgenießer. In Es<br />

Cavallet geht es sogar schon tagsüber los.<br />

Schlemmen, sonnen, chillen, schweben.<br />

Im Westen der Insel, nördlich des Hafens<br />

von Sant Antoni, befindet sich dann ...


78 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Reise | Ibiza oder doch wieder Mallorca<br />

auch das bekannteste Café der Insel,<br />

das Café del Mar. Allerdings hat man<br />

zunächst Schwierigkeiten das Del Mar<br />

zwischen all den anderen Cafés auf der<br />

Promenade unterhalb der Balkonbunker<br />

zu finden.<br />

Sant Antoni bildet eher das Gegenstück<br />

zur orientalisch anmutenden Seite Ibizas.<br />

Der entspannte Blick auf den Sonnenuntergang<br />

ist deshalb weniger entspannend<br />

als turbulent. Von Promotiongirls durchmischte<br />

Menschenmassen werden von<br />

Securitypersonal in Bewegung gehalten,<br />

um den Cafébetrieb aufrecht zu erhalten.<br />

Die meisten Touristen schlendern mit<br />

voll betankten Plastikbechern interessiert<br />

an allem vorbei und setzen sich dann<br />

schließlich auf die Klippen, um mit der<br />

Musik del Mar die Sonne zu Bett gehen<br />

zu sehen.<br />

Disco<br />

ganz groSS<br />

Wer es schließlich zum Abend hin etwas<br />

hektischer haben will, stellt sich einfach<br />

unter die Einflugschneise des Flughafens<br />

südwestlich von Eivissa und schaut sich<br />

in der Touristenmeile am Platja d‘en Bossa<br />

um. In welchem blinkenden Tempel der<br />

Elektrowellen wird heute gezappelt? Zum<br />

Beispiel am Samstag für 60 Euro Eintritt<br />

ins Space mit Getränkepreisen von 7 Euro<br />

für eine Cola bis 17 Euro für einen Cocktail?<br />

Oder ins Landesinnere zu den Club-<br />

Ikonen Pacha oder Privilege? Wer etwas<br />

kleineres vorzieht, wird im „km5“ auf der<br />

Landstraße von Eivissa nach Sant Josep<br />

fündig.


Reise | Ibiza oder doch wieder Mallorca<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 79<br />

IBIZA<br />

oder Mallorca<br />

Diese Frage muß jeder für sich beantworten.<br />

Wer kleine Buchten, kurze Wege,<br />

und bunte Oasen mag, ist auf Ibiza goldrichtig.<br />

Auf beiden Inseln ist alles zu finden. Reizvolle<br />

Landschaften, weiße Strände, historische<br />

Städte und Sehenswürdigkeiten.<br />

Die kurzen Wege auf Ibiza haben den<br />

Vorteil, dass es viel einfacher ist, auf<br />

Entdeckungstour zu gehen. Alles ist kompakter<br />

und leichter zu erreichen als auf<br />

der größeren Schwester-Insel Mallorca.<br />

Der seit den 1970er-Jahren entwickelte<br />

Tourismus bietet alle Möglichkeiten für<br />

einen erholsamen Urlaub mit der Familie,<br />

als Pärchen oder Single. Und allen Clubgängern,<br />

die wahrscheinlich beste Party-<br />

Insel überhaupt.<br />

Links zum Thema:<br />

Hippiemarkt Las Dalias:<br />

www.lasdalias.es<br />

Entspannungsoasen:<br />

www.auraibiza.com<br />

www.bambuddha.com<br />

Discotheken:<br />

www.spaceibiza.com<br />

www.pacha.com/ibiza<br />

www.privilegeibiza.com<br />

www.km5-lounge.com


80 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Lifestyle & Trend | HOLMES PLACE | LIVE IT WELL<br />

Live it well<br />

Inspiration für ein<br />

gesundes Leben<br />

Autor: J. M. Brain<br />

Wer träumt nicht von einem durchtrainierten<br />

sexy Body? Einmal ganz abgesehen<br />

vom oberflächlichen Spiel der<br />

visuellen Reize, ist Sport einfach gesund!<br />

Regelmäßiger Sport heißt: besser fühlen,<br />

besser aussehen, bessere Belastbarkeit,<br />

bessere Fitness! Wer auf ganzheitliche<br />

Gesundheits- und Fitnessbetreuung setzt,<br />

ist bei den Holmes Place Health Clubs<br />

bestens aufgehoben. Gesunde Ernährung<br />

und bewusste Bewegung sowie die<br />

persönliche Motivation und der individu-<br />

elle Lebensstil stehen hier im Mittelpunkt.<br />

Beschriebenes Ziel von Holmes Place ist<br />

es, das Bewegungsprogramm mit einem<br />

fachkundigen Gesundheitscoaching sinnvoll<br />

zu ergänzen, um Gesundheit, Bewegung<br />

und Entspannung dauerhaft im<br />

Alltag zu verankern. Mit mehr als 80 Clubs,<br />

250.000 Mitgliedern und 30 Jahren Erfahrung<br />

zählt Holmes Place zu den führenden<br />

Anbietern in Europa. Neben Deutschland<br />

überzeugt man mit Clubs in Österreich,<br />

der Schweiz, Frankeich, Spanien,<br />

Portugal, Polen, Tschechien, Griechenland<br />

und Israel. Nicht zuletzt, dank der<br />

Erweiterung des bloßen Fitnesscentergedankens.<br />

Die großzügigen Trainingsflächen,<br />

Wellness- und Beautybereiche,<br />

die umfangreichen Kursprogramme sowie<br />

die Coaching- und Ernährungsangebote,<br />

lassen viel Raum für individuelle Entfaltung,<br />

Entspannung und Wohlfühlen. Der<br />

neueste Club entsteht derzeit im Herzen<br />

Berlins, direkt am Potsdamer Paltz. Mit<br />

dem 4.500 Quadratmeter großen Areal<br />

vollendet Holmes Place sein Fitness- und<br />

Wellnessangebot in der Hauptstadt.<br />

Ab Oktober <strong>2011</strong> erwartet die Mitglieder<br />

ein aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel<br />

von Wellness, Spa und traditioneller<br />

Fitness. „Wir sprechen hier nicht<br />

nur über einen neuen Club, sondern über<br />

ein einmaliges, neu entwickeltes Wohlfühlkonzept“,<br />

so Ross Periam (Operations<br />

Manager Holmes Place Germany).<br />

Fotos: Holmes Place<br />

Links zum Thema:<br />

www.holmesplace.de


Lifestyle & Trend | HOLMES PLACE | LIVE IT WELL<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 81


82 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong>


Lifestyle & Trend | Begehrenswert | Schön Mini<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 83<br />

Begehrenswert<br />

schön mini<br />

PEN UND LUMIX<br />

Autor: H. G. Teiner<br />

Die sogenannten Systemkameras rücken<br />

näher an die „großen“ digitalen SLR-<br />

Kameras mit Wechselobjektiven und<br />

setzen damit einen neuen Trend im<br />

Bereich der kleinen Digitalknipsen und<br />

Bridgekameras. Die Perspektive des<br />

internationalen Kameramarktes weist<br />

mit Elan in diese Richtung. Das zeigen<br />

insbesondere die erfolgreichen Verkaufszahlen<br />

vom japanischen Markt, der hier<br />

eine Vorreiterrolle inne hat. Die Mini-<br />

Kameras mit wechselbarem „Glas“ tragen,<br />

ausgerüstet mit entsprechend flachen<br />

Pancake-Objektiven, kaum mehr auf: Die<br />

kleinen und leichten Schönheiten lassen<br />

sich jetzt einfach in der Jackentasche<br />

oder in einer Handtasche mitnehmen,<br />

um sie jederzeit zur Hand zu haben und<br />

keinen Schnappschuß mehr zu verpassen.<br />

Wer eine gute, stylische Kamera sucht,<br />

die auf der Party wie auch im Alltag eine<br />

gute Figur macht, sollte sich die neuen<br />

Minis genauer ansehen und sie einmal<br />

in die Hand nehmen. Doch Vorsicht: Die<br />

kleinen Handschmeichler möchte Mann<br />

oder Frau dann vielleicht nicht mehr<br />

hergeben.<br />

Die Panasonic LUMIX GF3 und die<br />

Olympus PEN Mini E-PM1 schaffen es<br />

eine, den digitalen Spiegelreflexkameras<br />

mit großem Sensor vergleichbare, hohe<br />

Bildqualität mit einem viel kleineren<br />

Gehäuse zu kombinieren. Alle Anfänger<br />

können sich über die einfache Menüführung<br />

freuen und Aufsteiger genießen ...<br />

Fotos: Hersteller


84 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Lifestyle & Trend | Begehrenswert | Schön Mini


Lifestyle & Trend | Begehrenswert | Schön Mini<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 85<br />

die, im Vergleich zu älteren Kompaktkameras<br />

mit kleinem Sensor, beeindruckende<br />

Bildqualität. Gemeinsam ist den<br />

beiden Minis der Anschluss: So können<br />

die Micro-Four-Thirds-Objektive (MFT)<br />

beider Hersteller genutzt werden. Was<br />

eine positive Entwicklung für die Zukunft<br />

verspricht, da jeder Hersteller in der<br />

Vergangenheit noch seinen eigenen<br />

Anschluss kreierte und der Kamera-Nutzer<br />

beim Wechsel des Gehäuses, zu einem<br />

anderen Hersteller, gleich die vorhandenen<br />

teuren Objektive mit austauschen<br />

musste.<br />

Panasonic<br />

Lumix GF3<br />

Die LUMIX GF3 enthält geballte Fototechnik<br />

im besonders schlanken und schicken<br />

Alu-Kleid und ist derzeit die kleinste<br />

Wechselobjektivkamera mit integriertem<br />

Blitz. Für eine hervorragende Bildqualität<br />

mit feiner Detailauflösung sorgen, selbst<br />

bei wenig Licht, der Live-MOS-Sensor<br />

und der Bildprozessor Venus Engine FHD.<br />

Das präzise Kontrast-AF-System kann mit<br />

einer sehr schnellen Reaktionszeit überzeugen.<br />

Sogar im Video-Aufnahmeformat<br />

1.920 x 1.080i steht der kontinuierliche<br />

Autofokus zur Verfügung. Die intelligente<br />

Automatik verhilft auch weniger erfahrenen<br />

FotografInnen zu gelungenen<br />

Bildern durch Funktionen wie Gesichtserkennung,<br />

Bewegungserkennung, AF-Verfolgung<br />

und Intelligente Belichtung.<br />

Die neuen iA+-Optionen der Lumix GF3<br />

ermöglichen es jetzt auch, Schärfentiefe,<br />

Belichtung und Weißabgleich einfach<br />

mit dem Finger auf dem Touchscreen zu<br />

regeln. Da fühlen sich die iPhone- und<br />

iPad-User doch gleich wie zu Hause. Die<br />

Empfindlichkeit des Sensors umfasst<br />

einen riesigen Bereich von ISO 160 bis<br />

zu 6.400. Wie war das doch noch in der<br />

guten, alten Analogära: Bei ISO 400 oder<br />

800 war für die meisten Hobbyknipser<br />

Schluss. Insgesamt überzeugt die Lumix<br />

GF3 mit natürlichen, scharfen Bildern und<br />

differenzierter Detail- und Farbwiedergabe,<br />

wie sie bislang keine Kompaktkamera<br />

ihrer Größe bieten konnte.<br />

Eine große Auswahl an unterschiedlichsten<br />

Objektiven macht Lust auf kreatives<br />

Gestalten: Zwölf LUMIX Micro-Four-<br />

Thirds-Objektive (MFT) sind verfügbar.<br />

Der MFT Standard ermöglicht dabei die<br />

Konstruktion kleinerer und leichterer<br />

Objektive als bei anderen Wechselobjektivkameras.<br />

Auch die alten Objektiv-<br />

Schätzchen von Zeiss, Leica, Minolta,<br />

Konica und anderen lassen sich über<br />

Adapter anschließen und für die Digitalära<br />

wiederbeleben.<br />

OLYMPUS<br />

PEN PM1<br />

Mit der PEN-Mini E-PM1 präsentiert<br />

Olympus die weltweit kleinste und leichteste<br />

PEN. Die in sechs Farben erhältliche<br />

Mini-PEN begeistert mit der hervorragenden<br />

Bildqualität einer DSLR und<br />

dem frischen Look einer Kompaktkamera<br />

und ist leicht zu bedienen. Der Olympus<br />

Live Guide bietet EinsteigerInnen die<br />

Möglichkeit, Blende und Schärfentiefe<br />

intuitiv zu steuern, in kleinen Pop-ups<br />

werden die einzelnen Einstellungen<br />

zusätzlich im Menü erklärt. So entstehen<br />

Fotos und Full-HD-Videos in erstklassiger<br />

Qualität ganz einfach auf Knopfdruck.<br />

Zur kreativen Verschönerung<br />

der Aufnahmen sind sechs Art Filter an<br />

Bord. Im Unterschied zur LUMIX GF3 hat<br />

die PEN E-PM1 keinen eingebauten und<br />

ausklappbaren Blitz, dieser wird stattdessen<br />

zum Aufstecken mitgeliefert.<br />

Ein Nachteil der PEN-Systemkameras<br />

der vorhergehenden Generation ist mit<br />

dieser Kamera für immer erledigt: Der<br />

superschnelle Autofokus lässt endlich<br />

auch die Schnappschüsse zum Beispiel<br />

von sich bewegenden Kindern, Freunden<br />

oder Haustieren gelingen.<br />

Dieses kleine Technikwunder bietet zudem<br />

echte Ausbau-Möglichkeiten, wenn<br />

die Ansprüche größer werden. Mit der<br />

großen Auswahl an MFT-Objektiven und<br />

weiterem sinnvollen Zubehör lässt die<br />

PEN Mini keine Wünsche für die Zukunft<br />

offen: Die Bluetooth-kompatible Penpal<br />

Communication Unit ermöglicht zum<br />

Beispiel den drahtlosen Versand der<br />

Fotos, um diese sofort in Social Networks<br />

teilen zu können.<br />

Links zum Thema:<br />

www.panasonic.de<br />

www.olympus.de


86 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Lifestyle & Trend | Begehrenswert | Dell XPS 15z<br />

Elegant<br />

Das neue Notebook<br />

von Dell<br />

Autor: J. M. Brain<br />

Das XPS 15z ist mit einer Höhe von 2,5 cm<br />

eines der weltweit dünnsten Notebooks<br />

der 39,6 cm (15,6 Zoll)-Klasse.<br />

Es vereint stylishes Design mit Rechenpower.<br />

Luxuriöse Materialien wie Aluminium<br />

und Magnesium im Chassis und<br />

die hochwertige Verarbeitung unterstreichen<br />

die gerade Linienführung.<br />

Die Tastatur mit Hintergrundbeleuchtung<br />

setzt zusätzliche Akzente. Nach<br />

dem XPS 15z bringt Dell noch in diesem<br />

Jahr eine ganze Serie ultraschlanker<br />

und leistungsfähiger Notebooks an den<br />

Start. Als idealer Multimedia-Begleiter<br />

verfügt das Notebook über ein stromsparendes<br />

Display mit LED-Hintergrundbeleuchtung<br />

und einer Diagonale von<br />

39,6 cm (15,6 Zoll). Optional ist es mit<br />

Full-HD-Bildschirm (1.920 x 1.080 Punkte)<br />

erhältlich, der 50 Prozent heller ist als<br />

Standard-Displays. Im XPS 15z arbeiten<br />

Intels brandaktuelle Prozessoren – wahlweise<br />

Core i5 oder Core i7. Zusätzlich zu<br />

seiner bis zu 750 GB großen Festplatte<br />

verfügt der Rechner über ein Slot-In-<br />

Laufwerk für CD- und DVD-Medien. Über<br />

den eSATA-Anschluss kann außerdem<br />

eine externe Festplatte angeschlossen<br />

werden. Zwei Grafikchips sorgen für<br />

Multimedia-Genuss: Die NVIDIA-Grafik<br />

zeigt bei anspruchsvoller 3D- oder 2D-<br />

Grafik ihre Stärken. Bei geringer Grafik-<br />

Auslastung schaltet die Optimus-Technologie<br />

auf die Intel-Grafik um und spart<br />

so Energie. Trotz ultraschlanken Designs<br />

hält der Akku bis zu acht Stunden. Optional<br />

ermöglicht das XPS 15z die drahtlose<br />

Übertragung von Bild und Ton an<br />

einen Fernseher oder Projektor. Dafür ist<br />

entweder ein entsprechend vorbereitetes<br />

HD-TV-Gerät oder ein separates Wireless-<br />

Display-Empfangsgerät (WiDi) nötig. Das<br />

XPS 15z ist ab 999 Euro (inklusive Mehrwertsteuer)<br />

auf www.dell.de verfügbar.<br />

Jetzt<br />

gewinnen<br />

Fotos: Dell<br />

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Lifestyle & Trend | Begehrenswert | Dell XPS 15z<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 87


88 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

Design<br />

Or function<br />

Innere Werte<br />

äussere perspektiven<br />

Autor: M. Kay


Lifestyle & Trend | Design Or Function<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 89<br />

Vor noch nicht allzu langer<br />

Zeit wirkten Hersteller von Sportwagen<br />

auf mich ein wenig wie große<br />

Kinder. Das muss nicht zwangsläufig<br />

schlecht sein, insbesondere wenn sie<br />

mit einer kindlichen Unbekümmertheit<br />

schnelle, sportliche Autos entwickeln<br />

und nicht in erster Linie auf Interessen<br />

von Aktionären und Investoren Rücksicht<br />

nehmen. Jedoch überwog nicht das<br />

Kindliche, sondern eher das Kindische.<br />

Wie früher beim Autoquartett überboten<br />

sich die Hersteller mit immer höheren<br />

Werten. Auf jedes zusätzliche PS folgte<br />

prompt die Gegenantwort – als ob der<br />

einzige Sinn der Übung das ewige Übertrumpfen<br />

sei.<br />

Doch eben dieser zahlengesteuerte<br />

Lösungsansatz, gekoppelt an den Zwang<br />

immer mehr Autos profitabel verkaufen zu<br />

müssen, hat nicht unbedingt zur Befriedigung<br />

unserer ästhetischen Bedürfnisse<br />

geführt. Ich liebe schnelle und aus Sicht<br />

der heutigen Zeit „unvernünftige“ Autos<br />

– und ich habe nichts gegen mehr PS<br />

und ein Drehmoment, das ausreicht,<br />

um sämtliche Wohnwagen Hollands zu<br />

ziehen. Allerdings sollten all diese technischen<br />

Superlative mit ebenso viel ästhetischer<br />

Zuwendung bedacht sein. Muss die<br />

Form wirklich unter der Funktion leiden?<br />

Warum kann sie diese nicht unterstreichen<br />

und uns ein ebenso ansprechendes<br />

Äußeres bieten?<br />

Früher war (nicht)<br />

alles besser<br />

Zumindest gab es ein paar Autos, die bis<br />

heute als wahre Designikonen gelten. Ob<br />

es der Mercedes-Benz 300 SL Gullwing ist<br />

oder modernere Vertreter wie der Ferrari<br />

512BBi, eines haben sie gemeinsam: Sie<br />

begeistern durch ihre äußere Schönheit.<br />

So gesehen boten die letzten zwanzig<br />

Jahre eher Magerkost. Lamborghini<br />

bot mit dem Diablo einen obendrein in<br />

schrillen Farben drapierten Testosteron-<br />

Keil, dessen Besitzern man unterbewusst<br />

immer zwielichtige Geschäfte im Rotlichtmilieu<br />

unterstellte.<br />

Wie bei vielen Autos dieser Ära verunstalteten<br />

Spoiler die Karosserie, die aussahen<br />

wie Goldketten am Hals eines Bodybuilders.<br />

Klassische Schönheiten von Aston<br />

Martin waren schlecht verarbeitet und<br />

wirkten wie ein lieblos bestellter<br />

Garten. Mercedes-Benz erlag dem Reiz<br />

der Gigantomanie mit einer S-Klasse vom<br />

Aussehen und den Ausmaßen einem<br />

Panzer gleich, während Ferrari sich mit<br />

dem 348 versündigte, dem man nicht<br />

nur seine Erscheinung, sondern vor allem<br />

seine schlechten Fahreigenschaften vorwerfen<br />

muss. Die Hoffnungen auf die<br />

nächste Stilikone schwanden.<br />

Irgendwann setzte sich die Einsicht durch,<br />

dass die Grenze sowohl des preislichen<br />

als auch vernünftigen Aufwands bei rund<br />

600 PS endet. Alles darüber kostet enorm<br />

viel – etwa der Bugatti Veyron mit über<br />

1000 PS und einem surrealen Preisschild.<br />

Vielleicht reiner Zufall, aber mit dieser<br />

Erkenntnis kehrte der gute Geschmack<br />

zurück.<br />

Die Modelle fingen an, auch wieder mit<br />

ihrem Aussehen für sich zu werben. Der<br />

Drang, etwas zeitlos Schönes zu schaffen,<br />

wurde endlich deutlich. Die Hoffnung auf<br />

eine Stilikone, die man noch in vierzig<br />

Jahren bewundert, lebte wieder auf. Hier<br />

hat sich Europa einig gezeigt und zumindest<br />

stilistisch wieder gewaltigen Kredit<br />

verschafft.


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92 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Lifestyle & Trend | Design Or Function<br />

Bella Italia<br />

Italienische Opulenz<br />

Wenn von Sportwagen die Rede ist, fällt<br />

der Blick als erstes automatisch auf die<br />

Italiener. Keine andere Marke versinnbildlicht<br />

alle Attribute des Supersportwagens<br />

mit einer solchen emotionalen<br />

Wucht wie Ferrari. Mit dem neuen 458<br />

Italia haben die Konstrukteure aus Maranello<br />

sich ein neues Denkmal gesetzt.<br />

Das Auto gilt fahrdynamisch als Messlatte<br />

in seiner Klasse, aber passend zum bereits<br />

Gesagten ist es dazu noch eine wahre<br />

„Bella Macchina“. Sie wird von weichen,<br />

langen Linien dominiert, die so formschön<br />

sind, dass sie einen erotischen Unterton<br />

ausstrahlen. Nichts Überflüssiges stört,<br />

keine Spoiler, keine Macho-Allüren durch<br />

Verbreiterungen, sondern eine perfekte<br />

Harmonie von vorn bis hinten. Der 458er<br />

hat sogar ein richtiges Gesicht mit breit<br />

grinsendem Mund und schelmisch, gar<br />

ironisch dreinblickenden Augen. Das<br />

wirkt sympathisch. Die gläserne Abdeckung<br />

des V8- Motors entblößt das Herz<br />

des Wagens, das dank 570 PS kräftig<br />

pocht. Ein muskulöses, mit drei Auspuffrohren<br />

gesegnetes Heck fügt sich harmonisch<br />

in das Gesamtbild ein. Dieses Auto<br />

vereint Form mit Funktion, eine Zierde<br />

und Ausdruck der neuesten technischen<br />

Möglichkeiten. Kurzum: Aerodynamik in<br />

ästhetischer Vollendung.<br />

Der Lamborghini erscheint dagegen<br />

als das was er schon immer war: Der<br />

neureiche Nachbar mit Geltungsdrang.<br />

Obwohl stets greller und lauter, hat<br />

es Lamborghini geschafft, mit seiner<br />

Kompromisslosigkeit als Inbegriff eines<br />

Supersportwagens zu gelten – zumindest<br />

auf die Art, wie sich kleine Jungs einen<br />

solchen ausmalen und mit einem Poster<br />

an der Wand verewigen würden. Die<br />

geduckte Keilform suggeriert gewaltige<br />

Kraft. Mit dem neuen Aventador ist es den<br />

Designern gelungen, die alte Zuhälterkarren-Optik<br />

abzulegen. Die deutlichen<br />

Anleihen an Stealth-Flugzeuge und der<br />

Verzicht auf Spoiler sind zu beglückwünschen.<br />

Wer nun aber an Understatement<br />

denkt, irrt sich gewaltig, denn wenige<br />

Autos zelebrieren ihren Auftritt derart<br />

pfauenhaft. Die Lufteinlässe saugen nicht<br />

nur Luft, sie sollen einschüchtern – und<br />

im Gegensatz zum Ferrari ist der freie<br />

Blick auf den Motor zum Protzen da.<br />

A Gentleman‘s<br />

Agreement<br />

Das Gegenbeispiel zu den extrovertierten<br />

und verspielten Italienern liefert Aston<br />

Martin. Ob DB 9, Virage oder DBS, alle<br />

Modelle sind ein Paradebeispiel für Gentleman-Gefährte.<br />

Dem Understatement<br />

zum Trotz sind diese Gentlemen jedoch<br />

gestählt durch langjähriges Rudern in<br />

Eton und Oxbridge. Zu beanstanden ist<br />

allenfalls, dass die Karosserien, obwohl sie<br />

wie perfekt sitzende Savile Row Maßanzüge<br />

wirken, wohl alle leider beim selben<br />

Schneider angefertigt wurden. Trotzdem,<br />

eleganter kann Fortbewegung kaum sein.<br />

Auch wenn sie ihre jeweilige Markenästhetik<br />

perfekt verkörpern und vergangenen<br />

Designsünden abgeschworen<br />

haben – ich bezweifle, dass eines dieser<br />

Autos jemals als unvergängliche Ikone ....


Lifestyle & Trend | Design Or Function<br />

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94 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Lifestyle & Trend | Design Or Function


Lifestyle & Trend | Perspektiven | Design Or Function<br />

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im Stile eines Jaguar E-Type oder 300 SL<br />

Gullwing gelten wird. Sie alle sind zweifellos<br />

schön und stilprägend. Aber nur<br />

ein Auto vereint in sich alle notwendigen<br />

Qualitäten.<br />

Deutsche Klassik<br />

Ode an die Sinnlichkeit<br />

Der SLS AMG. Die Reminiszenz hilft,<br />

ist aber nicht ausschlaggebend. Vielmehr<br />

erobern seine klaren Linien unser<br />

Bewusstsein auf ganz ähnliche Weise<br />

wie das legendäre Design von Apple.<br />

Ohne sich aufzudrängen, verlangt es<br />

nach einer zweiten und dritten Betrachtung<br />

und mit jedem Blick entdeckt man<br />

mehr.<br />

Die lange Motorhaube, das kurze Heck, ist<br />

eine Augenweide und Teil einer harmonischen<br />

Gesamtkomposition. Die Flügeltüren<br />

faszinieren, dienen aber in erster<br />

Linie nicht nur der Zurschaustellung,<br />

denn als Cabrio ist der SLS AMG genauso<br />

betörend.<br />

Eine neue Stilikone ist geboren. Hoffen<br />

wir, dass die anderen nachziehen. Lang<br />

lebe die Äußerlichkeit!<br />

Links zum Thema:<br />

www.ferrari.com<br />

www.lamborghini.com<br />

www.astonmartin.com<br />

www.mercedes-amg.com


96 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Die letzte Seite | Was wäre die Welt ohne<br />

Was wäre<br />

die welt ohne<br />

Regenschirm<br />

Autorin: M. Kropf<br />

„I’m singing in the rain”, singt und tanzt<br />

der unwiderstehliche Gene Kelly 1952,<br />

nachdem er seinen Schirm zu(!)klappte.<br />

Und endete ganz wie Max Herres A.N.N.A.<br />

„nass bis auf die Haut“, was ohne Hormone<br />

der blinden Verliebtheit in einer mindestens<br />

einwöchigen Erkältung gipfelt.<br />

Zum Glück für unser aller Gesundheit,<br />

vor allem bei dem jetzt aufkommenden<br />

Herbstwetter, gibt es aber diese glorreiche<br />

Erfindung namens Regenschirm.<br />

Aber wie war die Welt eigentlich ohne?<br />

Damals trug man Regencapes, wunderliche<br />

Wasser abweisende Umhänge mit<br />

Kapuze. Wenn also nicht das feuchte<br />

Wetter die kunstvoll gelegte Frisur zerstörte<br />

– die Kapuze des Capes schaffte<br />

es bestimmt. Natürlich, für Schafhirten<br />

in Schottland, raubeinige Leuchtturmwärter<br />

im hohen Norden und Anhänger<br />

der draußen leben Marken ist das kein<br />

Hinderungsgrund … für die Dame von<br />

Welt sollte Regenwetter dann doch ein<br />

guter Grund sein, am heimischen Herd<br />

zu bleiben. Ja gut, die Damen trugen<br />

auch hübsche Hauben, die die Frisur<br />

erhalten sollten und Wasser abweisen,<br />

aber kalter Regen von vorn ins Gesicht<br />

ist eine der widerlichsten Wettereinflüsse,<br />

die man sich vorstellen kann. Der<br />

erste Regenschirm wurde wohl im Jahre<br />

802 schriftlich erwähnt, damit dem<br />

Geistlichen, dem er gesandt wurde, der<br />

Regen nicht ständig auf sein christliches<br />

Haupt prasselte. Ein Vorreiter der<br />

Geschichte. Denn der Regenschirm<br />

erwuchs eigentlich erst viel später aus<br />

dem Sonnenschirm, der bereits 3000 v.<br />

Chr. des Herrschers würdevollen Kopf<br />

Schatten spendete und in Asien, Afrika,<br />

Persien und Griechenland als Hoheitssymbol<br />

und Demonstration der Zugehörigkeit<br />

verschiedener gesellschaftlicher<br />

Schichten diente. Auch im europäischen<br />

Westen hatte der Schirm herrschaftliche<br />

Symbolik, bis dann im 16. Jahrhundert die<br />

Damen des Adels und der Oberschicht<br />

feststellten, dass er auch ihr süßes<br />

Näschen vor dem Verbrennen schützte.<br />

Bis dahin waren allein die Damen in der<br />

Antike auf diesen praktischen Nutzen<br />

aufmerksam geworden, ohne gleich Herrschaftssymbolik<br />

damit darstellen zu wollen.<br />

Ein Engländer, nicht unerwartet bei<br />

dem bekannten Londoner Miesepeterwetter,<br />

machte den Schirm zum männlichen<br />

Stilelement. Anfänglich noch aus<br />

schwer tragbarem Material und Wachsleinwand,<br />

später aus leichterem Metall,<br />

eleganten Stoffen und nicht selten mit<br />

besonderen Intarsien oder Arbeiten aus<br />

Silber oder Elfenbein. Der Regenschirm<br />

wurde selbstverständliches Modeaccessoire.<br />

Der große Durchbruch für die Frauenwelt<br />

war aber die Erfindung des Herrn<br />

Bergassessor Hans Haupt im Jahre 1928,<br />

der den Schirm mit Teleskoptechnik versah<br />

und damit passend für jede Damenhandtasche<br />

gestaltete. Die Dame von<br />

Welt und jede, die diesem Ideal nacheiferte,<br />

trug Hut, Handschuhe, Handtasche<br />

und darin einen passenden Knirps. Ende<br />

der 30er Jahre gab es auch ein Modell für<br />

den modebewussten Herrn, und da die<br />

Männer seit Mitte des 20. Jahrhunderts<br />

auch ohne Hut aus dem Haus gehen, gibt<br />

es einen eckigen, in die Aktentasche passenden<br />

Knirps. Wie praktisch!<br />

Ein echter Knirps, erkennbar am roten<br />

Punkt, gehört also in jede mehr oder<br />

weniger gut aufgeräumte Umhängeeinheit<br />

der Frau von damals und heute. Auch<br />

in der Tasche mobiler gut aussehender<br />

Männer sollte einer zu finden sein. Denn<br />

einen Stockschirm mitnehmen, nur weil<br />

es nach Regen aussieht? Wie soll man<br />

denn gleichzeitig telefonieren, das Blackberry<br />

bedienen und der Frau an seiner<br />

Seite die Einkaufstaschen tragen?


Die letzte Seite | Was wäre die Welt ohne<br />

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Titelfoto<br />

Foto: M. Marino<br />

(www.mariomarino.com)<br />

Das Titelbild ist Bestandteil der<br />

Exhibition: „Faces of Africa“<br />

(siehe auch ab Seite 38)<br />

Autoren & Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />

H. G. Teiner, J. M. Brain, F. Reip, M. Wendt,<br />

M. Kropf, M. Kay, R. Cziwerny, M. Breuer,<br />

K. Specht, F. Chaubin, A. Tölke, O. Franke<br />

Erscheinungsweise<br />

6-mal jährlich<br />

Anzeigenpreise<br />

Preisliste: 2 | <strong>2011</strong><br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte,<br />

Texte, Illustrationen und Bilder wird keine<br />

Haftung übernommen.<br />

ISSN 2192-9378


<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 99


100 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

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Abbildung zeigt Fahrzeug mit Sonderausstattung.<br />

www.chevrolet.de

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