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bericht über die menschliche entwicklung 2003 - Human ...

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KASTEN 2.2<br />

Im Bericht <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>menschliche</strong> Entwicklung 2002<br />

wurde festgestellt, dass <strong>die</strong> globale Ungleichverteilung<br />

des Einkommens zwar nicht genau definiert<br />

werden kann und ihre Trends zweideutig sind, es<br />

jedoch allgemeinen Konsens bezüglich ihres grotesken<br />

Ausmaßes gibt. Dies hat sich bislang nicht<br />

geändert. Das Einkommen ist (mit einem Gini-Koeffizienten<br />

von 0,66) unter der Weltbevölkerung<br />

ungerechter verteilt als innerhalb der Länder mit<br />

der größten Ungleichverteilung (Brasilien hat zum<br />

Beispiel einen Gini-Koeffizienten von 0,61). (Der<br />

Gini-Koeffizient ist ein Maß für <strong>die</strong> Ungleichverteilung<br />

des Einkommens. Er liegt zwischen null, was<br />

perfekte Gleichverteilung bedeutet, und eins, was<br />

auf völlige Ungleichverteilung hinweist.) Die reichsten<br />

fünf Prozent der Weltbevölkerung beziehen<br />

ein 114-mal höheres Einkommen als <strong>die</strong> ärmsten<br />

fünf Prozent. Die reichsten ein Prozent beziehen<br />

genauso viel Einkommen wie <strong>die</strong> ärmsten 57 Prozent.<br />

Und <strong>die</strong> reichsten 25 Millionen Amerikaner<br />

haben ein Einkommen, dass dem von fast zwei Milliarden<br />

ärmsten Menschen der Welt entspricht (Milanovic<br />

2002, S. 51-92).<br />

Die Ungleichverteilung des Einkommens zu<br />

<strong>über</strong>wachen und in Grenzen zu halten ist nicht nur<br />

wichtig, um <strong>die</strong> Chancen für möglichst viele Menschen<br />

zu verbessern, sondern auch um soziale<br />

Spannungen in (meist städtischen) Regionen mit<br />

großer Ungleichheit zu mindern. Mit zunehmender<br />

Globalisierung und dem billiger und breiter werdenden<br />

Zugang zu Informationen steigt auch das<br />

Bewusstsein für <strong>die</strong> globale Ungleichheit. Die Menschen<br />

vergleichen sich selbst nicht mehr nur mit<br />

ihren Mitbürgern, sie sind sich auch der internationalen<br />

Unterschiede bewusst, was <strong>die</strong> Divergenzen<br />

zwischen den einzelnen Ländern schlimmer – und<br />

gefährlicher – macht. Um <strong>die</strong> wachsenden Spannungen<br />

zu mindern ist es entscheidend, dass alle<br />

Länder von der Entwicklung profitieren.<br />

Es gibt sehr unterschiedliche Erkenntnisse<br />

<strong>über</strong> <strong>die</strong> globale Ungleichverteilung. Sie hängen<br />

von der Methode ab, mit der <strong>die</strong> Ungleichverteilung<br />

analysiert wurde. Ungleichverteilung lässt<br />

sich länder<strong>über</strong>greifend berechnen (indem man<br />

das durchschnittliche Volkseinkommen verwendet),<br />

oder auf alle Menschen der Welt bezogen<br />

(ohne Berücksichtigung von Staatsgrenzen), oder<br />

in Bezug auf <strong>die</strong> Bevölkerung innerhalb eines<br />

Landes.<br />

Länder<strong>über</strong>greifende Ungleichheit<br />

Die internationale Ungleichheit wird für gewöhnlich<br />

durch Vergleiche des jeweiligen Volkseinkommens<br />

pro Kopf gemessen. Die Länder, <strong>die</strong> zu Beginn<br />

des 19. Jahrhunderts das höchste Pro-Kopf-<br />

Einkommen hatten, sind auch heute noch <strong>die</strong> reichsten<br />

Länder, was zeigt, wie hartnäckig <strong>die</strong> Strukturen<br />

der internationalen Ungleichverteilung fortbestehen.<br />

Wie entwickelt sich <strong>die</strong> globale Ungleichverteilung des Einkommens?<br />

Groteske Ausmaße, zweideutige Trends<br />

Westeuropa war im Jahr 1820 gemessen am<br />

Pro-Kopf-Einkommen 2,9-mal reicher als Afrika –<br />

und im Jahr 1992 sogar 13,2-mal reicher (Maddison<br />

2001). In den 1990er Jahren ist das Pro-Kopf-Einkommen<br />

in den reichen OECD-Ländern langsam<br />

aber stetig gestiegen, doch viele Transformationsländer<br />

in Mittel- und Osteuropa, insbesondere <strong>die</strong><br />

GUS, viele Teile Afrikas südlich der Sahara, sowie<br />

einige Länder in Lateinamerika und der Karibik erlebten<br />

wirtschaftliche Stagnation. Gleichzeitig erzielten<br />

bevölkerungsreiche Entwicklungsländer wie<br />

China und In<strong>die</strong>n rasches Wachstum.<br />

Daraus ergibt sich, dass sich innerhalb der<br />

Gruppe der reichen Länder <strong>die</strong> Pro-Kopf-Einkommen<br />

annähern, während sich in den Entwicklungsländern<br />

ein gemischtes Bild ergibt. Wenn man <strong>die</strong><br />

Einkommensdaten entsprechend der Bevölkerungszahl<br />

gewichtet, um <strong>die</strong> relative Bedeutung der<br />

Leistung jedes einzelnen Landes zu erfassen, dann<br />

scheinen sich <strong>die</strong> Durchschnittseinkommen der<br />

Länder einander anzunähern. Die bevölkerungsreichen<br />

Länder sind maßgeblich für solche Trends.<br />

China und In<strong>die</strong>n holen mit ihrem schnellen<br />

Wachstum gegen<strong>über</strong> Industrieländern z.B. in Nordamerika<br />

und Westeuropa auf.<br />

Ungleichverteilung in Bezug auf <strong>die</strong><br />

Weltbevölkerung<br />

In einigen Untersuchungen hat man versucht, <strong>die</strong><br />

Trends der wirklich globalen Ungleichverteilung zu<br />

erfassen – d.h. <strong>die</strong> Verteilung der Einkommen auf<br />

alle Weltbürger, unabhängig von Ländergrenzen.<br />

Aus Einkommenserhebungen lässt sich ablesen,<br />

dass <strong>die</strong> globale Ungleichverteilung, wenn man sie<br />

auf <strong>die</strong>se Weise misst, zwischen 1987 und 1998 gestiegen<br />

ist. Die treibenden Kräfte hinter <strong>die</strong>ser Auseinander<strong>entwicklung</strong><br />

waren:<br />

• ein zunehmendes Einkommensgefälle zwischen<br />

den Reichsten und den Ärmsten aufgrund des im<br />

Verhältnis zu den reichen OECD-Ländern langsamen<br />

Einkommenszuwachses in den ländlichen Regionen<br />

der bevölkerungsreichen asiatischen Länder,<br />

• schnellere Fortschritte in den chinesischen<br />

Städten im Verhältnis zu den ländlichen Regionen<br />

Chinas und im Verhältnis zu In<strong>die</strong>n,<br />

• und ein Rückgang bei der mittleren Einkommensgruppe<br />

der Weltbevölkerung (Milanovic<br />

2002, S. 51-92).<br />

Doch <strong>die</strong>se Schlussfolgerungen halten nicht jeder<br />

Kritik stand, denn der abgedeckte Zeitrahmen<br />

ist zu begrenzt, und es werden Kaufkraftparitäten<br />

(KKP) verwendet, deren Kurse oft ungeeignet sind<br />

und <strong>die</strong> internationalen Preisunterschiede nicht zutreffend<br />

widerspiegeln (siehe Kasten 2.3).<br />

Beim Einsatz alternativer Methoden sind andere<br />

Analysten zu optimistischeren Schlüssen gekommen,<br />

<strong>die</strong> auf eine weltweite Konvergenz bei<br />

den globalen Individual-Einkommen hindeuten.<br />

Nach einem Höhepunkt im Jahr 1970 hatte sich danach<br />

<strong>die</strong> Kluft bis 1995 wieder auf das Niveau von<br />

1950 verringert (Dollar und Kraay 2002, S. 120-<br />

133); Bhalla 2002; Sala-i-Martin 2002). Ein treibender<br />

Faktor in <strong>die</strong>ser Debatte ist der Maßstab der<br />

Ungleichverteilung, der zu Grunde gelegt wird, um<br />

daraus Schlussfolgerungen abzuleiten. Wenn man<br />

mit zusammenfassenden Indikatoren wie dem Gini-<br />

Koeffizienten misst, <strong>die</strong> sich einer einzigen Zahl<br />

darstellen lassen, so scheinen sich <strong>die</strong> Einkommen<br />

einander anzunähern. (Denn so, wie der Gini-Koeffizient<br />

konstruiert ist, legt er größeres Gewicht auf<br />

<strong>die</strong> mittleren Einkommensgruppen und weniger<br />

auf <strong>die</strong> Extremfälle). Dennoch hat in den vergangenen<br />

Jahrzehnten ohne Frage das Einkommensgefälle<br />

zwischen den reichsten und den ärmsten Ländern<br />

zugenommen.<br />

Ungleichverteilung unter der Bevölkerung<br />

einzelner Länder<br />

Das Konzept der nationalen Einkommensunterschiede<br />

wird zu Analyse auf Länderebene angewandt.<br />

Dieses Konzept ist geeignet, um <strong>die</strong> Korrelation<br />

zwischen der Politik eines Landes (meist in<br />

Bezug auf seine wirtschaftliche Offenheit und seine<br />

Umverteilungsmaßnahmen) und seiner Einkommensverteilung<br />

zu analysieren.<br />

In vielen Ländern scheint <strong>die</strong> Ungleichverteilung<br />

des Vermögens und insbesondere des Einkommens<br />

zuzunehmen. In zahlreichen Untersuchungen<br />

hat man versucht, <strong>die</strong> Trends bei der Einkommensverteilung<br />

in großen Länderstichproben im Zeitablauf<br />

zu erfassen. Cornia und Kiiski (2001) schätzen,<br />

dass zwischen den 1980er Jahren und<br />

Mitte/Ende der 1990er Jahre <strong>die</strong> Ungleichverteilung<br />

in 42 von 73 Ländern, für <strong>die</strong> vollständige und vergleichbare<br />

Daten vorliegen, gestiegen ist. In nur<br />

sechs der untersuchten 33 Entwicklungsländer (ausgenommen<br />

Transformationsländer) ist <strong>die</strong> Ungleichverteilung<br />

zurückgegangen, während sie in 17<br />

Ländern gestiegen ist. Mit anderen Worten, innerhalb<br />

der Grenzen <strong>die</strong>ser einzelnen Länder konzentriert<br />

sich <strong>die</strong> Kontrolle <strong>über</strong> Vermögen und Ressourcen<br />

zunehmend in den Händen einiger weniger.<br />

Auch wenn <strong>die</strong>s nicht auf alle <strong>die</strong>se Länder zutrifft,<br />

so begann doch in vielen <strong>die</strong>ser Länder <strong>die</strong><br />

Ungleichverteilung während der Schuldenkrise Anfang<br />

der 1980er Jahre zuzunehmen (Kanbur und<br />

Lustig 1999). Seitdem hat <strong>die</strong> Ungleichverteilung<br />

rasant zugenommnen, insbesondere in der Gemeinschaft<br />

Unabhängiger Staaten (GUS) und in Südosteuropa.<br />

In vielen Ländern Lateinamerikas ist <strong>die</strong><br />

Ungleichverteilung nach wie vor extrem hoch.<br />

Wenn <strong>die</strong> deutliche Zunahme der Ungleichverteilung<br />

anhält, könnte sie schreckliche Auswirkungen<br />

auf <strong>die</strong> <strong>menschliche</strong> Entwicklung und <strong>die</strong> soziale<br />

Stabilität haben (auch auf <strong>die</strong> Gewalt und <strong>die</strong> Kriminalitätsquoten;<br />

siehe Fajnzylber, Lederman und<br />

Loayza 1998 und Bourguignon 2001).<br />

Quelle: Ravallion 2002; Schultz 1998, pp. 307-344; Korzeniewicz und Moran 1997, pp. 1000-1039; Sprout und Weaver 1992, pp. 237-258; Maddison 2001; Milanovic 2002, pp. 51-92, <strong>2003</strong>; Dollar und Kraay<br />

2002, pp. 120-133; Kanbur und Lustig 1999; Bhalla 2002; Sala-i-Martin 2002; Cornia und Kiiski 2001; UNDP 2002e; Fajnzylber, Lederman und Loayza 1998; Bourguignon 2001.<br />

DIE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN ZUR ERREICHUNG DER ZIELE 49

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