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bericht über die menschliche entwicklung 2003 - Human ...

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KASTEN 3.5<br />

Bei jedem ernst gemeinten Versuch, eine erfolgreiche<br />

Kampagne zum Erreichen der Millenniums-<br />

Entwicklungsziele zu starten, muss den von Konflikten<br />

betroffenen Gebieten besondere Aufmerksamkeit<br />

gewidmet werden. In etwa 60 Ländern wurde in<br />

den neunziger Jahren ein gewaltsamer Konflikt ausgetragen.<br />

Abgesehen von den durch sie verursachten<br />

unmittelbaren Verlusten an Menschenleben<br />

können solche Konflikte Volkswirtschaften untergraben,<br />

Regierungen destabilisieren, <strong>die</strong> Infrastruktur<br />

schädigen, <strong>die</strong> Versorgung durch Sozial<strong>die</strong>nste<br />

unterbrechen und Massenfluchten auslösen. Mehr<br />

als 14 Millionen Menschen sind auf Grund von aktuellen<br />

Konflikten oder Konflikten in der jüngeren<br />

Vergangenheit von Hunger betroffen. In Konfliktgebieten<br />

können sich HIV/AIDS und andere Infektionskrankheiten<br />

oft ungebremst ausbreiten. In<br />

Afrika südlich der Sahara sind bei einigen Armeen<br />

mehr als <strong>die</strong> Hälfte aller Soldaten HIV-positiv. Weil<br />

in Kriegszonen <strong>die</strong> Gesundheitsversorgung zusammenbricht<br />

und Frauen auf der Flucht Kinder zur<br />

Welt bringen, steigen <strong>die</strong> Mütter- und Säuglingssterblichkeitsraten<br />

dort häufig steil an.<br />

Eine Analyse der 25 am schlimmsten von Konflikten<br />

betroffenen Länder (zwischen 1960 und<br />

1995) ergibt beträchtliche Unterschiede hinsichtlich<br />

der Verluste an Menschenleben und der wirtschaftlichen<br />

Schäden auf Grund von Kriegen. Äthiopien,<br />

Liberia und Uganda wiesen in Konfliktzeiten beispielsweise<br />

wesentlich höhere Säuglingssterblichkeitsraten<br />

auf als in Friedenszeiten. Im Gegensatz<br />

dazu verzeichneten El Salvador, Guatemala und<br />

Mosambik selbst während des Krieges Raten, <strong>die</strong><br />

unter dem regionalen Durchschnitt lagen. Die Ergebnisse<br />

lassen darauf schließen, dass selbst<br />

während eines laufenden Konflikts politische Maßnahmen<br />

ergriffen werden können, um <strong>die</strong> Verluste<br />

an Menschenleben und <strong>die</strong> wirtschaftlichen Folgen<br />

zu verringern.<br />

Konfliktfolgen für Menschen verringern<br />

Angesichts der Heterogenität und der Komplexität<br />

vom Krieg betroffener Volkswirtschaften lassen sich<br />

nur schwer allgemeingültige politische Rezepte nennen.<br />

Zu den Kriegszielen kann zählen, bestimmte<br />

Regionen von lebenswichtigen Diensten abzuschneiden<br />

(Sudan). Ein Konflikt kann auch Regierungen<br />

empfindlich schwächen und sie der Fähigkeit<br />

berauben, <strong>über</strong>haupt noch Leistungen für irgendeine<br />

Gruppe zu erbringen (wie in Afghanistan,<br />

Sierra Leone und Somalia). Wenn <strong>die</strong> Regierung<br />

ohne andere tragende Strukturen vollständig zusammenbricht,<br />

so kann <strong>die</strong>s besonders gravierende Folgen<br />

für <strong>die</strong> Menschen und <strong>die</strong> Wirtschaft haben<br />

(Uganda). Ländern, <strong>die</strong> in der Lage waren, <strong>die</strong> Folgen<br />

für <strong>die</strong> Menschen und <strong>die</strong> Wirtschaft zu verringern<br />

und in einigen Fällen sogar Fortschritte in<br />

Richtung auf <strong>die</strong> Einhaltung von Entwicklungszielen<br />

zu machen, gelang <strong>die</strong>s nur, wenn alle Haushalte<br />

– auf beiden Seiten der Kampflinie – Zugang zu<br />

Nahrungsmitteln, Basisgesundheitsversorgung und<br />

Grundschulbildung hatten (Guatemala, Mosambik<br />

und Sri Lanka).<br />

Die ausreichende Finanzierung lebenswichtiger<br />

Dienste durch <strong>die</strong> öffentliche Hand kann häufig<br />

selbst dann aufrechterhalten werden, wenn <strong>die</strong> Militärausgaben<br />

kriegsbedingt steigen. Mosambik, Nicaragua<br />

und der Sudan steigerten <strong>die</strong> Sozialausga-<br />

Quelle: Stewart <strong>2003</strong>; Fitzgerald 2001.<br />

Die MEZ und Konfliktländer<br />

ben pro Kopf während ihrer Konfliktzeiten deutlich.<br />

Aber selbst wenn Kürzungen der Sozialausgaben<br />

notwendig sind, sollten <strong>die</strong>se nicht automatisch<br />

<strong>die</strong> Etats für <strong>die</strong> grundlegenden Sozial<strong>die</strong>nste betreffen.<br />

Selbst in Friedenszeiten entfällt auf <strong>die</strong>se<br />

Dienste nur ein Bruchteil der Gesamtsozialausgaben.<br />

Kürzungen der Sozialausgaben werden oft<br />

durch eine Verringerung der <strong>Human</strong>ressourcen verschärft.<br />

Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Lehrer<br />

und Ärzte Konfliktgebiete verlassen. Und <strong>die</strong> Kürzungen<br />

sind mit unvorhersehbaren Zusammenbrüchen<br />

der Mechanismen zur Erbringung von Leistungen<br />

verbunden. Deshalb werden flexible Ansätze<br />

für <strong>die</strong> Bereitstellung von Diensten benötigt, bei<br />

denen man sich auf verschiedene Akteure wie NRO<br />

und quasistaatliche Strukturen stützen sollte. Als in<br />

Mosambik Gebäude des Gesundheits- und Bildungswesens<br />

zu Kriegszielen wurden, experimentierte<br />

man dort mit mobilen Gesundheitsposten und<br />

mobilen Unterrichtsräumen. In El Salvador stellten<br />

beide Konfliktparteien bei drei unterschiedlichen<br />

Gelegenheiten erfolgreich <strong>die</strong> Kämpfe ein, damit<br />

Kinder geimpft werden konnten.<br />

Menschen in Konfliktgebieten sind besonders<br />

anfällig für schwere Unterernährung, weil während<br />

Konflikten <strong>die</strong> Nahrungsmittelproduktion zurückgeht<br />

und normale Hilfsmaßnahmen unterbrochen<br />

werden müssen. Steigende Nahrungsmittelpreise<br />

sind eine enorme Bedrohung für <strong>die</strong> Ernährungssicherheit.<br />

Viele Industrieländer subventionierten<br />

und rationierten zu Zeiten, in denen sie in Kriege<br />

verwickelt waren, Nahrungsmittel, um drastische<br />

Preissteigerungen zu verhindern. Nicaragua vertraute<br />

ebenfalls auf <strong>die</strong>se Mechanismen, um <strong>die</strong><br />

Ernährungssituation von Menschen in Kriegsgebieten<br />

zu verbessern.<br />

In urbanen Gebieten sind solche Maßnahmen<br />

relativ leicht durchzuführen. Gemeinschaften in<br />

ländlichen Gebieten nutzt aber vielleicht eher Unterstützung<br />

für den Agrarsektor in Form von Lieferungen,<br />

Krediten und entlohnter Arbeit. Die Nahrungsmittelausgabe<br />

in Schulen und Gesundheitseinrichtungen<br />

kann den Zugang zu Hilfe ebenfalls verbessern,<br />

ohne <strong>die</strong> Menschen zu zwingen, sich in Lager<br />

zu begeben. Sie fördert zudem den Schulbesuch<br />

und verringert <strong>die</strong> Anreize für Kinder, Soldaten<br />

oder Diebe zu werden.<br />

Die wirtschaftlichen Folggeschäden<br />

von Konflikten begrenzen<br />

Die wirtschaftlichen Konfliktfolgen beeinträchtigen<br />

das <strong>menschliche</strong> Wohlergehen ebenfalls auf vielfältige<br />

Weise. Sie reichen von steigenden Nahrungsmittelkosten<br />

bis zu sinkenden Beschäftigungschancen.<br />

Länder, <strong>die</strong> zwischen 1960 und 1995 am härtesten<br />

von Konflikten betroffen waren, mußten im<br />

Vergleich zu Friedenszeiten alle enorme Rückschläge<br />

beim Wirtschaftswachstum hinnehmen sowie<br />

eine sinkende Exportgüterprouktion, sinkende<br />

Nachfrage und ein verringertes Staatseinkommen<br />

(als Anteil am Bruttoinlandsprodukt). Fast alle Länder<br />

mußten durch <strong>die</strong> enorme Steigerung der Militärausgaben<br />

und gleichzeitig sinkender Staatseinnahmen<br />

steigende Haushaltsdefizite und eine wachsende<br />

Schuldenspirale in Kauf nehmen. Dennoch<br />

konnten einige Länder <strong>die</strong>sen Trend abwenden<br />

oder sogar trotz Kriegen eine beeindruckende Wirt-<br />

schaftsleistung vorzeigen. Sri Lanka beispielsweise<br />

konnte trotz der Konflikte im Land ein Wirtschaftswachstum<br />

von 2 Prozent erzielen.<br />

Länder, <strong>die</strong> in laufende Konflikte verwickelt<br />

sind, sollten sich auf (mindestens) vier zentrale Politikbereiche<br />

konzentrieren:<br />

• Wegen des Zusammentreffens sinkender<br />

Steuereinnahmen mit drastisch steigenden Militärausgaben<br />

ist es in Ländern, <strong>die</strong> in einen Krieg verwickelt<br />

sind, schwierig, <strong>die</strong> Staatseinnahmen aufrechtzuerhalten.<br />

Die für <strong>die</strong> Einnahmenerhebung<br />

verwendeten institutionellen Strukturen müssen<br />

während des Krieges aufrechterhalten werden.<br />

Außerhalb sollten <strong>die</strong> Steuersätze aus der Zeit vor<br />

dem Krieg beibehalten werden, selbst wenn daneben<br />

zusätzliche Abgaben beispielsweise auf Luxuswaren<br />

und kriegsrelevante Güter erhoben werden.<br />

Regierungen könnten auch obligatorische Sparbriefe<br />

ausgeben und Nahrungsmittelhilfe verkaufen, um<br />

neue Einnahmequellen zu erschließen. Nigeria, Sri<br />

Lanka und dem Sudan gelang es in der Tat, in Konfliktzeiten<br />

das Einnahmeniveau (als prozentualer<br />

Anteil am BIP) aufrechtzuerhalten.<br />

• Weil eine drastisch steigende Inflation Unsicherheit<br />

erzeugt und im privaten Sektor zu Spekulation<br />

führt, muss eine galoppierende Inflation verhindert<br />

werden. Sie würde <strong>die</strong> Kontrolle der öffentlichen<br />

Haushalte und der Staatsfinanzen extrem erschweren.<br />

Die Preisfreigabe während Konflikten als<br />

Reaktion auf eine geringe Angebotselastizität ist<br />

eine Hauptursache für eine drastisch steigende Inflation.<br />

In Mosambik beispielsweise führte eine solche<br />

Freigabe zu einem enormen Anstieg der Preise<br />

für rationierte Waren wie Mais, Speiseöl und<br />

Zucker.<br />

• Weil rückläufige Devisenguthaben zu einem<br />

Produktionsrückgang beitragen, ist es wichtig, <strong>die</strong><br />

Devisenguthaben zu sichern. Einige Länder in<br />

Afrika südlich der Sahara erlitten verheerende Hungersnöte<br />

auf Grund einer Kombination von Konflikt,<br />

Produktionsrückgang und Dürre. Um <strong>die</strong> Produktion<br />

aufrechtzuerhalten, sollten sowohl nationale<br />

als auch internationale politische Maßnahmen<br />

darauf abzielen, produktive Importe zu finanzieren.<br />

Hierzu müssen Exportmärkte offen gehalten und<br />

unterstützt werden sowie solche Importe durch Finanzhilfe/Kredite<br />

erleichtert werden. Nationale politische<br />

Maßnahmen sollten auch sicherstellen, dass<br />

verfügbare Devisenguthaben verwendet werden,<br />

um lebenswichtige Güter wie Arzneimittel und Einsatzmittel<br />

für <strong>die</strong> Landwirtschaft zu kaufen. Importkontrollen<br />

wie Quoten und Zölle können genutzt<br />

werden, um zu gewährleisten, dass <strong>die</strong>s geschieht.<br />

• Es muss ein wettbewerbsfähiger realer Wechselkurs<br />

beibehalten werden. Konfliktbetroffene<br />

Länder stehen vor enormen Schwierigkeiten, unter<br />

Bedingungen unsicherer Exporteinnahmen und<br />

Entwicklungshilfezusagen <strong>die</strong> Zahlungsbilanz im<br />

Gleichgewicht zu halten. Mit politischen Maßnahmen<br />

muss ein wettbewerbsfähiger realer Wechselkurs<br />

beibehalten werden, um Exporte nicht zu erschweren.<br />

Angesichts der unvermeidlichen makroökonomischen<br />

Ungleichgewichte, <strong>die</strong> ein Krieg mit<br />

sich bringt, sollten Länder auch danach trachten,<br />

<strong>die</strong> nominalen Wechselkurse zu kontrollieren. In<br />

Angola beispielsweise stieg <strong>die</strong> Inflation zwischen<br />

1991 und 1992 von 160 auf 246 Prozent. Davon waren<br />

arme Angolaner am stärksten betroffen.<br />

92 BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2003</strong>

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